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19. Urteil der I. Zivilabtellung vom 9. April 1962 i.S. Hoppen und Thos. Harry & Co. gegen Kanton Uri. | |
Regeste |
1. Art. 44 Abs. 1, 55OR. Gründe und Mass der Herabsetzung der Ersatzpflicht des Halters einer Strassenwalze, die von seinem Arbeiter geführt und von einem Motorwagen gerammt wurde. | |
Sachverhalt | |
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Am 30. Juni 1958 etwa um 17.30 Uhr führte Thomas Hoppen in Begleitung von fünf Personen einen Motorwagen von Flüelen her in den Tunnel. Er schaltete die Markierlichter des Wagens ein und richtete seinen Blick ![]() | 2 |
Durch den Zusammenstoss wurde der Motorwagen stark beschädigt und Alice Russel, die sich in ihm befand, erheblich verletzt. Die Firma Gebr. Sigrist schleppte den Wagen ab und sandte ihn an seine Eigentümerin, die Firma Thos. Harry & Co. in London. Die bezüglichen Kosten von Fr. 742.40 wurde von der Schweiz. Versicherungs-Gesellschaft Helvetia-Unfall bezahlt, die den Kanton Uri gegen Haftpflicht versichert hatte. Die Helvetia-Unfall fand ferner Alice Russel vergleichsweise mit Fr. 800.-- ab.
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B.- Hoppen und die Firma Thos. Harry & Co. klagten gegen den Kanton Uri auf Zahlung von Fr. 12'907.57. Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Nach der teilweisen Gutheissung der Klage durch das Landgericht Uri zogen beide Parteien die Sache an das Obergericht weiter und hielten vor diesem an ihren Anträgen fest.
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Das Obergericht Uri verpflichtete den Beklagten am 19. Oktober 1961, den Klägern solidarisch Fr. 2225.70 zu zahlen. Es kam zum Schluss, der Beklagte sei den Klägern auf Grund des Art. 55 OR ersatzpflichtig, doch hätten diese gemäss Art. 44 Abs. 1 OR wegen Selbstverschuldens Hoppens und wegen der dem Motorwagen innewohnenden Betriebsgefahr die Hälfte des Schadens selber zu tragen. Es bezifferte diesen auf Fr. 5993.77 und zog davon die Zahlungen der Helvetia-Unfall von Fr. 742.40 und Fr. 800.-- ab.
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C.- Die Kläger haben die Berufung erklärt. Sie beantragen dem Bundesgericht, den Beklagten zu verhalten, ihnen Fr. 5222.57 zu ersetzen, nämlich den vollen ![]() | 6 |
Der Beklagte hat sich der Berufung angeschlossen. Er beantragt, den Klägern höchstens 30% des Schadens von Fr. 5993.77 zuzusprechen, unter Verrechnung der geleisteten Zahlungen. Er ist der Auffassung, das Selbstverschulden Hoppens, die Betriebsgefahr des Motorwagens und weitere Umstände rechtfertigten die Belastung der Kläger mit mindestens 70% ihres Schadens.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Ein solcher Umstand liegt darin, dass Hoppen nur die Markierlichter einschaltete, obschon er nach seinen Angaben mit 30 km/Std. fuhr und eine Strecke von etwa 35 m in der Mitte des Tunnels vollständig im Dunkeln lag. Es war ausgeschlossen, bei dieser Geschwindigkeit ein Hindernis im Schimmer der. Markierlichter so rechtzeitig zu erblicken, dass der Wagen hätte angehalten werden können, ehe er es erreichte. Hoppen bemerkte denn auch die Strassenwalze erst, als sein Fahrzeug auf sie aufprallte. Er verletzte den elementaren Grundsatz, wonach der Führer eines Motorfahrzeuges nicht schneller fahren darf, als dass er Gefahren, mit denen er rechnen muss, durch Anhalten innerhalb der zuverlässig überblickbaren Strecke bannen kann (BGE 57 II 314,BGE 60 II 284,BGE 65 I 199,BGE 76 IV 56,BGE 77 IV 102,BGE 79 IV 66, BGE 82 IV 108, BGE 84 II 129). Dieses Verbot gilt nicht nur bei Nacht, sondern auch, wenn andere Verhältnisse ![]() | 9 |
Auch in der Betriebsgefahr, die einem Motorfahrzeug innewohnt, kann ein Umstand im Sinne des Art. 44 Abs. 1 OR liegen, der eine Ermässigung der Schadenersatzansprüche seines Führers oder Eigentümers rechtfertigt. Dieser Auffassung war das Bundesgericht schon in BGE 85 II 520, doch sah es damals von einer Kürzung des Ersatzanspruches ab, weil die Betriebsgefahr des Motorwagens sich ohne das grob unvorsichtige Verhalten des Ersatzpflichtigen überhaupt nicht ausgewirkt hätte. Den Klägern ist nicht beizupflichten, wenn sie unter Berufung auf dieses Urteil über die Betriebsgefahr des Motorwagens auch im vorliegenden Falle hinwegsehen wollen. Der Zusammenstoss ist nicht nur auf das widerrechtliche Verhalten Soppes zurückzuführen, sondern auch auf das pflichtwidrige Verhalten Hoppens. Da dieser für den Zusammenstoss mitverantwortlich ist, muss auch der Betriebsgefahr des von ihm geführten Motorwagens zu Lasten der Kläger Rechnung getragen werden. Ohne die Wucht, mit welcher der Wagen wegen des Mitverschuldens Hoppens auf die Strassenwalze prallte, wäre der Schaden geringer.
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2. Wie stark sich die von den Klägern zu vertretenden ![]() | 11 |
Dem Bauamt Uri als Organ des Beklagten ist vorzuwerfen, dass es Soppe nicht anwies, den grossen Axentunnel zu umfahren. Es durfte nicht voraussetzen, dass er das aus eigenem Antrieb tun werde. Es konnte sich auch in vollem Umfange Rechenschaft geben, welcher Gefahr die Strassenwalze die Benützer von Motorfahrzeugen im Tunnel aussetzen würde. Es wusste oder musste wissen, dass sie nicht mit Lichtern versehen war, wie Arbeitsmaschinen sie gemäss Art. 38 Abs. 1 lit. e MFV nach Eintritt der Dämmerung und folglich auch in einem ungenügend erhellten Tunnel führen müssen. Auch sprach nichts dafür, dass Soppe unaufgefordert für Beleuchtung sorgen werde, falls er den Tunnel benütze. Dass das Bauamt dem Arbeiter nicht pflichtgemäss Weisungen erteilte, ist um so weniger zu entschuldigen, als der Motorfahrzeugverkehr auf der Axenstrasse im Sommer sehr rege ist.
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Das Verschulden des Beklagten ist nicht so gering und jenes des Hoppen sowie die Betriebsgefahr des Motorwagens ![]() | 13 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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