BGE 86 II 59 | |||
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10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Januar 1960 i.S. Kägi gegen Minatti und Gobbo. | |
Regeste |
Art. 47 Abs. 1 OG, Berechnung des Streitwertes. | |
Sachverhalt | |
A.- Isidoro Minatti, Pino de Andreis, Giovanni Gobbo und Diomira Minatti hatten im Hause der Anna Kägi je ein Einzelzimmer gemietet. Am 7. Mai 1958 klagten Isidoro Minatti und Pino de Andreis beim Bezirksgericht Zürich getrennt auf Rückerstattung zuviel bezahlter Mietzinse; Minatti verlangte Zahlung von Fr. 2330.--, de Andreis Zahlung von Fr. 1989.--. Am 20. Mai 1958 verlangte Giovanni Gobbo mit einer gleichartigen Klage beim Bezirksgericht Zürich von Frau Kägi Rückerstattung von Fr. 2090.--. Diomira Minatti klagte am 23. Mai 1958 beim gleichen Gericht gegen die gleiche Beklagte auf Rückzahlung von Fr. 1617.--.
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Alle vier Kläger waren durch die gleiche Rechtsanwältin vertreten. Obschon sie in der für alle vier Fälle gemeinsam durchgeführten Hauptverhandlung vom 6. Juni 1958 erklärte, sie stelle keinen Antrag auf Vereinigung der vier Prozesse, beschloss das Bezirksgericht die Vereinigung mit der Begründung, die Rechtsansprüche aller vier Kläger stützten sich im wesentlichen auf die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe. Die Vertreterin der Kläger reichte in der Folge eine für alle vier Kläger gemeinsame Replikschrift ein. Am 10. Juli 1959 hiess das Bezirksgericht alle vier Klagen gut. Es fertigte nur ein einziges Urteil aus.
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Die Beklagte appellierte an das Obergericht des Kantons Zürich mit dem Antrag, die Klagen des Isidoro Minatti und des Giovanni Gobbo seien abzuweisen. Das erstinstanzliche Urteil wurde, soweit es angefochten war, vom Obergericht am 18. September 1959 bestätigt.
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B.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, die Klagen des Isidoro Minatti und des Giovanni Gobbo abzuweisen.
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Minatti und Gobbo beantragen, auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
In Zivilstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, soweit sie nicht in Art. 45 OG aufgezählt sind, ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren, wenigstens Fr. 4000.-- beträgt (Art. 46 OG). Ob dieser Streitwert erreicht ist, hängt im vorliegenden Falle davon ab, ob die Ansprüche des Isidoro Minatti und des Giovanni Gobbo zusammenzurechnen sind.
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Art. 47 Abs. 1 OG bestimmt hierüber: "Mehrere in einer vermögensrechtlichen Klage, sei es von einem Kläger, sei es von Streitgenossen, geltend gemachte Ansprüche werden, auch wenn sie nicht den gleichen Gegenstand betreffen, zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen."
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Der Ton liegt auf dem dritten Wort dieser Bestimmung. Sie hat den Sinn, dass nur Ansprüche zusammengerechnet werden dürfen, die in ein und derselben Klage geltend gemacht wurden, nicht auch Ansprüche aus verschiedenen Klagen. Die Bestimmung so zu lesen, gebietet Art. 60 Abs. 1 aoG, der mit den Worten begann: "Mehrere in einer Klage. .." und im übrigen gleich lautete wie Art. 47 Abs. 1 OG. Bei dieser alten Fassung konnte nur das Wort "einer" betont werden, weil die Klage nicht als vermögensrechtlich bezeichnet wurde. Auch das Wort "Streitgenossen" zeigt, dass Ansprüche nicht zusammenzurechnen sind, wenn sie Gegenstand einer Mehrheit von Klagen bilden. In diesem Sinne wurden die Art. 60 Abs. 1 aoG und 47 Abs. 1 OG schon bisher ausgelegt (BGE 40 II 75 f., BGE 78 II 182 f.).
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Schon unter der Herrschaft des Art. 60 Abs. 1 aoG konnte jedoch bezweifelt werden, ob das Wort "Klage" den engen Sinn der den Prozess einleitenden Handlung oder vielmehr den weiteren Sinn von "Prozess" hatte, so dass auch Ansprüche, die getrennt geltend gemacht, aber nachträglich in ein und dasselbe Verfahren verwiesen wurden, zusammenzurechnen seien. Im französischen Text des Art. 60 Abs. 1 aoG war nämlich nicht von einer Klage die Rede, sondern es wurde einfach gesagt: "Les divers chefs de conclusions formés par le demandeur ou par des consorts ...". Der italienische Text sprach sogar ausdrücklich von einem Prozess, nämlich mit den Worten: "Più domande formulate in un processo da un attore o da diversi liteconsorti ...".
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Auch die romanischen Texte des Art. 47 Abs. 1 OG offenbaren nicht den Sinn, dass die mehreren Ansprüche schon bei der Einleitung des Prozesses mit ein und derselben Handlung (Klage) geltend gemacht worden sein müssten. Es wird hier einfach von Streitigkeiten bzw. Zivilrechtsstreitigkeiten gesprochen, nämlich französisch mit den Worten: "Les divers chefs de conclusions formés dans une contestation pécuniaire par le demandeur ou par des consorts ..." und italienisch mit der Wendung: "Le diverse pretese fatte valere da un attore o da diversi liteconsorti in una causa civile per diritti di carattere pecuniario ...". Das Bundesgericht begründete denn auch seine Auffassung, dass in dem in BGE 78 II 181 ff. veröffentlichten Falle die Voraussetzungen der Zusammenrechnung nicht erfüllt seien, nicht lediglich mit dem Hinweis darauf, es seien mehrere Prozesse eingeleitet worden. Es fand vielmehr für nötig, beizufügen, die kantonalen Gerichte hätten diese nicht vereinigt, sondern durch getrennte Urteile erledigt.
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Die Frage, ob die nachträgliche Vereinigung getrennt eingeleiteter Verfahren zur Zusammenrechnung der mehreren Ansprüche führen müsse, kann jedoch offen bleiben. Denn jedenfalls könnte eine Vereinigung in Fällen, in denen mehrere Kläger oder mehrere Beklagte vorhanden sind, diese Wirkung nur haben, wenn sie zu einer aktiven oder passiven Streitgenossenschaft führen würde. Das ergibt sich daraus, dass Art. 47 Abs. 1 OG - wie schon Art. 60 Abs. 1 aoG - die mehreren Kläger als Streitgenossen (consorts, liteconsorti) bezeichnet. Erschöpft sich die Vereinigung in einer gleichzeitigen Behandlung mehrerer getrennt angebrachter Klagen, ohne dass die mehreren Kläger oder die mehreren Beklagten dadurch nach kantonalem Prozessrecht die Rechte und Pflichten von Streitgenossen erlangen würden, so ist sie unter dem Gesichtspunkt des Art. 47 Abs. 1 OG nicht zu beachten. Das ist selbst dann nicht anders, wenn sie dazu führte, dass der kantonale Richter seine Entscheide über die mehreren Klagen in einem einzigen mündlichen oder schriftlich ausgefertigten Urteil zusammenfasste (BGE 62 II 166 f.).
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Im Gegensatz zu verschiedenen Zivilprozessordnungen, nach denen der Richter getrennt angehobene Prozesse unter bestimmten Voraussetzungen von Amtes wegen zu einem einzigen vereinigen und dadurch die Streitgenossenschaft herstellen kann (z.B. Tessin Art. 47 Abs. 2, Wallis Art. 40, Neuenburg Art. 42), gestattet das zürcherische Prozessrecht dies nur auf Antrag des Klägers bzw. der mehreren Kläger (STRÄULI/HAUSER Bem. II b vor § 37 ZPO; BIZüR 30 Nr. 62, 31 Nr. 5; vgl. BIZüR 38 Nr. 103). Im vorliegenden Falle wurde kein solcher Antrag gestellt; die Vertreterin der Kläger erklärte im Gegenteil, sie sehe von einem solchen ab. Die "Vereinigung" der vier Prozesse machte die Kläger daher nicht zu Streitgenossen, weshalb die von Isidoro Minatti und Giovanni Gobbo gestellten Ansprüche bei der Bestimmung des Streitwertes nicht zusammenzurechnen sind.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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