BGE 87 II 203 | |||
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29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Juli 1961 i.S. Geiser gegen Humair und Bern, Appellationshof. | |
Regeste |
Nichtigkeitsbeschwerde, Art. 68 Abs. 1 lit. a OG. |
Es bedeutet keine Verletzung der bundesrechtlichen Vorschriften über die Abtretung (Art. 164 ff. OR), wenn ein kantonaler Richter eine Forderungsabtretung als nichtig erklärt, weil sie zur Umgehung der kantonalrechtlichen Vorschriften über den Anwaltsberuf erfolgt sei (Erw. 2 b). | |
Sachverhalt | |
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Geiser liess sich am 6. Dezember 1960 von A. Kohler eine Abtretungserklärung für eine Forderung gegen Madeleine Humair ausstellen, laut welcher Kohler an ihn abtrat: "La créance provenant de la facture pour travaux effectués pour le compte du propriétaire de l'immeuble sis rue de l'Arsenal 23 à Bienne, d'un montant total de frs. 1024.50."
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Vor Gericht sagte der Kläger aus, er habe für Kohler verschiedene Sachen erledigt, und weil dieser kein Geld besessen habe, ihn für seine Bemühungen zu bezahlen, habe er zur Tilgung seiner Schuld dem Kläger die Forderung gegen Frl. Humair abgetreten.
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Der Gerichtspräsident von Biel wies mit Entscheid vom 24. März 1961 die Klage ohne Prüfung der Begründetheit zurück, im wesentlichen auf Grund der folgenden Erwägungen: Der Kläger habe an der Verhandlung verschiedene Kopien von Briefen an die Beklagte oder ihren Vater vorgelegt, laut welchen er von Kohler mit dem Inkasso der Forderung beauftragt worden sei. Daraus gehe hervor, dass die Abtretung nur erfolgt sei, um dem Kläger, der im Kanton Bern den Anwaltsberuf nicht ausüben könne, das Auftreten vor Gericht als Partei zu ermöglichen.
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C.- Die vom Kläger gegen diesen Entscheid erhobene Nichtigkeitsklage wurde vom Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, mit Urteil vom 18. Mai 1961 abgewiesen. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, der erstinstanzliche Richter habe sich entgegen der Auffassung des Klägers keiner offenbar unrichtigen Beweiswürdigung schuldig gemacht, wenn er angesichts der eigenen Äusserungen des Klägers angenommen habe, bei der Zession handle es sich um ein Umgehungsgeschäft, das dem Kläger erlauben sollte, vor Gericht aufzutreten, obwohl er das bernische Anwaltspatent nicht besitze. Ebensowenig habe der erstinstanzliche Richter klares Recht verletzt, wenn er aus den genannten Gründen die Zession als nichtig betrachtet und demgemäss die Aktivlegitimation des Klägers verneint habe.
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D.- Der Kläger reichte gegen das Urteil des Appellationshofs beim Bundesgericht "als Beschwerdeinstanz, evt. Abteilung Staatsrechtspflege" eine "Nichtigkeitsbeschwerde" ein mit dem Rechtsbegehren, es sei festzustellen, "dass in den angefochtenen Entscheiden (d.h. des Amtsgerichtspräsidenten von Biel vom 24. März 1961 und des Appellationshofs vom 18. Mai 1961) direkt oder indirekt Verfassungsrecht, massgebendes eidg. Zivilrecht und kant. bern. Prozessvorschriften verletzt worden seien, auf Grund dessen die Nichtigkeit obgenannter Entscheide anbegehrt wird."
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Unter dem Titel "Formelles" wird sodann ausgeführt, für die Nichtigkeitsbeschwerde sei "das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz" zuständig, "im Falle Ablehnung der sachlichen Zuständigkeit in Bezug auf die indirekte Verletzung verfassungsmässigen Rechts, die Abteilung Staatsrechtspflege desselben". Weiter wird bemerkt, die 20-tägige Nichtigkeitsbeschwerdefrist, wie auch gegebenenfalls die 30-tägige für staatsrechtliche Beschwerden sei eingehalten. Endlich beruft sich der Beschwerdeführer auf die Art. 68 und 69, sowie 84 und 89 OG.
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E.- Der Appellationshof des Kantons Bern, sowie die Beschwerdebeklagte beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Von den Nichtigkeitsgründen des Art. 68 OG fällt nur der in lit. a umschriebene in Betracht. Danach kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden, es sei "statt des massgebenden eidgenössischen Rechts kantonales... Recht angewendet worden."
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Der Beschwerdeführer erachtet den genannten Nichtigkeitsgrund als gegeben, weil die Vorinstanz auf die kantonalrechtlichen Vorschriften des bernischen Anwaltsgesetzes von 1840 und des Kreisschreibens des bernischen Obergerichts vom 15. April 1939 an die Richterämter abgestellt habe, statt vom Verfassungsgrundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV) und von den Bestimmungen des OR über die Forderungsabtretung (Art. 164 ff. OR) auszugehen.
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a) Die Rüge der Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit kann im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Denn als eidgenössisches Recht im Sinne des Art. 68 lit. a OG kommt nur das Zivilrecht in Betracht, nicht dagegen auch das eidgenössische Verfassungsrecht. Dessen Verletzung kann nur mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 256/7).
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b) Es ist daher einzig zu prüfen, ob die Vorinstanz mit der Anwendung der kantonalrechtlichen Vorschriften über den Anwaltsberuf die Bestimmungen des OR über die Abtretung von Forderungen verletzt habe. Das ist zu verneinen.
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Wohl sind nach den vom Beschwerdeführer angerufenen Bestimmungen des Bundeszivilrechts die Abtretung von Forderungen gemäss Art. 164 ff. und ebenso die sog. Inkassozession, d.h. die fiduziarische Abtretung von Forderungen zum Zwecke ihrer Eintreibung, grundsätzlich frei. Anderseits ist es aber den Kantonen überlassen, das Anwaltsrecht gesetzgeberisch zu ordnen und insbesondere die Ausübung des Anwaltsberufs von einer besonderen kantonalen Bewilligung abhängig zu machen. Auf Grund dieser Befugnis durfte der Kanton Bern aber auch durch direkte Anordnung oder im Wege der Gerichtspraxis Sicherungen dagegen vorsehen, dass ein Unbefugter auf dem Umweg über die Forderungsabtretung die dem Anwalt vorbehaltene berufsmässige Parteivertretung in Zivilprozessen ausübe. Für eine derartige Umgehung kantonaler Vorschriften kann das Bundesrecht natürlich nicht Schutz bieten. Eine zum Zwecke blosser Umgehung des kantonalen Anwaltsrechts vorgenommene Abtretung hat vielmehr einen gesetzlich unerlaubten Inhalt und ist daher gemäss Art. 20 OR nichtig (BGE 56 II 198; nicht veröffentlichter Entscheid der I. Zivilabteilung vom 26. Januar 1953 i.S. Wüthrich gegen Heimgartner; SJZ 1961 S. 209 Nr. 28; MADAY, Die sog. Gesetzesumgehung, insbes. im schweiz. OR, S. 122).
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Im vorliegenden Fall steht nun nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz ausser Zweifel, dass es sich bei der Abtretung der streitigen Forderung um ein Umgehungsgeschäft handelt, das dem Beschwerdeführer ermöglichen sollte, vor Gericht aufzutreten, obwohl er das bernische Anwaltspatent nicht besitzt. Dies ergibt sich eindeutig aus den tatsächlichen und daher gemäss Art. 74 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführer einerseits zunächst die streitige Forderung als Vertreter des Gläubigers Kohler einzutreiben versuchte, und dass er sich anderseits gewerbsmässig schwer einbringliche Forderungen zum Inkasso abtreten lasse. Der Beschwerdeführer, der im kantonalen Verfahren zunächst eine etwas abweichende Darstellung gegeben hatte (Abtretung der Forderung an ihn zahlungshalber), erklärt in der Beschwerdeschrift selbst, weil die Parteivertretung vor Gericht im Kanton Bern nur den patentierten Fürsprechern zustehe, seien "die Inkassobureaux gezwungen, wenn ein Auftraggeber sie anstelle eines Fürsprechers für das Inkasso wähle, derartige Forderungen zu kaufen oder sich dieselben unter Berücksichtigung einer Verdienstmarge zedieren zu lassen." Angesichts dieses vom Beschwerdeführer zugegebenen Sachverhalts liegt die Umgehung der Vorschriften des bernischen Anwaltsgesetzes auf der Hand.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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