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24. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Oktober 1965 i.S. X. gegen X. | |
Regeste |
Anfechtung der Ehelichkeit, Art. 253ff ZGB. | |
Sachverhalt | |
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Die Mutter und der Vormund der Kinder widersetzten sich der Klage. Das Amtsgericht ordnete zwei Begutachtungen an, die ergaben, dass der Kläger infolge der Operation von 1948 zeugungsunfähig ist und damit nicht der Vater der 1953 geborenen Zwillinge sein kann. Mit Urteil vom 19. Juni 1963 hiess das Amtsgericht daher die Klage gut, aberkannte den Zwillingen die Ehelichkeit und stellte fest, dass sie aussereheliche Söhne ihrer Mutter sind.
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B.- Dieses Urteil zog der Prozessvertreter der Zwillinge an den Appellationshof des Kantons Bern weiter mit dem Antrag auf Abweisung der Anfechtungsklage wegen verspäteter Einreichung. Die Mutter der Kinder focht das Urteil nicht an. Am 10. Februar 1965 hat der Appellationshof das Urteil des Amtsgerichts bestätigt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die ordentliche Anfechtungsfrist beträgt gemäss Art. 253 ZGB drei Monate vom Zeitpunkt an, da der Ehemann von der Geburt Kenntnis erhalten hat. Diese Frist war vorliegend längst abgelaufen. Die Nachfrist von drei Monaten, welche gemäss Art. 257 Abs. 1 und 2 ZGB gewährt wird, wenn der Klageberechtigte arglistig zur Unterlassung der Anfechtung bewogen wurde, kommt nicht in Betracht. Der Umstand, dass die Mutter des Kindes einen Ehebruch in der kritischen Zeit bestritten hat, ist nach der Praxis unter diesem Gesichtspunkte bedeutungslos (BGE 61 II 301undBGE 71 II 259). Hingegen wird - und das ist prozessentscheidend - gemäss Art. 257 Abs. 3 eine Anfechtung noch zugelassen, wenn die Verspätung mit wichtigen Gründen entschuldigt wird. Dabei wird indessen eine dreimonatige Nachfrist analog Abs. 2 nicht in Gang gesetzt. Die Klage muss nunmehr mit aller nach den Umständen möglichen Beschleunigung erhoben werden (BGE 85 II 311 und dortige Zitate.) Daher ist zu untersuchen, bis zu welchem Zeitpunkt dem Kläger wichtige Gründe zur Unterlassung der Anfechtungsklage zuzubilligen sind und ob er alsdann mit der nach den Umständen möglichen Beschleunigung geklagt hat. Wo das Gesetz den Richter auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat er gemäss Art. 4 ZGB seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen.
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2. Wichtige Gründe zur verspäteten Klageeinreichung liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn der Kläger bis anhin keine zureichende Veranlassung zu Zweifeln an der Ehelichkeit eines Kindes und zur Anhebung der Anfechtungsklage hatte. Blosse Zweifel ohne bestimmte Anhaltspunkte bilden indessen keine Grundlage zur Anfechtungsklage mit ihren sehr strengen Anforderungen. Es geht nicht an, einem Klageberechtigten die Klageerhebung zuzumuten, bevor er die erforderlichen tatsächlichen Grundlagen zur Klage besitzt. Insbesondere genügt blosse Ungewissheit ![]() | 7 |
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Gewisse Zweifel wurden in ihm erst in der Anstalt Thorberg durch Äusserungen von Mitgefangenen erweckt, als ihm diese von einer möglichen Zeugungsunfähigkeit sprachen. Die Berufungskläger haben nun die Rückweisung der Sache zur Ergänzung des Tatbestands dahin beantragt, dass die näheren Umstände abzuklären seien, unter denen der Kläger von Mithäftlingen solche Informationen erhielt und wann genau er aus der Anstalt entlassen worden sei. Beim Kläger seien damals konkrete Zweifel erweckt worden, welche geeignet gewesen seien, ihn zu sofortigen Nachforschungen zu veranlassen.
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Diesem Antrag ist nicht zu entsprechen. Es ist nicht behauptet worden, dass diese Mithäftlinge etwa medizinische Sachverständige gewesen seien. Wenn ein Verwahrungsgefangener, der auf bedingte Entlassung hofft, gestützt auf solche Äusserungen von Mitgefangenen nicht sofort die Direktion, den Anstaltsgeistlichen oder andere Anstaltsorgane mit der Angelegenheit ![]() | 10 |
Nach Kenntnisnahme dieses Sachverhaltes hat sich der Kläger wenige Tage später (irrtümlich) an die bernische Fürsorgedirektion gewandt, und als er von dieser einen etwas ausweichenden Bescheid erhielt, sofort einen Anwalt konsultiert, der dann schon am 22. Oktober 1962 als ersten Schritt zur Anfechtungsklage ein Ladungsansuchen für einen Aussöhungsversuch stellte. Dieser endete am 9. November 1962 vor dem Gerichtspräsidenten mit der Erteilung der formellen Klagebewilligung. Bis dahin sind dem Kläger mit der Vorinstanz in gerechter und billiger Würdigung aller Umstände keine Vorwürfe wegen unentschuldbarer Saumseligkeit zu machen.
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4. Es könnte sich nur noch fragen, ob dem Kläger daraus ein Vorwurf gemacht werden kann, dass er bzw. sein Anwalt die schriftliche Klage dann erst am 19. Dezember 1962 eingereicht hat. Nach dem zitierten bundesgerichtlichen Entscheid (BGE 85 II 312 oben) müsste ein Zuwarten von 7 Wochen nach der nachträglichen Entdeckung der Anfechtungsgrundlagen bis zur Klageeinreichung (beim Friedensrichter) durch ganz besondere Umstände gerechtfertigt sein. Nun werden jedoch nach der ![]() | 12 |
Selbst wenn man übrigens annähme, der Kläger sei vom Aussöhnungsversuch an ungeachtet der verkürzten Klagefrist des Art. 153 Abs. 4 bern. ZPO zu möglichst beförderlichem Vorgehen verpflichtet gewesen, so müsste ihm mit der Vorinstanz zugebilligt werden, dass er bzw. sein Anwalt diesem Erfordernis genügte. Der Kläger erlitt am 15. November 1962 einen Unfall, der ihn einen Monat ans Bett fesselte; sein Anwalt war nach den Feststellungen der Vorinstanz vom 14. November bis zum 14. Dezember 1962 in Thun durch einen Schwurgerichtsprozess in Anspruch genommen; beide Umstände erschwerten die Fühlungnahme zwischen Anwalt und Klient sehr erheblich. Nach dem 14. Dezember waren dann binnen fünf Tagen die Klageschrift verfasst und die Beweismittel geordnet. Unter diesen Umständen kann weder dem Kläger noch seinem Anwalt ![]() | 13 |
Erweist sich mithin die Berufung zweifellos als unbegründet, ist sie gemäss Art. 60 Abs. 2 OG ohne öffentliche Beratung zu erledigen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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