BGE 87 II 12 | |||
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3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Januar 1961 i.S. Sch. gegen Sch. | |
Regeste |
Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit. | |
Sachverhalt | |
A.- Frau Sch. erklärte am 6. Januar 1959 bei einer Eheschutzverhandlung auf Befragen, ehelicher Verkehr habe seit Oktober 1956 nicht mehr stattgefunden. Die bei ihr bestehende Schwangerschaft sei dadurch entstanden, dass sie sich anfangs November 1958 mit von ihr gefundenem Sperma ihres Mannes selber befruchtet habe. Sie habe nicht etwa mit einem andern Manne verkehrt. Der Ehemann bestätigte, dass der eheliche Verkehr vor mehr als zwei Jahren eingestellt worden sei, bezeichnete dagegen die Angaben der Ehefrau über die Entstehung ihrer Schwangerschaft als unwahr und behauptete, diese müsse vom Umgang mit einem Dritten herrühren.
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B.- Am 12. Mai 1959 erhob der Ehemann Klage auf Scheidung der Ehe wegen Ehebruchs der Frau, eventuell wegen tiefer Zerrüttung. Nachdem die Ehefrau am 30. Juli 1959 das Mädchen C. geboren hatte, reichte er am 1. September 1959 Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit dieses Kindes ein. In der am 14. September 1959 erstatteten Antwort auf die Scheidungsklage sowie bei dem am 9. Oktober 1959 durchgeführten Sühnversuch im Anfechtungsprozess hielt die Ehefrau an ihren Angaben über die Einführung von Sperma des Ehemannes fest, erklärte aber, es sei unrichtig, dass seit Oktober 1956 kein ehelicher Verkehr mehr stattgefunden habe. Vielmehr sei es bis zum 18. Juni 1959 immer wieder von Zeit zu Zeit zu solchem Verkehr gekommen, so besonders auch in der Empfängniszeit; am 6. Januar 1959 habe sie nur deshalb das Gegenteil behauptet, weil der Ehemann dies von ihr verlangt habe und sie sich von ihm habe einschüchtern lassen. Der Ehemann blieb bei seiner frühern Darstellung.
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C.- Im ausdrücklichen Einverständnis beider Parteien ordnete der Gerichtspräsident unmittelbar nach dem (fruchtlos verlaufenen) Sühnversuch vom 9. Oktober 1959 die Durchführung einer Blutuntersuchung an. Das Gerichtlich-medizinische Institut der Universität Basel (Oberarzt Dr. M. Lüdin) kam in seinem Gutachten vom 23. März 1960 auf Grund der übereinstimmenden Ergebnisse seiner eigenen Untersuchungen (Bestimmung der klassischen Blutgruppen sowie der Faktoren M/N, Rhesus, Kell und Duffy a) und der von ihm veranlassten Paralleluntersuchung durch das Zentrallaboratorium des Blutspendedienstes des Schweiz. Roten Kreuzes in Bern zum Schluss, der Ehemann sei als Vater des Kindes C. auszuschliessen, weil er die beim Kind vorhandene Bluteigenschaft Cw nicht besitze, die bei der Mutter fehle und die das Kind daher von seinem Vater geerbt haben müsse.
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D.- In Übereinstimmung mit dem Amtsgerichte Laufen hat der Appellationshof des Kantons Bern mit Urteil vom 14. Juli 1960 das Kind C. als aussereheliches Kind der Frau Sch. erklärt mit der Begründung, die - nach allen Regeln der Kunst durchgeführte - Blutuntersuchung habe den nach Art. 254 ZGB erforderlichen Beweis erbracht, dass der Kläger unmöglich der Vater dieses Kindes sein könne. Die Zeugung durch einen Dritten sei übrigens auch deshalb sehr wahrscheinlich, weil die Mutter anfänglich zugegeben habe, dass sie mit dem Kläger seit Oktober 1956 nicht mehr geschlechtlich verkehrt habe, und weil ihre nachträgliche Bestreitung wie auch die Behauptung einer künstlichen Befruchtung mit Samen des Klägers äusserst unglaubhaft seien.
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E.- Gegen dieses Urteil haben die Beklagten die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Anfechtungsklage. Der Kläger schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.
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In einem vom Instruktionsrichter eingeholten gutachtlichen Berichte vom 30. November 1960 hat Dr. A. Hässig, der Direktor des Zentrallaboratoriums des Blutspendedienstes des Schweiz. Roten Kreuzes in Bern erklärt, der 1946 entdeckte Rhesusfaktor Cw werde mit praktischer Sicherheit entsprechend den Mende l'schen Erbgesetzen dominant von den Eltern auf die Kinder vererbt. Bei einer lege artis durchgeführten Cw-Bestimmung sei die Gefahr von Fehlbestimmungen nicht grösser als bei der Bestimmung der übrigen Rhesusfaktoren (C, c, D, E, e). Da ein Cw-Ausschluss in erbbiologischer und serologischer Hinsicht einem Rhesus-Ausschluss auf Grund der Merkmale C, c, D, E, e als gleichwertig zur Seite zu stellen sei, erscheine es ihm (dem Experten) als gerechtfertigt, einem solchen Ausschluss wie den erwähnten andern Rhesus-Ausschlüssen das Prädikat der "an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" zuzuerkennen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach der neuern Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann die Blutprobe zu diesem Nachweis dienen; die Unmöglichkeit der Vaterschaft des Ehemannes ist als erwiesen zu betrachten, wenn eine einwandfrei durchgeführte Blutuntersuchung seine Vaterschaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschliesst und bereits durch andere Beweismittel Tatsachen dargetan sind, die eine aussereheliche Erzeugung des Kindes als möglich erscheinen lassen, was zutrifft, wenn Ehebruch der Mutter bewiesen oder wenigstens glaubhaft gemacht ist (BGE 71 II 54ff.,BGE 79 II 17ff., BGE 82 II 503 /504 lit. e). Dass der Kläger vorerst stichhaltige Gründe zu Zweifeln an seiner Vaterschaft dartut, hat nach diesen Entscheiden mit Rücksicht auf die Ehre der Mutter als Voraussetzung für die Anordnung der Blutprobe zu gelten. NachBGE 79 II 20ist das Vorhandensein von Anhaltspunkten für einen Ehebruch der Mutter aber auch insofern von wesentlicher Bedeutung, als es die Rechtfertigung dafür liefert, beim Vorliegen eines Untersuchungsbefundes, der die Vaterschaft des Ehemannes nicht mit absoluter Sicherheit, sondern nur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschliesst, die zwar äusserst geringe, aber theoretisch immerhin noch bestehende Möglichkeit eines Fehlers zu vernachlässigen und den Nachweis, dass der Kläger unmöglich der Vater sein könne, als erbracht zu betrachten.
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Die Blutuntersuchung ist nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nach allen Regeln der Kunst durchgeführt worden. Die Schlussfolgerung des Experten Dr. Lüdin lautet kategorisch, der Kläger sei als Vater des Kindes C. auszuschliessen. Aus dem Berichte von Dr. Hässig ergibt sich, dass ein Cw-Ausschluss, wie er nach dem Gutachten von Dr. Lüdin vorliegt, gleich wie ein Ausschluss auf Grund der Bestimmung der Rhesusfaktoren C, c, D, E, e das Prädikat der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit verdient. Auch hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Untersuchungsergebnisses sind also die Voraussetzungen erfüllt, von denen die Verwendung eines Blutbefundes im Prozess auf Anfechtung der Ehelichkeit abhängt.
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"Können wir Mediziner den Beweis der Unmöglichkeit durch unsere Blutgruppenuntersuchungen erbringen? Wir sind der Auffassung, dass wir durch die Formulierung, jemand sei mit Wahrscheinlichkeit als Vater auszuschliessen, die äussere Grenze des noch Verantwortlichen erreichen. Es handelt sich ja um biologische Untersuchungen, die nie den Begriff der Unmöglichkeit zulassen werden. Je nach Blutgruppensystem, in welchem der Ausschluss erfolgt, soll diese Wahrscheinlichkeit als erheblich, sehr erheblich, mit an Sicherheit grenzend, gestuft werden."
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Mit diesen Ausführungen bestätigt Dr. HOLLÄNDER nur, dass der auf eine biologische Untersuchung gestützte Schluss, ein bestimmter Mann könne nicht der Vater sein, nicht das Prädikat der absoluten Sicherheit für sich beanspruchen kann. Dies war dem Bundesgericht bereits bekannt, als es die EntscheideBGE 71 II 54ff. undBGE 79 II 17ff. fällte. Es ist gerade der Sinn dieser Präjudizien, dass der Nachweis der Unmöglichkeit im Sinne von Art. 254 ZGB als geleistet angesehen werden darf, wenn das Ergebnis einer Blutuntersuchung die Vaterschaft des Ehemannes zwar nicht mit absoluter Sicherheit, aber doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, d.h. mit dem höchsten bei einer biologischen Untersuchung erreichbaren Grade von Zuverlässigkeit ausschliesst und ausserdem durch andere Beweismittel die Möglichkeit einer ausserehelichen Zeugung des Kindes dargetan ist, wie es hier zutrifft.
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