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29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. September 1964 i.S. Meier gegen Gerber. | |
Regeste |
Abtretung einer Forderung durch die Verwaltung einer Genossenschaft nach Einstellung und Schliessung des über diese eröffneten Konkurses. |
Wird eine durch Eröffnung des Konkurses aufgelöste Genossenschaft nach Einstellung und Schliessung des Konkursverfahrens im Handelsregister nicht gelöscht, weil sie noch Aktiven besitzt, welche das Konkursamt kannte, aber als zur Deckung der Konkurskosten nicht ausreichend erachtete, so ist (vorbehältlich abweichender Anordnungen der Statuten oder der Generalversammlung)die Verwaltung befugt, diese Aktiven zum Zwecke der Liquidation freihändig zu veräussern (Art. 913 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 740 Abs. 1 und Art. 743 Abs. 4 OR). Dass sie nicht im Namen der Genossenschaft "in Liquidation", sondern einfach im Namen der Genossenschaft handelte, macht ihre Verfügung nicht ungültig (Art. 913 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 739 Abs. 1 OR). | |
Sachverhalt | |
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Am 16. Dezember 1959 verkaufte die Hobet AG die Liegenschaft Hotel Astoria an Dr. Ackermann.
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B.- Am 19. Januar 1961 fiel die Baugesellschaft Vacasa in Konkurs. Auf eine Anfrage des Konkursamtes hin bestritt Dr. Ackermann die Grundpfandforderung von Fr. 50'000. -, auf die das Amt bei Ermittlung der Konkursmasse gestossen war, und behauptete, Häberling habe darüber widerrechtlich verfügt. Hierauf wurde das Konkursverfahren durch Verfügung vom 2. März 1961 mangels Aktiven eingestellt. Da bis zum 18. März 1961 kein Gläubiger die Durchführung des Verfahrens verlangte und den dafür erforderlichen Kostenvorschuss leistete, galt das Verfahren nach der Verfügung vom 2. März 1961 als geschlossen. Am 23. März 1961 wurde im Handelsregister unter Hinweis auf diese Verfügung eingetragen, die Genossenschaft bestehe nur noch zum Zwecke der Liquidation, die unter der Firma Baugesellschaft Vacasa in Liquidation durchgeführt werde. (Die Angabe im Schweiz. Handelsamtsblatt vom 29. März 1961, dass die Firma Baugeschäft Vacasa in Liquidation laute, wurde in der Nummer vom 7. April 1961 berichtigt.)
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C.- Eine vom 13. April 1961 datierte, namens der "Vacasa-Baugenossenschaft" von Häberling unterzeichnete "Zessions-Erklärung" lautet:
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"Die unterzeichnete Firma Vacasa-Baugenossenschaft ... bestätigt hiermit die Grundpfandverschreibung von nominell Fr. 50'000 ![]() | 5 |
Die Firma Vacasa-Baugenossenschaft ist somit aus der Verpflichtung gegenüber Herrn Gerber völlig entlastet und Herr Meier hat selbst dafür besorgt zu sein, diese Grundpfandverschreibung von Herrn Gerber herauszubekommen."
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Am 14. April 1961 wurde die Liegenschaft Hotel Astoria infolge Betreibung des Grundpfandgläubigers im 1. Rang gegen die Hobet AG versteigert. Der Erlös von Franken 700'000.-- deckte auch die Grundpfandforderungen im 2. Rang.
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Am 17. April 1961 trat Gerber "Forderung und Pfandrecht aus der Grundpfandverschreibung von nom. Franken 50'000.--" gegen Zahlung des Betrags von Fr. 21'839.55, auf den er seine durch die Abtretung vom 21. Juli 1959 gesicherte Forderung bezifferte, samt dieser Forderung an Dr. Ackermann ab.
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D.- Nachdem Meier von Gerber mit Schreiben vom 3. Mai 1961 erfolglos die "Aushändigung" der "Grundpfandverschreibung" über Fr. 50'000.-- gegen Zahlung von Fr. 4000.-- in bar und Fr. 10'000.-- in Handelsring-Checks verlangt hatte, leitete er gegen ihn am 29. August 1961 beim Bezirksgericht Zürich Klage ein mit den Begehren, der Beklagte sei zu verpflichten, ihm Fr. 43'000.-- (nämlich den um Fr. 4000.-- und den angeblichen Verkehrswert von Handelsring-Checks im Nennwert von Fr. 10'000.-- verminderten Betrag der Grundpfandforderung von Fr. 50'000.--) nebst 5% Zins seit 1. Mai 1961 zu bezahlen; eventuell sei der Beklagte zu verurteilen, ihm gegen Zahlung von Fr. 4000.-- in bar und Fr. 10'000.-- in Handelsring-Checks die Grundpfandforderung von Fr. 50'000.-- zurückzuzedieren.
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Am 25. Juni 1963 wurde im Handelsregister gemäss Verfügung der Aufsichtsbehörde vom 23. April 1963 eingetragen, die Liquidation der Baugesellschaft Vacasa sei durchgeführt und die Firma sei erloschen.
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Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 31. Januar 1964 das erstinstanzliche Urteil bestätigt mit der Begründung, die Genossenschaft Vacasa sei mit der Auflösung infolge der Konkurseröffnung in Liquidation getreten; gemäss Art. 913 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 740 Abs. 5 OR besorge im Falle des Konkurses die Konkursverwaltung die Liquidation nach den Vorschriften des Konkursrechts; der abgetretene Anspruch gehöre zum Konkursvermögen; also habe einzig die Konkursverwaltung darüber verfügen können, gleichgültig, ob sie ihn zur Masse gezogen habe oder ob er ihr erst nach Abschluss des Konkursverfahrens bekannt geworden sei; in diesem zweiten Falle wäre er freilich nicht gemäss Art. 269 SchKG zu verwerten, weil die Ermittlung der Gläubiger und ihrer Forderungen infolge der Einstellung des Verfahrens unterblieben sei; vielmehr wäre das summarische oder das ordentliche Konkursverfahren zu eröffnen; durch die Einstellung des Verfahrens habe die Genossenschaft das Verfügungsrecht über ihr Vermögen nicht wiedererlangt; die Einstellung stehe dem Widerruf des Konkurses nicht gleich; zudem sei die Genossenschaft mit der Konkurseröffnung aufgelöst worden; an ihre Stelle sei die Baugesellschaft Vacasa in Liquidation getreten, über deren Vermögen Häberling grundsätzlich nicht mehr verfügungsberechtigt gewesen und die nach Durchführung der Liquidation gelöscht ![]() | 12 |
E.- Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Gutheissung der Klagebegehren, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Die Genossenschaft Vacasa wurde gemäss Art. 911 Ziff. 3 OR durch die Eröffnung des Konkurses aufgelöst. Sie trat infolgedessen in Liquidation. Diese war gemäss Art. 913 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 740 Abs. 5 OR durch die Konkursverwaltung nach den Vorschriften des Konkursrechts zu besorgen. Nach dem zweiten Satze von Art. 740 Abs. 5 OR behielten die Organe der Gemeinschuldnerin die Vertretungsbefugnis nur, soweit eine Vertretung durch sie noch notwendig war. Der streitige Anspruch gehörte gemäss Art. 197 SchKG zur Konkursmasse, die zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger bestimmt war. Rechtshandlungen, die der Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung mit Bezug auf Vermögensstücke vornimmt, die zu dieser Masse gehören, sind gemäss ![]() | 15 |
Dieses Verfahren war jedoch zur Zeit der Abtretung nicht mehr hängig. Es wurde am 2. März 1961 in Anwendung von Art. 230 Abs. 1 SchKG eingestellt und gilt, da innert der Frist von Art. 230 Abs. 2 SchkG kein Gläubiger seine Durchführung verlangte und für die Kosten Sicherheit leistete, seit Ablauf dieser Frist (18. März 1961) als geschlossen. Mit dem Schluss des Konkursverfahrens fielen das Beschlagsrecht der Konkursgläubiger am noch vorhandenen Vermögen der Gemeinschuldnerin und die Befugnisse, die das Konkursrecht den Konkursorganen mit Bezug auf die Verwaltung und Verwertung der Konkursmasse verleiht, sowie die damit zusammenhängende Beschränkung des Verfügungsrechts der Gemeinschuldnerin und der Vertretungsbefugnis ihrer Organe unter Vorbehalt von Art. 269 SchKG und Art. 134 VZG dahin (BGE 46 III 27ff., insbesondere 30; vgl. auch BGE 87 III 76 oben). Art. 134 VZG, der eine gesonderte Verwertung verpfändeter Grundstücke und anderer Pfandgegenstände (BGE 53 III 191,BGE 56 III 191) durch das Konkursamt nach Einstellung des Konkurses über eine Aktiengesellschaft oder Genossenschaft (BGE 56 III 120) zulässt, ist im vorliegenden Falle nicht anwendbar, weil es sich beim streitigen Anspruch nicht um ein verpfändetes Vermögensstück handelt. Ebensowenig kann dieser Anspruch in einem Nachkonkurs gemäss Art. 269 SchKG verwertet werden. Abgesehen davon, dass er dem Konkursamt bekannt war (vgl. lit. B hiervor) und daher kein nach Schluss des Konkursverfahrens entdecktes Vermögensstück im ![]() | 16 |
Dass der streitige Anspruch vor der Konkurseröffnung Gegenstand einer Pfändung (nach Art. 43 SchKG) gewesen sei, die mit der Einstellung des Konkursverfahrens wieder aufgelebt wäre (BGE 87 III 75 mit Hinweisen), oder dass dieser Anspruch in einer auf Grund von Art. 230 Abs. 3 SchKG nach Einstellung des Konkurses angehobenen Betreibung gepfändet worden sei, ist nicht behauptet worden, und es bestehen dafür auch keine Anhaltspunkte.
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Mit dem Schluss des Konkursverfahrens sind also die vollstreckungsrechtlichen Hindernisse für eine Abtretung des streitigen Anspruchs durch die Verwaltung der Genossenschaft Vacasa weggefallen.
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Die erwähnte Rechtsprechung, die von der Lehre angefochten wurde (GUISAN in JdT 1931 II 81ff., HAAB in ZBJV 1931 S. 459 f., F. v. STEIGER in "Die schweiz. Aktiengesellschaft" 1933/34 S. 25 ff.), ist jedoch überholt, seitdem das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1936 über die Revision der Titel XXIV bis XXXIII des OR und die HRegV vom 7. Juni 1937 gelten. Die Eröffnung des Konkurses über eine Handelsgesellschaft oder Genossenschaft führt heute nicht mehr zu ihrer sofortigen Löschung im Handelsregister. Vielmehr hat der Registerführer gemäss Art. 939 OR nach Empfang der amtlichen Mitteilung des Konkurserkenntnisses (vgl. hiezu das Kreisschreiben Nr. 33 des Bundesgerichtes vom 7. Dezember 1955, abgedruckt in BGE 81 III 129 ff.) zunächst nur die dadurch bewirkte Auflösung der Gesellschaft oder Genossenschaft einzutragen. Wird das Verfahren mangels Aktiven eingestellt, ![]() | 21 |
Diese Regeln, die auch für die Genossenschaften gelten, da der durch Art. 66 Abs. 2 HRegV näher ausgeführte ![]() | 22 |
Dass die streitige Abtretung der Liquidation diente, lässt sich entgegen der Auffassung, welche die Vorinstanz bei Erörterung der Wirkungen der Konkurseröffnung beiläufig geäussert hat, nicht bestreiten. Die Baugesellschaft ![]() | 23 |
Die Liquidation wird nach Art. 740 Abs. 1 OR durch die Verwaltung besorgt, sofern sie nicht in den Statuten oder durch einen Beschluss der Generalversammlung anderen Personen übertragen wird, wofür hier nichts vorliegt. Die durch die Konkurseröffnung bewirkte Beschränkung der Vertretungsbefugnis der Genossenschaftsorgane ist mit der Beendigung des Konkursverfahrens dahingefallen (vgl. Erw. 2 hievor). Der einzelzeichnungsberechtigte Verwaltungsrat Häberling besass daher die Vertretungsbefugnis, die zu der in Frage stehenden Liquidationshandlung nötig war.
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Die Gründe, aus denen die kantonalen Instanzen die Abtretung vom 13. April 1961 als ungültig betrachtet haben, halten also nicht Stich.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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