BGE 86 II 291 | |||
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46. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Juli 1960 i. S. Thönen gegen Domag A.-G. | |
Regeste |
1. Eine einstweilige Verfügung in einem Zivilrechtsstreit ist eine der Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 OG unterliegende Zivilsache. | |
Sachverhalt | |
A.- Die Domag AG erhebt als Zessionarin ihres Geschäftsleiters Hans Meier Anspruch auf einen Provisionsanteil von Fr. 18'000.--, den ihr Fritz Thönen aus einem von ihm gemeinsam mit Hans Meier und W. Gautschi vermittelten Liegenschaftenhandel schulde. Sie ging zuerst strafrechtlich gegen Thönen und Gautschi vor, denen sie vorwarf, jenen ihr zukommenden Anteil für sich ertrogen, eventuell veruntreut zu haben. Thönen und Gautschi bestritten jedes Vergehen und erklärten, Meier (bzw. die Domag AG) habe aus diesem Mäklergeschäft nur Fr. 10'000.-- zu gut. Dieser Betrag liege bei Thönen und könne an Meier ausbezahlt werden, wenn dieser seine Anschuldigungen zurückziehe. Der Bezirksanwalt liess Thönen polizeilich vorführen und ordnete eine Hausdurchsuchung bei ihm an zur Feststellung des Vorhandenseins und zur allfälligen Beschlagnahme des angeblichen Deliktsbetrages.
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Thönen übergab der Bezirksanwaltschaft einen Umschlag mit Fr. 10'000.-- und einige Tage später einen zweiten mit Fr. 8000.-- Inhalt. In den Quittungen wurde ihm bestätigt, dieses Geld werde vorläufig nicht Meier (bzw. der Domag AG) ausgehändigt, sondern bleibe zuhanden der Bezirksanwaltschaft hinterlegt "bis zur Erledigung der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit Hans Meier".
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B.- In der Folge gelangte aber der Bezirksanwalt zur Ansicht, das Strafverfahren sei zu sistieren, ohne dass der Ausgang der zivilrechtlichen Auseinandersetzung abgewartet werden müsste. Er stellte mit Schlussbericht vom 6. Januar 1960 in diesem Sinne Antrag an die Staatsanwaltschaft. Diese verfügte die Sistierung am 20. Januar 1960. Schon vorher, am 29. Dezember 1959, hatte der Bezirksanwalt die Rückgabe des bei ihm hinterlegten Betrages von Fr. 18'000.-- an Thönen verfügt. Die Domag AG verlangte neuerdings die Beschlagnahme dieser Summe und zog die Sistierungsverfügung an die kantonale Justizdirektion weiter, jedoch ohne Erfolg. Das Strafverfahren wurde mit dem Entscheid der Justizdirektion endgültig sistiert, und es ist unbestritten, dass damit im Strafverfahren die Verfügung auf Rückgabe der Hinterlage von Fr. 18'000.-- an Thönen rechtskräftig geworden ist.
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C.- Inzwischen hatte die Domag AG einen Zivilprozess gegen Thönen angehoben. Das Hauptbegehren der Klage ging auf Verpflichtung des Beklagten, ihr die bei der Bezirksanwaltschaft Zürich ins Depot gelegte Summe von Fr. 18'000.-- "unbeschwert zu Eigentum herauszugeben" und Verzugszins zu 5% seit 16. Oktober 1959 zu bezahlen. Der Eventualantrag ging auf Zahlung von Fr. 18'000.-- nebst Verzugszins. Zugleich verlangte die Klägerin die vorsorgliche Anordnung, es sei die bei der Bezirksanwaltschaft liegende Hinterlage, sobald sie dort infolge der Erledigung des Strafverfahrens frei werde, der Kasse des Bezirksgerichts zu übergeben und dort bis zum Abschluss des Zivilprozesses zu verwahren. Während der Bezirksgerichtspräsident provisorisch, unter Vorbehalt eines Gerichtsentscheides, verfügte, die Kasse der Bezirksanwaltschaft habe den Betrag von Fr. 18'000.-- bis auf weiteres in Depot zu behalten, hob das Gericht auf Einsprache Thönens diese Massnahme auf und wies das Begehren der -Klägerin um weitere Sperrung der Hinterlage ab, in der Erwägung, es würde sonst eine unzulässige Verarrestierung und vorläufige Urteilsvollstreckung zu Sicherungszwecken verfügt.
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Auf Rekurs der Domag AG verfügte dann aber das Obergericht mit Beschluss vom 12. April 1960, in Anwendung der §§ 127 ff., insbesondere § 131 der zürcherischen ZPO, die bei der Bezirksanwaltschaft hinterlegten Banknoten im Betrage von Fr. 18'000.-- seien, sobald dort frei geworden, der Kasse des Bezirksgerichts zu übergeben und dort bis zur Erledigung des zwischen den Parteien hängigen Zivilprozesses separiert aufzubewahren.
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D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 68 OG gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Beklagten, mit dem Antrag, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die Kasse des Bezirksgerichts Zürich anzuweisen, dem Beschwerdeführer das dort unter Nr. 03/6396 liegende Depot von Fr. 18'000.-- sofort und unbeschwert herauszugeben.
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Die Klägerin trägt auf Abweisung der Beschwerde an. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nach Art. 68 OG zulässig in Zivilsachen, die nicht dem umfassenderen Rechtsmittel der Berufung unterliegen. So verhält es sich hier. Eine anlässlich eines Zivilrechtsstreites getroffene provisorische Massnahme ist als Zivilsache zu betrachten (BGE 74 II 51,BGE 78 II 89). Sodann unterliegen Entscheide über solche Massnahmen nicht der Berufung; denn man hat es dabei weder mit Endentscheiden im Sinne des Art. 48 OG zu tun (vgl.BGE 74 II 177,BGE 77 II 281) noch mit Vor- oder Zwischenentscheiden im Sinne des Art. 50 OG, die unter Umständen mit Berufung angefochten werden können, um (bei gegenteiliger Beurteilung der betreffenden Vor- oder Zwischenfrage) durch einen den Rechtsstreit beendigenden Entscheid des Bundesgerichts ersetzt zu werden (vgl.BGE 71 II 250, BGE 81 II 398, BGE 82 II 170, BGE 84 II 231). Etwas derartiges kommt hier nicht in Frage, da der Entscheid des Obergerichts gar nicht die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche oder eine gegen die Klage erhobene Einrede betrifft. Endlich entspricht die Beschwerdebegründung dem Art. 68 OG, denn es wird im Sinne der lit. a daselbst die Anwendung kantonalen statt des nach Ansicht des Beschwerdeführers massgebenden Bundesrechts gerügt.
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Dies räumt auch das Obergericht ein. Es hält aber für entscheidend, dass hier nur in eventuellem Sinn auf Geldzahlung geklagt wird und das Hauptbegehren auf Herausgabe der vom Beklagten hinterlegten und im Depot gesondert aufbewahrten 18 Banknoten zu Fr. 1000.-- lautet. Der behauptete Anspruch gehe also auf eine Sache, somit sei eine vorsorgliche Massnahme zur Aufrechterhaltung des tatsächlichen Zustandes des Streitgegenstandes gemäss § 131 der zürcherischen ZPO möglich.
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Der Wortlaut der Klagebegehren lässt in der Tat als Gegenstand des Streites in erster Linie das Eigentum an den erwähnten Banknoten erscheinen. Wenigstens ist solches Eigentum ausgedrückt in der Wendung "unbeschwert zu Eigentum herauszugeben", obschon das Begehren nicht etwa die einzelnen Banknoten mit Nennwert und Nummer angibt, sondern als herauszugebende Sache "die Summe von Fr. 18'000.--" bezeichnet, die der Beklagte in zwei Teilbeträgen von Fr. 10'000.-- und Franken 8000.-- bei der Bezirksanwaltschaft ins Depot gelegt habe. Allein auch wenn man das Begehren um unbeschwerte Herausgabe der "Summe von Fr. 18'000.--.. zu Eigentum" als Vindikation der betreffenden Banknoten auffasst, wie es offenbar gemeint ist, kann nach dem Inhalt der Klage, d.h. nach dem ihr zu Grunde liegenden Tatbestand, und namentlich nach dem Sinn und Zweck der bei der Bezirksanwaltschaft erfolgten Hinterlegung, nicht ernstlich in Frage kommen, dass diese Banknoten an die Klägerin zu Eigentum übertragen worden seien oder ihr auch nur ein Pfandrecht daran bestellt worden sei. Unter diesem Gesichtspunkt war im Zwischenverfahren über das Gesuch um eine vorsorgliche Massnahme die materielle Sachlage bereits im Sinn einer unvorgreiflichen Vorprüfung, einer sog. prima-facie-Entscheidung, ins Auge zu fassen. Nur so lässt sich vermeiden, dass eine Partei, der es in Wirklichkeit nur um die Sicherung einer Geldforderung geht, durch Formulierung eines nach dem unbestrittenen oder aus den Akten klar hervorgehenden Tatbestand haltlosen Vindikationsbegehrens die bundesrechtlichen Arrestvoraussetzungen zu umgehen vermöge, wodurch die Gegenpartei ohne zureichenden Grund für die Dauer des Rechtsstreites in der Verfügung über ihr Vermögen gehindert wäre.
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Wie sich aus den insoweit übereinstimmenden Darlegungen beider Parteien und aus den Strafuntersuchungsakten ergibt, lag der Hinterlegung weder ein Vertrag zwischen ihnen selbst noch ein Vertrag des Beklagten mit der Bezirksanwaltschaft zu Gunsten der Klägerin oder des Hans Meier im Sinne von Art. 112 Abs. 2 OR zu Grunde. Ebensowenig beruhte die Hinterlegung auf gerichtlicher Anordnung, wonach sie - wie etwa bei Sicherheitsleistung für Prozesskosten - als Zahlung auf Recht hin zu gelten hätte und dem Begünstigten gesichert wäre, also vom Hinterleger nicht frei widerrufen werden könnte (vgl. BGE 42 III 360 ff.; OSTERTAG, Die Hinterlegung zu Gunsten Dritter, SJZ 19 S. 353 ff.; LEUCH, N. 2 zu Art. 75 der bernischen ZPO). Vielmehr hat der Beklagte die beiden Beträge, ohne dazu vertraglich verpflichtet zu sein, unter dem Druck des gegen ihn angehobenen Strafverfahrens hinterlegt, dessen Auswirkungen ihm, wie das Bezirksgericht hervorhebt, durch die polizeiliche Vorführung eindringlich vor Augen geführt worden waren. Es lag ihm anscheinend daran, auf diese Weise das Vorhandensein des angeblich ertrogenen oder veruntreuten Geldes und seine Bereitschaft zu der ihm allenfalls obliegenden Ersatzleistung kundzutun, um eben den betreffenden Anschuldigungen zu begegnen. Diesem Zweck entsprechend wurde die Hinterlegung hinfällig mit der rechtskräftigen Sistierung des Strafverfahrens, wie sie auch hinfällig geworden wäre mit einem rechtskräftigen Freispruch. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Strafuntersuchungsbehörden die Hinterlegung lediglich als freiwillige Handlung des Beklagten (des damaligen Beschuldigten) zur Kenntnis nahmen und unterstützten oder als von ihm auf sich genommene Beschlagnahme gemäss § 83 oder 96 der zürcherischen StrPO, d.h. als eine konservatorische Massnahme von wesentlich strafprozessualer Natur, betrachteten. Wie dem auch sein mag, haben sie die Hinterlage dem Beklagten durch rechtskräftige Verfügung anlässlich der Sistierung des Strafverfahrens frei gegeben. Daraus ergibt sich, dass sie der Hinterlegung keine Bedeutung ausserhalb des Strafverfahrens beimassen. Eine abweichende Willensmeinung des Beklagten selbst lässt sich nicht etwa aus den Quittungen der Bezirksanwaltschaft herleiten, welche die beiden Geldbeträge "als Depot bis zur Erledigung der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit Hans Meier" in Empfang nahm. Diese Art der Quittierung erklärt sich daraus, dass die Strafuntersuchungsorgane wie auch der Beklagte mit einer dem Abschluss des Strafverfahrens vorausgehenden Erledigung der zivilrechtlichen Streitigkeit rechneten. Dagegen lag ihnen fern, die - bei der Bezirksanwaltschaft, nicht bei einer zivilgerichtlichen Hinterlegungsstelle befindliche - Hinterlage auch nach Sistierung des Strafverfahrens fortbestehen zu lassen. Wenn die Klägerin sich dennoch mit der rechtskräftigen Freigabe der Hinterlage an den Beklagten nicht abfinden wollte, sondern mit ihrer Zivilklage das Gesuch verband, die Kasse der Bezirksanwaltschaft sei anzuweisen, das von ihm dort hinterlegte Geld, "sobald im Strafprozess die Aufhebung des Depots bei der Bezirksanwaltschaft rechtskräftig angeordnet ist", zu weiterer Aufbewahrung an die Kasse des Bezirksgerichts zu leiten, so zielte sie auf eine neue Beschlagnahme auf zivilprozessualer Grundlage ab. Angesichts der im Strafprozess ergangenen Freigabeverfügung stand jedoch fest, dass das in Umschlägen hinterlegte Geld im Eigentum des Beklagten geblieben und der Klägerin bzw. dem Hans Meier daran auch kein Pfandrecht bestellt worden war, was allenfalls durch entsprechende Anweisung an die Hinterlegungsstelle, also die Bezirksanwaltschaft, mit Zustimmung der begünstigten Person hätte geschehen können. Bei der gegebenen Sachlage war die Hinterlage gemäss ihrer auf die Dauer des Strafverfahrens beschränkten Zweckbestimmung in der Tat frei geworden, so dass sich aus der ihr zu Grunde liegenden Verfügung des Beklagten nichts mehr herleiten liess (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu Art. 480 OR). Daher erweist sich vorweg das dem Zahlungsbegehren der Klage vorangestellte Vindikationsbegehren als gänzlich grundlos; denn von einem andern Akt der Eigentumsübertragung auf die Klägerin oder auf Hans Meier ist nicht die Rede. Kann aber das Eigentum an den seinerzeit im Strafverfahren hinterlegten Banknoten nicht ernstlich als Streitgegenstand in Betracht kommen, sondern muss das Vindikationsbegehren nach dem Gesagten als blosser Vorwand für das Gesuch um vorsorgliche (Neu-)Beschlagnahme betrachtet werden, so geht dieses Gesuch nach seinem wahren Inhalt auf Erwirkung einer Sicherungsmassnahme des kantonalen Prozessrechts für die den einzigen wahren Streitgegenstand bildende Mäklerprovision. Somit ist die von der Vorinstanz in Anwendung kantonalen Prozessrechts getroffene Massnahme nichts anderes als ein verschleierter Arrest, der vor der ausschliesslichen bundesrechtlichen Ordnung der Art. 271 ff. SchKG nicht zu Recht bestehen kann.
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Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben und die Sache nach Art. 73 Abs. 2 OG zu neuer Entscheidung (nach eidgenössischem statt kantonalem Recht) an die Vorinstanz zurückzuweisen (was wohl zur Abweisung des nicht zugleich gemäss Art. 271 SchKG begründeten Gesuches führen wird).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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