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53. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Oktober 1960 i.S. Ember gegen Schaffner. | |
Regeste |
Anfechtung der Enterbung wegen Unrichtigkeit der Grundangabe (Art. 479 Abs. 2 ZGB). Natur der Klage. Passivlegitimation des Willensvollstreckers? | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 19. Mai 1953 leitete Frau Johanna Schaffner gegen Frau Frieda Ember beim Bezirksgericht Zürich Klage ein mit dem Begehren, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers seien "gänzlich, eventuell in bezug auf die Enterbung der Klägerin" für rechtsungültig zu erklären und demgemäss sei "die Klägerin als gesetzliche Erbin im Sinne des Art. 462 ZGB anzuerkennen". Sie machte geltend, der Erblasser sei bei Errichtung der angefochtenen Verfügungen nicht urteilsfähig gewesen; auf jeden Fall aber sei ihre Enterbung unbegründet. Die Beklagte erhob in erster Linie die Einrede, die Klage müsse schon deshalb abgewiesen werden, weil sie nur gegen sie als die einzige Erbin, nicht auch gegen den Willensvollstrecker gerichtet sei. Im übrigen bestritt sie die Urteilsunfähigkeit des Erblassers und behauptete, die Enterbung der Klägerin sei gerechtfertigt. Das Bezirksgericht erklärte mit Urteil vom 14. Dezember 1956 die letztwilligen Verfügungen des Erblassers für ungültig, "soweit durch sie die Klägerin enterbt wird", und stellte fest, die Klägerin sei gesetzliche Erbin im Sinne von Art. 462 ZGB. Im übrigen wies es die Klage ab.
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C.- Vor dem Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer), an das beide Parteien appellierten, fand am 29. Oktober 1957 die Appellationsverhandlung statt. Im Anschluss daran beschloss das Obergericht, die Urteilsberatung zu verschieben. Dann ruhte der vorliegende Prozess, ohne förmlich sistiert worden zu sein, mehr als ein Jahr lang, weil der zwischen den nämlichen Parteien hängige Abrechnungsprozess (vgl. BGE 86 II 335 hievor), in welchem zum Teil die gleichen Tatsachen und die gleichen Akten eine Rolle spielten wie im vorliegenden ![]() | 3 |
Mit Eingabe vom 31. Oktober 1958 stellte die Beklagte den Antrag, die Klage sei in Anwendung von Art. 533 und 521 ZGB sowie Art. 137 und Art. 138 Abs. 1 OR wegen Verjährung abzuweisen, weil seit der Verhandlung vom 29. Oktober 1957 weder eine gerichtliche Handlung der Parteien noch eine Verfügung oder Entscheidung des Richters erfolgt sei.
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Am 28. August 1959 hat das Obergericht die Appellationen beider Parteien abgewiesen und das bezirksgerichtliche Urteil bestätigt.
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D.- Gegen das Urteil des Obergerichtes hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, die Klage sei im vollen Umfang abzuweisen. In der Berufungsschrift steht, mit der vorliegenden Berufung erhebe die Beklagte "lediglich noch Einreden, die sich auf die mangelnde Aktiv- (gemeint: Passiv-) legitimation der Beklagten und die Verjährung stützen." In der heutigen Berufungsverhandlung hat die Beklagte erklärt, sie verzichte auf die Einrede, dass auch der Willensvollstrecker hätte eingeklagt werden müssen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Nach den vor Bundesgericht gestellten Anträgen streiten die Parteien nur noch darüber, ob die Enterbung der Klägerin wirksam sei oder ob die Klägerin auf den Viertel des Nachlasses Anspruch habe, den sie auf Grund von Art. 462 Abs. 1 ZGB als Erbteil verlangt und der nach Art. 471 Ziff. 4 ZGB ihren Pflichtteil bildet. Die Klage, mit der ein Enterbter auf den Pflichtteil Anspruch erhebt, ist eine besondere Art der Herabsetzungsklage (BGE 85 II 600). In Bezug auf diese Klage ist der Willensvollstrecker nicht passivlegitimiert (BGE 85 II 601 mit Hinweisen). Die Beklagte hat also mit Recht darauf verzichtet, gegenüber dem heute noch streitigen Klagebegehren einzuwenden, neben ihr hätte auch der Willensvollstrecker belangt ![]() | 7 |
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5. Der durch eine Verfügung von Todes wegen Benachteiligte kann, falls er die ihm nach seiner Auffassung zukommenden Erbschaftswerte noch nicht besitzt, nach dem klaren Sinne des Gesetzes nur durch gerichtliche Klage geltend machen, die Verfügung sei mit einem Ungültigkeitsgrunde behaftet oder verletze seinen Pflichtteil. Um die Verfügung unwirksam zu machen oder auf das erlaubte Mass herabzusetzen, bedarf es in einem solchen Fall eines auf Ungültigkeits- bezw. Herabsetzungsklage hin ergangenen Urteils (es sei denn, dass die Beteiligten sich auf eine von der streitigen Verfügung abweichende Teilung der Erbschaft einigen). Solange ein solches Urteil nicht ergangen ist, stehen dem Benachteiligten die erbrechtlichen Ansprüche, welche die Verfügung ihm abgesprochen hat, nicht zu, sondern besitzt er nur ein durch Klage auszuübendes Anfechtungsrecht. Darin unterscheidet sich seine Stellung wesentlich von derjenigen des Gläubigers zumal einer Geldforderung, der diese schon vor dem Richterspruch innehat und sie z.B. zur Verrechnung verwenden ![]() | 11 |
Ist Gegenstand der Verjährung im Sinne von Art. 521 und 533 ZGB ein Anfechtungsrecht, das durch Klage ausgeübt werden muss, so ist auf der andern Seite aber auch anzunehmen, dass die innert Frist erfolgte Klageeinleitung genüge, um den Kläger gegen einen durch Zeitablauf bewirkten Verlust der Befugnis zu schützen, die Ungültigerklärung oder Herabsetzung der ihn benachteiligenden Verfügung zu verlangen; dies jedenfalls dann, wenn die Klage zuständigenorts und in gehöriger Form eingeleitet worden ![]() | 12 |
Die Verjährungseinrede der Beklagten ist daher von der Vorinstanz zu Recht verworfen worden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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