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7. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. März 1964 i. S. FASAC gegen Spielmann & Co. | |
Regeste |
Unlauterer Wettbewerb. |
Nachahmung von in der Schweiz nicht hinterlegten Stoffzeichnungen mit Hilfe von Mustern, die der Beklagten auf Bestellung hin zur Prüfung im Hinblick auf einen Kauf solcher Stoffe zugesandt worden waren. Verwechselbarkeit der Erzeugnisse der Parteien. Verstoss gegen Treu und Glauben im Sinne von UWG Art. 1 Abs. 1. (Erw. 4-6). |
Feststellung der Widerrechtlichkeit nach UWG Art. 2 Abs. 1 lit. a; Fehlen eines rechtlichen Interesses. (Erw. 8). |
Verbot künftiger widerrechtlicher Handlungen gemäss UWG Art. 2 Abs. 1 lit. b wegen Wiederholungsgefahr. (Erw. 9). |
Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes gemäss UWG Art. 2 Abs. 1 lit. c; Fehlen eines genügenden Grundes für eine solche Anordnung. (Erw. 10). |
Schadenersatz; Verschulden der Beklagten im Sinne von UWG Art. 2 Abs. 1 lit. d. (Erw. 11). | |
Sachverhalt | |
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Die Kommanditgesellschaft Geny Spielmann & Co. in Zürich, die sich nach dem Eintrag im Handelsregister mit der Fabrikation von und dem Handel mit Waren der Textil- und Bekleidungsbranche, insbesondere mit der Herstellung von "Damenkonfektion im Modell-Genre" befasst, liess sich nach Besuch der erwähnten Messe von der FASAC die Muster Nrn. 1664 und 1680 zusenden. Stoffe dieser Muster bestellte sie nicht. Dagegen liess sie durch eine andere Firma Stoffe herstellen, die ebenfalls rechteckige, durch die Abbildung einer Grossnaht oder eines Gürtels verbundene Grossfelder in zwei verschiedenen Farben aufweisen, und brachte aus solchen Stoffen angefertigte ![]() | 2 |
B.- Am 7. Juni 1963 leitete die FASAC beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen Geny Spielmann & Co. Klage ein mit den Begehren:
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1. "Es sei festzustellen, dass die Beklagte durch Feilhalten und Verkauf von Stoffmustern, die den Mustern No. 1664 und No. 1680 der Klägerin entsprechen und dadurch gekennzeichnet sind, dass zwei verschiedenfarbige Grossfelder durch einen vorgetäuschten Querstreifen, welcher die Form einer Grossnaht bezw. eines Gürtels hat, gebunden sind, bezw. von aus solchen Stoffen konfektionierten Kleidern, unlautern Wettbewerb begeht.
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2. Es sei der Beklagten zu verbieten, die unlautern Handlungen gemäss Rechtsbegehren 1 zu begehen oder dabei sonst mitzuwirken, und es sei ihr zu befehlen, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, alles unter Androhung der Überweisung an den Strafrichter wegen Ungehorsams im Falle der Zuwiderhandlung.
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3. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den durch die Handlungen gemäss Begehren 1 erwachsenen und eventuell noch entstehenden Schaden... zu bezahlen..."
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Das Handelsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. September 1963 abgewiesen.
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C.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie erneuert damit die Klagebegehren 1-3 und beantragt eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Ermittlung des Schadens.
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Die Beklagte beantragt die Bestätigung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Die Schweiz und Italien sind Vertragsstaaten der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 1883 zum Schutze des gewerblichen Eigentums, und zwar gilt zwischen ihnen die am 2. Juni 1934 in London festgelegte Fassung (BS 11 S. 991 ff.). Nach Art. 1 Abs. 2 dieser Fassung der Übereinkunft hat der Schutz des gewerblichen Eigentums u.a. die Unterdrückung des unlautern Wettbewerbs zum Gegenstand. Nach Art. 2 Abs. 1 geniessen die Angehörigen eines jeden der Verbandsländer in allen ![]() | 11 |
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4. Die Klägerin machte im kantonalen Verfahren geltend, das Verhalten der Beklagten, "welche originelle und sehr beachtete Muster der Klägerin zur Ansicht kommen liess, um nachher selbst solche herzustellen bezw. herstellen zu lassen, bezw. aus diesen Stoffen selbst Kleider herzustellen", sei unlauter im Sinne von Art. 1 UWG; die Muster der Beklagten seien mit denjenigen der Klägerin "nicht nur verwechselbar, sondern praktisch identisch, so dass die unter besonders unlautern Umständen begangene sklavische Nachahmung die Klagebegehren begründet"; für die Bejahung der entscheidenden Frage, ob die erfolgte Nachahmung im Sinne des UWG unlauter sei, gebe den Ausschlag, "dass die Beklagte ein Muster getreu nachgemacht hat, dem grösste Originalität zuerkannt werden muss, nachdem es dieselbe (gemeint: nachdem sie es) zur Ansicht bestellt hatte." In Übereinstimmung damit führt die Klägerin in der Berufungsschrift aus, die Beklagte habe sich eines Verstosses gegen Art. 1 UWG schuldig gemacht, indem sie "unter besondern Umständen" (gemeint: im Anschluss an die von keiner Warenbestellung gefolgte Bestellung von Mustern) "die Nachahmung sehr origineller Stoffzeichnungen zwecks Konkurrenzierung der Klägerin vorgenommen hat"; das hier (d.h. im vorliegenden Falle) gerügte unlautere Element ![]() | 13 |
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Die Kennzeichnungskraft, die das Bundesgericht in BGE 87 II 56 (vgl. auch BGE 88 IV 83) als Voraussetzung derartiger Verwechslungen bezeichnet hat, lässt sich den Erzeugnissen der Klägerin nicht absprechen. Es handelt sich dabei nicht um Massenartikel, sondern um modische Stoffe von ausgeprägter Eigenart. Hiebei bliebe es auch, wenn die Klägerin den Gürtel Modell Nina Ricci abgezeichnet hätte, wie die Beklagte behauptet.
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Dagegen trifft entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu, dass die Beklagte die Muster der Klägerin "sklavisch" nachgeahmt, d.h. genau nachgebildet habe. Vielmehr ist der Vorinstanz darin beizustimmen, dass zwischen den Stoffmustern der Parteien Unterschiede bestehen. Das Grossnahtmuster der Klägerin zeigt schräg zur Längsrichtung der Stoffbahn verlaufende Stücke eines gedrehten Seils, das durch gelbe oder grüne Ösen gezogen ist, das Grossnahtmuster der Beklagten parallel zur erwähnten Richtung verlaufende Stücke eines glatten, durch weisse Ösen gezogenen Seils. Der Abstand zwischen den beiden Ösenreihen und den zur gleichen Reihe gehörenden Ösen ist beim Muster der Klägerin kleiner als beim Muster der Beklagten. Das Gürtelmuster der Klägerin stellt einen Gürtel mit zweireihiger Lochung, einer schmalrandigen ![]() | 16 |
Dies schliesst jedoch die Gefahr der Verwechslung nicht aus. Bei Beurteilung der Verwechselbarkeit bestimmter Erzeugnisse ist im Wettbewerbsrecht auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Vergleichsgegenstände in der Erinnerung des Durchschnittskäufers hinterlassen (BGE 82 II 350 Erw. 2 a, BGE 83 II 157 Erw. 2, BGE 84 II 581, BGE 88 IV 81). Dieser Gesamteindruck wird bei den Stoffen beider Parteien durch die verschiedenfarbigen, die ganze Breite der Stoffbahn einnehmenden Grossfelder und die sie verbindenden Querstreifen in Gestalt einer vorgetäuschten Grossnaht bezw. eines vorgetäuschten Gürtels bestimmt. Die festgestellten Unterschiede treten gegenüber diesen übereinstimmenden, die Muster kennzeichnenden Elementen in der Erinnerung des Durchschnittskäufers zurück. Sie vermögen den Eindruck, dass es sich um die gleichen Waren oder doch um Waren der gleichen Herkunft handle, nicht aufzuheben. Die Verwechslungsgefahr ist daher in Abweichung vom angefochtenen Urteil zu bejahen.
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"Die Klägerin kann nicht behaupten, die Beklagte habe die Muster lediglich kommen lassen, um sie zu kopieren. Das ist ![]() | 19 |
Diese Ausführungen enthalten die für das Bundesgericht verbindliche tatsächliche Feststellung, dass die Beklagte die Muster nicht nur zum Zwecke ihrer Nachahmung bestellte. Die Feststellung, dass die Nachahmung nicht der einzige Zweck der Bestellung war, lässt die Möglichkeit offen, dass die Beklagte mit der Bestellung neben andern Zwecken auch die Absicht verfolgte, die Stoffe der Klägerin allenfalls nachzuahmen. Der Ablauf der Ereignisse - Besichtigung der Stoffe in Frankfurt a.M., Bestellung von Mustern dieser eigenartigen Stoffe, Herstellung von zum Verwechseln ähnlichen Stoffen - begründet die Vermutung, dass die Beklagte bei der Bestellung wenigstens eventuell beabsichtigte, die Stoffe der Klägerin mit Hilfe der Muster nachzuahmen. Die Beklagte vermochte diese Vermutung nicht zu entkräften. Selbst wenn man mit der Vorinstanz annehmen will, die Beklagte hätte die Stoffe der Klägerin schon allein auf Grund der Besichtigung an der Messe in Frankfurt nachmachen können, so wurde die Nachahmung durch die Zusendung der Muster doch wesentlich erleichtert. Die Beklagte muss sich also den Vorwurf gefallen lassen, eigenartige Erzeugnisse der Klägerin mit Hilfe von Mustern nachgeahmt zu haben, die sie mit der Eventualabsicht dieser Verwendung bestellt hatte. Damit hat sie den wirtschaftlichen Wettbewerb durch ein gegen Treu und Glauben verstossendes Mittel im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UWG missbraucht. Sie durfte die Muster redlicherweise nur zum Zwecke der Prüfung im Hinblick auf einen Warenkauf bestellen.
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Unlauterer Wettbewerb im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UWG wäre der Beklagten im übrigen auch dann vorzuwerfen, wenn man nicht annähme, sie habe schon bei der Bestellung der Muster wenigstens eventuell beabsichtigt, sie nachzuahmen, sondern davon ausginge, sie ![]() | 21 |
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8. Der in Art. 2 Abs. 1 lit. a UWG vorgesehene Anspruch auf Feststellung der Widerrechtlichkeit, d.h. auf Erlass eines besondern, die Widerrechtlichkeit feststellenden Urteilsspruches, hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Voraussetzung, dass ![]() | 23 |
Im vorliegenden Fall ist die Urteilsveröffentlichung nicht verlangt worden. Anderseits ist gemäss Erwägung 9 hienach der Unterlassungsanspruch zu schützen. Besondere Umstände, die ein rechtliches Interesse daran zu begründen vermöchten, dass zum Unterlassungsbefehl die selbständige Feststellung der Widerrechtlichkeit hinzutrete, sind nicht gegeben. Gegen die Gefahr einer Wiederholung der widerrechtlichen Handlungen, auf welche die Vorinstanz in ihren (trotz Verneinung des unlautern Wettbewerbs angestellten) Erwägungen über die einzelnen Klagebegehren hinweist, schützt der Unterlassungsbefehl. Die verlangte Feststellung ist daher abzulehnen.
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Die Beklagte liess im kantonalen Verfahren behaupten, diese Gefahr bestehe nicht; sie habe der Klägerin schon vor der Klageeinleitung erklärt, weitere Kleider mit den beanstandeten Mustern würden nicht mehr hergestellt und verkauft, weil bereits alle nach diesen Mustern angefertigten Strandkostüme verkauft und ausgeliefert seien und der Betrieb bereits für die Wintersaison 1963/64 arbeite; der Verkauf weiterer Kleider aus solchen Stoffen sei auch deshalb nicht zu befürchten, weil diese Stoffe bereits von der neuen Mode überholt seien. Die Vorinstanz fand, ![]() | 26 |
Ob die Klägerin einen Schaden erlitt, was die Beklagte bestreitet, und wie hoch er gegebenenfalls sei, hat die Vorinstanz nicht abgeklärt, weil sie zur Auffassung gelangte, es liege kein unlauterer Wettbewerb vor. Da die Beklagte in Wirklichkeit den Tatbestand von Art. 1 Abs. 1 UWG schuldhaft setzte, ist die Sache zur Ermittlung des Schadens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Soweit der (von der Klägerin auf etwa Fr. 45'000 geschätzte) Schaden nicht ziffernmässig nachgewiesen werden kann, greift die Regel von Art. 42 Abs. 2 OR Platz (BGE 72 II 399).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die Berufung wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons Zürich vom 26. September 1963 aufgehoben.
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2.- Der Beklagten wird unter der Androhung von Haft oder Busse nach Art. 292 StGB untersagt, Stoffmuster mit den wesentlichen Merkmalen der Muster Nrn. 1664 und 1680 der Klägerin, gekennzeichnet durch verschiedenfarbige Grossfelder und ein sie verbindendes Element in Form eines vorgetäuschten Gürtels oder einer vorgetäuschten Grossnaht (sog. Seilmotiv), sowie daraus angefertigte Kleider und Kleidungsstücke herzustellen, feilzuhalten, zu verkaufen und in Verkehr zu bringen.
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