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46. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Oktober 1964 i.S. Halilovic gegen Schweizerische Bankgesellschaft. | |
Regeste |
Stellvertretung. Ungerechtfertigte Bereicherung. Streitverkündung. |
Stellvertretung: Haftung des vollmachtlosen Stellvertreters gegenüber dem Dritten nach Bereicherungsgrundsätzen. OR Art. 39, 62 ff. (Erw. 5, 6). | |
Sachverhalt | |
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Vor der Gesellschaftsgründung, am 17. Februar 1962, hatte Frau Halilovic sowohl ihren Anteil am Stammkapital als auch denjenigen von Klauser bei der Schweizerischen Bankgesellschaft in Zürich auf ein Sperrkonto einbezahlt mit der Massgabe, dass das Geld der Elo GmbH nach deren Gründung zur freien Verfügung stehen solle. Bei der Einzahlung erklärte Frau Halilovic der Bank, sie werde für die zu gründende Gesellschaft allein unterschriftsberechtigt sein. Gestützt auf diese Angabe bereitete die Bank eine entsprechende Unterschriftenkarte vor, auf welcher vom Kontoinhaber, also der Elo GmbH, nach der Gründung angegeben werden sollte, wer für die Firma die rechtsverbindliche Unterschrift führe. Die Bank unterliess es dann jedoch, die Karte nach der Gründung der Gesellschaft zur Unterzeichnung zuzustellen, und vergewisserte sich auch sonst nicht, wer namens der Elo GmbH zu handeln befugt sei.
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Am 18./19. April 1962 zahlte die Bankgesellschaft aus dem Guthaben der Elo GmbH an Frau Halilovic auf deren Verlangen den Betrag von Fr. 19'000.-- aus, obwohl sie keine Vollmacht der Kontoinhaberin vorwies.
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In der Folge forderte die Elo GmbH mit Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich von der Bankgesellschaft die Auszahlung der Fr. 19'000.--. Sie machte geltend, Frau Halilovic sei nicht berechtigt gewesen, für die Firma zu zeichnen und über deren Guthaben bei der Bankgesellschaft zu verfügen; diese könne daher der Firma die an Frau Halilovic erfolgte Auszahlung nicht entgegenhalten.
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Die Bankgesellschaft verkündete Frau Halilovic den Streit, entschlug sich der Fortsetzung des Prozesses und überliess diese der Streitberufenen auf eigene Kosten. Diese ![]() | 5 |
B.- Am 21. Dezember 1962 liess die Bankgesellschaft den Gesellschaftsanteil der Frau Halilovic an der Elo GmbH mit Arrest belegen. Auf Rechtsvorschlag der Arrestschuldnerin in der Prosequierungsbetreibung hin reichte die Bankgesellschaft gegen sie Klage ein mit dem Begehren, die Beklagte sei zur Rückerstattung der Fr. 19'000.-- nebst 5% Zins seit 19. September 1962 zu verpflichten; weitere Klagebegehren auf Rückerstattung der Kosten des Handelsgerichtsprozesses liess die Klägerin in der Folge fallen.
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Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
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Das Bezirksgericht und das Obergericht Zürich schützten das Rückerstattungsbegehren der Klägerin. Das Obergericht ging in seinem Entscheid davon aus, dass die Beklagte auf Grund ihres Rechtsverhältnisses zur Klägerin sowie nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, der an sie ergangenen Streitverkündung Folge zu geben. Da sie dies unterlassen habe, müsse sie das Urteil des Handelsgerichts gegen sich gelten lassen, soweit es feststelle, dass sie sich die von ihr geleistete Stammeinlage von Fr. 19'000.-- wieder habe auszahlen lassen, ohne dazu berechtigt zu sein. Die Klägerin könne daher den von ihr freiwillig und aus Irrtum an die Beklagte ausbezahlten Betrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung derselben wieder zurückfordern. Mit Rücksicht auf den infolge ihrer prozessualen Säumnis im Vorprozess angenommenen Verzicht auf Einreden könne die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht mehr geltend machen, sie sei von der Elo GmbH zur Entgegennahme des Geldes bevollmächtigt gewesen und sei nicht mehr bereichert. Die von der Beklagten weiter erhobene Einrede der Verrechnung ihrer Bereicherungsschuld mit Schadenersatzansprüchen wies ![]() | 8 |
C.- Gegen das Urteil des Obergerichts vom 13. Februar 1964 hat die Beklagte Berufung eingereicht. Sie beantragt, die Klage abzuweisen, eventuell die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Wie andere Zivilprozessordnungen gibt auch § 43 der Zürcher ZPO einer Prozesspartei die Möglichkeit, einen Dritten zur Beihilfe im Prozess oder zur Übernahme des Streites aufzufordern, wenn sie im Falle des Unterliegens auf den Dritten zurückgreifen oder künftigen Einwendungen im Streit mit ihm begegnen will. Diese Streitverkündung zu ordnen, ist ohne Zweifel Sache des Prozessrechts, soweit Form und Verfahren in Frage stehen. Dagegen kann man sich fragen, ob es Aufgabe des materiellen Zivilrechts oder des Prozessrechts sei, die Wirkungen der Streitverkündung, ihrer Befolgung oder Nichtbefolgung, sowie ihrer Unterlassung, auf das Verhältnis zwischen dem Streitverkünder und dem Streitberufenen zu regeln. Die Vorinstanz hält hiefür das Privatrecht des Bundes für massgebend. Die Parteien wenden gegen diese Auffassung nichts ein, doch hat das Bundesgericht als Berufungsinstanz von Amtes wegen zu entscheiden, ob eidgenössisches oder kantonales Recht anwendbar ist.
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b) Das Zivilrecht enthält vereinzelte Vorschriften, die sich mit diesen Wirkungen der Streitverkündung befassen.
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Dieser Auffassung ist beizupflichten. Ihr hat sich denn auch der Bundesgesetzgeber beim Erlass des BZP angeschlossen. In der Botschaft zu diesem (BBl 1947 I 1005) wird ausgeführt:
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Die Wirkungen der Streitverkündigung im Verhältnis zwischen dem Verkünder und dem Empfänger gehören dem materiellen Recht an, und zwar nicht nur in den Fällen, wo das materielle Recht sie ausdrücklich vorsieht - zum Beispiel Art. 193 und 258 OR - sondern in allen Fällen der Gewährleistung oder Schadloshaltung.
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Dem entsprechend sind in Art. 16 BZP die Wirkungen im Verhältnis zwischen Streitverkünder und Streitberufenem nicht geregelt. Daraus erhellt der Wille des Bundesgesetzgebers, hiefür das materielle Zivilrecht massgebend sein zu lassen, wie denn auch neuere kantonale Prozessgesetze aus dem gleichen Grunde auf eine Ordnung dieses Verhältnisses verzichtet haben (DESCHENAUX/CASTELLA a.a.O.).
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c) Beurteilen sich die Wirkungen der Streitverkündung und deren Nichtbeachtung durch die Beklagte nach Bundeszivilrecht, so hat das Bundesgericht zu überprüfen, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, dem Vorprozess beizutreten, und inwieweit ihre Nichtbeteiligung an diesem sich auf ihre Rechtsstellung im vorliegenden Prozess nachteilig auswirke.
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a) Diese Auffassung ist unrichtig. Wohl war das Vertragsverhältnis, das durch die Hinterlegung der Fr. 19'000.-- seitens der Klägerin zu Handen der in Gründung befindlichen GmbH zwischen den Parteien begründet worden war, mit der Auszahlung des Geldes abgewickelt; aber Handeln im Interesse des Vertragsgegners kann auch nach Abwicklung ![]() | 20 |
b) Fragen kann sich einzig, wie weit diese Pflicht reichte, insbesondere, ob die Beklagte den Prozess gegen die Elo GmbH als Vertreterin der Bank hätte weiterführen müssen, nachdem sich diese des Streites entschlagen hatte, oder ob von der Beklagten lediglich hätte verlangt werden können, der den Streit selber fortführenden Bank bei der Beschaffung der Angriffs- und Verteidigungsmittel zur Seite zu stehen. Diese Frage entscheidet sich in erster Linie nach den Vorschriften der massgebenden Prozessordnung (vgl. Art. 193 OR). Die Vorinstanz hat entschieden, dass es nach § 46 der vorliegend anwendbaren Zürcher ZPO dem Streitverkünder freistehe, sich der Fortsetzung des Prozesses zu entschlagen und sie dem Streitberufenen auf eigene Kosten ![]() | 21 |
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Verspätete Verkündung behauptet die Beklagte nicht. Nach dem angefochtenen Urteil hat sie der Klägerin auch nicht vorgeworfen, den ungünstigen Ausgang des Streites verschuldet zu haben. Die Beklagte behauptet indessen, diese Feststellung der kantonalen Instanz beruhe auf offensichtlichem Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG.
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Es trifft zu, dass die Beklagte im kantonalen Verfahren geltend machte, die Klägerin hätte sich des Prozesses gegen die Elo GmbH nicht entschlagen dürfen, sondern sie wäre verpflichtet gewesen, sich bei der Beklagten über die Zusammenhänge zu orientieren; da sie dies unterlassen habe, treffe sie am ungünstigen Prozessausgang ein Verschulden.
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Die Beklagte wendet ein, wenn grundsätzlich das Urteil des Handelsgerichtes auch gegen sie gelten sollte, so wäre es ihr gegenüber mangels Zuständigkeit des urteilenden Gerichtes nichtig, weil sie Anspruch darauf gehabt hätte, an ihrem Gerichtsstand Mannheim belangt zu werden.
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Dieser Einwand ist unbegründet. Das Urteil des Handelsgerichtes erging zwischen der Elo GmbH und der heutigen Klägerin. Die Beklagte war nicht Partei. Selbst wenn sie an Stelle der Bank den Prozess fortgesetzt hätte, wäre das Urteil nicht auf ihren Namen, sondern auf den Namen der Bankgesellschaft auszufällen gewesen (§ 46 Zürcher ZPO). Die Nichtbefolgung der Streitverkündung bewirkt nicht, dass die Rechtskraft des Urteils auf die Beklagte erstreckt würde (GULDENER, ZSR 68 S. 250; Zivilprozessrecht S. 284). Sie hat bloss zur Folge, dass die Beklagte der Klägerin heute nicht mehr entgegenhalten kann, das Urteil im Vorprozess sei unrichtig, und dass der Beklagten daher die Einreden abgeschnitten sind, welche die Richtigkeit ![]() | 28 |
War die Beklagte nicht Prozesspartei und erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils nicht auf sie, so geht ihre Berufung auf einen Gerichtsstandsmangel fehl.
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Es ist somit davon auszugehen, dass die Beklagte die Fr. 19'000.-- als nicht bevollmächtigte Stellvertreterin der Elo GmbH entgegengenommen hat. Die Rechtsfolgen dieser Zahlung beurteilen sich in erster Linie nach Art. 39 OR. Danach hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Schadenersatz, und zwar auf Ersatz des negativen Vertragsinteresses. Die Beklagte muss die Klägerin so stellen, wie wenn die Zahlung nicht erfolgt wäre, d.h. sie hat die empfangenen Fr. 19'000.-- zurückzugeben. Vorbehalten bleibt der Einwand der Beklagten, die Klägerin hätte den Mangel der Vollmacht kennen sollen (Art. 39 Abs. 1 OR). Bei Verschulden des Vertreters kann der Richter, wo es der Billigkeit entspricht, auf Ersatz weiteren Schadens, nämlich auf Ersatz des Erfüllungsinteresses, erkennen (Art. 39 Abs. 2 OR). In allen Fällen bleibt die Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung vorbehalten (Art. 39 Abs. 3 OR).
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b) Es kann offen gelassen werden, ob ein Schadenersatzanspruch der Klägerin auf Rückgabe ihrer an die Beklagte gemachten Leistung gemäss Art. 39 Abs. 1 OR desbalb ![]() | 32 |
c) Die kantonalen Instanzen haben die Rechtsgrundlage dieses Bereicherungsanspruches in Art. 63 OR betreffend die freiwillige Zahlung einer Nichtschuld aus Irrtum erblickt. Diese Bestimmung trifft jedoch nicht unmittelbar zu. Sie gilt nur dort, wo der Zahlende glaubt, er sei Schuldner des Empfängers. Die Klägerin hat aber nie geglaubt, sie sei Schuldnerin der Beklagten. Sie hat eine in Wirklichkeit bestehende Schuld gegenüber der Elo GmbH tilgen wollen und in der Beklagten ein Organ oder wenigstens eine bevollmächtigte Vertreterin der Elo GmbH gesehen. Ihr Irrtum bezog sich nicht auf das Bestehen der Schuld oder die Person des Gläubigers, sondern auf die Vertretungsbefugnis des Zahlungsempfängers.
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Dagegen kann die Rückforderung auf Art. 62 OR gestützt werden. Denn da die Beklagte nicht berechtigt war, die Zahlung der Klägerin für die Elo GmbH entgegenzunehmen, hat sie eine Zuwendung ohne jeden gültigen Grund erhalten und ist dadurch ungerechtfertigt bereichert worden.
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6. a) Die Beklagte wendet ein, sie sei heute nicht mehr bereichert, weil sie die zu Unrecht empfangenen Fr. 19'000.-- zur Tilgung von Schulden der Elo GmbH verwendet ![]() | 35 |
b)Die Beklagte geht zutreffend davon aus, dass sie sich die Entscheidungsgründe des im Vorprozess ergangenen Urteils nur insoweit entgegenhalten lassen muss, als sie für dessen Entscheidung notwendig waren, während Fragen, die im Streit zwischen der Elo GmbH und der Bank unerheblich und darum nicht zu beurteilen waren, durch das Urteil des Vorprozesses nicht präjudiziert sind (GULDENER, ZSR 68 S. 249 f.). Gestützt hierauf macht die Beklagte geltend, im Vorprozess habe es sich ausschliesslich darum gehandelt, ob die Bank die Fr. 19'000.-- an einen Unberechtigten ausbezahlt habe und darum die Summe der Elo GmbH noch schulde; ob der Unberechtigte, d.h. die Beklagte, das Geld gutgläubig empfangen habe und heute nicht mehr bereichert sei, habe im Vorprozess keine Rolle gespielt und hätte darum dort nicht vorgebracht werden können. Die Beklagte sei deshalb befugt, im vorliegenden Prozess den Einwand zu erheben, sie habe das empfangene Geld zur Zahlung von Schulden der Elo GmbH verwendet und sei daher nicht mehr bereichert.
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c) Diese Auffassung ist unrichtig. Wenn die Beklagte schon im Vorprozess vorgetragen und bewiesen hätte, dass sie die Fr. 19'000.-- zur Tilgung von Schulden der Elo GmbH verwendet habe, hätte deren Klage gegen die Bank abgewiesen werden müssen, weil die Elo GmbH bei nochmaliger Auszahlung durch die Bank ungerechtfertigt bereichert worden wäre. Dass es sich dort um eine Bereicherung der Elo GmbH gehandelt hätte, während heute die Frage dahin geht, ob die Beklagte sich darauf berufen könne, sie sei entreichert, ist belanglos. Die Bereicherung der Elo GmbH und die Entreicherung der Beklagten sind wohl rechtlich gesehen zwei verschiedene Dinge; aber beide beruhen auf ein und derselben Tatsache, nämlich auf der ![]() | 37 |
Ob die Beklagte, falls es sich tatsächlich so verhalten sollte, gutgläubig gehandelt habe, ist unter diesen Umständen unerheblich und braucht nicht geprüft zu werden.
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Die gegenteilige Lösung würde zu einem Ergebnis führen, das sich mit Treu und Glauben nicht vertrüge. Erwiese sich nämlich der Einwand der Beklagten, sie habe das von der Klägerin erhaltene Geld gutgläubig zur Bezahlung von Schulden der Elo GmbH verwendet und sei darum nicht mehr bereichert als richtig, so müsste die vorliegende Klage abgewiesen werden. Es bliebe dabei, dass die Klägerin die Fr. 19'000.-- zweimal bezahlt hätte; denn obwohl der Elo GmbH der Betrag zweimal zugekommen wäre, könnte die Klägerin von ihr nichts zurückfordern. Wird dagegen die Beklagte im vorliegenden Verfahren zur Rückerstattung der ihr ohne Rechtsgrund zugeflossenen Zahlung verpflichtet, so hat sie die rechtliche Möglichkeit, auf die Elo GmbH zurückzugreifen, die den Betrag zweimal erhalten hat und damit ungerechtfertigt bereichert ist.
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