BGE 90 II 207 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
24. Beschluss der I. Zivilabteilung vom 27. Juni 1964 i.S. VEB Carl Zeiss Jena gegen Firma Carl Zeiss Heidenheim | |
Regeste |
Berufung, Anforderung an das kantonale Urteil. |
Erfordernis der Angabe des angewendeten Rechts; Art. 51 Abs. 1 lit. c OG (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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"1. Dem Beklagten wird - unter Androhung der Überweisung seiner verantwortlichen Organe an den Strafrichter zur Bestrafung mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB im Widerhandlungsfalle - verboten, in seinem Geschäftsverkehr im Gebiet der Schweiz und im Verkehr mit der Schweiz den Namen "Zeiss" oder "Carl Zeiss" zu benutzen und insbesondere die Firma "VEB Carl Zeiss" oder "VEB Carl Zeiss Jena" zu führen.
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2. Die Klägerin ist ermächtigt, das Urteil je einmal in der Grösse einer Achtelsseite in acht von ihr zu bestimmenden schweizerischen Tageszeitungen und im schweizerischen Handelsamtsblatt auf Kosten des Beklagten zu veröffentlichen."
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B.- Der Beklagte hat gegen dieses Urteil die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage, eventuell auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung sei abzuweisen, soweit aufsie eingetreten werden könne, und das angefochtene Urteil sei zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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"Die Probleme des vorliegenden Rechtsstreites sind im wesentlichen die nämlichen, wie sie im Prozess der Firma Jenaer Glaswerk Schott & Gen. gegen Beier zur Entscheidung standen. Vorab ist daher auf das Urteil des Handelsgerichtes vom 24. Juni 1960 zu verweisen".
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Es erklärt sodann weiter, die im genannten Urteil angestellten Erwägungen seien "grundsätzlich zu bestätigen".
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Das Handelsgericht hat es also unterlassen, sein Urteil mit einer Begründung zu versehen, welche alle massgeblichen tatbeständlichen und rechtlichen Entscheidungsgründe enthält. Es hat sich vielmehr damit begnügt, nur einen Teil der Motive seines am 14. Oktober 1963 gefällten Entscheides in diesem selber darzulegen. Im übrigen verweist es auf ein Urteil, das es am 24. Juni 1960 in einem Prozess der Firma Jenaer Glaswerk Schott & Gen., Mainz, gegen Alfred Beier, Zürich 1, betreffend Markenrecht und unlauteren Wettbewerb gefällt hat.
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Mit der Verweisung auf das Urteil im Schott-Prozess mutet also das Handelsgericht dem Beklagten des vorliegenden Prozesses zu, sich die Begründung für das gegen ihn gefällte Urteil zu einem guten Teil bei einem Dritten, einer Partei eines früher durchgeführten Prozesses, zu beschaffen. Das ist nicht zulässig. Es ist ein selbstverständliches Gebot des Rechtsstaates, dass ein zu bestimmten Verpflichtungen verurteilter Beklagter in dem Prozess, in welchem er belangt wird, einen Entscheid erhält, der alle massgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen enthält. Das ist der tiefere Sinn der Vorschrift von Art. 51 Abs. 1 lit. d OG, wonach die kantonale Instanz die an das Bundesgericht weiterziehbaren Entscheide den Parteien von Amtes wegen schriftlich mitzuteilen hat. Die durch diese Bestimmung vorgeschriebene Mitteilung soll der Partei ermöglichen, sich darüber schlüssig zu machen, ob sie die Berufung ergreifen will. Das setzt voraus, dass die Entscheidung die massgeblichen Entscheidungsgründe enthält, und zwar, wie bereits bemerkt, vollständig. Verweisungen auf andere Urteile sind nur insoweit zulässig, als sie sich auf die Beantwortung einer bestimmten, einzelnen Rechtsfrage beziehen und die Bedeutung von ergänzenden, insbesondere bestätigenden Belegen haben. Im vorliegenden Fall verweist jedoch die Vorinstanz auf die gesamten Erwägungen des Urteils im Schott-Prozess, wobei nicht klar ersichtlich ist, ob und inwieweit die Verweisung auch für die in jenem Prozess getroffenen Feststellungen tatsächlicher Natur gelten soll. Eine Verweisung dieses Umfanges wäre allenfalls statthaft, wenn das angerufene Urteil gegen den gleichen Beklagten ergangen und ihm deshalb ohnehin bekannt wäre. Diese Voraussetzung trifft hier nicht zu. Dass zwischen dem Beklagten des vorliegenden Verfahrens und demjenigen des angerufenen Entscheides geschäftliche oder anderweitige Beziehungen bestehen und sie durch den nämlichen Anwalt verbeiständet sind, genügt nicht.
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Die beiden Streitigkeiten beruhen also sowohl in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht auf verschiedenen Grundlagen und bedürfen einer hieraufabgestimmten prozessualen Behandlung. Die Vorinstanz glaubt, diesem Erfordernis Rechnung tragen zu können mit der Bemerkung, es handle sich in den beiden Prozessen "im wesentlichen" um die nämlichen Probleme, und die Erwägungen des Schott-Urteils seien daher "grundsätzlich" zu bestätigen. Sie schweigt sich jedoch darüber aus, was sie als wesentlich und was als unwesentlich betrachtet; ebenso bleibt unklar, welche Schlussfolgerungen aus der Feststellung zu ziehen sind, dass die im Schott-Urteil angestellten Erwägungen nur "grundsätzlich" zu bestätigen seien.
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Das Bundesgericht kann als Rechtsmittelinstanz diese Lücken des Urteils nicht etwa durch Auslegung oder Ergänzung ausfüllen. Ein solches Vorgehen würde die Gefahr von Missverständnissen in wesentlichen Punkten in sich bergen und wäre nicht geeignet, eine zuverlässige Grundlage für die Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses abzugeben. Das Bundesgericht kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn der kantonale Richter seine tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungsgründe abschliessend und eindeutig bekannt gibt.
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