BGE 89 II 314 | |||
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42. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Mai 1963 i.S. Treuhand- und Wirtschaftsberatungs AG gegen Max Hommel & Co. | |
Regeste |
Ausübung des Pfandbesitzes durch einen Dritten als Treuhänder. Art. 884 Abs. 3 ZGB. | |
Sachverhalt | |
A.- Die Firma -Kreft AG, Tuchfabrik in Escholzmatt, befindet sich in Liquidation infolge eines am 7. April 1960 gerichtlich bestätigten Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung. Sie erhielt seit 1951 von der Bank in Langnau laufend beträchtliche Betriebskredite. Zur Sicherstellung wurden der Bank Waren und Forderungen verpfändet. Die verpfändeten Waren (Rohmaterialien sowie halbfertige und fertige Fabrikate) wurden in verschiedenen Räumen der Fabrik gelagert. Teils übernahmen es Angestellte der Schuldnerin, teils Drittpersonen, das einzelne Lager als "Treuhänder" zu verwalten.
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B.- Die Firma Max Hommel & Co. (Beklagte) meldete die ihr von der Bank in Langnau abgetretene Forderung samt den Pfandrechten zur Kollozierung an. Die Forderung und (mit einer Ausnahme) die Pfandansprachen wurden im Kollokationsplan zugelassen. Die ebenfalls mit einer Forderung zugelassene Treuhand- und Wirtschaftsberatungs AG klagte zusammen mit dem (später als Prozesspartei ausgeschiedenen) weitern Gläubiger Eugen Kreft auf Wegweisung von Forderung und Pfandrecht der Firma Max Hommel & Co. Die Forderung wollten die Kläger mit einer Forderung der Liquidationsmasse der Schuldnerin gegen die Beklagte verrechnen. Und die Pfandrechte fochten sie einerseits paulianisch im Sinne der Art. 285 ff. SchKG an; anderseits machten sie geltend, diese Rechte seien mangels gehöriger Besitzübertragung überhaupt nicht gültig zustande gekommen.
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C.- Das Amtsgericht Entlebuch hat die Klage gänzlich abgewiesen, ebenso das Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 10. Oktober 1962.
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D.- Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht hält die Klägerin an der gegenüber der Forderung der Beklagten erhobenen Verrechnungseinrede nicht fest. Sie lässt auch das der Beklagten zuerkannte Pfandrecht nunmehr gelten, soweit es sich auf das von E. Bucher bzw. A. Brun verwaltete Pfandlager für Wolle, Garne und Stoffe mit einer Sachwalterschatzung von Fr. 140'827.10 bezieht. Dagegen beantragt sie nach wie vor Wegweisung der im Kollokationsplan vom 29. Juli 1961, Pos. 1, zugelassenen Faustpfandrechte an folgenden Waren:
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"a) an den von Otto Stadelmann verwalteten Pfandlagern für Wolle in den Lagern Nr. 1, 3 und 4 mit Sachwalterschatzung, Wert 3. Sept. 1959, von Fr. 99'910.80,
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b) an dem von Alfred Schöpfer verwalteten Pfandlager für Garne im Dachstock des Fabrikgebäudes mit Sachwalterschatzung, Wert 3. Sept. 1959, von Fr. 88'467.30.
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c) an dem von Hans Portmann verwalteten Pfandlager für Stoffe in der Sägescheune mit Sachwalterschatzung, Wert 3. Sept. 1959, von Fr. 152'549.10."
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Der Antrag der Beklagten geht auf Abweisung der Berufung, eventuell auf Rückweisung der Sache an das Obergericht zu ergänzender Beweisführung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Es ist nur noch streitig, ob die im Berufungsantrage genannten drei Warenlager zivilrechtlich gültig verpfändet worden sind. Die paulianische Anfechtung der Pfandbestellungen hat die Klägerin fallen gelassen, ebenso die Bestreitung der Forderung der Beklagten.
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Während das Pfandlager Bucher/Brun durch aussenstehende, von der Verpfänderin unabhängige Dritte als Treuhänder verwaltet wurde und ihm jeweilen nur mit vorausgehender Bewilligung des Pfandgläubigerin Waren entnommen wurden (weshalb die Klägerin diese Pfandbestellung nunmehr gelten lässt), waren Treuhänder für die streitig gebliebenen Pfandlager Angestellte der Verpfänderin (Schuldnerin), und zwar solche, die die betreffenden Lager nach wie vor auch für ihre Dienstherrin verwalteten (der eine, Portmann, erst von der Pfandbestellung an) und jeweilen die Ein- und Auslagerungen nach den Bedürfnissen des Fabrikations- und Handelsbetriebes anordneten. Der vom Treuhänder mitunterzeichnete Pfandvertrag sah bei allen diesen Lagern vor, es dürfe ohne Zustimmung des Treuhänders dem Lager keine Ware entnommen werden. Deshalb traf denn auch jeweilen der Treuhänder, zugleich Inhaber des Schlüssels, die entsprechende Verfügung. Die Bank (Pfandgläubigerin) wurde nicht zum voraus um eine Bewilligung angegangen. Sie erhielt lediglich wöchentliche Berichte über die Lagerbestände und über die in der Zwischenzeit eingetretenen Bestandesänderungen.
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Der Ansicht des Obergerichts, durch diese Treuhandverhältnisse sei ein den Anforderungen des Art. 884 ZGB genügender Pfandbesitz der Bank geschaffen worden, kann sich das Bundesgericht nicht anschliessen. Sie lässt sich jedenfalls nicht aus den Erwägungen von BGE 43 II 15 ff. und BGE 58 III 121 ff. rechtfertigen. Jene erste Entscheidung geht zwar (mit Hinweis auf Entscheide des deutschen Reichsgerichts) davon aus, es könne auch der Angestellte des Pfandschuldners als Stellvertreter des Pfandgläubigers für diesen den Besitz an der Pfandsache ausüben. Als Voraussetzung für den Besitzerwerb wird dann aber eine äusserlich erkennbare Veränderung des Besitzstandes bezeichnet (woran es im damals beurteilten Fall fehlte), und es müsse vermieden werden, dass der Angestellte den Besitz sowohl für den Pfandgläubiger wie auch für seinen Dienstherrn ausübe. Eine solche Doppelstellung schliesse wirksamen Pfandbesitz aus. Zwar möge der als Stellvertreter des Pfandgläubigers bezeichnete Angestellte des Verpfänders den Willen haben, den Besitz für den einen wie auch für den andern auszuüben; "die tatsächliche Gewalt aber, die unteilbar ist, konnte er nur für den einen der beiden Besitzesherren innehaben." (a.a.O. 23/24). Auch die zweite der angeführten Entscheidungen hebt hervor, es fehle an einer gültigen Pfandbestellung, wenn der Vertreter des Pfandgläubigers "den Besitz nicht in einer den Verpfänder von der Gewalt über die Pfandsache ausschliessenden Weise erwirbt". An einer solch selbständigen Besitzerstellung gebricht es auch im vorliegenden Falle. Wohl übernahmen die betreffenden drei Angestellten der Verpfänderin die treuhänderische Verwaltung der in Frage stehenden Pfandlager; doch waren es wiederum sie, die kraft der ihnen im Betriebe der Verpfänderin obliegenden dienstlichen Aufgaben über die Ein- und Auslagerungen verfügten, sei es aus eigenem, durch die Bedürfnisse der Fabrikationsbetriebes bestimmtem Willensentschluss, sei es auf Weisung der Geschäftsleitung der Verpfänderin. Mochten sie bei diesen Anordnungen, namentlich bei der Freigabe von Waren aus dem Lager, auch das Sicherheitsbedürfnis der Pfandgläubigerin im Auge behalten und sich verpflichtet fühlen, eine grosse Verminderung des Lagerbestandes zu vermeiden, so befanden sie sich doch in der unter dem Gesichtspunkt des Art. 884 Abs. 3 ZGB gemäss BGE 43 II 15 ff. zu verpönenden Doppelstellung.
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Eine neue Prüfung der Rechtslage führt zum gleichen Ergebnis. Man kann sich fragen, ob bei Belassung eines als Pfand bezeichneten Warenlagers in Räumen des Verpfänders ein Angestellter desselben überhaupt in gültiger Weise als Stellvertreter des Pfandgläubigers (Treuhänder) den Pfandbesitz erwerben und ausüben könne. In verneinendem Sinn äussert sich OBSTFELDER (Zur Besitzausübung durch Treuhänder beim Warenlombardverkehr, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht, Bd. 56/1905, S. 126 ff.). Er führt aus, der Angestellte übe gar keinen eigenen, sondern nur den Besitz des Dienstherrn (als Besitzdiener) aus und sei daher auch nicht imstande. einen Besitz für den Pfandgläubiger zu vermitteln (a.a.O. S. 135-138). Demgegenüber hält RUD. SCHMIDT (Der Pfandbesitz, Archiv für die civilistische Praxis, Bd. 14 (134)/1941 S. 1 ff. und 129 ff.) eine Pfandbestellung für gültig. die durch Übergabe der Schlüssel an einen Angestellten des Verpfänders bewirkt wird: Dabei verzichte der Prinzipal auf seine Befehlsgewalt nach der einen Richtung und setze sich dadurch ausserstande, über die Pfandsachen ohne Mitwirkung eines Organs des Gläubigers zu disponieren; es werde also nach einer Richtung hin die Eigenschaft des Angestellten als Besitzdiener des Prinzipals aufgehoben (a.a.O. S. 51/52). Im übrigen sei es zur Gültigkeit des Pfandrechts nicht erforderlich, dass jeder Dritte, der in den Betrieb hineinkommt, ohne weiteres erkenne, dass der Gläubiger die Herrschaft über die Sachen ausübt; dies ebensowenig, wie wenn der Gläubiger selbst den Schlüssel hätte (a.a.O. S. 55). Den Einwand, ein solcher Treuhänder sei wegen seiner Abhängigkeit vom Prinzipal gar nicht in der Lage, diesem gegenüber den Willen des Pfandgläubigers durchzusetzen, lässt dieser Autor grundsätzlich nicht gelten. Übrigens hindere nichts, das Pfandrecht erlöschen zu lassen, wenn der Treuhänder seine Pflichten gegenüber dem Pfandgläubiger verletze und dem Schuldner freien Zutritt zu den Sachen gewähre (a.a.O. S. 52). Unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung, namentlich des deutschen Reichsgerichts (Entsch. in Zivilsachen 66, 258; 67, 421; 77, 201; Seufferts Archiv NF 7 (62) Nr. 57) hält PLANCKS Kommentar (5. Auflage 1938, Bem. 1, b zu § 1 205 des deutschen BGB) die Beauftragung eines Angestellten, auch eines Prokuristen des Verpfänders, als Treuhänder und Besitzdiener des Pfandgläubigers für zulässig, "sofern das Herrschaftsverhältnis durch Einrichtungen, die in den Geschäftsbetrieb des Pfandschuldners eingreifen, sichtbar kundgemacht wird"; so auch STAUDINGER (11. Auflage 1963, N. 3 S. 1909 zu § 1205 BGB).
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Für das schweizerische Recht ist von Art. 884 Abs. 3 ZGB auszugehen. Danach ist das Pfandrecht nicht begründet, solange der Verpfänder die ausschliessliche Gewalt über die Sache behält. Das bedeutet, dass der Verpfänder nicht selbständig, mit Ausschluss des Pfandgläubigers, über die Pfandsache darf körperlich verfügen können (vgl. BGE 55 II 300, BGE 57 II 516, BGE 80 II 236 Erw. 1; LEEMANN, N. 64, und OFTINGER, N. 188 und 247/48 zu Art. 884 ZGB). Soll der Pfandbesitz durch Einräumung eines sog. Raumgewahrsams begründet werden, so muss der Pfandgläubiger den einzigen oder die sämtlichen Schlüssel oder aber von mehreren Schlüsseln einen erhalten, ohne den sich der Raum (das Behältnis) nicht öffnen lässt (vgl. OFTINGER, N. 234 und 238 zu Art. 884 ZGB; HOMBERGER und MARTI, Faustpfand, Schweiz. jur. Kartothek 672 Ziff. III 2). Auch wenn ein Dritter den Pfandbesitz für den Pfandgläubiger erwerben und ausüben soll, kommt es für die Gültigkeit des Pfandrechts darauf an, dass die Sache der selbständigen körperlichen Verfügung durch den Verpfänder entzogen ist. Gleiches gilt bei Bezeichnung eines Treuhänders (Pfandhalters), der den Besitz für den Verpfänder und Pfandgläubiger zugleich auszuüben hat (vgl. BGE 89 II 198 ff; OFTINGER, N. 216 zu Art. 884 ZGB; M. HAFFTER, Das Fahrnispfandrecht und andere sachenrechtliche Sicherungsgeschäfte, Diss. 1928, S. 39/40). Es liegt auf der Hand, dass sich die tatsächliche Möglichkeit körperlicher Verfügung durch den Verpfänder nicht leicht ausschliessen lässt, wenn die Sachen in dessen Räumen verwahrt werden sollen (zumal ein fluktuierendes Warenlager als Sachgesamtheit; vgl. M. HAFFTER, a.a.O.52/53) und als Treuhänder ein Angestellter des Verpfänders amten soll. Jedenfalls darf nicht ohne weiteres angenommen werden, ein Angestellter sei willens und in der Lage, vom Dienstherrn etwa beabsichtigte Eingriffe abzuwehren und sich allfälligen Weisungen desselben zu widersetzen. Wegen der sich daraus für den gültigen Fortbestand des Pfandrechts ergebenden Gefahren rät OFTINGER (N. 220 zu Art. 884 ZGB) den Gläubigern von dieser Verpfändungsweise ab, obwohl er im Anschluss an die erwähnten Gerichtsentscheidungen von deren grundsätzlicher Zulässigkeit ausgeht. Es mag dahingestellt bleiben, ob ein Angestellter des Verpfänders nicht überhaupt wegen der dem Dienstverhältnis innewohnenden Abhängigkeit vom Prinzipal als zur Übernahme eines solchen Treuhandsauftrages untauglich zu erachten sei. Jedenfalls liegt hier kein gültiger Pfandbesitz vor, da die in Frage stehenden Angestellten der Schuldnerin (Verpfänderin) die ihnen unterstellten Warenlager nicht bloss kraft der ausserhalb der Anstellungsverhältnisse liegenden besondern Aufgabe neutraler Treuhänder (Mittelsmänner), sondern zugleich im Rahmen ihrer Anstellungen selbst in Obhut hatten. Es gehörte zu ihren dienstlichen Verrichtungen, über die Ein- und Auslagerungen gemäss den Bedürfnissen des Fabrikationsbetriebes zu verfügen, sei es nach eigenem Entschluss oder auf Weisung oder Bedarfsmeldung anderer Dienstzweige oder der Geschäftsleitung der Verpfänderin, und zwar ohne vorausgehende Einwilligung der jeweilen erst nachträglich über die eingetretene Bestandesänderung orientierten Pfandgläubigerin. Somit waren diese Angestellten Besitzdiener der Verpfänderin und übten für diese eine tatsächliche Gewalt aus, mit der sich aus den bereits in BGE 43 II 15 ff. dargelegten Gründen die Innehabung eines Pfandbesitzes für die Bank nicht vertrug.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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a) ...
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b) ...
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