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44. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. September 1964 in Sachen Fides Treuhand-Vereinigung gegen Diskont- und Handelsbank AG und Streitgenossen. | |
Regeste |
1. Rechtliche Stellung des Willensvollstreckers. Art. 517/18, 560, 602 ZGB. (Erw. 1 und 2). |
a) durch die Aufsichtsbehörde: wegen Unfähigkeit oder grober Pflichtverletzung; |
b) durch Urteil in einer Zivilrechtsstreitigkeit: wegen einer vom Erblasser geschaffenen oder ihm wenigstens bekannt gewesenen Doppelstellung des Willensvollstreckers und einer daraus sich ergebenden schweren Interessenkollision (Erw. 3). |
3. Wann kann ein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG in administrativem Verfahren herbeigeführt werden? (Erw. 4). |
4. Kriterien der schweren Interessenkollision (Erw. 5). |
5. Vorwurf der groben Pflichtverletzung in Verbindung mit der Geltendmachung einer angeblich die Absetzung rechtfertigenden Interessenkollision. Verfahrensfragen. Würdigung einzelner Vorfälle (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Zugleich ernannte er einen Willensvollstrecker in der Person der Fides Treuhand-Vereinigung, Zürich, die bereits dem Vorstand der erwähnten Crisanus-Familienstiftung, Vaduz, angehörte und mit seinem Tode einziges Mitglied dieses Stiftungsvorstandes, somit einziges Organ der Stiftung, wurde.
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B.- Einige der pflichtteilsberechtigten Erben des elterlichen Stammes und eine Bank als Zessionarin von Erbansprüchen führten am 17. Mai 1963 beim Kreisamt Oberengadin gegen die Fides Treuhand-Vereinigung Beschwerde. Sie beantragten
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1. die Entsetzung der FIDES vom Amt eines Willensvollstreckers;.
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3. die Weisung an die FIDES, alle sich auf den Nachlass "und damit auch auf die Crisanus-Familienstiftung, das Obera Etablissement, Vaduz, sowie die Artex AG, Vaduz" beziehenden Skripturen, Bücher und Belege dem neu zu ernennenden amtlichen Erbschaftsverwalter zu übergeben;
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4. die Mitwirkung der Behörde bei der Erbteilung gemäss Art. 609 Abs. 1 ZGB.
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C.- Das Kreisamt Oberengadin wies am 20. November 1963 das Hauptbegehren um Absetzung der FIDES vom Amt eines Willensvollstreckers ab. Damit entfielen die an jene Massnahme anknüpfenden weiteren Begehren.
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D.- Das Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden hiess dagegen den Rekurs der Beschwerdeführer (mit Ausnahme der Zessionarin, die nicht antragsberechtigt sei) mit Entscheid vom 2. April 1964 gut. Es enthob demgemäss die FIDES vom Amt eines Willensvollstreckers im Nachlass des Christian Schmid-Blaser und wies das Kreisamt Oberengadin an, im Sinne von Art. 609 ZGB an der Erbteilung mitzuwirken und gemäss Art. 2 Ziff. 7 des bündnerischen EG zum ZGB einen Erbschaftsverwalter zu ernennen.
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E.- Gegen diesen Entscheid hat die Fides Treuhand-Vereinigung Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der gegen sie erhobenen Beschwerde.
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Der Antrag der Beschwerdeführer geht dahin, es sei auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
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F.- In einem am 5. Juni 1963 in Zürich gegen die FIDES eingeleiteten Befehlsverfahren verlangten die nämlichen Erben wie auch die erwähnte Zessionarin die Gewährung von Einsicht in die Akten des Erblassers, namentlich "sämtliche Skripturen, Bücher und Belege des Erblassers und der mit ihm identischen Crisanus-Familienstiftung...". Dieses Begehren wurde, soweit es die Akten der Crisanus-Familienstiftung und zugehöriger Tochterunternehmungen ![]() | 12 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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InBGE 66 II 150Erw. 2, worauf die Berufungsbeklagten in erster Linie hinweisen, ist ausgeführt, der Willensvollstrecker unterstehe ebenso wie der amtliche Erbschaftsverwalter der Aufsicht der zuständigen Behörde, und zu der Aufsichtsgewalt gehöre die Befugnis, einen unfähigen oder pflichtvergessenen Willensvollstrecker abzusetzen. Es handle sich dabei um eine Ordnungsmassnahme kraft Aufsichtsrechtes, nämlich um die Aufhebung der dem Willensvollstrecker zustehenden Verwaltungsbefugnisse. Diese seien als sog. sekundäre Rechte zu betrachten; materiell sei der Willensvollstrecker am Nachlasse nicht beteiligt. Für seine Entsetzung von dem ihm vom Erblasser aufgetragenen (privaten) Amte das Verfahren eines Zivilprozesses vorzusehen, bestehe keine Veranlassung.
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Damit übereinstimmend erklärt das Bundesgericht auch in BGE 84 II 325 ff., die dem Willensvollstrecker vom Erblasser übertragenen Befugnisse in Verbindung mit seinen gesetzlich umschriebenen Aufgaben verschaffen jenem keine materiellrechtliche Beteiligung am Nachlass. Daher bedeute der Entzug der Befugnisse des Willensvollstreckers durch die Aufsichtsbehörde keine Beurteilung einer Zivilrechtsstreitigkeit, und gleich verhalte es sich mit einem ![]() | 15 |
Demgegenüber weist die Berufungsklägerin darauf hin, dass die Absetzung eines Willensvollstreckers im Unterschied zur Absetzung eines amtlichen Erbschaftsverwalters in ein privatrechtliches Verhältnis eingreife. Denn es werde dadurch eine vom Erblasser getroffene letztwillige Verfügung ganz oder teilweise ausser Kraft gesetzt. Im vorliegenden Falle habe der Erblasser ihr bewussterweise zwei Rollen zugewiesen, nämlich sie als einziges (verbleibendes) Organ der von ihm errichteten Crisanus-Familienstiftung bestimmt und sie ferner als Willensvollstreckerin zur Regelung seines Nachlasses eingesetzt. Mit seinem Entscheid habe der oberinstanzliche kantonale Richter die letztwilligen Verfügungen des Erblassers teilweise rechtsunwirksam gemacht. Solche rechtsaufhebende Entscheide seien den Zivilrechtsstreitigkeiten zuzuordnen und unter den hiefür geltenden Voraussetzungen (Streitwert, Endentscheid) der Berufung an das Bundesgericht zu unterstellen.
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2. Der Berufungsklägerin ist darin beizustimmen, dass das Rechtsverhältnis zwischen Willensvollstrecker und Erbschaft rein privatrechtlicher Natur ist, gleichgültig ob man annimmt, es handle sich um einen Auftrag (mit gewissen Besonderheiten: namentlich was die "Annahme" nach dem Tode des Erblassers, die Nichtwiderruflichkeit seitens der Erben und die behördliche Aufsicht betrifft), oder ob man die Willensvollstreckung als Rechtsverhältnis besonderer Art betrachtet, auf das mit Rücksicht auf Zweck und Form des Instituts die Auftragsregeln bloss analog und in eingeschränktem Masse anzuwenden seien (vgl.BGE 78 II 123ff.). Folgerichtig bezeichnet derselbe Entscheid den Anspruch des Willensvollstreckers auf Vergütung ![]() ![]() ![]() | 17 |
3. Grundsätzlich lässt sich aus dieser Rechtsstellung des Willensvollstreckers nichts Triftiges gegen die in Erw. 1 erwähnten Entscheidungen herleiten. Da der Willensvollstrecker die ihm zustehenden Befugnisse nicht in eigener Sache, um seiner selbst willen, auszuüben, sondern in fremder Sache zu handeln, eben den Erbgang ordnungsgemäss (nach den Anordnungen des Erblassers und den daneben, ergänzend oder jenen Anordnungen vorgehend, anwendbaren gesetzlichen Regeln) durchzuführen hat, ist er füglich der Aufsicht der zuständigen Behörde zu unterstellen. Diese kann auf Antrag eines materiell an der Erbschaft Beteiligten oder auch von Amtes wegen, sei es auf Anzeige durch einen unbeteiligten Dritten oder infolge sonstwie gemachter Wahrnehmungen, einschreiten, den Willensvollstrecker ermahnen, ihm Weisungen (Gebote und Verbote) erteilen oder andere sachdienliche Massnahmen treffen oder endlich, wenn sich der Übelstand anders nicht beheben lässt, ihn wegen Unfähigkeit oder grober Pflichtwidrigkeit seines Amtes entsetzen. Damit greift die Behörde nicht gegen den zu vermutenden Willen des Erblassers in die betreffende Testamentsklausel ein. Viemehr setzt der Erblasser normalerweise voraus, der von ihm bezeichnete Willensvollstrecker sei der ihm zugedachten Aufgabe gewachsen und erfülle sie pflichtgemäss. Hat er sich darin ![]() | 18 |
Anders verhält es sich jedoch, wenn der besondere Absetzungsgrund einer Interessenkollision in Frage steht, die sich aus einer vom Erblasser selbst geschaffenen oder ihm jedenfalls bekannten und von ihm als fortbestehend vorausgesetzten Doppelstellung des Willensvollstreckers ergibt. Mit einem solchen Falle hat man es hier zu tun. Denn die FIDES ist vom Erblasser selbst als einziges verbleibendes Organ der Crisanus-Familienstiftung ausersehen und anderseits als Willensvollstreckerin eingesetzt worden. Die Beschwerdeführer haben unter anderem eine sich aus dieser Doppelstellung ergebende "unüberbrückbare" Interessenkollision geltend gemacht. Und das Kantonsgerichtspräsidium hat die Absetzung gerade aus diesem Grunde ausgesprochen, während es die der FIDES ausserdem vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten zwar teilweise bejaht und gerügt, jedoch nicht als so schwerwiegend befunden hat, dass die FIDES deswegen nicht als Willensvollstreckerin zu belassen wäre. Jene Annahme aber, die vom Willensvollstrecker zu wahrenden Interessen der an der Erbschaft materiell Beteiligten oder einzelner von ihnen (nämlich der Beschwerdeführer) stünden denjenigen jener Familienstiftung in so erheblichem Masse entgegen, dass die vorgesehene Willensvollstreckung den betreffenden Erben nicht zumutbar sei, widerspricht dem offenkundigen Willen des Erblassers. Das Begehren, den Willensvollstrecker aus einem solchen Grunde seines Amtes zu entheben, läuft somit auf die Geltendmachung eines der betreffenden Testamentsklausel anhaftenden besondern (nicht auf Art. 519 ZGB beruhenden) Ungültigkeits- oder Anfechtungsgrundes ![]() | 19 |
4. Die kantonalen Behörden haben nun freilich die Beschwerde der gegen die Willensvollstreckerin aufgetretenen Erben nicht als Zivilklage betrachtet und nicht im eigentlichen Zivilprozess-, sondern in einem administrativen Beschwerde- und Rekursverfahren über diese Streitfrage entschieden. Dennoch liegt ein der Berufung an das Bundesgericht unterliegender Endentscheid der kantonalen Oberbehörde gemäss Art. 48 OG in einer Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44 oder 46 OG vor. Ob über einen solchen erbrechtlichen Streit nach der kantonalen Zuständigkeitsordnung die Gerichte hätten entscheiden sollen, und ob deshalb die Beschwerdeinstanzen bei richtiger Würdigung des Charakters dieser Streitsache sich hätten als unzuständig erklären sollen, kann dahingestellt bleiben. Von Bundesrechts wegen ist für die Geltendmachung derartiger - im ZGB gar nicht vorgesehener - Testamentsmängel die gerichtliche Zuständigkeit nicht vorgeschrieben, weshalb Entscheide von Verwaltungsbehörden nicht verpönt sind (Art. 54 Abs. 2 ZGB Schl). Übrigens hat in oberer Instanz eine gerichtliche Behörde, wenn auch in administrativem Verfahren, geurteilt. Was aber die Art dieses Verfahrens betrifft, so ist es in kontradiktorischer Weise (mit doppeltem Schriftenwechsel in erster und nochmaligem Schriftenwechsel in oberer Instanz, überhaupt mit voller Gewährung des rechtlichen Gehörs an beide Parteien, und mit vollständiger Abklärung der Tatsachen) durchgeführt worden. Es genügt also in jeder ![]() | 20 |
Schreibt man der Streitsache, weil sie erbrechtliche Verhältnisse, wenn auch nicht Bestand und Grösse von Erbanteilen oder anderer Ansprüche materiellrechtlicher Art, betrifft, vermögensrechtlichen Charakter zu, so ist angesichts der Grösse dieser Erbschaft der nach Art. 46 OG erforderliche Streitwert von Fr. 8000.-- wie auch derjenige von Fr. 15'000.-- für die mündliche Parteiverhandlung nach Art. 62 OG gegeben. Wird die Sache als nicht vermögensrechtliche angesehen, so kann sich die Berufung auf Art. 44 OG stützen.
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Ein die Willensvollstreckung beeinträchtigender Konflikt ergibt sich auch nicht daraus, dass die Berufungsbeklagten die Crisanus-Familienstiftung nicht als gültig anerkennen, während die FIDES anderer Ansicht ist und ![]() ![]() | 23 |
Bedenken erweckt es dagegen, dass die FIDES nicht bereit war, zur Abklärung allfälliger Herabsetzungsansprüche gegen die Crisanus-Familienstiftung beizutragen, sondern sich hartnäckig weigerte, den Pflichtteilserben hierüber Aufschluss zu erteilen. Sie hat mit diesem Verhalten den Verdacht aufkommen lassen, sie wolle einseitig die Interessen eines Teils der Erben, in erster Linie der Witwe des Erblassers, zur Geltung kommen lassen und missachte ihre Pflicht zur unparteiischen Feststellung des Nachlasses; jedenfalls gehe sie nicht mit der notwendigen Objektivität vor. Dass sich ihre Haltung in diesem Punkte nicht mit dem Hinweis auf den letzten Willen des Erblassers rechtfertigen lässt, ist bereits im heute gefällten Urteil in der andern Berufungssache (siehe hievor Buchstabe F der Tatsachen), Erw. 4, dargetan worden.
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Es ist ihr jedoch zugute zu halten, dass ihre Weigerung nicht jedes Anscheins der Begründetheit entbehrte. Ist doch ihr Standpunkt von beiden zürcherischen Instanzen im Befehlsverfahren geschützt worden. Zudem verringert sich nun nach dem Ausgang jenes Rechtsstreites das Interesse der Berufungsbeklagten an der Entsetzung der FIDES vom Amte des Willensvollstreckers in beträchtlichem Masse. Sie werden durch Geltendmachung des Rechts auf Einsicht in die Akten der Crisanus-Familienstiftung Klarheit über ihre Herabsetzungsansprüche gewinnen. Und zwar kann die FIDES überhaupt nur in ihrer Eigenschaft als Willensvollstreckerin der Auskunftspflicht nach Art. 607 und 610 ZGB unterstellt werden. Wäre sie nicht (oder nicht mehr) Willensvollstreckerin und deshalb mit der Feststellung und Teilung des Nachlasses nicht (weiterhin) befasst, so könnte sie als beliebiger Dritter (oder eben als Organ der Crisanus-Familienstiftung) den Erben gegenüber nicht als auskunftspflichtig erklärt werden. Diese wären darauf angewiesen, ohne genaue Kenntnis der Verhältnisse die Rechtsbeständigkeit der ![]() | 25 |
Im Fall eines Herabsetzungsprozesses kann freilich die FIDES in eine heikle Lage kommen, wenn sie die beklagte Stiftung als einziges Vorstandsmitglied vertritt und den Herabsetzungsanspruch abzuwehren sucht, zugleich aber als Willensvollstreckerin verpflichtet wäre, die Gegenpartei (d.h. die klagenden Pflichtteilserben) über den Umfang ihrer Herabsetzungsansprüche aufzuklären, soweit es nicht bereits vorher geschehen ist. Mit einem Wegfall der Willensvollstreckung (was die FIDES selbst einstweilen nicht wünscht) wäre aber in dieser Hinsicht für die Pflichtteilserben nichts gewonnen; denn es fiele damit auch die von ihnen in Anspruch genommene Auskunftspflicht weg. Im übrigen erscheint ein Herabsetzungsprozess nicht als unvermeidlich. Es ist mit einer gütlichen Einigung der Beteiligten zu rechnen, wenn die Pflichtteilserben einmal über die in Betracht fallenden Vermögensvorgänge aufgeklärt sind.
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Nach alldem besteht kein genügender Grund, die Willensvollstreckung wegen der in Frage stehenden Doppelstellung der FIDES aufzuheben. Diese muss sich der Tatsache bewusst sein, dass die Crisanus-Familienstiftung keine den Berufungsbeklagten fern stehende Drittperson, sondern eine vom Erblasser geschaffene Einrichtung ist, der er grosse Teile seines Vermögens zugewendet hat, worüber des nähern unterrichtet zu werden die Pflichtteilserben ein legitimes Interesse haben. Erfüllt sie demgemäss die ihr als Willensvollstreckerin obliegende Pflicht zur Auskunfterteilung und zur Gewährung von Akteneinsicht (gemäss dem heutigen Urteil in der hievor unter Buchstabe F der Tatsachen erwähnten Berufungssache), so wird die Willensvollstreckung nicht wesentlich beeinträchtigt dadurch, dass sie in anderer Hinsicht als Organ jener Stiftung handeln wird.
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6. Die Berufungsbeklagten halten dafür, die von der ![]() | 28 |
Zu den einzelnen gerügten Pflichtverstössen ist, unter Hinweis auf die eingehenden Darlegungen des Kantonsgerichtspräsidiums, kurz Folgendes zu bemerken:
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a) Die FIDES hat die beiden bei ihr unverschlossen hinterlegten letztwilligen Verfügungen erst zweieinhalb Monate nach dem Tode des Erblassers dem Kreisamt Oberengadin zur Eröffnung eingereicht. Damit hat sie gegen Art. 556 ZGB verstossen, wonach beim Tode des Erblassers letztwillige Verfügungen "unverweilt (sans délai, sollecitamente)" einzuliefern sind. Diese Pflicht trifft besonders auch den Willensvollstrecker; ob er ihr nachkommen will, steht nicht in seinem Ermessen. Die Vorinstanz führt zutreffend aus, die Ermittlung des (wegen der Wohnsitzverhältnisse des Erblassers nicht ohne weiteres ![]() | 30 |
b) Dass auch Erbverträge einzuliefern und von der Behörde zu eröffnen seien, ist nicht vorgeschrieben (vgl. dazu ESCHER und PICENONI, je N. 2 zu Art. 556). PICENONI bemerkt ausdrücklich, der Kanton Graubünden lehne es ab, Erbverträge eröffnen zu lassen. Gleicher Auffassung war das Kreisamt Oberengadin (Seite 5 seines Urteils), also die für die Eröffnung letztwilliger Verfügungen zuständige Behörde. Die Nichteinlieferung des Erb- und Erbverzichtsvertrages der Eheleute Schmid aus dem Jahre 1942 ist daher der FIDES nicht zum Verschulden anzurechnen. Freilich hätte dazu im vorliegenden Fall eine besondere Veranlassung bestanden, weil der Erblasser sich in seiner letztwilligen Verfügung vom 19. Mai 1960 auf jenen mit der Ehefrau abgeschlossenen Vertrag bezog. Indessen wurde dieser Vertrag auf Wunsch der Berufungsbeklagten nachträglich eingereicht und amtlich eröffnet.
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c) Dass die Weigerung der FIDES, die vom Erblasser durch Verfügung unter Lebenden errichtete Crisanus-Familienstiftung ohne Richterspruch als nichtig zu behandeln, kein schuldhaftes Verhalten darstellt, ergibt sich aus dem oben Gesagten (Erw. 5). Übrigens hat sie, allerdings ![]() | 32 |
d) Im Besitz des Anwaltes der Witwe des Erblassers befindet sich ein vom Erblasser aufgestellter Vermögensstatus, in den die Berufungsbeklagten Einsicht nehmen wollen. Dass die zur richtigen Feststellung des Nachlasses verpflichtete FIDES diesen Status nicht herausverlangt hat, ist zu beanstanden. Diese möglicherweise aufschlussreiche Urkunde ist zu berücksichtigen, auch wenn nicht alle Erben es wünschen. Von grober Pflichtwidrigkeit der FIDES kann indessen hiebei nicht gesprochen werden.
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e) Einen weitern Vorwurf machen die Berufungsbeklagten der FIDES deshalb, weil sie sich geweigert hat, das Verschollenheitsverfahren für den seit Jahrzehnten nachrichtenlos abwesenden Bruder des Erblassers einzuleiten. Indessen beruft sich die FIDES auf Art. 35 ZGB, wonach zur Stellung des Gesuches um Verschollenerklärung diejenigen Personen befugt sind, die aus dem Tode des Verschwundenen Rechte ableiten können. Zu diesen Personen gehört der Willensvollstrecker nicht; somit lässt sich der von der FIDES eingenommene Rechtsstandpunkt vertreten. Ob nicht eine andere Betrachtungsweise den Vorzug verdiene und der Willensvollstrecker auf Grund seiner Stellung zum Nachlass und namentlich infolge seiner Teilungsbefugnis (-Art. 518 Abs. 2 ZGB) zu einem solchen Gesuch legitimiert sei, ist hier nicht zu entscheiden. Auf alle Fälle stand es den Erben, die dies wünschten, frei, ohne Mitwirkung der Willensvollstreckerin ein solches Gesuch zu stellen.
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