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32. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Juni 1962 i.S. von Thurn und Taxis gegen Intercommerce SA | |
Regeste |
1. Internationales Privatrecht. |
b) Nach welchen Rechtsordnungen sind die Ermächtigung zu nichtständiger Stellvertretung, die Tragweite einer solchen Vollmacht und das Inkrafttreten des vom Stellvertreter unter Genehmigungsvorbehalt abgeschlossenen Vertrages zu beurteilen? (Erw. 2 und 3) |
2. Art. 43 OG. Das Bundesgericht darf nicht überprüfen, ob der kantonale Richter das als Ersatzrecht für nicht bekannte ausländische Bestimmungen herbeigezogene schweizerische Recht richtig angewendet hat (Erw. 4). |
3. Art. 97, 119 OR. Ist ein nicht erfüllbarer Vertrag auch dann verbindlich, wenn die Parteien beim Abschluss wissen, dass er möglicherweise nicht durchgeführt werden könne? (Erw. 5) | |
Sachverhalt | |
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Janucek zeigte dieses Schreiben dem in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Otto von Eckern und schloss mit ihm am 27. August 1954 in Frankfurt a.M. im Namen der Intercommerce SA einen Vertrag ab, wonach diese an von Eckern ab Lager Transit Amsterdam oder Rotterdam 50'000 Dutzend Damenstrümpfe zum Preise von US-Dollar 2.14 das Dutzend verkaufte.
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Die Intercommerce SA lieferte die Ware nicht. Von Eckern verlangte deshalb von ihr DM 252'000.-- Schadenersatz. Er trat diese Forderung am 21. April 1956 an den Kläger ab.
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B.- Dieser klagte am 9. März 1957 beim Kantonsgericht von Nidwalden gegen die Intercommerce SA auf Zahlung von Fr. 130'833.65 nebst 5% Zins seit 5. November 1956.
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Das Kantonsgericht wies die Klage ab, ebenso auf Appellation des Klägers hin am 25. Januar 1962 das Obergericht des Kantons Nidwalden.
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Dieses führte aus, der Kläger berufe sich auf schweizerisches Recht, während die Beklagte mehr der Meinung Gewicht verleihe, dass für den vorliegenden Streit, der um das Zustandekommen des Vertrages sowie um den Umfang und die Tragweite der Vollmacht gehe, deutsches Recht massgebend sei. Die Beklagte hätte aber nicht nur einen eindeutigen Antrag auf Anwendung des BGB stellen, sondern gemäss der kantonalen Prozesspraxis auch den Wortlaut und Inhalt des fremden Rechtes nachweisen müssen. Sie habe sich nicht darauf beschränken dürfen, die Ziffern von Paragraphen des BGB zu nennen und im übrigen nur auseinanderzusetzen, weswegen eher deutsches Recht in Frage komme. Aus diesem Grunde werde schweizerisches Obligationenrecht angewendet, was übrigens, wie die Beklagte zugebe, unwesentlich sei, weil die Bestimmungen des BGB nicht zu einem andern Ergebnis führten. Das Obergericht kam zum Schluss, Janucek sei, wie von Eckern wusste, nur bedingt ermächtigt gewesen. Der Vertrag habe noch vom Vertreter der Beklagten, Pepper, oder von der Beklagten selbst genehmigt werden müssen. Diese habe auf die erste Mahnung und die folgenden Schreiben von Eckerns nicht sofort und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie dem Vertrag nicht zustimme. Von Eckern habe ihr Verhalten als ![]() | 7 |
C.- Der Kläger hat die Berufung erklärt. Er beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zur Festsetzung des Schadens und zur Gutheissung der Klage an die kantonale Instanz zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, allenfalls diese abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Das Bundesgericht hat die in diesen und anderen Urteilen vertretene Auffassung, wonach der Vertrag unbekümmert um das Recht, dem er hinsichtlich seiner Wirkungen untersteht, nach dem Rechte des Ortes zustandekomme, ![]() | 11 |
Wenn, wie hier, die Vertragschliessenden sich über das anzuwendende Recht nicht geeinigt haben, untersteht der Vertrag nach dem internationalen Schuldrecht der Schweiz dem Rechte jenes Staates, mit dem er räumlich am engsten zusammenhängt (BGE 77 II 84, 278, BGE 78 II 77 f., BGE 81 II 393). Dieser Zusammenhang wird durch die den Vertrag charakterisierende Leistung hergestellt, bei Käufen also durch die Leistung des Verkäufers. Der vorliegende Kauf, den der Kläger und die Vorinstanz als zustandegekommen erachten, untersteht daher dem schweizerischen Recht, da die als Verkäuferin belangte Beklagte in der Schweiz niedergelassen ist (BGE 77 II 84, 191, 278, BGE 78 II 80). Wenn der Kauf wirklich zustandegekommen ist und die Rüge des Klägers, die Beklagte habe ihn schuldhaft nicht erfüllt, begründet ist, verletzt das angefochtene Urteil daher Bundesrecht. Auf die Berufung ist deshalb einzutreten.
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Diese Rechtsprechung ist nicht dadurch überholt, dass heute die grosse Vertragsspaltung abgelehnt wird. Die Anwendung einheitlichen Rechts auf den Abschluss und die Wirkung des Vertrages schliesst nicht aus, dass gewisse Fragen, die schon früher weder nach dem Statut ![]() | 14 |
Ein solcher rechtfertigt sich weiterhin auch hinsichtlich der Stellvertretung. Diese hängt nicht vom Vertrage ab, dessen Abschluss sie dient, sondern ist selbständiger Natur. Die Stellvertretung beruht einerseits auf dem Grundverhältnis, kraft dessen der Vertreter für den Vertretenen tätig wird (Auftrag, Dienstvertrag usw.), anderseits auf der einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung, durch die dieser den Vertreter ermächtigt, mit einem Dritten im Namen des Vertretenen einen Vertrag abzuschliessen. Dass das Grundverhältnis besonderen Regeln folgt, ist klar, denn es entsteht und besteht unabhängig davon, ob und wie der Vertreter von der ihm erteilten Ermächtigung Gebrauch macht. Aber auch das externe Verhältnis, kraft dessen der Vertreter dem Dritten gegenüber die Macht hat, den Vertretenen zu binden, hängt nicht davon ab, ob der Vertreter und der Dritte auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärungen abgeben und welchen Inhalt diese haben. Ob und inwieweit jemand Vollmacht hat, muss unabhängig davon entschieden werden, ob und in welchem Sinne er von ihr Gebrauch macht. Auch ist nicht begrifflich notwendig, dass die Ermächtigung der gleichen Rechtsordnung unterstehe wie der Vertrag, den der Vertreter mit dem Dritten abschliesst. Jemand kann sich z.B. nach schweizerischem Recht ermächtigen lassen, einen dem französischen Recht unterstehenden Vertrag abzuschliessen. Es besteht daher kein Anlass, mangels einer ausdrücklichen Rechtswahl beide Verhältnisse nach einheitlichem Recht zu beurteilen. Auf jedes ist das Recht jenes Staates anzuwenden, mit dem es selbst räumlich am engsten zusammenhängt.
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3. Die Ermächtigung als einseitige Willenserklärung ![]() | 16 |
Hinsichtlich ihrer Tragweite hängt die Vollmacht dagegen am engsten mit dem Orte zusammen, an dem sie wirkt, d.h. der Vertreter von ihr Gebrauch macht. Hier führt sie zum Abschluss des Rechtsgeschäftes mit dem Dritten. Dessen Interesse, ihren Inhalt und Umfang einfach und sicher beurteilen zu können, steht im Vordergrund. Es geht den Interessen des Vertretenen vor. Wer sich eines Vertreters bedient, hat die Nachteile der Stellvertretung in Kauf zu nehmen. Diese sollen nicht den Dritten treffen. Auf die Tragweite der Vollmacht zum Abschluss eines einzelnen Rechtsgeschäftes ist daher das an ihrem Wirkungsort geltende Recht anzuwenden (SCHÖNENBERGER/JÄGGI/Allg. Einl. N. 164 f.; MAKAROV, Die Vollmacht im internationalen Privatrecht, Festschrift für T. Perassi, Mailand 1957 2 S. 61).
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Zum Inkrafttreten des von einem Stellvertreter abgeschlossenen Vertrages kann eine Genehmigung nötig sein. Ob und wie zu genehmigen sei, hängt vom Umfang der Vollmacht und von dem beim Abschluss angebrachten Vorbehalt, nicht vom Inhalt des Vertrages ab. Daher beurteilt sich nach dem für die Tragweite der Vollmacht massgebenden Recht, unter welchen Voraussetzungen der Vertrag genehmigt sei. Nach diesem entscheidet sich auch, ob der Vertrag bis zur Genehmigung wirkungslos bleibt ![]() | 18 |
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Welche Tragweite die Vollmacht hatte und ob die vorbehaltene Genehmigung erfolgte, sind dagegen Fragen, die dem deutschen Recht unterstehen, da Janucek von der Vollmacht in Frankfurt a.M. Gebrauch machte, indem er daselbst von Eckern beim Abschluss des Kaufes den erwähnten Brief vorwies. Diese Fragen sind denn auch vom Obergericht im Ergebnis nach deutschem Recht entschieden worden. Das Obergericht führt freilich nicht aus, welche Bestimmungen des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches den Schluss rechtfertigen, die Beklagte habe den Vertrag genehmigt, sondern es erklärt, es wende schweizerisches Recht an. Das tut es aber nicht, weil es der Auffassung wäre, diese Frage unterstehe dem schweizerischen Recht, sondern weil ihm die Beklagte nicht in der vom Prozessrecht verlangten Weise vorgetragen hat, dass und inwiefern das deutsche Recht vom schweizerischen abweiche. Es sieht also im schweizerischen Recht blosses Ersatzrecht ![]() | 20 |
Ob schweizerisches Recht in der Rolle des Ersatzrechtes für nicht bekannte ausländische Bestimmungen richtig angewendet wurde, darf das Bundesgericht als Berufungsinstanz nicht überprüfen (BGE 67 II 181, BGE 76 II 112, BGE 77 II 192, 275, BGE 78 II 392, BGE 79 II 302, BGE 84 III 150). Nicht schweizerisches, sondern ausländisches Recht ist verletzt, wenn der Richter die als Ersatzrecht herbeigezogenen schweizerischen Normen unrichtig auslegt. Das Bundesgericht muss deshalb entgegen der Auffassung der Beklagten davon ausgehen, dass diese den Kaufvertrag genehmigt hat.
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Diese Begründung widerspricht dem Gesetz. Verträge sind zu halten. Wer daran unter bestimmten Voraussetzungen nicht gebunden sein will, kann sie bedingt abschliessen. Das blosse Bewusstsein beider Vertragschliessenden, dass das Geschäft möglicherweise nicht vollzogen werden könne, macht die gegenseitigen Verpflichtungen nicht zu bedingten.
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Wann ein Vertrag wegen Unmöglichkeit der Erfüllung dahinfällt, bestimmt Art. 119 OR. Die Unmöglichkeit muss auf Umständen beruhen, die der Schuldner nicht zu verantworten hat. Solche liegen nicht vor. Wer eine Leistung verspricht, obschon er weiss, dass er sie möglicherweise nicht werde erbringen können, nimmt die Gefahr auf sich und hat die Nichterfüllung zu verantworten (BGE 25 II 66 f., BGE 29 II 516, BGE 36 II 396, BGE 42 II 372, BGE 43 II 177 f., BGE 48 II 217 ff.). Es trifft ihn ein Verschulden'das ihn verpflichtet, dem Gläubiger für den aus der Nichterfüllung entstehenden Schaden Ersatz zu leisten (Art. 97 Abs. 1 OR).
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Zu allen diesen Einwendungen hat das Obergericht nicht Stellung genommen. Die Sache ist daher zu neuer Beurteilung zurückzuweisen.
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Falls die Gültigkeit des Vertrages zu bejahen ist, wird über das Verschulden der Beklagten als Voraussetzung der Schadenersatzpflicht, über Bestand und Höhe des Schadens, über ein allfälliges Mitverschulden des von Eckern und über das Mass der Ersatzpflicht zu urteilen sein.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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