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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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13. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Februar 1963 i.S. V. gegen G. und deren Kind Y.G. | |
Regeste |
Vaterschaftsklage. |
Entkräftung der wegen Verkehrs der Mutter mit einem Dritten erhobenen Einrede durch den Nachweis, dass dessen Vaterschaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. |
Bestätigung des kantonalen Urteils, das diesen Nachweis bejaht auf Grund eines serologischen Gutachtens, wonach beim gegenwärtigen Stande der Forschung (abweichend von der dem Falle von BGE 84 II 669 ff. zu Grunde liegenden Begutachtung) die Vaterschaft sich auf Grund der Bestimmung der A - Untergruppen A1 und A2 - unter gewissen im vorliegenden Falle nicht Platz greifenden Vorbehalten - mit dem erforderlichen Grade der Sicherheit ausschliessen lässt. | |
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Der Beklagte hält die Einrede des unzüchtigen Lebenswandels der Klägerin 1 (Art. 315 ZGB) nicht aufrecht, ist aber nach wie vor der Ansicht, die Klage müsse nach ![]() | 1 |
a) Bei nachgewiesenem, in die kritische Zeit fallendem Mehrverkehr kann die Vaterschaftsklage nur zugesprochen werden, wenn der Dritte mit äusserster, an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater auszuschliessen ist. Für diesen Ausschluss des Dritten gelten die gleichen strengen Anforderungen wie für den Ausschluss des Beklagten selbst, dessen Vaterschaft nach Art. 314 Abs. 1 ZGB zu vermuten ist (vgl. BGE 82 II 265 ff.). An dieser Rechtsprechung hat das Bundesgericht gegenüber abweichenden Ansichten (vgl. MERZ in ZbJV 94 S. 17 ff.) festgehalten (BGE 84 II 676). Die Vermutung der Vaterschaft des Beklagten lebt also nur dann wieder auf, wenn der Dritte (F. E.) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater des Kindes Y. G. ausgeschlossen werden kann.
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b) Davon geht nicht nur das Obergericht, sondern auch der von ihm beauftragte, mit den gesetzlichen Beweisanforderungen vertraute Experte Dr. A. Hässig aus, dessen Fachkunde ausser Zweifel steht und übrigens auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird. Das Gutachten kommt eben zum Schlusse, der Dritte F. E. sei (einzig) auf Grund der Bestimmung der A- Untergruppen A1 und A2 - unter der Voraussetzung einer sicher erwiesenen Mutterschaft ![]() ![]() | 3 |
c) Welchen Grad der Zuverlässigkeit die Ergebnisse einer naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethode bieten können und welcher Sicherheitsgrad im gegebenen Einzelfall erreicht sei, ist eine naturwissenschaftliche Frage, die der Sachverständige zu beantworten hat. Gewiss steht es dem Tatsachenrichter zu, den Expertenbefund auf seine Schlüssigkeit zu prüfen, soweit er dazu in der Lage ist. Übernimmt aber das kantonale Gericht die Schlussfolgerung des Gutachtens, der zu beweisende Sachverhalt sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben, so kann das Bundesgericht nur nachprüfen, ob es angesichts der Grundlagen, auf die sich dieser Schluss stützt, vertretbar sei, von einer derartigen Wahrscheinlichkeit zu sprechen, oder ob dieser Beurteilung des Grades der Zuverlässigkeit der Untersuchungsergebnisse eine Verkennung des Begriffes der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit und damit ein Irrtum über die gesetzlichen Anforderungen an den zu leistenden Beweis zu Grunde liegen müsse (vgl. BGE 87 II 71 Erw. 3).
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Das vorliegende Beweisergebnis, wie es das Obergericht auf Grund des Sachverständigenbefundes feststellt, lässt sich unter diesem rechtlichen Gesichtspunkte nicht beanstanden. Wie das Obergericht zutreffend bemerkt, stand die Zuverlässigkeit des A-Untergruppenausschlusses schon 1958 "auf der Schwelle der forensischen Verwertbarkeit" (vgl. die Hinweise auf ein Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes vom 17. Dezember 1953 und auf Gutachten des Dr. E. Hardmeier vom 23. Dezember 1949 und 19. Januar 1951 in BGE 84 II 674 in Verbindung mitBGE 78 II 312/13). Mit dem vorliegenden eingehend begründeten Gutachten vom 26. März 1962 hat Dr. A. Hässig den ![]() | 5 |
"Fälle, bei denen die A-Untergruppenzugehörigkeit der beteiligten Individuen nicht eindeutig festgelegt werden kann, bei denen also eine Intermediärform festgestellt wird, dürfen forensisch nicht verwertet werden.
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"Fälle, bei denen der Ausschluss darauf beruht, dass eine der beteiligten Personen der Gruppe A2B angehört, sind wegen der erwähnten Hemmwirkung der Blutgruppe B auf die Ausprägung der Blutgruppe A mit Zurückhaltung zu beurteilen; es sollte ihnen lediglich das Prädikat der "erheblichen bis sehr erheblichen Wahrscheinlichkeit" zuerkannt werden.
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"Fälle, bei denen der Ausschluss darauf beruht, dass das Kind die A-Untergruppe A2 aufweist, sind wegen der Möglichkeit einer verzögerten Reifung der A-Eigenschaft ebenfalls mit Zurückhaltung zu beurteilen. Es ist zu empfehlen, in solchen Fällen die Untersuchung zu Beginn des zweiten Lebensjahres des Kindes zu wiederholen."
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Hier liegt indessen nach Feststellung des Experten keiner dieser Fälle vor, und die Untersuchung ist zweifellos in fachgerechter Weise vorgenommen worden. Es lässt sich nicht bemängeln, dass der Experte den A-Untergruppen-Ausschlüssen einen höhern Grad von Sicherheit zuerkennt als vor einigen Jahren. Diese veränderte Stellungnahme beruht auf den Fortschritten der wissenschaftlichen Erkenntnis, wie sie dank der Verbesserung der Forschungsmittel erzielt worden sind. Der Fortschritt der Wissenschaft darf nicht bloss, sondern soll auch in der Gutachtertätigkeit seinen Niederschlag finden (vgl. HUMMEL, ![]() | 9 |
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