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23. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Juli 1960 i. S. M. gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn. | |
Regeste |
1. Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 OG gegen eine im Sinne von Art. 386 ZGB getroffene Massregel (Erw. 1). |
3. Zu Massnahmen im Sinne von Art. 386 ZGB ist sowohl die zuständigerweise den Entmündigungsprozess führende Vormundschaftsbehörde (Erw. 4) wie auch diejenige des jeweiligen Wohnsitzes des Schutzbefohlenen zuständig. Vorbehalt der Frage, nach welchen Grundsätzen bei einem positiven oder negativen Kompetenzkonflikt zwischen diesen beiden Behörden zu entscheiden wäre (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Gegen diese Verfügung führte M. Beschwerde, wurde aber sowohl vom Oberamtmann von Olten-Gösgen wie auch, in oberer Instanz, vom Regierungsrat des Kantons Solothurn abgewiesen. Er hatte namentlich auch die Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde von Trimbach zu vorsorglichen Massnahmen nach Art. 386 ZGB bestritten, und zwar mit der Begründung, dazu wäre "im Rahmen von Entmündigungsverfahren wegen Geisteskrankheit (gemäss Art. 369) das Amtsgerichtspräsidium Olten bzw. bei erfolgter Berufung das Obergerichtspräsidium Solothurn allein zuständig, die gemeindliche Vormundschaftsbehörde ![]() | 2 |
C.- Gegen diesen Entscheid hat M. Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Regierungsrat anzuhalten, "die Sache im Sinne nachstehender Ausführungen (betr. Zuständigkeit und Verweigerung der Anhörung, alles Verletzung ZGB 386, 374 usf.) neu zu beurteilen". In der Begründung bestreitet er, im Unterscheid zu seiner Stellungnahme vor dem Regierungsrat, nicht mehr die sachliche, wohl aber die örtliche Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde von Trimbach. Er führt aus, er habe zwar in Trimbach gewohnt und "die damalige Wohnsitzgemeinde Trimbach" zur Einleitung des Entmündigungsverfahrens gezwungen; nach Anhängigmachung der Klage habe er dann aber Trimbach verlassen und sei nach Dulliken und hierauf (Ende Januar 1959) nach Grenchen gezogen, wo er noch heute Wohnsitz habe. Als örtlich zur Ergreifung von Massnahmen im Sinne von Art. 386 ZGB zuständig sei entgegen der Ansicht des Regierungsrates die Vormundschaftsbehörde des jeweiligen Wohnortes des Schutzbefohlenen zu betrachten, im vorliegenden Fall also diejenige von Grenchen.
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D.- Der Regierungsrat hat anlässlich der Akteneinsendung Gegenbemerkungen angebracht.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die in Art. 386 ZGB vorgesehenen Massregeln sind vorläufiger Natur, wie sich aus dem sie alle betreffenden Randtitel ("Vorläufige Fürsorge") und im besondern aus der Wendung "vorläufige Entziehung der Handlungsfähigkeit" ![]() | 5 |
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3. Die sachliche Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde wird vom Beschwerdeführer mit Recht nicht mehr in Zweifel gezogen; sie ist in Art. 386 ZGB ausdrücklich festgelegt. Umstritten ist nur mehr die örtliche Zuständigkeit: Während der Regierungsrat "die den Entmündigungsprozess führende Vormundschaftsbehörde" für unbedingt und ausschliesslich zuständig hält, ist nach Ansicht des Beschwerdeführers zu Massregeln im Sinne von Art. 386 ZGB ausschliesslich die Behörde des jeweiligen Wohnsitzes des Schutzbefohlenen befugt, also nach Verlegung des ![]() | 7 |
Art. 386 ZGB fasst die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit bei Wohnsitzveränderung während des Entmündigungsverfahrens nicht ins Auge. Ihre Beantwortung kann aber nicht dem kantonalen Recht anheim gegeben werden; es handelt sich vielmehr um eine Lücke des Bundesrechts. Indessen drängt sich keine der möglichen Lösungen dermassen auf, dass eine ausschliessliche Zuständigkeit der einen der in Frage kommenden Vormundschaftsbehörden anerkannt werden müsste. Man wird den zu wahrenden Interessen besser gerecht, wenn man sowohl die - zuständigerweise - den Entmündigungsprozess führende wie auch die Vormundschaftsbehörde des jeweiligen Wohnsitzes des Interdizenden als befugt erachtet, Massnahmen im Sinne von Art. 386 ZGB zu treffen. Ja, es mag mitunter auch ein Einschreiten der Vormundschaftsbehörde eines andern Ortes geboten sein, sei es eines blossen Aufenthaltsortes oder irgendeines Ortes, wo dringend etwas angeordnet werden muss (vgl. KAUFMANN, N. 16/17 und 36, EGGER, N. 43 ff. zu Art. 386 ZGB). In den letztern Fällen liegt freilich in der Regel eine (der Rechtshilfe auf Ersuchen gleich zu achtende) Amtsbesorgung für diejenige Behörde vor, der eigentlich die Betreuung des Interdizenden obliegt, also für eine der soeben in erster Linie genannten Vormundschaftsbehörden. Von diesen ist nun zum Entzug der Handlungsfähigkeit und, als Folge davon, zur Anordnung einer Vertretung gewöhnlich die den Entmündigungsprozess führende, fortlaufend über dessen Ergebnisse unterrichtete Vormundschaftsbehörde am besten in der Lage. Diese die Wirkungen der Entmündigung vorwegnehmende, wenn auch dem endgültigen Entscheid der hiefür zuständigen Behörde nicht vorgreifende Massnahme darf erst getroffen werden, wenn sich die Vormundschaftsbehörde vom Bestehen eines Entmündigungsgrundes überzeugt hat (vgl. BGE 57 II 8), und darüber lässt sich in manchen ![]() | 8 |
Ist somit zwar nicht zur Ergreifung jeglicher Massnahmen im Sinne von Art. 386 ZGB überhaupt nur die den Entmündigungsprozess zuständigerweise führende, also in der Regel die Vormundschaftsbehörde des bei Einleitung dieses Prozesses bestehenden Wohnsitzes des Interdizenden zuständig (wie R. ZIPKES, Die vorläufige Fürsorge vor der Bevormundung, S. 90, annimmt), so besteht doch diese Zuständigkeit, wenn der Interdizend seinen Wohnsitz während des Entmüdigungsprozesses verändert, weiter neben derjenigen der Vormundschaftsbehörde des neuen Wohnsitzes. Es kann dahingestellt bleiben, wie die Wahl zwischen diesen beiden Behörden bei einem positiven oder negativen Kompetenzkonflikt zu treffen wäre, und ob im besondern zum vorläufigen Entzug der Handlungsfähigkeit ein für allemal der das Entmündigungsverfahren zuständigerweise führenden Vormundschaftsbehörde der Vorrang gebühren würde oder die Wahl nach den Umständen des einzelnen Falles zu treffen wäre.
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4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Zwar kann der knappen Bemerkung des Regierungsrates zur Zuständigkeitsfrage nicht ohne Vorbehalt beigestimmt werden. Sie scheint besagen zu wollen, die den Entmündigungsprozess führende Vormundschaftsbehörde sei zum vorläufigen Entzug der Handlungsfähigkeit in allen Fällen zuständig. Sie ist es aber (abgesehen von der Lösung eines allfälligen Kompetenzkonfliktes) nur, wenn sie zur Führung des Entmündigungsprozesses wirklich zuständig ist. Im vorliegenden Falle war (ähnlich wie bei vorsorglichen Massnahmen im Scheidungsprozesse nach Art. 145 ZGB, vgl. BGE 83 II 495) summarisch zu prüfen, ob die Zuständigkeit, an welche sich die Befugnis zu den vorsorglichen Massnahmen knüpft, gegeben sei oder wenigstens nicht sicher fehle. Indessen mag auf sich beruhen bleiben, ob der Regierungsrat, ohne sich darüber in seinem Entscheide zu äussern, die Frage des Wohnsitzes des Beschwerdeführers ![]() | 10 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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