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32. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Jull 1961 i.S. Bank Y. gegen X. | |
Regeste |
Abtretung (bezw. Verpfändung) eines angefallenen Erbanteils an einen Dritten (Art. 635 Abs. 2 ZGB). Rechtsstellung des Erwerbers (Pfandgläubigers). Anzeige an die Miterben des Abtretenden (Verpfänders) oder an den Willensvollstrecker. Entsprechende Anwendung von Art. 167 OR bezw. Art. 906 Abs. 2 ZGB? Wird der Willensvollstrecker gegenüber dem Erwerber (Pfandgläubiger) schadenersatzpflichtig, wenn er Erbschaftsgegenstände ohne Rücksicht auf die ihm angezeigte Abtretung (Verpfändung) des Erbanteils dem Abtretenden (Verpfänder) abliefert? |
Die Vorauswürdigung von Beweisen verstösst nicht gegen bundesrechtliche Beweisvorschriften im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG. Offensichtliches Versehen? (Art. 55 lit. d und Art. 63 Abs. 2 OG). | |
Sachverhalt | |
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B.- Im Dezember 1954 räumte die Bank der R. AG zum schon bestehenden, von Paul R. solidarisch verbürgten Kredit von Fr. 150'000.-- hinzu einen neuen Kredit von Fr. 120'000 ein, zu dessen Sicherstellung die erwähnte Abtretung dienen sollte. Am 26. Januar 1955 schrieb sie Paul R., es habe sich herausgestellt, dass aus rechtlichen Gründen nicht eine Abtretung, sondern eine Pfandverschreibung vorzunehmen sei, und stellte ihm ein entsprechendes Formular zu. Gemäss dieser Aufforderung unterzeichnete R. eine auf den 27. Oktober 1954 zurückdatierte Urkunde über die Verpfändung seines Erbanteils. Hievon gab die Bank dem Willensvollstrecker keine Kenntnis.
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C.- Auf Anmeldung des Willensvollstreckers hin wurden am 17. April 1955 Paul R. als Eigentümer und Frau Witwe R. als Nutzniesserin der zum Nachlass gehörenden Liegenschaft in Vallorbe im Grundbuch eingetragen.
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Am 10. August 1955 bat die Bank den Willensvollstrecker unter Anspielung auf veränderte Verhältnisse, sie über den Stand des Nachlasses und der Erbenverhandlungen zu unterrichten, was auch mündlich gegenüber Direktor Z. geschehen könne. Hierauf suchte X. diesen am 11. oder 12. August 1955 auf. Was dabei gesprochen wurde, ist streitig und nicht abgeklärt.
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In der Folge versuchte die Bank vergeblich, Paul R. zum Verkauf der Liegenschaft in Vallorbe zu bewegen.
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D.- Am 2. November 1955 erwirkte die R. AG eine Nachlassstundung, die am 16. Mai 1956 zu einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung führte. In der Folge zeigte sich, dass auch Paul R. um Stundung werde nachsuchen müssen. Bevor ihm diese am 31. Oktober 1956 gewährt wurde, suchte ihn die Bank zu bestimmen, zur Sicherstellung ihrer Ansprüche einen Schuldbrief auf der Liegenschaft in Vallorbe errichten zu lassen. Auf Rat seines Anwalts verweigerte jedoch R. seine Einwilligung mit der Begründung, die Pfandbestellung könnte ihm im Nachlassverfahren als unredliche oder sehr leichtfertige Handlung ausgelegt werden. Die Bank gab X. am 13. September 1956 hievon Kenntnis und ersuchte ihn im Hinblick auf Regressansprüche, die sie gegen ihn geltend machen könnte, um Stellungnahme. X. bezeichnete in seiner Antwort vom 15. September 1956 die Auffassung R.s unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundesgerichts als unzutreffend und lehnte die angemeldeten Regressansprüche ab. Am 26. März 1957 wurde der von Paul R. vorgeschlagene Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung gerichtlich bestätigt.
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E.- Im anschliessenden Nachlassliquidationsverfahren kollozierte der Liquidator die von der Bank angemeldeten Forderungen von insgesamt Fr. 277'260.55 in 5. Klasse. Das "Generalpfandrecht", das die Bank dafür beanspruchte, anerkannte er nicht. Die Kollokationsklage, mit welcher die Bank ihren Pfandanspruch durchzusetzen suchte, wurde vom Amtsgericht Luzern-Stadt mit Urteil ![]() | 8 |
F.- Am 28. März 1960 reichte die Bank gegen X. Klage ein mit dem Begehren, der Beklagte habe ihr Fr. 150'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1960 zu bezahlen. Zur Begründung machte sie im wesentlichen geltend, die Verpfändung des Erbanteils sei dem Beklagten angezeigt worden. Dieser sei deshalb verpflichtet gewesen, entweder der Klägerin von der beabsichtigten Übertragung der Liegenschaft ins Alleineigentum R.s Kenntnis zu geben und ihre Weisungen einzuholen oder mit der Eigentumsübertragung ein Pfandrecht zu ihren Gunsten zur Eintragung im Grundbuch anzumelden. Der Beklagte habe es auch unterlassen, die Klägerin nach ihrer brieflichen Erkundigung vom 10. August 1955 über die erfolgte Eigentumsübertragung und den bevorstehenden Abschluss der Erbteilung zu unterrichten. Deswegen habe sie einen Verlust von rund Fr. 150'000.-- erlitten, den ihr der Beklagte zu ersetzen habe.
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Der Beklagte bestritt seine Haftung mit der Begründung, ein Schaden sei nicht bewiesen und liesse sich auch nicht auf ein ihm zur Last fallendes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zurückführen. Ihm sei eine Abtretung, nicht eine Verpfändung angezeigt worden. Die Klägerin habe auf eine Orientierung über den Gang der Erbteilung ausdrücklich verzichtet. Für ihn habe daher kein Grund bestanden, ihr von der bevorstehenden Übertragung der Liegenschaft an R. Kenntnis zu geben. Bei diesem Grundbuchgeschäft habe er keine Vorkehren zu ihren Gunsten treffen können. Auf das Schreiben vom 10. August 1955 hin habe er ihr über den Stand der Erbschaftsangelegenheit und die erfolgte Übertragung der Liegenschaft Auskunft gegeben. Die Klägerin habe es unterlassen, die gegebenen Schritte zur Sicherung ihres Pfandrechts zu unternehmen. Sie habe daher einen allfälligen Schaden ihrem eigenen Verhalten zuzuschreiben.
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In Übereinstimmung mit dem Amtsgerichte Luzern-Stadt hat das Obergericht des Kantons Luzern (I. Kammer) mit Urteil vom 5. Dezember 1960 die Klage abgewiesen.
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G.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit den Anträgen, die Beklagte sei zu verurteilen, ihr Fr. 150'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1960 zu bezahlen; eventuell sei die Sache zur Aktenergänzung (Einvernahme der Zeugen Z., F. und B.) und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Der Beklagte schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Während nach deutschem Recht der Erwerber eines Erbteils anstelle des Veräusserers in das unter den Erben bestehende Gesamthandsverhältnis eintritt (vgl. §§ 2033 ff. BGB und STAUDINGER, 11. Aufl., Bem. zu § 2033, insbesondere N. 16 und 19), bestimmt Art. 635 Abs. 2 ZGB, dass Verträge über die Abtretung angefallener Erbanteile, die ein Erbe mit einem Dritten abschliesst, diesem kein Recht auf Mitwirkung bei der Teilung, sondern nur einen Anspruch auf den Anteil geben, der dem Erben aus der ![]() | 16 |
b) Der Erwerber kann die Gefahren, denen er infolge dieser prekären Rechtsstellung ausgesetzt ist, wenigstens zum Teil abwenden, indem er sich vom Veräusserer ermächtigen lässt, diesen bei der Erbteilung zu vertreten (vgl. hiezu TUOR N. 19 und 24, und ESCHER, 3. Aufl., N. 20 zu Art. 635 ZGB), oder indem er auf Grund von Art. 609 Abs. 1 ZGB verlangt, dass anstelle des Veräusserers die zuständige Behörde bei der Teilung mitwirke. Im ersten Falle wird das Erbbetreffnis des Veräusserers ihm ausgehändigt; im zweiten nimmt es die Behörde für ihn entgegen (TUOR N. 15, und ESCHER, 3 Aufl., N. 13 zu Art. 609 ZGB; vgl. auch BGE 85 II 606, wo die Aufgaben der Behörde bei der Auseinandersetzung mit den Miterben des von ihr vertretenen Erben umschrieben sind und festgestellt wird, dass als "Gläubiger", der nach Art. 609 ZGB die behördliche Mitwirkung bei der Teilung verlangen kann, auch der ![]() | 17 |
c) Im Unterschied zu den eben erwähnten Rechtsbehelfen bildet die Anzeige der Abtretung an die Miterben des Veräusserers kein taugliches Mittel, um dafür zu sorgen, dass der Erwerber das ihm gebührende Betreffnis erhalte. Da die Abtretung eines Erbanteils an einen Dritten ausser der in Art. 609 ZGB vorgesehenen Befugnis nur einen obligatorischen Anspruch des Erwerbers gegen den Veräusserer auf Übertragung der diesem zugewiesenen Gegenstände begründet, den Anspruch des Veräusserers auf Aushändigung dieser Gegenstände durch die Erbengemeinschaft dagegen nicht auf den Erwerber übergehen lässt, stellt sie keine Abtretung im üblichen Sinne dar, durch welche ein Recht des Abtretenden gegen einen Dritten auf den Erwerber übertragen würde und auf welche die Bestimmungen von Art. 164 ff. OR entsprechend angewendet werden könnten. Die Miterben des Abtretenden haben entgegen der Auffassung der Klägerin und der Vorinstanz nicht die Stellung eines Drittschuldners, der sich, nachdem ihm die Abtretung angezeigt worden ist, von seiner Verbindlichkeit nur noch durch Leistungen an den - durch die Abtretung zu seinem Gläubiger gewordenen - Erwerber gültig befreien könnte (Art. 167 OR). Die Abtretung eines Erbanteils an einen Dritten lässt vielmehr zwischen diesem und den Miterben ![]() | 18 |
d) Die Anzeige der Abtretung an den Willensvollstrecker kann keine weitergehenden Folgen haben als die Anzeige an die Miterben des Veräusserers. Da sich die Wirkungen der Abtretung eines Erbanteils an einen Dritten gemäss Art. 635 Abs. 2 ZGB auf das Verhältnis zwischen diesem und dem Veräusserer beschränken, ist der zur Ausführung der Erbteilung berufene Willensvollstrecker auch dann, wenn er von dieser Abtretung Kenntnis erhalten hat, so wenig wie die über die Abtretung unterrichtete Erbengemeinschaft befugt, geschweige denn verpflichtet, das Erbbetreffnis des Veräusserers dem Erwerber auszufolgen, es sei denn, dieser habe sich vom Veräusserer ermächtigen lassen, ihn bei der Erbteilung zu vertreten.
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e) Eine solche Vollmacht hat die Klägerin nicht eingeholt. Sie hat es auch unterlassen, gemäss Art. 609 Abs. 1 ZGB die zuständige Behörde um Mitwirkung bei der Teilung zu ersuchen, woran das Vorhandensein eines Willensvollstreckers sie nicht gehindert hätte, da es nicht dessen Aufgabe sein kann, bei der Erbteilung anstelle der Behörde die Interessen der in Art. 609 Abs. 1 ZGB genannten Erbengläubiger wahrzunehmen. (Wenn in BGE 51 II 494 /95 unentschieden gelassen wurde, ob ungeachtet ![]() | 20 |
Es könnte sich höchstens noch fragen, ob er sich dadurch, dass er die Abtretungsanzeige vorbehaltlos entgegennahm und der Klägerin bestätigte, die Abtretung vorgemerkt zu haben, wenigstens dazu verpflichtet habe, die Klägerin zu gegebener Zeit über die Ablieferung von Erbschaftsgegenständen an Paul R. zu unterrichten und sie so in den Stand zu setzen, diesem gegenüber ihren obligatorischen Anspruch auf Übertragung dieser Gegenstände unverzüglich geltend zu machen. Eine Vereinbarung, durch welche sich der Beklagte zu einer solchen Mitteilung verpflichtet hätte, ist jedoch nicht zustande gekommen. Der Beklagte hat die Klägerin in seinem Schreiben vom 29. Oktober 1954, mit dem er den Empfang der Abtretungsanzeige bestätigte, ausdrücklich angefragt, ob sie von ihm regelmässig über "das ganze Geschehen" orientiert zu werden wünsche. Dies hat die Klägerin in ihrer Antwort vom 30. Oktober 1954 klar verneint. Indem der Beklagte die Liegenschaft in Vallorbe an Paul R. übertrug, ohne die Klägerin hievon sofort zu verständigen, hat er also auch nicht etwa eine vertraglich übernommene Orientierungspflicht verletzt.
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f) Der Abtretungsvertrag ist im übrigen nachträglich ![]() ![]() | 22 |
Die Klägerin beruft sich demgegenüber freilich auf OFTINGER (N. 21 zu Art. 906 und N. 56 zu Art. 899 ZGB). Diesem Autor ist beizustimmen, wenn er an der zuerst angeführten Stelle und in N. 68 zu Art. 900 ZGB erklärt, die Anzeige im Sinne von Art. 906 Abs. 2 ZGB erziele ihre Wirkungen nicht nur bei der Verpfändung von Forderungen im eigentlichen Sinne, sondern auch bei der Verpfändung "anderer Rechte" im Sinne von Art. 900 Abs. 3 ZGB, die zu Leistungen eines Dritten führen, welche - wie z.B. Dividendenzahlungen - den Zahlungen eines Forderungsschuldners gleichzuachten sind. Bei der Verpfändung eines Erbanteils handelt es sich aber wegen der besondern Regelung, der dieses - als solches nicht übertragbare - Anteilsrecht nach dem Gesagten unterliegt, nicht um eine Verpfändung im gewöhnlichen Sinne, wie auch die "Abtretung" eines solchen Anteils keine eigentliche Abtretung darstellt (oben lit. c), sondern es wird dadurch, wie dargelegt, eben nur ein obligatorischer Anspruch gegen den Verpfänder auf Bestellung eines Pfandrechts an den diesem zuzuteilenden Gegenständen begründet, für dessen Durchsetzung zu sorgen keinesfalls Sache der Miterben des Verpfänders oder des Willensvollstreckers sein kann. Daher kann OFTINGER nicht gefolgt werden, wenn er in N. 56 zu Art. 899 ZGB sagt, dem Gläubiger sei "jedenfalls zu empfehlen, den Miterben und sonstigen Beteiligten die Verpfändung anzuzeigen, um die Aushändigung von Erbschaftsgegenständen an den Verpfänder zu verhüten (Art. 906 II analog)."
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g) Müssen die Schadenersatzansprüche, die darauf gestützt werden, dass die Liegenschaft in Vallorbe nicht ![]() | 24 |
Ebensowenig braucht geprüft zu werden, ob die Klägerin als Pfandgläubigerin befugt gewesen wäre, zu ihrem Schutz die Mitwirkung der zuständigen Behörde bei der Erbteilung zu verlangen, obwohl Art. 609 Abs. 1 ZGB diese Befugnis nach seinem Wortlaut nur einem Gläubiger gibt, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt.
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Zwischen dem von der I ägerin behaupteten Schaden und den verschiedenen Pflichtverletzungen, die sie dem Beklagten vorwirft, besteht im übrigen auch kein adäquater Kausalzusammenhang. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz wusste die Klägerin spätestens im September 1955 um die Übertragung der Liegenschaft an Paul R. Sie hatte daher (die Gültigkeit der Pfandverschreibung ![]() | 27 |
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Aus allen diesen Gründen ist die Klage abzuweisen, ohne dass noch auf die (kaum stichhaltige) Verjährungseinrede des Beklagten einzutreten wäre.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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