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43. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. September 1964 i.S. Schmid und Mitbeteiligte gegen Fides Treuhand-Vereinigung | |
Regeste |
Begriff des Endentscheides. - Was kann Gegenstand eines summarischen Verfahrens sein? - Pflicht des Willensvollstreckers zur Auskunfterteilung an die Erben. |
2. Ob in einem summarischen Verfahren einzelne tatbeständliche Vorbringen unberücksichtigt bleiben müssen, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts (Erw. 2). |
3. Über Tatsachen, die für die Erbteilung von Bedeutung sind, haben die Erben und der Willensvollstrecker einander Auskunft zu geben. Insbesondere können die Erben verlangen, dass der Willensvollstrecker ihnen Einsicht in Akten gebe, die sich auf Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden, sei es an einzelne Erben oder an Dritte, beziehen, sofern diese Zuwendungen Grund zur Ausgleichung (Art. 626 ff. ZGB) oder Gegenstand einer Herabsetzung (Art. 522 ff. ZGB) bilden können. Unter welchen Voraussetzungen hat der Willensvollstrecker den Erben auch in seinem Besitze befindliche Akten Dritter vorzulegen? (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 5. Juni 1963 leiteten die Kläger gegen die Fides beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich ein Befehlsverfahren nach §§ 292 ff. der zürcherischen Zivilprozessordnung ein, um Einsicht zu erhalten in "sämtliche Akten des Erblassers", namentlich "sämtliche Skripturen, Bücher und Belege des Erblassers und der mit ihm identischen 'Crisanus Familienstiftung'...".
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a) in alle Akten aus dem Nachlass des Erblassers in ihrem Besitz, welche über Veränderung seines Vermögens zu seinen Lebzeiten der Höhe oder der Zusammensetzung nach Aufschluss geben,
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b) in alle die Vermögensverwaltung und Geschäftsführung für den Nachlass seit dem Tode des Erblassers betreffenden Akten.
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Gegen diese Verfügung rekurrierten die Kläger mit dem Begehren, es sei ihnen auch Einsicht zu gewähren in die bei der Beklagten liegenden Akten der Crisanus-Familienstiftung, "welche über die Veränderung des Vermögensstandes dieser nichtigen Familienstiftung und hierzu gehöriger 'Tochterunternehmungen' Aufschluss geben".
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Auch die Beklagte legte Rekurs ein, zog ihn aber zurück, als der erstinstanzliche Richter seine Verfügung auf das von ihr gestellte Erläuterungsbegehren hin in folgender Weise ergänzt hatte:
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"Die weitergehenden Begehren des Klägers 1, es sei der Beklagten zu befehlen, sämtliche Akten des Erblassers (d.h. auch solche Akten, die nicht den in Dispositiv Ziff. 2 lit. a und b aufgeführten Akten zuzuzählen sind), sowie sämtliche Skripturen, Bücher und Belege der Crisanus-Familienstiftung, Vaduz, des Obera-Etablissement, Vaduz, der Artex SA, Vaduz, und der S.p.a. Schmid, Mailand, zur Einsichtnahme vorzulegen, werden abgewiesen."
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C.- Mit Beschluss vom 18. Februar 1964 hat das Obergericht des Kantons Zürich den Rekurs der Kläger abgewiesen.
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D.- Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Berufung der Kläger mit dem erneuten Begehren, es sei ihnen Einsicht zu gewähren "in die zum Vermögen des Nachlasses Christian Schmid-Blaser sel. gehörenden, bei der Berufungsbeklagten liegenden Akten der CRISANUS Familienstiftung, welche über die Veränderung des Vermögensstandes dieser nichtigen Familienstiftung und hierzu gehöriger Tochterunternehmungen Aufschluss geben".
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Ob dem Anspruch auf Auskunft und Akteneinsicht vermögensrechtlicher Charakter zukomme, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre der für die Berufung an das Bundesgericht erforderliche Streitwert von Fr. 8000.-- (Art. 46 OG) bezw. (für das Verfahren mit mündlicher Parteiverhandlung nach Art. 62 OG) Fr. 15'000.-- gegeben, da die in Frage stehenden Vermögenswerte, wie unbestritten ist, viele Millionen Schweizerfranken betragen. Bei Annahme einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit wäre die Berufung nach Art. 44 OG ohne weiteres zulässig.
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Der Charakter eines Endentscheides geht dem angefochtenen Beschlusse nicht etwa deshalb ab, weil das Obergericht den von den Klägern eingenommenen Standpunkt, die Crisanus-Familienstiftung sei eine (auch nach liechtensteinischem Recht) ungültige sog. Unterhaltsstiftung, unbeurteilt gelassen und einem allfälligen ordentlichen Prozesse gegen jene Stiftung vorbehalten hat. Es hat eben über den eingeklagten Anspruch gleichwohl einen Sachentscheid gefällt und dadurch das von den Klägern eingeleitete Befehlsverfahren materiell abgeschlossen. Freilich betrifft ![]() | 14 |
Darin liegt trotz dem Vorbehalt, die Stiftung auf Feststellung ihrer Ungültigkeit zu belangen, kein blosser Vorentscheid. Die Frage, ob auch bei Annahme der Gültigkeit derselben ein Anspruch auf Einblick in deren Akten, soweit sie den Vermögensstand und dessen Veränderungen betreffen, gegeben sei, kann sehr wohl für sich allein Gegenstand eines Prozesses bilden. Sollte es bei der Abweisung der auf dieser Grundlage vom Obergericht beurteilten Klage bleiben, dann aber in einem neuen Prozesse zur Nichtigerklärung der Crisanus-Familienstiftung kommen und hierauf nochmals Einblick in die betreffenden Akten verlangt werden, so wäre dieser Anspruch mit dem vorliegenden, wie ihn das Obergericht beurteilt hat, nicht identisch. Er würde sich (auch bei allenfalls gleich lautendem Rechtsbegehren) auf einen neuen Sachverhalt, eben die gerichtliche Nichtigerklärung der erwähnten Stiftung, stützen (vgl. zum Begriff des Haupturteils nach Art. 58 des frühern OG:BGE 67 III 181, und zum teilweise abweichenden Begriff des Endentscheides nach Art. 48 des geltenden OG; BGE 84 II 398 und dort angeführte frühere Urteile, ferner BGE 86 II 123, BGE 88 II 59; S. GIOVANOLI, Probleme der Berufung an das Bundesgericht, in der ZbJV 90 S. 53 ff.).
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2. Die Kläger beharren auch vor Bundesgericht darauf, Nichtigkeit der Crisanus-Familienstiftung geltend zu machen, um deren Akten den Nachlassakten zurechnen zu können. Indessen verstösst es nicht gegen Bundesrecht, ![]() ![]() | 16 |
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a) Die Erben, gesetzliche wie eingesetzte, befinden sich grundsätzlich (abgesehen von der Höhe der Erbanteile) in der gleichen rechtlichen Stellung (Art. 607 ff. ZGB). Sie haben daher in gleicher Weise zur Herbeiführung einer richtigen Erbteilung beizutragen. Das Gesetz verpflichtet sie insbesondere, bei der Teilung genauen Aufschluss zu geben über ihren allfälligen Besitz von Erbschaftssachen und über ihre allfälligen Schulden gegenüber dem Erblasser (Art. 607 Abs. 3). Darüber hinaus haben sie einander über ihr Verhältnis zum Erblasser alles mitzuteilen, was für die gleichmässige (den Erbanteilen entsprechende) Verteilung der Erbschaft in Berücksichtigung fällt (Art. 610 Abs. 2). Ihrem Zweck entsprechend bezieht sich diese Auskunftspflicht nicht bloss auf den Nachlass. Sie erstreckt sich auf Zuwendungen unter Lebenden, die möglicherweise zur Ausgleichung nach Art. 626 ff. zu bringen sind oder der Herabsetzung nach Art. 527 unterliegen und daher gleichfalls die Teilung beeinflussen (vgl. Art. 475; TUOR, N 5, und ESCHER, N 10 zu Art. 610 ZGB). In gleichem Masse besteht eine Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht, wo dies zur richtigen Orientierung angezeigt ist; denn die Vorlegung von Aktenstücken ist nichts anderes als eine besondere Art der Auskunfterteilung.
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b) Wie gegenüber den Miterben, so besteht die Auskunftspflicht auch gegenüber andern Personen, die bei der Abwicklung des Erbganges mitzuwirken haben, also namentlich ![]() | 19 |
c) Eine Stiftung - und ebenso die Zuwendung an eine bereits bestehende Stiftung - kann nach Art. 82 ZGB gleich einer Schenkung angefochten werden. Sie untersteht daher namentlich auch der Herabsetzung nach Art. 527 Ziff. 3 ZGB (vgl. HAFTER, N 11 zu Art. 82 ZGB, der hervorhebt, "dass den an ihrem Pflichtteil verkürzten Erben die Herabsetzungsklage gegeben ist gegenüber jedem Stiftungsbetrag, den der Erblasser während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat"). Auch eine Herabsetzung nach Art. 527 Ziff. 4 kann in Frage kommen (vgl. HAFTER, N 9 daselbst). Sie erfasst beliebig weit ![]() | 20 |
d) Nichts Gegenteiliges folgt daraus, dass die vom Erblasser durch Verfügung unter Lebenden errichtete Crisanus-Familienstiftung nicht selber am Erbgange teilnimmt und daher nicht unmittelbar nach den erwähnten erbrechtlichen Bestimmungen zur Auskunfterteilung und zur Aktenvorlegung an die Erben verpflichtet werden könnte. Die Beklagte ist eben nicht bloss Stiftungsorgan, sondern zugleich Willensvollstreckerin und in dieser Eigenschaft, wie dargetan, zur Auskunfterteilung und zur Gewährung von Akteneinsicht gegenüber den Erben verpflichtet. Die Doppelstellung, in der sie sich befindet, bringt zwar eine gewisse Interessenkollision mit sich. Daraus ergibt sich aber nicht durchwegs ein Konflikt der Pflichten. Dem legitimen Interesse der Kläger, im Hinblick auf Herabsetzungsansprüche über die Zuwendungen des Erblassers an jene Stiftung orientiert zu werden, steht kein legitimes Interesse der Stiftung oder der an ihr beteiligten Dritten an der Geheimhaltung dieser Vermögensvorgänge gegenüber. Vielmehr wäre gerade auch die Witwe des Erblassers verpflichtet, den Klägern über diese Vorgänge bei der zu ihren Gunsten errichteten Familienstiftung Auskunft zu geben. Schriftstücke persönlichen Charakters, die geheim zu halten wären (vgl. BGE 82 II 567), stehen hier nicht ![]() | 21 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 18. Februar 1964, soweit es den Rekurs der Kläger abweist, aufgehoben und die Berufungsbeklagte angewiesen, den Berufungsklägern Einsicht in diejenigen Akten der Crisanus-Stiftung zu gewähren, welche über die Veränderung des Vermögensstandes dieser Stiftung und hierzu gehöriger Tochterunternehmungen Aufschluss geben.
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