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66. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. November 1960 i.S. E. und H. Steiner gegen Wwe Steiner-Polli und Mitbeklagte | |
Regeste |
Klage auf Teilung einer Erbschaft. Art. 604 ZGB. |
2. Passivlegitimation (Erw. 3). |
3. Wird das Gesamteigentum beibehalten, so besteht mangels Begründung einer andern Gemeinschaftsform die Erbengemeinschaft weiter (Erw. 4). |
4. Eine gemäss Art. 473 ZGB dem überlebenden Ehegatten zugewendete Nutzniessung schliesst den Anspruch der Nachkommen, jederzeit die Teilung zu verlangen, nicht aus (Erw. 5). |
5. Der Berechtigte kann die Nutzniessung unter Vorlegung einer Testamentsabschrift jederzeit im Grundbuch eintragen lassen; Art. 18 GBV (Erw. 6). |
6. Wird dem Teilungsbegehren ein testamentarisches Teilungsverbot (für die Dauer der Nutzniessung) entgegengehalten, das der Kläger verneint, so ist zuerst diese Frage der Testamentsauslegung zu entscheiden (Beweislast desjenigen, der das Verbot geltend macht) und alsdann bei Bejahung des Verbotes ausserdem die eventuelle - nach Art. 521 und 533 ZGB nicht der Verjährung unterliegende - Einrede des Klägers, ein solches Verbot sei rechtswidrig (Art. 519 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) und verletze jedenfalls die ihm als Pflichtteilserben zukommende Rechtsstellung (Art. 522 ZGB). (Erw. 7). | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Der am 29. Januar 1945 verstorbene Karl Steiner-Polli hinterliess als gesetzliche Erben die Witwe Frau Gilda Steiner-Polli und dreizehn Kinder, von denen seither zwei gestorben sind. Er hatte folgendes eigenhändiges Testament errichtet:
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"Der Unterzeichnete... verfügt auf sein Ableben hin bei freiem Willen und Verstand was folgt:
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1) ... (Frauengut).
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2) Der übrige Nachlass soll meine liebe Ehefrau zur lebenslänglichen Nutzniessung erhalten und ist nach deren Tode, d.h. mit Wegfall der Nutzniessung unter meine sämtliche Kinder zu gleichen Teilen zu verteilen.
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3) ... (Tilgung der Schulden).
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4) Zu meinem Testamentsvollstrecker bezeichne ich Herrn Dr. Werner E. 1ten, Rechtsanwalt in Zug.
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Oberwil-Zug, den 15. Juni 1944
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(gez.) Karl Steiner-Polli".
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B.- Am 25. Juli 1945 erstattete der Willensvollstrecker der Vormundschaftsbehörde von Zug einen Liquidationsbericht. Dieser verzeichnet den Vermögensstand bei Eröffnung des Erbganges, die seither vor sich gegangenen Vermögensbewegungen und den "Endstatus". Dabei ist auf der Aktivseite die Liegenschaft in Oberwil mit einem "Übernahmepreis durch die Erben" von Fr. 31'000.-- eingesetzt. Als reiner Nachlass ergibt sich ein Betrag von Fr. 1000.--. Dem Bericht ist ferner zu entnehmen:
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"VI.
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Über die Erbansprüche gilt gemäss Gesetz und testamentarischer Anordnung folgendes:
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1. Frau Wwe. Gilda Steiner-Polli erhält nach Ziffer 2 des erblasserischen Testamentes die lebenslängliche Nutzniessung am gesamten reinen Nachlass.
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2. Die dreizehn Kinder des Erblassers erben zu gleichen Teilen. Jedes Kind erhält somit einen Dreizehntel des reinen Nachlasses zu Eigentum. Vorbezüge sind keine festgestellt.
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Nachdem sich aus dem Vermögensstatus ergibt, dass das Reinvermögen der Erbschaft in der Liegenschaft Wydenstrasse Oberwil-Zug investiert ist, erfolgt die Zuweisung der Erbteile so, dass jedes der dreizehn vorgenannten Kinder des Herrn Karl Steiner-Polli als Eigentümer mit einem Dreizehntel des reinen Liegenschaftswertes partizipiert. Die dreizehn Geschwister bleiben, bis eine anderweitige vertragliche Regelung getroffen ist und vorbehältlich des Nutzniessungsrechtes von Frau Gilda Steiner-Polli Gesamteigentümer an der Liegenschaft Wydenstrasse, Zug-Oberwil, jedes mit einem ideellen Anteil von einem Dreizehntel."
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C.- Für die acht minderjährigen Kinder des Erblassers sprach die Vormundschaftsbehörde die Genehmigung dieses "Teilungsaktes" aus. Die andern Erben gaben keine ausdrückliche Erklärung ab.
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Ein Grundbuchauszug vom 25. August 1958 bezeichnet die Frau Witwe Gilda Steiner-Polli und elf Kinder als "Gesamteigentümer als Erbengemeinschaft". Unter den Dienstbarkeitslasten ist keine Nutzniessung eingetragen.
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D.- Nach ergebnislosen Verhandlungen mit den Miterben reichten am 23. Oktober 1958 Ernst und Hans Steiner gegen ihre Mutter und sechs Geschwister beim Kantonsgericht Zug Klage ein, mit dem Begehren:
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Es sei gerichtlich festzustellen, dass die den Parteien zu Gesamteigentum gehörende Liegenschaft GBP Nr. 1631, Mühlematt, in Oberwil, Stadtgemeinde Zug gelegen, auf klägerisches Begehren hin zu versteigern sei.
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Das Kantonsgericht hat die Klage abgewiesen, ebenso das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 16. Februar 1960.
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E.- Die Kläger haben Berufung an das Bundesgericht eingelegt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Bei einem Nettowert der streitigen Liegenschaft von ![]() | 25 |
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4. Die Kläger wollen, nachdem sie sich mit den Miterben nicht auf eine andere Art der Erbteilung zu einigen vermochten, die Erbliegenschaft gemäss Art. 612 Abs. 2 und 3 ZGB versteigern lassen. In erster Linie ist aber der Teilungsanspruch selbst streitig, den die Kläger ![]() | 27 |
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a) Eine ausdrückliche Vereinbarung, die Erbengemeinschaft während der ganzen Dauer des mütterlichen Nutzniessungsrechtes bestehen zu lassen, haben die Erben nicht abgeschlossen. Das Kantonsgericht nimmt jedoch eine stillschweigende Vereinbarung solchen Inhalts an, während das Obergericht sein Urteil lediglich auf eine testamentarische Anordnung stützt und offen lässt, ob die Erben ausserdem eine dahingehende Vereinbarung getroffen haben. Indessen liegt für die Annahme einer solchen stillschweigenden Vereinbarung nichts Schlüssiges ![]() | 29 |
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6. Umstritten ist, ob eine auf Art. 473 ZGB beruhende volle Nutzniessung von Gesetzes wegen mit dinglicher Wirkung bestehe oder erst durch Eintragung im Grundbuch zur Entstehung gelange (vgl. TUOR, 2. Auflage, N. 18 zu Art. 473 ZGB, mit Zitaten). Laut dem bei den Akten liegenden Grundbuchauszug vom 25. August 1958 ist hier die Nutzniessung bisher nicht eingetragen worden. Der Willensvollstrecker betrachtete offenbar gar nicht die Liegenschaft selbst, sondern die Erbteile in einem abstrakten Sinne als Gegenstand der Nutzniessung. In ![]() | 31 |
"... Wie Sie wissen, bestehen die Erbteile der Kinder im Anteil an der Liegenschaft Wydenstrasse, Oberwil. Jedes Kind ist mit einem Dreizehntel beteiligt, der mit der Nutzniessung der Frau Steiner-Polli belastet ist. Sollte das Haus einmal verkauft werden, so unterliegt der Reinerlös der Nutzniessung der Frau Wwe. Steiner-Polli."
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Das ZGB lässt allerdings die Nutzniessung an einem Vermögen zu (Art. 745 Abs. 1, 766), und ein Anwendungsfall hievon ist eben Art. 473. Das Vermögen ist jedoch keine objektive Einheit im sachenrechtlichen Sinne; eigentlicher Gegenstand der Nutzniessung an einem Vermögen sind daher die einzelnen Sachen und Rechte, aus denen sich das Vermögen zusammensetzt (vgl. LEEMANN, N. 1 zu Art. 766 ZGB; LIEBERMANN, a.a.O. S. 70; für das Erbrecht: ESCHER, 3. Auflage, N. 18-22 zu Art. 462 und N. 22 zu Art. 473 ZGB). Dass im vorliegenden Fall etwas anderes vereinbart worden wäre, ist nicht ersichtlich. Somit kann die Witwe ihr Recht jederzeit noch gemäss Art. 18 der Grundbuchverordnung unter Vorlegung einer Testamentsabschrift eintragen lassen. Andernfalls könnte übrigens aus Art. 473 ZGB noch um so weniger eine Einwendung gegen den Teilungsanspruch nach Art. 604 ZGB hergeleitet werden.
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Bei dieser Sachlage können die Einwendungen der Ungültigkeit (Rechtswidrigkeit, Art. 519 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) und der Herabsetzbarkeit (Art. 522 ZGB) eines testamentarischen Teilungsverbotes nicht verjährt sein. Die Kläger haben - und zwar in guten Treuen, zumal auch angesichts brieflicher Äusserungen des Willensvollstreckers, der angeblich das Testament verfasst hatte - dem Testament ein für die Dauer der Nutzniessung aufgestelltes Teilungsverbot gar nicht entnommen. Somit kann nicht davon die Rede sein, es sei ihnen eine dahingehende Anordnung des Erblassers eröffnet worden, und sie hätten schon vor dem Teilungsprozesse "von der Verfügung und dem Ungültigkeitsgrund" (Art. 521 Abs. 1 ZGB) bezw. "von der Verletzung ihrer Rechte" (Art. 533 Abs. 1 ZGB) Kenntnis gehabt. Als sich die Beklagten gegenüber der Teilungsklage auf ein solches Verbot beriefen, war vorerst eine Auslegungsfrage zu entscheiden, und nur eventuell, bei Bejahung des von den Beklagten behaupteten Teilungsverbotes, fielen jene Einwendungen in Betracht. Um sie geltend zu machen, waren die Kläger zudem nicht auf den Weg einer Ungültigkeits- und Herabsetzungsklage angewiesen. Vielmehr ist ihre Stellungnahme zu einem allenfalls zu bejahenden testamentarischen Teilungsverbot als Erhebung einer Einrede zu betrachten, die nach Art. 521 und 533, je Abs. 3, ZGB nicht verjähren kann. Denn einmal befanden sich die Kläger und die Beklagten gleichermassen kraft des Grundbucheintrages als Gesamteigentümer im Besitz der Erbliegenschaft. Sie hatten also keinen Grund zur Klage binnen bestimmter Frist wie ein gesetzlicher Erbe, der einem in die Erbschaft eingewiesenen und daher in deren Alleinbesitz gelangten Testamentserben diesen Erwerb gestützt auf Ungültigkeit oder Herabsetzbarkeit der Verfügung ganz oder teilweise streitig machen will (vgl. ESCHER, 3. Auflage, N. 11 und 12 zu Art. 521 und N. 6 zu Art. 533 ZGB;BGE 58 II 405). Sodann handelt es sich bei einem Teilungsverbot nicht um ![]() | 36 |
Im vorliegenden Fall erweist sich jedoch die dahingehende Eventualeinrede der Kläger als gegenstandslos, weil deren Hauptstandpunkt, wie bereits ausgeführt, zu schützen und das Vorliegen eines vom Erblasser aufgestellten Teilungsverbotes (wofür die Beklagten beweispflichtig wären) zu verneinen ist. Bei der gegenteiligen Testamentsauslegung, wie sie dem angefochtenen Urteil zu Grunde liegt, hätten übrigens die von den Klägern angetragenen Gegenbeweise abgenommen werden müssen; denn der Wortlaut des Testamentes ist in dieser Frage nicht eindeutig und gibt der von den Klägern vertretenen Auffassung mindestens Raum. Die Kläger durften daher ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Beweismittel für den wahren Verfügungswillen des Erblassers anrufen (BGE 83 II 435 mit Hinweisen). Die Missachtung dieses Rechtes zum Gegenbeweis verstösst gegen Art. 8 ZGB (vgl.BGE 68 II 136). Eine Rückweisung der Sache zu entsprechender Beweisergänzung erübrigt sich jedoch, nachdem der von den Beklagten nur mit der Testamentsurkunde geführte Hauptbeweis gescheitert ist.
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Bei diesem Ausgang der Sache kann auch hier (wie in BGE 85 II 562) offen bleiben, ob und allenfalls wie weit ein testamentarisches Teilungsverbot vor Art. 604 ZGB und im besondern vor der den Pflichtteilserben zukommenden Rechtsstellung standzuhalten vermöge.
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