![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Juni 1962 i.S. Adreg AG gegen Adrema AG | |
Regeste |
1. Ansprüche auf Unterlassung und auf Beseitigung eines gegen ein absolutes Recht verstossenden Zustandes. |
b) Handelt rechtsmissbräuchlich, wer lange zuwartet, ehe er sie geltend macht? (Erw. 3) |
2. Firmenrecht. |
a) Art. 956 Abs. 2 OR gibt auch Anspruch auf Löschung der Firma (Erw. 1). |
b) Art. 951 Abs. 2 OR. Anforderungen an die Unterscheidungskraft der Firma einer Aktiengesellschaft (Erw. 4, 5). |
3. Unlauterer Wettbewerb. |
a) Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG setzt nicht voraus, dass der Täter Verwechslungen herbeiführen wolle (Erw. 6). |
b) Die Ansprüche aus Art. 2 Abs. 1 lit. a-c UWG setzen nicht ein Verschulden voraus (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Die Adreg AG in Zürich steht seit 21. Januar 1959 im Handelsregister. Sie bezweckt den Handel mit Büromaschinen, Registrierkassen, Büromaterialien usw. Sie führt für Addiermaschinen und Registrierkassen die Marke Adwell.
| 2 |
B.- Nach vorausgegangenem amtlichem Sühneversuch vom 22. März 1961 reichte die Adrema AG am 4. November 1961 gegen die Adreg AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich eine Klage ein. Sie beantragte, der Beklagten unter Androhung der Überweisung an den Strafrichter die Verwendung der Bezeichnung Adreg in der Firma und im geschäftlichen Verkehr, besonders auf Waren, in der Reklame, in Briefköpfen, Drucksachen, Geschäftspapieren usw. zu untersagen, die Eintragung der Beklagten im Handelsregister zu löschen und das Urteil auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen.
| 3 |
Mit Urteil vom 30. Januar 1962 untersagte das Handelsgericht der Beklagten, die Bezeichnung Adreg in der Firma und im geschäftlichen Verkehr zu verwenden, besonders in ihrer Reklame, ihren Briefköpfen, Drucksachen, Geschäftspapieren usw. Es verpflichtete sie, die diese Bezeichnung enthaltende Firma im Handelsregister löschen zu lassen. Für den Fall der Widerhandlung drohte es ihr die Überweisung an den Richter zur Bestrafung gemäss ![]() | 4 |
C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichtes aufzuheben und die Klage abzuweisen, eventuell die Sache zur Abklärung der Frage- der Verjährung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
| 5 |
Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
| 6 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
7 | |
8 | |
Das Bundesgericht hat unter der Herrschaft des Art. 876 aoR die gegen eine firmenrechtliche Unterlassungsklage gerichtete Einrede der Verjährung als unbegründet erachtet, weil der Belangte durch die Bewirkung des Handelsregistereintrages die Absicht bekundet hatte, die Firma in Zukunft zu gebrauchen (BGE 21 601). In einem anderen Falle führte es in bezug auf einen aus Art. 2 Abs. 1 lit. b UWG abgeleiteten Anspruch auf Unterlassung aus, er beginne erst mit der Einstellung der widerrechtlichen Handlung zu verjähren, also erst mit der Aufgabe der beanstandeten Firma (BGE 79 II 313).
| 9 |
In Wirklichkeit können Unterlassungsansprüche überhaupt ![]() | 10 |
Auch die Klage auf Beseitigung eines gegen ein absolutes Recht verstossenden Zustandes kann nicht verjähren. Das wurde entschieden in bezug auf die Abwehr von Eingriffen in das Eigentum (actio negatoria) (BGE 53 II 224, BGE 81 II 446). Es muss auch gelten für Klagen auf Beseitigung eines dem Recht an der Firma widersprechenden Zustandes. Solange er besteht, dauert auch der Anspruch an und kann daher geklagt werden, gleichgültig wann die Verletzung begann. Hört diese auf, so ist sogleich auch für die Klage kein Raum mehr. Es bedarf keiner Verjährungsfrist, um das Klagerecht zeitlich zu begrenzen (VON BÜREN a.a.O.). NAEF, der anderer Meinung ist (a.a.O.), verkennt, dass zwar ![]() | 11 |
12 | |
Die Klägerin ist bei der Beklagten wegen des Gebrauches der Firma Adreg AG brieflich schon im Juli 1960 und im Januar 1961 vorstellig geworden, also anderthalb Jahre nach deren Eintragung in das Handelsregister. Im März 1961 fand der amtliche Sühneversuch statt. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Klägerin wider Treu und Glauben zugewartet habe. Die Beklagte erhebt denn auch den Vorwurf rechtsmissbräuchlicher Verzögerung der Auseinandersetzung nicht.
| 13 |
4. Aktiengesellschaften können unter Wahrung der allgemeinen Grundsätze der Firmenbildung ihre Firma frei wählen (Art. 950 Abs. 1 OR). Nichts hindert sie, die Wahl so zu treffen, dass sich ihre Firma von den bereits eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet. Daher sind die ![]() | 14 |
Daher ist im vorliegenden Falle ein strenger Massstab anzulegen. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, hat ihren Sitz am gleichen Orte wie die Klägerin und vertreibt Büromaschinen gleicher Art wie diese.
| 15 |
16 | |
Der Beklagten ist nicht beizupflichten, dass die Abweichung genüge, weil bei Adrema der Ton auf der zweiten Silbe, bei Adreg dagegen auf der ersten liege und weil jenes Wort mit gedehntem, dieses dagegen mit kurzem e ausgesprochen werde. Dieser Unterschied in der Betonung ist unbedeutend. Da beide Wörter Phantasiebezeichnungen sind, ist zudem fraglich, ob das Publikum ihn überhaupt macht. Phantasie in der Betonung ist bei Wörtern, die nicht geläufig sind und keinen Sinn haben, durchaus möglich. Französischsprechende werden ohnehin dazu neigen, den Ton auch beim Wort Adreg auf die zweite Silbe zu legen. Schon der Klang der beiden Wörter schliesst somit Verwechslungen nicht aus, umsoweniger, als sich ein wesentlicher Teil des Geschäftsverkehrs über das Telephon abzuwickeln pflegt, das die Gefahr von Hörfehlern erhöht.
| 17 |
Die Klägerin hat zudem Anspruch darauf, dass sich die Firma der Beklagten auch hinsichtlich des Schriftbildes von der eigenen deutlich unterscheide. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann von genügender Unterscheidbarkeit nicht die Rede sein. Das Wort Adreg zählt nur einen Buchstaben weniger als das Wort Adrema. Die vier ersten ![]() | 18 |
Der Einwand der Beklagten, die Parteien verwendeten für ihre gleichartigen Erzeugnisse gänzlich verschiedene Marken, ändert nichts. Firmen werden nicht immer in Verbindung mit Marken genannt. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass schon die Firma allein die Gefahr von Verwechslungen ausschliesse. Zudem weiss nicht jeder Interessent, dass die Klägerin nur Erzeugnisse der Marken Adrema und Adra, nicht auch solche der Marke Adwell vertreibt. Die Vermutung, dass auch diese von ihr stammten, ist nicht von der Hand zu weisen, da die Silbe Ad mit den Anfangsbuchstaben der Marken der Beklagten übereinstimmt.
| 19 |
Schliesslich kommt auch nichts darauf an, ob die Firmen der Parteien tatsächlich schon verwechselt wurden. Die Ansprüche auf Unterlassung des Gebrauchs und auf Löschung bestehen schon, wenn die Ähnlichkeit der Firmen die Möglichkeit von Verwechslungen in die Nähe rückt ![]() | 20 |
21 | |
Gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG verstösst gegen Treu und Glauben, wer im wirtschaftlichen Wettbewerb Massnahmen trifft, die bestimmt oder geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines andern herbeizuführen. Solche Massnahmen liegen hier darin, dass die Beklagte eine Firma hat eintragen lassen und gebraucht, die von der Kundschaft mit der Firma der Klägerin verwechselt werden kann. Die Auffassung der Beklagten, die bloss objektive Verwechslungsgefahr genüge nicht, um ihr einen Verstoss gegen Treu und Glauben vorzuwerfen, hält nicht stand. Die in Art. 1 Abs. 2 UWG beispielsweise angeführten Tatbestände verstossen nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Ist ein solcher Tatbestand erfüllt, so liegt unlauterer Wettbewerb vor, ohne dass weitere Anforderungen zu stellen wären. Insbesondere setzt der in Art. 1 Abs. 2 lit. d umschriebene Sachverhalt nicht voraus, dass der Täter es darauf abgesehen habe, Verwechslungen herbeizuführen. Es genügt nach dem Wortlaut der Bestimmung, dass seine Massnahmen sich hiezu eigneten (BGE 72 II 189).
| 22 |
Eine andere Frage ist, welche Ansprüche aus dem unlauteren Wettbewerb entstehen. Der Schaden ist nur im Falle des Verschuldens zu ersetzen (Art. 2 Abs. 1 lit. d UWG), und die Genugtuungspflicht setzt ein schweres Verschulden voraus (Art. 2 Abs. 1 lit. e UWG in Verbindung mit Art. 49 OR). Auf Feststellung der Widerrechtlichkeit, Unterlassung, Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes und Richtigstellung unrichtiger oder irreführender Äusserungen ![]() | 23 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 24 |
25 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |