BGE 88 II 98 | |||
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16. Urteil der I. Zivilabtellung vom 27. März 1962 i.S. Knie gegen Aktiengesellschaft Gebrüder Knie, Schweizer National-Circus und Knie. | |
Regeste |
1. Art.721OR. Die Verwaltung der Aktiengesellschaft darf ihre Beschlüsse jedenfalls solange widerrufen, als die Generalversammlung ihr das nicht zuständigerweise verboten hat (Erw. 2). |
3. Art. 652 OR. Die Aktionäre haben nicht ein Recht auf Bezug von Aktien, welche die Gesellschaft erworben hat und wieder veräussern will (Erw. 3). |
4. Art.2ZGB. Missbraucht der Verwaltungsrat einer Familien-Aktiengesellschaft das Recht, wenn er, nachdem er eigene Aktien "zu treuen Handen der Aktionäre" erworben hat, die auf diesen Erwerb zurückzuführende Beschlussunfähigkeit der Generalversammlung überraschend dadurch beseitigt, dass er die Aktien alle an einen einzigen Aktionär weiterverkauft? (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
A.- Die Aktiengesellschaft Gebrüder Knie, Schweizer National-Circus wurde im Jahre 1934 von den Brüdern Friedrich, Charles und Eugen Knie gegründet, die der vierten Generation einer Artistenfamilie angehörten. Sie betreibt einen Zirkus, den die Gründer einbrachten. Ihr Grundkapital ist in 550 Namenaktien im Nennwert von je Fr. 500.-- zerlegt. Anfangs 1958 gehörten 201 Aktien unbeschwert den Erben des Gründers Friedrich Knie, nämlich 63 Stück seiner Witwe Margrit Knie und je 69 Stück seinen Söhnen Fredy und Rolf Knie. Antoinette Knie, Witwe des Gründers Charles Knie, war Eigentümerin von 123 Aktien und Nutzniesserin von 28 Aktien, von denen 14 den drei Erben des Friedrich Knie und 14 der Tochter des verstorbenen Gründers Eugen Knie, Eliane Knie, zustanden. Eliane Knie hatte Eigentum an weiteren 148 Aktien. 50 Aktien gehörten Fritz Geiser. Der Verwaltungsrat der Gesellschaft bestand aus Fredy Knie als Präsidenten sowie aus Margrit und Eliane Knie. Die Geschäftsführung oblag einem vom Verwaltungsrat ernannten Direktionskomitee, das aus Rolf, Fredy und Eliane Knie bestand.
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Im Februar 1958 beauftragte Antoinette Knie eine Bank, ihre 123 Aktien zu mindestens Fr. 1500.-- das Stück zu verkaufen. Der Verwaltungsrat der Aktiengesellschaft Gebrüder Knie beschloss am 28. Februar 1958, diese Aktien "vorübergehend zu treuen Handen der Aktionäre zu kaufen und an einer nächsten Generalversammlung über die weitere Verwendung Beschluss zu fassen". Der Kauf kam zwischen der Gesellschaft und Antoinette Knie um den Preis von Fr. 1500.-- je Aktie zustande.
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Der Verwaltungsrat beriet in der Folge wiederholt, ob die 123 Aktien allen Aktionären oder nur den Mitgliedern des Verwaltungsrates anzubieten, ob sie unter Herabsetzung des Grundkapitals zu vernichten oder ob sie dem Personal-Fürsorgefonds zu übertragen seien. Margrit und Fredy Knie einerseits und Eliane Knie anderseits konnten sich darüber nicht einigen. In einer Sitzung vom 25. August 1959 widersetzte sich Eliane Knie dem Vorschlag, die Gesellschaft solle je 41 Aktien zum Preise von Fr. 1500.-- das Stück an sie und an die beiden anderen Mitglieder des Verwaltungsrates verkaufen. Sie erklärte, sie behalte sich vor, der Generalversammlung die Vernichtung der 123 Aktien zu beantragen.
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Da diese in der Generalversammlung nicht vertreten werden durften, solange sie der Gesellschaft gehörten (Art. 659 Abs. 5 OR), war vorauszusehen, dass weder für den Antrag von Margrit und Fredy Knie noch für jenen der Eliane Knie die von Art. 16 Abs. 2 der Statuten geforderten zwei Drittel der vertretenen Stimmen abgegeben werden würden. Die auf 21. September 1959 vorgesehene Generalversammlung wurde auf den 12. Oktober 1959 verschoben. Eine halbe Stunde vor ihrem Beginn trat der Verwaltungsrat zusammen. Fredy Knie wies an dieser Sitzung auf die Meinungsverschiedenheit hin, die am 25. August bestanden hatte. Er erklärte, er habe sich inzwischen beraten lassen und beantrage dem Verwaltungsrat, die 123 Aktien dem Rolf Knie zu Fr. 1500.-- das Stück zu verkaufen. Eliane Knie verwahrte sich dagegen, dass vom Verwaltungsratsbeschluss vom 28. Februar 1958 abgewichen werde. Sie beantragte, durch die Generalversammlung einen Beschluss fassen zu lassen, und erhob Anspruch auf einen Drittel der umstrittenen Aktien, falls die Herabsetzung des Grundkapitals nicht zustande komme. Der Verwaltungsrat beschloss indes, die 123 Aktien zu je Fr. 1500.-- dem Rolf Knie zu verkaufen. Nachdem Eliane Knie sich nochmals gegen dieses Vorgehen verwahrt und ihre Stellungnahme wiederholt hatte, stellte Fredy Knie fest, dass sich Rolf Knie über die Einzahlung des Kaufpreises von Fr. 184'500.-- an die St. Gallische Kantonalbank ausgewiesen habe. Der Verwaltungsrat liess hierauf mit den Stimmen von Fredy und Margrit Knie die 123 Aktien durch Indossament und Übergabe sofort auf Rolf Knie übertragen und diesen im Aktienbuch als Eigentümer verzeichnen.
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An der unmittelbar anschliessenden Generalversammlung nahmen alle Aktionäre teil, nicht dagegen Antoinette Knie als Nutzniesserin von 28 Aktien. Rolf Knie übte trotz Widerspruchs der Eliane Knie das Stimmrecht nicht nur mit den ihm unbestrittenermassen zustehenden 69, sondern auch mit den soeben erworbenen 123 Aktien aus. Eliane Knie beantragte der Versammlung, die 123 Aktien unter Herabsetzung des Grundkapitals vernichten zu lassen, allenfalls davon 41 Stück ihr, der Antragstellerin, zuzuteilen. Die Versammlung war einverstanden, diese Anträge zu behandeln, lehnte sie jedoch mit 374 gegen die von Eliane Knie abgegebenen 148 Stimmen ab. Hierauf genehmigte die Versammlung stillschweigend den Geschäftsbericht, soweit Margrit, Fredy und Rolf Knie ihn nicht beanstandeten. Sie hiess mit 374 gegen die 148 Stimmen der Eliane Knie die Jahresrechnung gut. Sie genehmigte mit 374 Stimmen den Bericht der Kontrollstelle und die vorgeschlagene Verteilung des Gewinnes, wobei Eliane Knie sich der Stimme enthielt. Sie entlastete mit den 242 Stimmen des Rolf Knie und des Fritz Geiser die Verwaltung und wählte einstimmig den bisherigen Revisor für ein weiteres Jahr. Eliane Knie beschwerte sich darüber, dass ihre Rechte als Mitglied des Direktionskomitees von den beiden anderen Direktoren regelmässig übergangen würden. Sie beantragte der Generalversammlung, den Verwaltungsrat zu beauftragen, Massnahmen zur Durchführung des Direktionsreglementes zu treffen. Die anderen Aktionäre wiesen diesen Antrag mit 374 Stimmen ab.
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B.- Am 3./9. Dezember 1959 reichte Eliane Knie beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen gegen die Aktiengesellschaft Gebrüder Knie sowie gegen Rolf Knie, Fredy Knie und Margrit Knie eine Klage ein. Sie beantragte: 1. alle Beschlüsse der Generalversammlung vom 12. Oktober 1959 "ungültig bzw. nichtig zu erklären"; 2. die Übertragung von 123 Aktien an Rolf Knie "ungültig bzw. nichtig zu erklären" und das Aktienbuch entsprechend zu berichtigen; 3. Rolf Knie zu verpflichten, der Aktiengesellschaft Gebrüder Knie die "widerrechtlich und bösgläubig erworbenen 123 Aktien zuhanden einer späteren Generalversammlung herauszugeben bzw. zurückzuindossieren". Die Klägerin stellte ausserdem zwei gegen Rolf, Fredy und Margrit Knie gerichtete Eventualanträge.
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Das Handelsgericht wies die Klage am 19. April 1961 entsprechend dem Antrage der Beklagten ab.
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C.- Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil aufzuheben und im Sinne der Klagebegehren 1-3 zu entscheiden.
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Die Aktiengesellschaft Gebrüder Knie und Rolf Knie beantragen, die Berufung abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Klägerin hat im kantonalen Verfahren geltend gemacht, die drei Mitglieder des Verwaltungsrates hätten sich am 28. Februar 1958 zwecks Erwerbs der 123 Aktien der Antoinette Knie zu einer einfachen Gesellschaft zusammengetan und zugleich beschlossen, den Entscheid über die Vernichtung oder Verteilung der Aktien durch die Generalversammlung der Aktiengesellschaft treffen zu lassen; deshalb hätten sie gemäss Art. 534 Abs. 1 OR auf diesen Beschluss nur einstimmig zurückkommen können.
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Diese Auffassung scheitert daran, dass das Handelsgericht in den Akten keinerlei Anhaltspunkte für einen auf Abschluss einer einfachen Gesellschaft gerichteten Willen der Mitglieder des Verwaltungsrates findet, diesen Willen also in Würdigung des Beweises verbindlich verneint. Die Klägerin stellt sich denn auch in der Berufung nicht mehr auf den erwähnten Standpunkt.
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Sie kommt auch nicht darauf zurück, dass sie gemäss Art. 112 OR Rechte aus einem zugunsten Dritter abgeschlossenen Vertrage habe. Der Beschluss vom 28. Februar 1958 konnte ihr Rechte unter diesem Gesichtspunkt schon deshalb nicht verleihen, weil in ihm nicht der Abschluss eines Vertrages lag. Der Kaufvertrag zwischen der Aktiengesellschaft Gebrüder Knie und Antoinette Knie sodann wäre ein Vertrag zugunsten Dritter nur, wenn in ihm Rechte zugunsten der Aktionäre ausbedungen worden wären. Dass das geschehen sei, wurde jedoch weder festgestellt noch behauptet.
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Beschlüsse auf Wiederveräusserung eigener Aktien stehen nicht von Gesetzes wegen der Generalversammlung zu (Art. 698 OR). Diese ist nur zuständig, wenn die Statuten ihr die Beschlussfassung über diesen Gegenstand vorbehalten (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 5 OR). Einen solchen Vorbehalt sieht die Klägerin in Art. 15 lit. i der Statuten der Beklagten, wonach die Generalversammlung unter anderem über die ihr "durch Beschluss des Verwaltungsrates zugewiesenen Gegenstände" zu beschliessen hat. Die Klägerin macht geltend, die Zuweisung im Sinne dieser Bestimmung sei durch den Beschluss vom 28. Februar 1958 erfolgt und habe vom Verwaltungsrat nicht mehr rückgängig gemacht werden können, da er den Beschluss durch den Kauf der 123 Aktien teilweise vollzogen und damit eine wesentliche Grundlage der Gesellschaft endgültig verändert habe.
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Diese Auffassung hält nicht stand. Der Beschluss, die 123 Aktien zu kaufen, und der Beschluss, über ihre weitere Verwendung die nächste Generalversammlung zu befragen, sind auseinanderzuhalten. Obwohl der Verwaltungsrat beide gleichzeitig fasste, konnte er den zweiten auch nach dem Vollzug des ersten widerrufen. Dabei ist unerheblich, was er sich am 28. Februar 1958 über den innern Zusammenhang der beiden Beschlüsse vorstellte. Der Verwaltungsrat als Organ der Aktiengesellschaft bildet im Rahmen seiner Zuständigkeit deren Willen frei (Art. 55 Abs. 1 ZGB) und kann ihn daher an sich auch frei jederzeit abändern. Dass ein von der Generalversammlung zuständigerweise erlassenes Verbot, auf einen Beschluss zurückzukommen, ihm das allenfalls verwehren kann, spielt hier keine Rolle; denn die Generalversammlung der Beklagten hatte über die Verwendung der Aktien nichts beschlossen, als der Verwaltungsrat am 12. Oktober 1959 den Willen, sie zu befragen, widerrief. Der Verwaltungsrat griff durch den Verkauf der Aktien an Rolf Knie auch nicht in die Rechte Dritter ein. Der Kaufvertrag mit Antoinette Knie blieb bestehen und wurde nicht verletzt, denn dass die Aktien "zu treuen Handen der Aktionäre" gekauft würden und an einer Generalversammlung über ihre weitere Verwendung Beschluss gefasst werde, war nur Inhalt der Verwaltungsratsbeschlüsse vom 28. Februar 1958, nicht auch des erwähnten Vertrages. Der Klägerin ist auch nicht darin beizupflichten, dass durch den Kauf "eine wesentliche Grundlage der Gesellschaft definitiv verändert" worden sei. Nichts war endgültig verändert, solange offen blieb, was mit den erworbenen 123 Aktien zu geschehen habe.
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Der Verwaltungsrat war somit zuständig, Rolf Knie diese zu verkaufen. Gemäss Art. 721 Abs. 2 OR ist die Verwaltung befugt, über alle Angelegenheiten Beschluss zu fassen, die nicht der Generalversammlung oder anderen Gesellschaftsorganen übertragen oder vorbehalten sind.
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Die Beklagte hat diesen Grundsatz nicht verletzt. Indem ihr Verwaltungsrat sich für den Verkauf der 123 Aktien an Rolf Knie entschied, fasste er nicht im Sinne der erwähnten Rechtsprechung einen Beschluss über die rechtlichen Beziehungen zwischen den Aktionären und der Gesellschaft, sondern er machte nichts grundsätzlich anderes, als wenn er einen Nichtaktionär als Käufer ausgewählt hätte. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die 123 Aktien entweder unter Herabsetzung des Grundkapitals zu vernichten oder sie den Aktionären zum Kaufe anzubieten. Nur wenn neue Aktien ausgegeben werden, ist der Aktionär berechtigt, davon einen seinem bisherigen Aktienbesitz entsprechenden Teil zu beanspruchen, soweit nicht die Statuten oder der Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals etwas anderes bestimmen (Art. 652 OR). Diese Norm ist auf die Wiederveräusserung eigener Aktien nicht sinngemäss anzuwenden. Die Wiederveräusserung stellt nur die Rechtslage wieder her, die vor dem Erwerb der Aktien bestand. Das entspricht dem Willen des Art. 659 Abs. 3 OR. Die Ausgabe neuer Aktien schafft dagegen eine neue Lage, die den Interessen der bisherigen Aktionäre widersprechen kann, wenn diese bei der Zuteilung übergangen werden. Hatten die Aktionäre der Beklagten somit nicht das Recht, die 123 Aktien zu beziehen, so hatte der einzelne auch nicht Anspruch darauf, beim Angebot gleich behandelt zu werden wie die anderen.
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Die Klägerin stützt denn auch den Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht auf ein gesetzliches Bezugsrecht, sondern auf die Äusserung des Verwaltungsrates im Beschluss vom 28. Februar 1958, wonach die Aktien "zu treuen Handen der Aktionäre" gekauft würden und die Generalversammlung über ihre weitere Verwendung zu beschliessen habe. Sie sagt, damit sei der Grundsatz der Gleichbehandlung "stipuliert und bestätigt" worden. Sie unterstellt also, der Beschluss habe den Aktionären ein Recht auf den Bezug der Aktien verschafft.
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Der Beschluss enthielt indes schon formell keine Zusicherung an die Aktionäre. Indem der Verwaltungsrat ihn fasste, schloss er nicht mit den Aktionären einen Vertrag ab, sondern bildete er nur den inneren Willen der Gesellschaft. Darauf konnte er zurückkommen, denn die Generalversammlung fasste keinen Beschluss, der ihm das verboten hätte.
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Auch materiell verkennt die Klägerin den Beschluss vom 28. Februar 1958. Er enthielt schon deshalb keine Zusicherung, dass die Aktionäre die 123 Aktien würden beziehen können, weil die Frage, was mit diesen Titeln zu geschehen habe, ausdrücklich offen gelassen wurde. Hierüber sollte die Generalversammlung erst noch beschliessen. Namentlich blieb die Möglichkeit der Herabsetzung des Grundkapitals offen. Der Wille des Verwaltungsrates, "zu treuen Handen der Aktionäre" zu erwerben, ändert hieran nichts. Diese Wendung erklärt sich aus dem grundsätzlichen Verbot des Erwerbes eigener Aktien. Sie ist dahin zu verstehen, dass der Verwaltungsrat die Aktien nicht bleibend in den Besitz der Gesellschaft überführen wolle, sondern dass er den Aktionären Gelegenheit geben werde, in der Generalversammlung über ihre Verwendung zu beschliessen. Dass der Beschluss vom 28. Februar 1958 so auszulegen ist, ergibt sich auch aus dem nachfolgenden Verhalten des Verwaltungsrates und der Klägerin. In der Sitzung vom 25. September 1958 erkundigte sich diese über den Stand der Angelegenheit. Der Rechtsberater des Verwaltungsrates antwortete, dass über die 123 Aktien erst noch Beschluss gefasst werden müsse. Die nachfolgende Aussprache ergab, dass man sich noch nicht schlüssig war, ob die Titel durch die einzelnen Aktionäre erworben oder durch die Gesellschaft vernichtet werden sollten. Die Klägerin widersprach nicht; sie stellte sich nicht auf den Standpunkt, die Aktien müssten den Aktionären, also zum Teil auch ihr selbst, übertragen werden. Auch in der Sitzung des Verwaltungsrates vom 25. August 1959 verlangte sie das nicht; sie behielt sich vielmehr ausdrücklich vor, der Generalversammlung die Vernichtung der Papiere zu beantragen. Erst in der Sitzung vom 12. Oktober 1959 erhob sie Anspruch auf einen Drittel der Aktien.
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Diese Auffassung lässt sich nicht damit begründen, dass die Aktien "zu treuen Handen der Aktionäre" erworben worden seien. Da diese Wendung im Verwaltungsratsbeschluss vom 28. Februar 1958 nur den Sinn hatte, der Verwaltungsrat werde den Aktionären Gelegenheit geben, in der Generalversammlung über die Verwendung der Aktien zu beschliessen, und da der Verwaltungsrat an sich berechtigt war, seinen Willen zu ändern, solange der Beschluss der Generalversammlung ausstand, könnte von einem offenbaren Rechtsmissbrauch nur die Rede sein, wenn Umstände vorlägen, die ein Abweichen vom ursprünglichen Willen des Verwaltungsrates nach den Grundsätzen von Treu und Glauben klar verboten. Solche Umstände darzutun, oblag der Klägerin, die aus dem angeblichen Missbrauch ableitet, dass die Beschlüsse der Generalversammlung vom 12. Oktober 1959 das Gesetz verletzten. Die allgemeine Rüge der Klägerin, ihre Gegner im Verwaltungsrat hätten keine sachlichen Gründe gehabt, auf den Beschluss vom 28. Februar 1958 zurückzukommen, genügt nicht.
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Ein die Anwendung des Art. 2 ZGB rechtfertigender besonderer Umstand liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darin, dass der Verwaltungsrat die 123 Aktien dem Rolf Knie "zum Zwecke der Machtkonzentration bei der Gruppe Friedrich Knie" verkauft habe. Solange die 123 Aktien der Gesellschaft gehörten, vermochten weder diese Gruppe noch die Klägerin die für Beschlüsse und Wahlen der Generalversammlung vorgeschriebene Mehrheit von zwei Dritteln der vertretenen Stimmen zu erzielen, gleichgültig auf welche Seite Geiser und Antoinette Knie - diese als Nutzniesserin von 28 Aktien - sich stellten. Die Gegensätze zwischen den Erben des Friedrich Knie einerseits und der Klägerin anderseits machten also die Generalversammlung beschlussunfähig. Ob der einen oder der andern Seite aus den Meinungsverschiedenheiten ein Vorwurf zu machen ist, kann offen bleiben. Wesentlich ist, dass der dem Gedeihen der Gesellschaft und ihres Unternehmens hinderliche Zustand tatsächlich bestand. Die Übertragung der 123 Aktien an Rolf Knie beseitigte ihn. Sie verstiess daher nicht gegen Treu und Glauben, war gegenteils sachlich gerechtfertigt. Sie war es umsomehr, als die Generalversammlung nur durch den an sich nicht erlaubten Erwerb eigener Aktien seitens der Gesellschaft beschlussunfähig geworden war. Die Beklagte war verpflichtet, sich dieser Aktien wieder zu entäussern, sei es durch Verkauf, sei es - unter Herabsetzung des Grundkapitals - durch Vernichtung. Die Klägerin hatte kein schützenswertes Interesse, dass dabei eine Lösung gewählt werde, bei der die Beschlussunfähigkeit der Generalversammlung bestehen bleibe. Weder die Herabsetzung des Grundkapitals, noch die gleichmässige Verteilung der 123 Aktien auf die Mitglieder des Verwaltungsrates, noch die Abgabe der Titel an alle Aktionäre im Verhältnis ihres bisherigen Aktienbesitzes hätte den Erben des Friedrich Knie einerseits oder der Klägerin anderseits in der Generalversammlung die Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen verschafft, gleichgültig mit welcher Partei Geiser und Antoinette Knie gestimmt hätten. Den Erben des Friedrich Knie war nicht zuzumuten, die Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen auflösen zu lassen (Art. 736 Ziff. 4 OR), um der unhaltbaren Lage abzuhelfen.
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Der von der Klägerin angerufene Umstand, dass die Beklagte eine "auf persönlichen Beziehungen aufgebaute Familien-Aktiengesellschaft" ist, führt nicht zu einer anderen Würdigung des Sachverhaltes. Auch in einer solchen Gesellschaft muss die Generalversammlung beschlussfähig sein, wenn sie die ihr vom Gesetz und den Statuten vorbehaltenen Aufgaben soll erfüllen können. Dass das Unternehmen der Beklagten sich durch die Leistungen der Brüder Friedrich, Charles und Eugen Knie und ihrer Vorfahren entwickelt hatte und der überwiegende Teil der Aktien ihren Erben gehörte, war vielmehr ein Grund, der den Verkauf der 123 Aktien an Rolf Knie als eines Gliedes dieser Familie sachlich zu rechtfertigen vermochte.
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Es fällt auf, dass Fredy und Margrit Knie sich zum Verkauf der 123 Aktien an Rolf Knie entschlossen und der Erwerber den Kaufpreis zahlte, ohne dass dieses Geschäft mit der Klägerin erörtert worden wäre. Das Vorgehen zeigt, dass Fredy und Margrit Knie nicht beabsichtigten, Einwendungen und Gegenvorschläge, welche die Klägerin unter dem Eindruck der neuen Lage allenfalls machen würde, zu prüfen. Die Klägerin wurde in der Sitzung des Verwaltungsrates vom 12. Oktober 1959 mit einem unabänderlichen Entschluss überrascht. Das musste sie umsomehr stossen, als die Generalversammlung unmittelbar an diese Sitzung anschloss und daher ein Versuch, ihre Gegner umzustimmen, schon wegen Zeitmangels aussichtslos war. Auf Förderung des guten Einvernehmens bedachte Geschäftsleute wären anders vorgegangen als Fredy und Margrit Knie. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Beschluss des Verwaltungsrates vom 12. Oktober 1959 sachlich gerechtfertigt werden konnte und daher nicht gegen Treu und Glauben verstiess.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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