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35. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Juli 1962 i.S. Eheleute W. | |
Regeste |
Klage auf Ehescheidung wegen tiefer Zerrüttung (Art. 142 ZGB). | |
Sachverhalt | |
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Im Frühjahr 1959 klagte der Ehemann auf Scheidung der Ehe wegen tiefer Zerrüttung. Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage am 7. Oktober 1960 gemäss Antrag der Beklagten in Anwendung von Art. 142 Abs. 2 ZGB ab, weil die bestehende Störung des ehelichen Verhältnisses, das vor 1955 nicht ernsthaft getrübt gewesen sei, in erster Linie auf die im Jahre 1955 beginnenden, zum mindesten grob ehewidrigen Beziehungen des Klägers mit Fräulein X (geb. 1918) zurückgeführt werden müsse. Das Obergericht des Kantons Zürich hat dagegen nach Durchführung eines Beweisverfahrens mit Urteil vom 10. November 1961 die Scheidung ausgesprochen und deren Neben olgen geordnet.
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Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Hauptantrag auf Abweisung der Klage.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Die Vorinstanz nimmt in Übereinstimmung mit dem Bezirksgericht an, die Ehe der Parteien sei im Jahre 1955, als der Kläger ehewidrige Beziehungen mit Fräulein X anknüpfte, noch nicht so tief zerrüttet gewesen, dass der Scheidungsgrund von Art. 142 Abs. 1 ZGB zugetroffen hätte. Auf Grund der Tatsachen, die sie für die Zeit vom Eheschluss (1936) bis zum Jahre 1955 festgestellt hat, ist ![]() | 4 |
Hinsichtlich des Verhältnisses mit Fräulein X, das der Kläger demnach bei noch nicht ernstlich gestörter Ehe eingegangen ist, geht die Vorinstanz über die Einzelheiten, die für die Beurteilung der Schuld des Klägers bedeutsam sind, mit Stillschweigen hinweg. Aus dem bezirksgerichtlichen Urteil, auf dessen tatsächliche Ergebnisse die Vorinstanz verweist, und aus den Zugeständnissen des Klägers erhellt, dass er in den Jahren 1955/1957 mit Fräulein ![]() | 5 |
Vor diesem Hintergrund betrachtet, erscheint als wenig bedeutsam, dass der Kläger, wie die Vorinstanz erklärt, nach der Wienerreise vom Jahre 1957 seine "engen" freundschaftlichen Beziehungen zu Fräulein X "abgebrochen" hat. Dieser Abbruch bestand im wesentlichen nur darin, dass keine gemeinsamen Ferienreisen mehr unternommen wurden. Autofahrten wurden dagegen nach der eigenen Darstellung des Klägers immer noch gemacht. Wenn dies, wie der Kläger behauptet, nur noch selten und in Begleitung seiner Schwester geschah, so lag darin nach dem Vorausgegangenen trotzdem eine grobe Ungehörigkeit. Die ![]() | 6 |
Verglichen mit dem langjährigen grob ehewidrigen Verhalten, das dem Kläger hienach zur Last fällt, sind die Handlungen, welche die Vorinstanz der Beklagten vorwirft, von so untergeordneter Bedeutung, dass es eine Bundesrechtsverletzung bedeutet, das Benehmen der Beklagten im gleichen Masse wie dasjenige des Klägers für die Zerrüttung der Ehe verantwortlich zu machen. Ohne erhebliche Bedeutung sind namentlich die abendlichen Ausgänge der Beklagten zu einer Zeit, da der Kläger ihr nichts mehr nachfragte, sondern - kurz vor und nach Einreichung des Scheidungsbegehrens - Prozessmaterial sammelte und zu diesem Zweck ein Verzeichnis ihrer Ausgänge anlegte. Die bereits erwähnten "lieblosen" Äusserungen erfolgten in den Jahren 1948/49, zu einer Zeit also, da die Ehe der Parteien nach Feststellung der Vorinstanz von der Zerrüttung noch weit entfernt war. Um jene Zeit wurde ja das zweite Kind der Parteien gezeugt. Bei den auf S. 17/18 des angefochtenen Urteils angeführten Äusserungen zum Thema der Untreue handelt es sich um unüberlegte Geschmacklosigkeiten, wie sie in weiten Kreisen als witzig gelten. Jedenfalls sieht man nicht, inwiefern diese einem Dritten gegenüber beiläufig erfolgten Bemerkungen die ehelichen Beziehungen gestört haben sollen. Was die Vorinstanz über das Verhältnis der Beklagten zu den Kindern der Parteien feststellt, hat sich alles während des Prozesses abgespielt. Zudem besagen diese Vorfälle nichts über das vorangegangene Verhältnis zwischen den Parteien selber. Ebenfalls in die Zeit nach Einreichung des Scheidungsbegehrens fällt die Weigerung der Beklagten, für die Familie zu kochen. Der Kläger hatte dieses Verhalten im übrigen provoziert, indem er das Haushaltungsgeld ![]() | 7 |
Zu Unrecht versucht die Vorinstanz, aus den "wenigen Beispielen, die im Prozess zu Tage traten oder nachgewiesen werden konnten", den Schluss zu ziehen, dass sich die ungünstigen Charaktereigenschaften, die sie der Beklagten vorwirft, auch sonst in der Ehe und im Familienleben nachteilig ausgewirkt haben. Dieses Vorgehen verstösst gegen Art. 158 Ziff. 1 ZGB, weil es darauf hinausläuft, die Scheidung zu einem wesentlichen Teil auf Tatsachen zu stützen, über die keinerlei konkrete Angaben gemacht werden können und von deren Vorhandensein der kantonale Richter sich darum auch nicht überzeugen konnte. Vollends unzulässig ist es, auf Grund der "allgemeinen Lebenserfahrung" bei einer Partei eine Charakterentwicklung anzunehmen, die zwar gelegentlich vorkommt, im gegebenen Fall aber nicht durch bestimmte Tatsachen sichtbar geworden ist. Im übrigen müssten eine bei der Beklagten in den letzten Jahren allenfalls eingetretene Verhärtung des Wesens und deren Auswirkungen in der Hauptsache auf das ehewidrige Verhalten des Klägers zurückgeführt werden.
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Man hat es also in Wirklichkeit nur mit dem alltäglichen Falle eines Mannes zu tun, der sich, nachdem die Ehe viele Jahre ohne wesentliche Trübung verlaufen ist, einer andern Frau zuwendet und fortan an seiner Ehefrau alles Erdenkliche auszusetzen findet, was ihn bisher nicht erheblich gestört hat. Gerade solche Fälle will Art. 142 Abs. 2 ZGB treffen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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