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62. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Oktober 1960 i.S. Ulrich gegen Hafner. | |
Regeste |
Vorkaufsrecht der Verwandten nach Art. 6 EGG. |
2. Zusprechung des Eigentums an den klagenden Käufer "gegen Barzahlung", Erw. 3 (Art. 656, 665, 963 ZBG; 82 OR). | |
Sachverhalt | |
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B.- Nach erfolglosem Befehls- und Grundbuchbeschwerdeverfahren erhob Hafner beim Bezirksgericht Uster Klage, zunächst gegen Jean und Rosa Ulrich auf Mitwirkung zur Übertragung des Eigentums und Hinfälligerklärung des Vorkaufsrechts des Vaters, in der Folge ferner gegen Rosa Ulrich allein auf gerichtliche Zuweisung des Eigentums gegen Barzahlung.
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Gegen die beiden, den Standpunkt des Klägers schützenden Urteile des Bezirksgerichts vom 15. Oktober 1958 legten die Beklagten Berufung an das Obergericht ein. Dieses vereinigte die beiden Prozesse, wies die Berufungen ab und bestätigte die erstinstanzlichen Entscheide dahin:
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1.- Dem Beklagten Jean Ulrich steht ein gesetzliches Vorkaufsrecht gegenüber der Ausübung des Kaufrechts durch Hafner nicht zu;
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2.- dem Kläger wird das Eigentum an der Liegenschaft zum Preise von Fr. 5.-- pro m2 gegen Barzahlung gerichtlich zugesprochen.
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3.- die Beklagte Rosa Ulrich wird verpflichtet, für den Eingang der Pfandentlassungsbewilligungen bezüglich des Kaufgrundstückes und der darauf lastenden Pfandtitel beim Grundbuchamt Uster auf den Zeitpunkt der vom Kläger zu leistenden Barzahlung besorgt zu sein.
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Beide Vorinstanzen stehen auf dem Standpunkt, Jean Ulrich habe zur Ausübung des den Eltern zustehenden Vorkaufsrechts gemäss Art. 6 und 14 EGG nur im Zusammenhang mit seinen als trölerhaft zu bezeichnenden Bemühungen gegriffen, den Vollzug des von ihm selbst abgeschlossenen Kaufsrechtsvertrags zu verhindern. Das sei rechtsmissbräuchlich; denn das gesetzliche Vorkaufsrecht der Verwandten gemäss Art. 6 ff. EGG diene zur Verwirklichung der in Art. 1 umschriebenen Zwecke dieses Gesetzes: ![]() | 7 |
Hinsichtlich der Übertragung des Eigentums auf den Kläger stimmen die Vorinstanzen darin überein, dass die Voraussetzungen zur gerichtlichen Zusprechung des Eigentums - Kaufsrechtsvertrag und Ausübungserklärung als Erwerbsgrund, Weigerung der Eigentümerin und Verkäuferin, zur Eintragung Hand zu bieten - gemäss Art. 665 Abs. 1 ZGB gegeben seien. Der von der Beklagten vor Obergericht erhobenen Einrede des nichterfüllten Vertrags hat die Vorinstanz in der Weise Rechnung getragen, dass der Zuspruch des Eigentums gemäss Antrag des Klägers gegen Barzahlung erfolgte.
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C.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung von Vater und Tochter Ulrich mit den Anträgen (gekürzt):
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1.- es seien alle Klagebegehren abzuweisen,
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2.- ev. sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Aktenergänzung bezüglich der Frage des Rechtsmissbrauchs und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen,
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4.- die Gerichts- und Parteikosten aller drei Instanzen seien dem Kläger aufzuerlegen.
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Der Berufungsbeklagte Hafner trägt auf Abweisung der Berufung an.
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An Stelle des am 9. März 1960 verstorbenen Jean Ulrich sind dessen Erben in den Prozess eingetreten.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Die Berufungskläger machten unter Hinweis auf BGE 82 II 75 und BGE 84 II 200 zunächst geltend, es komme überhaupt nicht auf die besondern Zwecke an, die der Vorkaufsberechtigte bei der Ausübung seines Rechtes verfolgen möge. Aus den angeführten Entscheiden lässt sich indessen diese Auffassung nicht ableiten. Im erstzitierten stellte sich die Frage, ob der Verzicht des Vorkaufsberechtigten ![]() | 18 |
Das gesetzliche Vorkaufsrecht der Art. 6 ff. EGG ist nicht um seiner selbst willen eingeführt worden. Den berechtigten Personen soll es nicht schlechthin zur Verfügung stehen, nur weil sie sich in einem bestimmten Verhältnis zum Eigentümer (Verwandte und Ehegatten) oder zur Liegenschaft (Pächter, Dienstpflichtige) befinden, wie es z.B. beim Vorkaufsrecht der Miteigentümer nach Art. 682 ZGB der Fall ist. Das Vorkaufsrecht des EGG dient vielmehr den Sonderzwecken, die in Art. 1 dieses Gesetzes umschrieben sind, also in erster Linie agrarpolitischen, wie auch in BGE 82 II 74 hervorgehoben wurde. Wenn daneben auch noch Tendenzen des Familienschutzes zum Ausdruck kommen (vgl. BGE 82 II 468/69 und dort zit. Stellen des Sten.Bull. NR), müssen sie sich doch dem Hauptzweck des Gesetzes - Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes - unterordnen. Diese letztgenannten Tendenzen werden z.B. dadurch berücksichtigt, dass vom Erfordernis der Selbstbewirtschaftung, das im bundesrätlichen Entwurf enthalten war, bei Verwandten abgesehen wird; es spielt nur noch eine Rolle in Spezialfällen (Art. 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, 11 Abs. 2, 12 Abs. 1 EGG). Das darf aber nicht zur Schlussfolgerung verleiten, das Vorkaufsrecht der an und für sich legitimierten Personen dürfe ohne Rücksicht auf die von ihm verfolgten legislatorischen Zwecke, z.B. nur zur Verwirklichung lukrativer ![]() | 19 |
Im vorliegenden Falle ging es dem Vater Ulrich - nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz - nicht um die Erhaltung des streitigen Heimwesens, sondern nur um dessen vorteilhafteren Verkauf. Darin liegt das Zweckwidrige, nicht schon, wie die Vorinstanz sagt, in der Absicht der Vereitelung des Kaufsrechts des Drittkäufers. Solange dem Jean Ulrich die Verkaufsmöglichkeit zu Fr. 5.- per m2 vorteilhaft erschien, dachte er nicht daran, das bäuerliche Gewerbe sich oder seiner Familie zu erhalten; es ging ihm nur um die gewinnbringende Verwertung des Bodens. Um dieses Gewinnstrebens willen war er entschlossen, das Heimwesen zu veräussern Erst als sich dann infolge der Konjunktur auf dem Liegenschaftenmarkt bessere Verkaufsmöglichkeiten zeigten, besann er sich - aufmerksam gemacht durch die Anzeige des Grundbuchamtes (die dieses übrigens mangels einer gültigen, nämlich vom allein legitimierten Eigentümer ausgehenden Anmeldung gar nicht hätte vornehmen sollen, Art. 963 Abs. 1 ZGB, Art. 13 Abs. 3 EGG, BGE 84 II 187, 195) - auf sein Vorkaufsrecht und will nun dieses Institut benützen, um sich bezw. seine Tochter den eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu entziehen. Ein solches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich.
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Die Berufungskläger machen nun allerdings geltend, die tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz seien unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen, weil jene über die von ihnen bestrittene Behauptung des Klägers, Jean Ulrich sei mit einem neuen Kaufsinteressenten in Verbindung getreten, um das Grundstück zu einem höhern Preis zu verkaufen, nicht Beweis geführt hatte. Die Vorinstanz hat jedoch in ihren Erwägungen erklärt, auf die Abnahme dieses Beweises könne verzichtet werden, weil auch ohne dies - d.h. auf Grund der übrigen Beweisführung - angenommen werden müsse, ![]() | 21 |
Aus den gleichen Gründen - ausschliessliche Kompetenz der Vorinstanz zur Beweiswürdigung - kann der Einwand Ulrichs, er könne wegen der Sperrfrist gemäss Art. 218 OR überhaupt nicht an eine Weiterveräusserung der Liegenschaft denken, nicht gehört werden. Zudem ist nicht einzusehen, weshalb er nicht wieder, wie bei Einräumung des Kaufsrechts an Frischknecht, eine Ausnahmebewilligung nach Art. 218bis OR erwirken könnte. Auch der Hinweis auf das seiner Ehefrau und seinen 9 Nachkommen zustehende Vorkaufsrecht vermag die tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht zu erschüttern.
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b) Ob - abgesehen von der zweckfremden Benützung des Vorkaufsrechts nach EGG - dem Jean Ulrich die Befugnis zur Geltendmachung desselben schon deshalb abgesprochen werden müsste, weil er dadurch, dass er namens seiner Tochter den Kaufrechtsvertrag mit Frischknecht abschloss, auf die Geltendmachung des Vorkaufsrechts verzichtet hätte, kann dahingestellt bleiben. Gegen diese Annahme bestehen Bedenken. Das Vorkaufsrecht ist ein dem Berechtigten zustehendes Gestaltungsrecht. Indem Jean Ulrich damals dem Frischknecht das Kaufsrecht einräumte, handelte er ausschliesslich als Vertreter und im Namen der Tochter Rosa; jenes Rechtsgeschäft berührte nur die Rechtssphäre der Tochter als Grundeigentümerin, in keiner Hinsicht aber seine eigene. Es erscheint daher zweifelhaft, wie trotzdem in dem Geschäft eine Verfügung - und eine solche stellt ein Verzicht dar - des Vaters über ein eigenes Recht mitenthalten sein könnte.
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c) Dennoch kommt dem Umstand, dass Jean Ulrich selbst, wenn auch namens der Tochter, den Kaufsrechtsvertrag mit Frischknecht abgeschlossen hatte, im Rahmen des Art. 2 ZGB entscheidende Bedeutung zu. Seine nachherige Geltendmachung des Vorkaufsrechts stellt ein ![]() | 24 |
Die Vorinstanz hat deshalb Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie das Verhalten Ulrichs als vor Art. 2 ZGB nicht haltbar qualifiziert und ihm das Vorkaufsrecht aberkannt hat.
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3. Selbst bei Verneinung des Vorkaufsrechts des Jean Ulrich soll nach der Berufung die Zusprechung des ![]() ![]() | 26 |
Damit erledigt sich auch die von den Berufungsklägern, wie schon vor der Vorinstanz, ferner erhobene Einrede des nichterfüllten Vertrages nach Art. 82 OR.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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