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70. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1959 i.S. B. gegen B. | |
Regeste |
Verantwortlichkeitsklage gegen vormundschaftliche Organe (hier: gegen den Verwaltungsbeirat); Verjährung (Art. 454 f. ZGB). |
Die Schlussrechnung ist gegebenenfalls dem neuen Beirat und dem urteilsfähigen Verbeirateten zuzustellen. |
Form des nach Art. 453 Abs. 2 ZGB erforderlichen Hinweises auf die Bestimmungen über die Geltendmachung der Verantwortlichkeit und der in Art. 453 Abs. 3 ZGB vorgeschriebenen Mitteilung über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung der Schlussrechnung. | |
Sachverhalt | |
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A.- Im Jahre 1949 wurde der Beklagte zum Mitwirkungs- und Verwaltungsbeirat des Klägers ernannt. Im Juni 1952 wurde er in dieser Eigenschaft durch den Amtsvormund S. ersetzt. Am 5. Juli 1952 erstattete er seinen Schlussbericht und seine Schlussrechnung, wonach das Reinvermögen des Verbeirateten, das bei Übernahme der Beiratschaft Fr. 183'880.-- betragen hatte, am 30. Juni 1952 nur noch Fr. 38'686.71 betrug. Im Sitzungsprotokoll der Vormundschaftsbehörde vom 10. Juli 1952 steht: "Der Schlussbericht und die Schlussrechnung sind eingetroffen und vom Amtsvormund genau geprüft worden." Am 11. Juli 1952 bestätigte der Kläger schriftlich, ![]() | 2 |
B.- Am 30. September 1953 beschloss die Vormundschaftsbehörde, die Beiratschaft aufzuheben, was u.a. dem Kläger sowie Rechtsanwalt Dr. G. (der sich zur Übernahme der Vermögensverwaltung bereit erklärt hatte) mitgeteilt wurde. Am 8. Oktober 1953 nahm die Vormundschaftsbehörde vom Schlussberichte des Beirates S. vom gleichen Tage zustimmend Kenntnis und genehmigte die Schlussrechnung dieses Beirates. Am 13. Oktober 1953 schrieb sie Dr. G. was folgt:
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"Durch Zustellung der Copie unserer Verfügung vom 30. September a.c. haben wir Sie darüber informiert, dass wir ... die Beiratschaft aufgehoben haben.. ..
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In der Zwischenzeit hat unsere Behörde die Schlussrechnung des Beirates geprüft und genehmigt und wir übermitteln Ihnen in der Beilage folgende Akten:
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1. Schlussbericht des Beirates.
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2. Kassa- und Vermögensrechnung für die Zeit vom 1. Juli 1952 bis 31. Mai 1953.
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3. Kassa- und Vermögensrechnung für die Zeit vom 1. Juni 1953 bis zum 8. Oktober 1953.
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4.-14 Weitere, hier belanglose Akten).
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C.- Mit Zahlungsbefehl vom 16. Oktober 1954 (der nach einer von den kantonalen Gerichten als zu spät vorgelegt aus den Akten gewiesenen Bescheinigung des Betreibungsamts auf einem Betreibungsbegehren vom 13. Oktober 1954 beruhte) betrieb der durch Rechtsanwalt Dr. G. vertretene Kläger den Beklagten "für Verantwortlichkeitsansprüche" im Betrage von Fr. 20'000.--. Der Beklagte erhob Rechtsvorschlag.
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Mit Zahlungsbefehl vom 12. Oktober 1955 betrieb der Kläger den Beklagten von neuem für die gleiche Forderung. Der Betriebene erhob wiederum Rechtsvorschlag.
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Am 4. Oktober 1956 stellte der Kläger beim Vermittleramt gegen den Beklagten das Vermittlungsbegehren "betreffend Klage auf Schadenersatz im Betrage von Fr. 20'000.--." Nachdem ihm das Vermittleramt am 8. November 1956 den Leitschein ausgestellt hatte, reichte er beim Bezirksgericht am 1. Dezember 1956 eine vom 27. November 1956 datierte Klageschrift ein mit dem Begehren, der Beklagte sei zur Zahlung von Fr. 20'000.-- an ihn zu verurteilen. Am 26. März 1958 erkannte das Bezirksgericht, auf die Klage werde nicht eingetreten, weil der Kläger die zwanzigtägige Frist zur Einreichung des Leitscheins und der Prozesseingabe (Art. 96 der ZPO des Kantons Graubünden vom 20. Juni 1954) versäumt habe.
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D.- Am 23. Mai 1958 stellte der Kläger beim Vermittleramt ein neues Vermittlungsbegehren. Auf Grund des ihm am 12. Juni 1958 ausgestellten Leitscheines leitete er am 23./24. Juni 1958 beim Bezirksgericht die vorliegende Klage ein mit dem Begehren, der Beklagte sei zu verpflichten, ihm Fr. 20'000.-- zu bezahlen. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Diese Einrede wird von den kantonalen Gerichten geschützt, vom Bundesgericht dagegen verworfen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Für den Fall der Verwaltungsbeiratschaft gelten diese ![]() ![]() | 18 |
Der in Art. 453 Abs. 2 ZGB vorgeschriebene Hinweis auf die Bestimmungen über die Geltendmachung der Verantwortlichkeit erfolgt am besten dadurch, dass dem Empfänger der Schlussrechnung nicht bloss mitgeteilt wird, das ZGB enthalte in Art. 426 ff. und Art. 453/55 ZGB Bestimmungen über diesen Gegenstand, sondern dass ihm zugleich der Inhalt dieser Bestimmungen bekanntgegeben wird (wie es z.B. im Kanton Zürich und in Genf üblich zu sein scheint; vgl. KAUFMANN, 2. Aufl., N. 9 zu Art. 453 ZGB, und BGE 76 II 183 Zeilen 11-13). Will man letzteres nicht als geradezu unerlässlich betrachten, wie es der Praxis zu Art. 292 StGB ("Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels", BGE 68 IV 45) entspräche, so ist doch auf jeden Fall notwendig, dass dem Empfänger der Schlussrechnung genau gesagt wird, welche Bestimmungen des ZGB die vormundschaftliche Verantwortlichkeit und die Verjährung der Verantwortlichkeitsklage regeln; mindestens gegenüber einem Laien kann die blosse Erklärung, er werde auf die Bestimmungen über die Geltendmachung der Verantwortlichkeit der vormundschaftlichen Organe hingewiesen, nicht genügen.
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"Hingegen ist sie am 13. Oktober 1953 an den Rechtsvertreter des Klägers gesandt und damit im Sinne von Art. 453 Abs. 2 ZGB rechtsgültig zugestellt worden. Der entsprechende Begleitbrief, der im Original vom Kläger zu den Akten gelegt worden ist, trägt das Datum 13. Oktober 1953 und ist mit einem roten Eingangsstempel des klägerischen Rechtsvertreters vom 14. Oktober 1953 versehen. Ergo ist die Schlussrechnung am 14. Oktober 1953 zugestellt worden, weil der Zeitpunkt des Empfanges entscheidend ist (Kommentar Egger zu Art. 454 N. 8). Die Verjährung für die Verantwortlichkeitsklage begann somit an diesem Tage zu laufen."
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Wann die Schlussrechnung des Beklagten dem Anwalte des am 30. September 1953 aus der Beiratschaft entlassenen Klägers zugesandt wurde und bei ihm eintraf, ist eine Tatfrage. Die Feststellung, welche die Vorinstanz hierüber getroffen hat, ist gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich, sofern sie nicht unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen ist oder offensichtlich auf Versehen beruht. Ob die Übersendung jener Rechnung an den Vertreter des Klägers als Zustellung im Sinne von Art. 453/54 ZGB gelten könne, ist dagegen eine vom Bundesgericht frei zu überprüfende Rechtsfrage.
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a) ... (Es muss als verbindlich festgestellt gelten, dass die Vormundschaftsbehörde dem Vertreter des Klägers mit ihrem Schreiben vom 13. Oktober 1953 auch die unter den Beilagen nicht erwähnte Schlussrechnung des Beklagten zugesandt hat.)
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b) Der rechtlichen Annahme der Vorinstanz, dass damit im Sinne von Art. 453/54 ZGB die Zustellung der Schlussrechnung an den Kläger erfolgt sei, kann hingegen nicht beigepflichtet werden, weil im Schreiben an Rechtsanwalt Dr. G. vom 13. Oktober 1953 der nach Art. 453 ![]() | 26 |
6. Am 13. Oktober 1953 hat die Vormundschaftsbehörde freilich nicht nur dem Vertreter des Klägers geschrieben, sondern auch diesem selber einen Brief geschickt, worin u.a. steht: "Gemäss Gesetz möchten wir Sie nun noch ausdrücklich auf die gesetzlichen Bestimmungen betreffend Geltendmachung der Verantwortlichkeit ![]() | 27 |
7. Dass die Formalitäten, die nach dem Empfang der beiden Schreiben vom 13. Oktober 1953 zu einer gehörigen Zustellung der Schlussrechnung noch fehlten, in einem spätern Zeitpunkt nachgeholt worden seien, hat der Beklagte selber nicht behauptet. Die vorliegenden Akten bieten denn auch keine Stütze für eine solche Annahme. Insbesondere hat das Schreiben der Vormundschaftsbehörde an Dr. G. vom 19. November 1953 mit der Schlussrechnung des Beklagten nichts zu tun. Vielmehr handelte es sich bei diesem Schreiben lediglich darum, dass die Vormundschaftsbehörde dem Vertreter des Klägers Rechenschaft darüber ablegte, wie sie den vom Beklagten an sie zurückerstatteten Honorarbetrag von Fr. 2471.40 verwendet hatte. Auf Grund der vorliegenden Akten muss daher angenommen werden, dass die einjährige Verjährungsfrist des Art. 454 Abs. 1 ZGB (wie auch die zur gleichen Zeit beginnende absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren im Sinne von Art. 455 Abs. 1 ZGB) heute noch gar nicht zu laufen begonnen habe, so dass sich die von den Parteien und den kantonalen Gerichten erörterte Frage der Unterbrechung der Verjährung überhaupt nicht stellt. Darin, dass der Kläger den Beklagten erstmals mit Zahlungsbefehl vom 16. Oktober 1954 betrieb, kann nicht etwa ein den Kläger bindendes Zugeständnis des Inhalts erblickt werden, dass mit dem Empfang der Schreiben vom 13. Oktober 1953 die einjährige ![]() | 28 |
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