BGE 90 II 75 | |||
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10. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. März 1964 i.S. H.K. und Kons. gegen I.B. und Kons. | |
Regeste |
Art. 495 ZGB: Für Erbverzicht und Erbauskauf, die zwischen dem Vater als Erblasser und seiner Tochter als Erbin abgeschlossen werden, bedarf es keiner Mitwirkung der Vormundschaftsbehörde im Sinne von Art. 282 ZGB, wenn die Tochter minderjährige Nachkommen hat. | |
Sachverhalt | |
1 | |
Am 9. Juni 1948 schloss die damals mit H.K. verheiratete I.B. mit ihrem Vater, Dr. h.c. A.B., einen Erbverzichts- und Auskaufvertrag ab. Darin erklärt sich Dr. A.B. bereit, an seine Tochter I.B., beziehungsweise deren Kinder, eine einmalige Kapitalabfindung in der Höhe von Fr. 1.000.000.-- in bar auszurichten nach Massgabe folgender Bestimmungen:
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"III.
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Frau I.B. erklärt hiemit, mit ausdrücklicher Zustimmung ihres Ehemannes, gegen Ausrichtung der in Ziff. I hievor vereinbarten Auskaufssumme, im Sinne von Art. 495 ZGB, für sich sowie ihre Nachkommen und Rechtsnachfolger den gänzlichen und vorbehaltlosen Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht, das ihr gegenüber ihrem Vater, Herrn Dr. A.B., zusteht.
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.....
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V.
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Die Auskaufssumme von Fr. 1'000,000.-- wird mit Inkrafttreten dieses Vertrages ausgerichtet wie folgt:
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a) Fr. 400'000.-- zu Gunsten der Kinder der Frau I.B., einschliesslich der künftigen, mit der Auflage, dieses Kindesvermögen dauernd bei der Zürcher Kantonalbank anzulegen, unter Zuwendung der lebenslänglichen Nutzung an Frau I.B.,...
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b) Fr. 600'000.-- zur freien Verfügung an Frau I.B.,..."
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Am 9. Dezember 1950 wurde die Ehe K.-B., aus der die Kinder R., L. und Y. hervorgegangen waren, geschieden. Die beiden Söhne wurden dem Vater H.K. zugewiesen, die Tochter der Mutter I.B.; diese ging nach kurzem eine Ehe mit N. ein. Der Verbindung mit N. entsprossen C. W. und F. Auch diese Ehe wurde später geschieden.
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Im August 1957 reichten H.K. und seine beiden Söhne Klage ein gegen Frau I.B., ihre vier weitern Kinder sowie gegen Dr. A.B. Sie verlangten u.a. Auflösung des Miteigentums am Kindesvermögen und Herausgabe der auf R. und L. entfallenden Anteile von je einem Drittel. Sie machten geltend, bei der Vereinbarung von 1948 handle es sich um einen Schenkungsvertrag zugunsten der Kinder aus der Ehe K.-B.
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Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Klage ab mit der Begründung, es liege ein Erbverzicht der Kinder vor, der nicht ohne Mitwirkung der Vormundschaftsbehörden im Sinne von Art. 282 ZGB habe abgegeben werden dürfen. Der Vertrag vom 9. Juni 1948 sei wegen Missachtung von Formvorschriften nichtig und falle als Ganzes dahin, mit der Wirkung, dass die erbrachten Leistungen zurückzuerstatten seien.
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Das Bundesgericht weist die Berufung der Kläger ebenfalls ab, soweit darauf einzutreten ist. Über die Frage, ob der Vertrag unter Missachtung von Art. 282 ZGB zustandegekommen sei, enthält der Entscheid folgende
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Erwägungen: | |
4. Mit Vertrag vom 9. Juni 1948, der im Mittelpunkt der vorliegenden Streitsache steht, verzichtet I.B. "für sich sowie ihre Nachkommen und Rechtsnachfolger" gänzlich und vorbehaltlos auf das Erbrecht, welches sie gegenüber ihrem Vater besass, und dieser verpflichtet sich, als Entgelt für den Verzicht eine einmalige Kapitalabfindung von Fr. 1'000,000. - auszuzahlen. Der Vertrag stellt, was die Vorinstanz übersehen hat, ein Doppelgeschäft dar: Auf der einen Seite enthält er den Erbverzicht der I.B. als Rechtsgeschäft von Todes wegen und auf der andern den Erbauskauf als Rechtsgeschäft unter Lebenden (TUOR, N. 11 Vorbemerkungen zum Erbvertrag und ESCHER, N. 4 und 10 zu Art. 495 ZGB). Das zwischen den Prozessparteien bestehende Rechtsverhältnis wird durch diese beiden Rechtsgeschäfte bestimmt, deren Rechtsgültigkeit als erstes zu prüfen ist. Die Vorinstanz gelangt nämlich zur Abweisung sämtlicher Parteibegehren, indem sie annimmt, Erbverzicht und Erbauskauf seien nichtig, da die Kinder der I.B. als Vertragsparteien zu gelten hätten und als solche nicht gültig vertreten worden seien, d.h. durch einen Beistand gemäss Art. 282 ZGB.
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a) Der Erbverzicht wurde laut Vertrag von 1948 allein zwischen Dr. A.B. und dessen Tochter abgeschlossen, wobei sie auf den ihr zustehenden Erbanspruch verzichtete. Die gemeinsamen Kinder des H.K. und der I.B. nahmen an diesem Vertrag in keiner Weise als Kontrahenten teil; inwieweit sie als Vertragspartner betrachtet werden könnten, ist nicht ersichtlich. Es erübrigte sich deshalb auch eine Vertretung der Kinder. H.K., der den Vertrag als "zustimmender Ehemann" unterzeichnete, handelte nicht in seiner Eigenschaft als Inhaber der elterlichen Gewalt, mithin nicht als gesetzlicher Vertreter der Kinder. Seine Mitwirkung war überhaupt nicht erforderlich. Ohne Einfluss ist im weitern, dass Frau I.B. den Verzicht im Vertrage "für sich sowie ihre Nachkommen und Rechtsnachfolger" aussprach. Gemäss Art. 495 Abs. 3 ZGB wirkt der Erbverzicht beim Fehlen anderslautender Vertragsklauseln gegenüber den Nachkommen des Verzichtenden und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe der Abfindung (s. ESCHER, N. 8 zu Art. 495 ZGB). Frau I.B. erklärte somit nur, was in der Bestimmung von Art. 495 Abs. 3 ZGB schon enthalten ist. Verfehlt ist endlich die Ansicht, die Vormundschaftsbehörde müsse gemäss Art. 282 ZGB überhaupt bei jedem Abschluss eines Erbverzichtsvertrages mitwirken, wenn der Verzichtende minderjährige Nachkommen habe. Das Gesetz enthält keine Anhaltspunkte für ein derartiges Erfordernis.
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b) Für den Erbauskauf war eine Mitwirkung der Vormundschaftsbehörde namens der Kinder im Sinne von Art. 282 ZGB ebenfalls nicht erforderlich. Die Kinder der I.B. wurden nämlich durch dieses Rechtsgeschäft ausschliesslich begünstigt und weder gegenüber ihren Eltern noch gegenüber Dritten verpflichtet. Eine solche Verpflichtung wäre aber Voraussetzung für die Mitwirkung der Behörde gemäss Art. 282 ZGB.
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