BGE 88 II 293 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
40. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. September 1962 i.S. Merkur Liegenschaften AG Frauenfeld gegen Merkur Immobilien AG | |
Regeste |
Art. 951 Abs.2'956 Abs.2OR. | |
Sachverhalt | |
A.- Die seit 1947 im Handelsregister stehende "Merkur Immobilien AG" in Zürich bezweckt "die Erwerbung, Überbauung, Verwaltung und Verwertung von Liegenschaften, die Vermittlung des An- und Verkaufes von Liegenschaften und die Tätigung aller Geschäfte, die dem Gesellschaftszwecke förderlich sind und diesen berühren".
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Am 18. Juli 1955 liess sich die "Merkur-Immobilien AG Frauenfeld" mit Sitz in Frauenfeld in das Handelsregister eintragen. Sie bezweckt "die Erstellung von Mehrfamilienhäusern und Hochbauten sowie deren Vermietung, Verwaltung und Verkauf".
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Am 23. Juli 1955 und am 9. Februar 1959 beanstandete die Merkur Immobilien AG die Firma der andern Gesellschaft. Beide Male wendete die Merkur-Immobilien AG Frauenfeld ein, ihre geschäftliche Tätigkeit beschränke sich auf die Erstellung eines einzigen Hauses. Die Merkur Immobilien AG liess sich dadurch beschwichtigen und erklärte jeweilen, sie dulde vorläufig die Weiterführung der unveränderten Firma, wenn diese in den Briefköpfen ungekürzt verwendet werde. In einem Schreiben vom 5. März 1959 fügte sie bei, sie werde auf die Angelegenheit zurückkommen, wenn der von der Merkur-Immobilien AG Frauenfeld geplante Neubau in Frauenfeld vollendet sein werde.
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Da die Merkur-Immobilien AG Frauenfeld im Jahre 1960 eine weitere Liegenschaft zu überbauen begann, forderte die Merkur Immobilien AG sie am 9. Juni 1961 erneut auf, ihre Firma zu ändern, und liess sie auf 14. Juli 1961 zu einem Vermittlungsvorstand vorladen. Die in Frauenfeld niedergelassene Gesellschaft änderte hierauf am 31. Juli 1961 ihre Firma in "Merkur Liegenschaften AG Frauenfeld" ab.
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B.- Nach einem weiteren erfolglosen Vermittlungsvorstand klagte die Merkur Immobilien AG im September 1961 gegen die Merkur Liegenschaften AG Frauenfeld mit dem Begehren, es sei der Beklagten zu verbieten, diese Firma zu führen.
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Die Klägerin unterlag vor dem Bezirksgericht Frauenfeld, zog jedoch die Sache an das Obergericht des Kantons Thurgau weiter. Dieses hiess am 10. Mai 1962 die Klage gut.
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C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Diese Klage setzt nur den Nachweis des unbefugten Gebrauchs der Firma voraus. Dass dieser zu Verwechslungen geführt habe, braucht nicht dargetan zu werden. Es genügt, wenn die Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zweier Firmen die Möglichkeit von Verwechslungen in die Nähe rückt (BGE 74 II 237, BGE 80 II 145, BGE 82 II 154, BGE 88 II 35) oder auch nur die Vermutung aufkommen lassen kann, die beiden Geschäftsinhaber ständen zueinander in rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen (BGE 59 II 163).
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Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, beurteilt sich nach der Aufmerksamkeit, die in jenen Kreisen üblich ist, mit denen die beiden Inhaber geschäftlich zu verkehren pflegen (BGE 59 II 158,BGE 73 II 113,BGE 74 II 237f.,BGE 77 II 324, BGE 82 II 154). Wenn diese Kreise ganz oder teilweise die gleichen sind, müssen die beiden Firmen sich deutlicher voneinander unterscheiden, als wenn die beiden Geschäftsinhaber, sei es in sachlicher, sei es in örtlicher Hinsicht, einander nicht ins Gehege kommen. Wer die Firma wählt, hat besonders darauf zu achten, dass sie nicht mit den Firmen jener Unternehmer verwechselt werden kann, die am gleichen Orte geschäftlich tätig werden und deren Geschäftsbereich sich ganz oder teilweise mit dem eigenen deckt (BGE 63 II 25,BGE 73 II 115,BGE 76 II 87f., BGE 82 II 154, BGE 88 II 36).
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Zu berücksichtigen ist auch, welche Freiheit ein Geschäftsinhaber bei der Wahl seiner Firma hat. Aktiengesellschaften können unter Wahrung der allgemeinen Grundsätze der Firmenbildung ihre Firma frei wählen (Art. 950 Abs. 1 OR). Nichts hindert sie, die Wahl so zu treffen, dass sich ihr Name von den bereits eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet. Daher sind die Anforderungen an die Unterscheidungskraft der Firma einer Aktiengesellschaft hoch (BGE 63 II 24,BGE 72 II 185, BGE 82 II 154).
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2. Im vorliegenden Falle ist Nachsicht nicht am Platze. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft und daher in der Wahl ihrer Firma frei. Ihre ganze geschäftliche Tätigkeit fällt ihrer Art nach auch in den statutarischen Geschäftsbereich der Klägerin. Der Einwand, sie habe noch keine Liegenschaftsgeschäfte ausserhalb der Stadt Frauenfeld getätigt und werde das auch in Zukunft nicht tun, hilft nicht. Ihr im Handelsregister bekanntgegebener Zweck kann irgendwo verfolgt werden. Auf die Zusicherung der Beklagten ist umsoweniger abzustellen, als sie anfangs wiederholt versprach, sie werde nur ein einziges Haus bauen, während sie, wie im Prozesse zugegeben, nun schon ein Hochhaus und einen Wohnblock erstellt hat und demnächst ein weiteres Mehrfamilienhaus bauen wird. Zudem ist zu bedenken, dass der Geschäftsbereich der Klägerin nicht auf Zürich beschränkt ist. Nach der Natur der beabsichtigten Geschäfte hat die Klägerin ein erhebliches Interesse, auch ausserhalb dieser Stadt nicht mit einer andern Gesellschaft verwechselt zu werden, besonders nicht im verhältnismässig nah gelegenen Frauenfeld. Sie hat denn auch nachgewiesen, dass Ingenieure in Baar und Winterthur, die im November 1961 bzw. Januar 1962 mit der Beklagten geschäftliche Beziehungen aufnehmen wollten, sich versehentlich an die Klägerin wandten. Es ergibt sich daraus, dass die Verschiedenheit des Sitzes der beiden Gesellschaften Verwechslungen nicht ausschliesst. Die Behauptung der Beklagten, die erwähnten Missverständnisse gingen darauf zurück, dass das Stadtbauamt Frauenfeld ihr jüngstes Bauvorhaben irrtümlich als solches der "Merkur Immobilien AG Frauenfeld" veröffentlicht habe, ist nicht zu hören; denn sie ist neu (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Die vorgekommenen Verwechslungen widerlegen auch die Auffassung, dass die beteiligten Kreise mit der Aufmerksamkeit, die sie üblicherweise anwenden, die beiden Firmen genügend zu unterscheiden vermöchten. Es ändert nichts, dass Handwerker, Architekten, Ingenieure, Geldgeber, Mieter und andere Personen, mit denen die Parteien vorwiegend verkehren, nicht dem "breiten Publikum" angehören, wie die Beklagte sagt. Auch solche Leute pflegen sich einen Firmennamen nicht immer genau einzuprägen, so dass ihnen die geringste Abweichung unfehlbar sagen würde, sie hätten es mit einer anderen Gesellschaft zu tun. Die verbreitete Neigung, Firmen abgekürzt zu gebrauchen oder aus ihnen nur das Wesentliche festzuhalten, erhöht die Gefahr von Verwechslungen auch in diesen Kreisen.
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3. Das Wort "Merkur" und die Abkürzung "AG" kommen sowohl in der Firma der Beklagten als auch in jener der Klägerin vor. Ferner stimmt das Wort "Liegenschaften" wenn auch nicht dem Schriftbilde und dem Klange, so doch dem Sinne nach vollständig mit "Immobilien" überein. Da es eine reine Sachbezeichung ist, besteht die Gefahr, dass nicht sein Aussehen oder Klang, sondern nur sein Sinn im Gedächtnis haften bleibt. Die Zusammensetzung "Merkur Liegenschaften AG" kann daher sehr leicht mit "Merkur Immobilien AG" verwechselt werden. Das ist umso eher möglich, als nicht das Wort "Liegenschaften" bzw. "Immobilien", sondern der Ausdruck "Merkur" der charakteristische Bestandteil ist. Als Name eines Gottes im alten Rom und eines Planeten gibt er der Firma Klang und Farbe, wogegen das Wort "Liegenschaften" bzw. "Immobilien" den Gegenstand der geschäftlichen Tätigkeit der Parteien benennt und wegen seiner überaus häufigen Verwendung in Firmen recht farblos und abgegriffen wirkt. Das Wort "Merkur" wird denn auch von der Beklagten in ihren neusten Briefköpfen deutlich hervorgehoben. Der Einwand, es sei Allgemeingut, ändert nichts. Die Firma der Aktiengesellschaft muss sich auch dann, wenn sie ausschliesslich aus Wörtern aus dem allgemeinen Sprachschatz besteht, deutlich von jeder schon eingetragenen Firma unterscheiden (BGE 59 II 159). Ebensowenig nützt der Beklagten Art. 944 OR, wonach jede Firma Angaben enthalten darf, die auf die Natur des Unternehmens hinweisen. Solche Angaben dürfen nicht missbraucht werden, um die Firma eines andern nachzuahmen. Art. 951 Abs. 2 OR geht vor (vgl.BGE 54 II 128,BGE 74 II 237).
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Einen eigenen Weg ist die Beklagte nur dadurch gegangen, dass sie den Ort ihres Sitzes in die Firma aufgenommen hat, wogegen eine Ortsangabe in der Firma der Klägerin fehlt. Die unterscheidende Kraft des Wortes "Frauenfeld" ist jedoch gering. Die Ortsbezeichnung in einer Firma wird oft nicht als deren Bestandteil, sondern als blosse Angabe des Geschäftssitzes empfunden und daher im Geschäftsverkehr meistens als überflüssig weggelassen, zumal man ohnehin dazu neigt, lange Firmen abzukürzen, besonders im mündlichen und im telephonischen Verkehr. Die Beklagte selber verwendete noch im Juni 1961 sogar in ihren Briefköpfen das Wort "Frauenfeld" nicht als Bestandteil ihrer Firma, obschon es schon damals als solcher im Handelsregister eingetragen war und die Klägerin sie am 5. August 1955 und am 5. März 1959 aufgefordert hatte, es beim Gebrauche der Firma nicht zu unterdrücken. Das Bundesgericht hat wiederholt entschieden, dass ein Zusatz, der im Verkehr häufig weggelassen wird, bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Firma unbeachtlich ist (BGE 72 II 185f., BGE 82 II 157). Dazu kommt, dass der volle Name der Beklagten zum mindesten den Gedanken an eine rechtliche oder wirtschaftliche Verbindung mit der Klägerin wachrufen kann. Man könnte z.B. zur Auffassung gelangen, die "Merkur Liegenschaften AG Frauenfeld" sei eine im Gebiete von Frauenfeld tätige Tochtergesellschaft der Klägerin. Das braucht die Klägerin sich nicht gefallen zu lassen. Die Firma der Beklagten unterscheidet sich somit selbst dann, wenn man nicht nur das charakteristische Wort "Merkur" oder den hervortretenden Bestandteil "Merkur Liegenschaften AG" ins Auge fasst, sondern sie als Ganzes betrachtet, nicht deutlich genug von der Firma der Klägerin.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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