
In BGE 68 II 65ff. wurde bei Beurteilung der Scheidungsklage eines Ehemannes, der die Ehe gebrochen hatte, freilich ausgeführt, die auf Art. 142 ZGB gestützte Scheidungsklage des ehebrecherischen Gatten müsste in Anwendung von Abs. 2 dieser Bestimmung abgewiesen werden, wenn sich ergäbe, "dass die Zerrüttung überwiegend seiner Schuld zuzuschreiben ist und nicht etwa schon vollständig eingetreten war, bevor der Ehebruch erfolgte"; daher müsse der Richter ungeachtet des spätern Ehebruchs die Ursachen dieser Zerrüttung untersuchen; ein Ehegatte, der an der tiefen Zerrüttung weniger als der andere oder höchstens gleich viel wie dieser schuld sei, habe nach dem Gesetz den Scheidungsanspruch aus diesem Titel, und diesen einmal "erworbenen" Scheidungsgrund verliere er auch durch einen nachträglich selber gesetzten speziellen nicht; die Vorinstanz habe daher die auf Art. 142 ZGB gestützte Klage des Ehemannes nicht abweisen dürfen, ohne die zu ihrer Begründung vorgebrachten tatsächlichen Behauptungen zu untersuchen; die Sache sei deshalb an sie zurückzuweisen, damit sie prüfe, "ob vor dem Ehebruch des Mannes schon eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses eingetreten war, dass ihm die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht zuzumuten war" (a.a.O. S. 68/69). Hieraus könnte geschlossen werden, nach der Auffassung des Bundesgerichtes könne ein Ehegatte, der Ehebruch begangen hat, die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung gegen den Willen des andern einzig dann erreichen, wenn er darzutun vermag, dass schon vor seinem Ehebruch eine tiefe Zerrüttung im Sinne von Art. 142 Abs. 1 ZGB bestanden hatte, und wenn ihm nicht entgegengehalten werden kann, die damals schon vorhanden gewesene Zerrüttung sei vorwiegend seiner Schuld zuzuschreiben. Im Falle BGE 68 II 65ff. handelte es sich jedoch nicht darum, in abschliessender Weise festzustellen, unter welchen Voraussetzungen ein Ehebrecher die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung durchsetzen kann. Vielmehr war nur zu entscheiden, ob der damalige Kläger beim Zutreffen seiner (von der Vorinstanz nicht überprüften)
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Sachdarstellung diese Möglichkeit habe. Zu dieser Sachdarstellung gehörte die Behauptung, die Ehe sei (namentlich wegen der Streitsucht der Ehefrau) schon vor seinem Ehebruch tief zerrüttet gewesen. Dies war das entscheidende Argument des Klägers dafür, dass er trotz seinem Ehebruch die Scheidung verlangen könne. Unter diesen Umständen konnte sich das Bundesgericht in jenem Falle auf die Feststellung beschränken, die Klage sei trotz dem Ehebruch des Klägers zu schützen, wenn sich ergeben sollte, dass die Ehe schon vorher ohne vorwiegende Schuld des Klägers tief zerrüttet war. Zu andern Eventualitäten Stellung zu nehmen, hatte es keinen Anlass. Seine damaligen Ausführungen haben daher in Wirklichkeit nicht die allgemeine Bedeutung, die ihnen nach ihrem Wortlaut beigemessen werden könnte. Die Annahme, dass ein des Ehebruchs schuldiger Gatte die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung in keìnem andern als dem erwähnten Falle durchsetzen könne, wäre denn auch sachlich nicht gerechtfertigt und mit dem Sinne von Art. 142 ZGB, wonach die Frage der Zerrüttung und des Verschuldens daran grundsätzlich vom Standpunkte der Gegenwart aus zu beurteilen ist, nicht verträglich. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Ehe der heutigen Parteien schon vor dem Ehebruch der Klägerin mit X. so tief zerrüttet gewesen sei, dass die Klägerin schon damals die Scheidung hätte verlangen können. Um die Gutheissung ihrer Klage zu rechtfertigen, genügt die Feststellung, dass die Ehe jedenfalls heute im Sinne von Art. 142 Abs. 1 ZGB tief zerrüttet ist, ohne dass dafür vorwiegend ihre eigene Verfehlung verantwortlich wäre. Damit soll nicht etwa gesagt werden, bei der Beurteilung der Klage eines Ehegatten, der die Ehe gebrochen hat, komme es überhaupt nie darauf an, ob schon vor seinem Ehebruch eine nicht vorwiegend von ihm verschuldete tiefe Zerrüttung bestanden habe. Wenn das ehebrecherische Verhältnis zur Zeit der Klage noch andauert, besteht nach der Lebenserfahrung eine starke Vermutung
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dafür, dass dieses Verhältnis der Hauptgrund dafür ist, dass der Kläger die Scheidung verlangt. In solchen Fällen kann beim Entscheid darüber, ob dem Kläger die Fortsetzung der Ehe noch zugemutet werden könne (vgl. BGE 78 II 301) und ob verneinendenfalls die tiefe Zerrüttung vorwiegend seiner Schuld zuzuschreiben sei, von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob er die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung schon vor dem Ehebruch hätte verlangen können oder nicht (vgl. z.B. die Urteile des Bundesgerichtes vom 4. Oktober 1957 und 10. Juli 1958 i.S. Eheleute E., zusammengefasst bezw. abgedruckt in ZR 1959 Nr. 134). Ähnlich kann es sich auch verhalten, wenn das illegitime Verhältnis zwar beendet ist, aber Anzeichen dafür bestehen, dass der Kläger die Fortsetzung der Ehe hauptsächlich wegen der Nachwirkungen dieses Verhältnisses ablehnt. Mit einem solchen Falle hat man es hier aber nicht zu tun. Die Klägerin und X. haben ihre unerlaubten Beziehungen abgebrochen, weil sie einsahen, dass eine dauernde Verbindung zwischen ihnen nicht in Frage komme, und die Klägerin wäre bereit gewesen, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen, wenn der Beklagte seinerseits den hiefür nötigen guten Willen aufgebracht und sich gegen die Einmischungen seiner Verwandten gewehrt hätte. Hieran hat er es aber eben fehlen lassen. Bei dieser Sachlage könnte die heute bestehende tiefe Zerrüttung auch dann nicht vorwiegend der Klägerin zur Last gelegt werden, wenn man annähme, das Zerwürfnis sei vor dem Ehebruch noch nicht so tief gewesen, dass sie schon damals die Scheidung hätte verlangen können.