BGE 87 II 113 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
16. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Mai 1961 i.S. Ing. W. Örtli Aktiengesellschaft gegen AG für Ölfeuerungen und Mitbeklagte. | |
Regeste |
1. Art. 36 Abs. 2, 55 Abs. 1 lit. a OG. Wird der Streitwert in der Berufungsschrift nicht angegeben, so ist dennoch auf die Berufung einzutreten, wenn er ohne weiteres mit Sicherheit erkennbar ist. Streitwert einer Klage auf Feststellung und Unterlassung unlauteren Wettbewerbs. |
3. Art. 1 UWG. |
a) Vergleichende Werbung ist erlaubt, wenn die Vergleichung objektiv richtig, nicht irreführend und nicht herabwürdigend ist. |
b) Ob eine dem wirtschaftlichen Wettbewerb dienende Äusserung in der Presse unlauter ist, hängt davon ab, wie der Leser sie verstehen muss. | |
Aus den Erwägungen: | |
1. Obwohl die Klägerin nur auf Feststellung und Unterlassung unlauteren Wettbewerbes, nicht auch auf Schadenersatz klagt, ist die Streitigkeit vermögensrechtlicher Natur (BGE 82 II 78). Da sie nicht zu den in Art. 45 OG genannten gehört, ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren, wenigstens Fr. 8000.-- beträgt (Art. 46 OG). Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. a OG hätten die Beklagten daher in der Berufungsschrift angeben sollen, ob der Streitwert wenigstens diesen Betrag oder allenfalls Fr. 15'000.-- erreiche. Sie haben das nicht getan. Auch das Handelsgericht spricht sich entgegen Art. 51 Abs. 1 lit. a OG im Urteil nicht über den Streitwert aus. Normale Folge des von den Beklagten begangenen Formfehlers wäre, dass das Bundesgericht auf die Berufung nicht eintreten würde (BGE 71 II 252 ff., BGE 76 II 112, BGE 83 II 247). Eine Ausnahme ist jedoch zu machen, wenn der Streitwert ohne weiteres mit Sicherheit erkennbar ist (BGE 79 III 173, BGE 81 II 310, BGE 82 II 593, BGE 83 II 247). Das trifft hier zu. Die Klägerin erklärt in ihrer Berufungsschrift, der Streitwert übersteige Fr. 15'000.--. Diese Angabe - die das Bundesgericht nach freiem Ermessen zu überprüfen hat (Art. 36 Abs. 2 OG) - leuchtet ein. Wenn die Beklagten die Handlungen, welche die Klägerin für unlauter hält, fortsetzen würden, könnte das geschäftliche Ansehen der Klägerin leicht so beeinträchtigt werden, dass ihr ein Schaden von mindestens Fr. 15'000.-- erwachsen würde. Der Auffassung der Klägerin, auf die Berufung der Beklagten könne wegen Nichtangabe des Streitwertes nicht eingetreten werden, ist somit nicht beizupflichten.
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a) ...
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b) Man kann sich fragen, ob der Artikel nicht schon deshalb gegen Treu und Glauben verstösst, weil er das Erzeugnis der Beklagten mit jenem der Klägerin vergleicht und sich mit dem Betrieb der Klägerin und deren Direktor Örtli und Prokurist Schilling befasst (vgl. BGE 79 II 414). Denn die persönliche vergleichende Werbung wird im Schrifttum zum Teil als schlechthin unlauter erachtet (s. namentlich B. VON BÜREN, Über die Rechtsprechung des Bundesgerichtes auf dem Gebiet der vergleichenden Werbung, ZBJV 82 313 ff.; B. VON BÜREN, Kommentar zum UWG, 1957, S. 66 N. 1 und S. 69 N. 7). Allein, das Bundesgericht hat sie unter der Herrschaft des Art. 48 OR zugelassen, wenn die Vergleichung objektiv richtig, nicht irreführend und nicht herabwürdigend ist (BGE 21 11 88, 22 11 74, BGE 43 II 51, BGE 55 II 181, BGE 56 II 30, BGE 58 II 24, BGE 59 II 21, BGE 61 II 345; zustimmend namentlich O. A. GERMANN, Zur Rechtsfindung im Wettbewerbsrecht, ZBJV 72 61 f.; O. A. GERMANN, Unlauterer Wettbewerb, 1945, 271 ff.; A. TROLLER, Der schweiz. gewerbliche Rechtsschutz, 1948, 199). Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb will nicht die vom Wettbewerber errungene Stellung als Ausfluss seiner wirtschaftlichen Persönlichkeit unter allen Umständen gegen Angriffe der Konkurrenten schützen, sondern erlaubt jedem, den andern mit der eigenen Leistung zu übertreffen und im Wettkampf zu schlagen (Leistungsprinzip). Es verbietet nur, dass dies auf eine gegen Treu und Glauben verstossende Weise geschehe. Art. 1 Abs. 2 UWG nennt denn auch die vergleichende Werbung nicht als Beispiel unlauteren Wettbewerbes, obschon die Frage, ob sie zulässig sei, beim Erlass des Gesetzes bekannt war. Gegenteils ist aus Art. 1 Abs. 2 lit. a zu schliessen, dass der Gesetzgeber nur bestimmte Formen der vergleichenden Werbung verbieten wollte. Solche setzt voraus, dass der Bewerber sich - offen oder durch Anspielungen - über die Konkurrenten, ihre Waren, Werke, Leistungen oder Geschäftsverhältnisse äussere. Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG untersagt ihm solche Äusserungen aber nicht schlechthin, sondern nur dann, wenn sie unrichtig, irreführend oder unnötig verletzend sind. Der Gesetzgeber hätte sich diese Zurückhaltung nicht auferlegt, wenn er in jeder vergleichenden Werbung einen Verstoss gegen Treu und Glauben gesehen hätte. Die Klägerin macht denn auch nicht geltend, solche Werbung sei stets unerlaubt.
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