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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Januar 1960 i.S. Vormundschaftsbehörde Arlesheim gegen A. | |
Regeste |
Zustellungsdomizil: Beim Wegzug ins Ausland ist eine Partei grundsätzlich verpflichtet, im Hinblick auf ein Verfahren vor Bundesgericht ein schweizerisches Zustellungsdomizil zu verzeigen. Art. 29 Abs. 4 OG (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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A.- Die Vormundschaftsbehörde Arlesheim stellte am 22. Januar 1958 beim Statthalteramt zu Handen des Regierungsrates den Antrag auf Entmündigung des A. nach Art. 370, eventuell Art. 369 ZGB. Mit Entscheid ![]() | 2 |
B.- Gemäss der kantonalen Vormundschaftsordnung (§§ 43 und 46 des EG zum ZGB) zog der Gesuchsgegner den Entscheid des Regierungsrates an das Obergericht weiter. Dessen Präsident schrieb ihm auf seine Rekursschrift vom 31. Dezember 1958 am 19. Januar 1959: ". .. haben Sie alle Ihre Verfehlungen zugegeben, Reue bekundet und für die Zukunft in jeder Weise Wohlverhalten versprochen... Auf die kurze Wohlverhaltenszeit" (gemeint ist: seit 16. Dezember) "und auf Ihr blosses Versprechen kann das Obergericht bei einem Entscheid schon in Februar nicht abstellen. Ihr Wohlverhalten muss länger andauern, damit von der Bevormundung abgesehen werden kann. Um Ihnen diese Chance zu geben, bringe ich den Rekursfall erst im Herbst 1959 vor das Obergericht. Unterdessen wollen Sie sich also eines allseitig korrekten Lebenswandels befleissen. Sie wollen gleichzeitig... Ihre alten Schulden von restlich Fr. 600.--, wie Sie angeben, abzahlen und gleichzeitig... jeden Monat mindestens Fr. 100.--... an den Unterhalt Ihrer Kinder beitragen..."
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Die Vormundschaftsbehörde liess sich am 29. Juli 1959 dahin vernehmen, sie halte eine Abweisung des Rekurses für gerechtfertigt. Sie führte aus, A. zahle an den Unterhalt der Kinder nicht Fr. 100.--, sondern nur Fr. 50.- im Monat, bei einem Monatsverdienst der Ehegatten von durchschnittlich Fr. 975.--. Er neige nach wie vor zu Trunksucht, wie sich aus einem Polizeibericht über einen Vorfall vom 18. Juni 1959 ergebe. Die versorgten Kinder ![]() | 4 |
C.- Nach Einholung eines Berichtes des Statthalteramtes Arlesheim und Einvernahme der Eheleute A. hob das Obergericht am 18. September 1959 den Entmündigungsbeschluss auf. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen: "Es ist unbestritten, dass der Rekurrent in der dem Entmündigungsbeschluss vom 16. Dezember 1958 vorausgegangenen Zeit einen im ganzen liederlichen und lasterhaften Lebenswandel geführt hat. Die Entmündigung nach Art. 370 ZGB war daher, da dieser Lebenswandel zur Verarmung und zur Wegnahme der Kinder führte, durchhaus am Platze. Seither haben sich die Verhältnisse wesentlich gebessert. Zwar hat es wiederum Rückfälle in die Trunkenheit gegeben... Aber doch hat der Rekurrent fast ständig gearbeitet... Auch mit den Schulden ist es wesentlich besser geworden... Dagegen hat A. die ihm unterm 19. Januar 1959 gegebene Empfehlung, an den Unterhalt seiner Kinder jeden Monat mindestens Fr. 100.-- zu leisten, nicht befolgt, indem er zu diesem Zwecke in der Zeit 1.1./21.8.59 nur Fr. 420.--... abführte, was einen Monatsdurchschnitt von nur Fr. 52.50 ergibt... Angesichts dieser erfreulichen Wendung der Dinge besteht heute kein Grund mehr zu der Entmündigung des Rekurrenten..."
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D.- Gegen diesen am 2. Oktober 1959 zugestellten Entscheid richtet sich die vorliegende Berufung der Vormundschaftsbehörde Arlesheim mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides und Bestätigung der vom Regierungsrat ausgesprochenen Entmündigung mit Entzug der elterlichen Gewalt.
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E.- Die dem Gesuchsgegner nach Arlesheim zur Beantwortung gesandte Berufungsschrift wurde, da er dem dortigen Postamt eine neue Adresse im Nachbarort Reinach BL gemeldet hatte, dorthin weitergeleitet. Die am 4. November 1959 zurückgekommene Empfangsbescheinigung lautete: "Reinach, den 2. November Frau Baumann". Binnen der Frist des Art. 61 OG ging keine Antwort ein.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Die Zustellung der Berufung an den Gesuchsgegner zur Beantwortung hat sich als unwirksam erwiesen, da die den Empfang bescheinigende Frau Baumann, seine Schwiegermutter, nach den postalischen Vorschriften (Art. 105 Abs. 2 lit. b der VV I vom 23. Dezember 1955 zum Postverkehrsgesetz) zum Empfang nicht berechtigt war. Weitere Zustellungsmassnahmen waren indessen nicht geboten, da der Gesuchsgegner es unterlassen hatte, vor oder sogleich nach seiner Abreise ins Ausland im Hinblick auf ein Berufungsverfahren entweder eine Adresse im Ausland, wo Zustellungen an ihn bewirkt werden konnten, anzugeben oder aber (im Sinne von Art. 29 Abs. 4 OG) einen Zustellungsbevollmächtigten in der Schweiz zu bezeichnen. Infolgedessen erfuhren die Gerichte des Entmündigungsverfahrens (Obergericht und Bundesgericht) erst Mitte Januar 1960 infolge polizeilicher Erhebungen die Adresse des Fremdenlegionärs gewissermassen zufällig. Wer sich während eines hängigen Verfahrens für längere Zeit von dem den Behörden bekannten Adressort ![]() | 10 |
3. Auf die neue und daher für das Bundesgericht ![]() | 11 |
In sachlicher Beziehung muss es beim Entscheid des Regierungsrates bleiben, der sich auf zutreffende - und denn auch vom Obergericht an sich durchaus gebilligte - Gründe stützt. Die vom Gesuchsgegner erbetene "Chance" ![]() | 12 |
Die ihm vom Obergericht erzeigte Rücksicht war übrigens der Natur der Sache nach nicht geeignet, eine genügend sichere Änderung der Verhältnisse herbeizuführen. Sie konnte keinesfalls im Sinne von Art. 437 ZGB Gewähr für den Wegfall des Entmündigungsgrundes bieten. Nicht nur erreichte die dafür bemessene Frist nicht die in jener Bestimmung vorgeschriebene Mindestdauer, sondern es war von vornherein zu befürchten, eine allfällige Besserung des Verhaltens wäre wesentlich dem Druck des schwebenden Verfahrens zuzuschreiben und nicht als Zeichen nachhaltiger Ertüchtigung des Menschen zu werten.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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