BGE 91 II 159 | |||
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25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung 13. Mai 1965 i.S. V. gegen G. | |
Regeste |
Vaterschaftsklage. Positiver und negativer Abstammungsbeweis. Art. 8, 307, 314, 321 ZGB. |
2. Der Beklagte kann von Bundesrechts wegen zur Erbringung eines negativen Abstammungsbeweises verlangen, dass ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten eingeholt werde |
- nach Erschöpfung aller andern Beweismittel, die ihm gegenüber der Vermutung seiner Vaterschaft zur Verfügung standen; |
- auch wenn er keine sonstigen Indizien für Mehrverkehr der Kindsmutter in der kritischen Zeit nachzuweisen vermag. (Erw. 6). |
3. Wann ist der Antrag auf Einholung eines solchen Gutachtens rechtsmissbräuchlich? |
Zur Frage der Zulässigkeit eines sog. Ausforschungsbeweises. (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Die Ehe St.-G. wurde am 4. Oktober 1961 vom Bezirksgericht Zürich geschieden. Das damals von der Ehefrau, geboren 1925, erwartete (einzige) Kind R., geboren am 3. Dezember 1961, wurde auf Klage des geschiedenen Mannes als aussereheliches Kind der geschiedenen Ehefrau erklärt. Hierauf leitete die Amtsvormundschaft der Stadt Zürich im Namen des Knaben R. rechtzeitig die Vaterschaftsklage gegen J. V., geboren 1924, ein. Das Bezirksgericht Zürich, und ebenso das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 30. Oktober 1964, haben den Beklagten als Vater des Klägers zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von Fr. 80.- nebst allfälligen Kinderzulagen verurteilt. Sie nehmen als bewiesen an, dass der Ehemann St. seiner Frau während der kritischen Zeit nicht beigewohnt hatte, dass dagegen die geschlechtlichen Beziehungen zwischen der Kindsmutter und V. bis in den März 1961 dauerten. Anhaltspunkte für einen Drittverkehr der Kindsmutter seien nicht vorhanden. Es könne ihr auch nicht unzüchtiger Lebenswandel um die Zeit der Empfängnis vorgeworfen werden. Nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung wird der Beklagte nicht als Vater des Kindes ausgeschlossen. Der wahrscheinliche Konzeptionstermin fällt nach dem Tragzeitgutachten auf den 8. März 1961.
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Gegen das Urteil des Obergerichts hat der Beklagte Berufung an das Bundesgericht eingelegt. Er beantragt Abweisung der Klage, eventuell Rückweisung an das Obergericht zur Anordnung einer anthropologisch-erbbiologischen Expertise.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Diese Schlussbemerkung verkennt die im AEG liegenden Beweismöglichkeiten. Das AEG kann einen genügend sicheren Ausschluss der Vaterschaft des Beklagten ergeben, auch wenn alle serologischen Untersuchungen nicht zum Ausschluss führten. Dem Obergericht kann daher nicht beigestimmt werden, wenn es erklärt, nach menschlichem Ermessen lasse das AEG keine Aufklärung des Sachverhaltes erwarten. Allerdings kommt dieser Untersuchungsmethode eine geringere Beweiskraft zu als der Blutgruppen-Untersuchung. Deshalb und wegen der bei Einholung eines AEG mitunter sich ergebenden beträchtlichen Verlängerung der Prozessdauer hat sich die Frage erhoben, ob dieses Beweismittel bloss beim Vorliegen von Indizien für Mehrverkehr der Kindsmutter zuzulassen sei (vgl. BGE 90 II 224 unten). Da hier solche Indizien gänzlich fehlen, ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Beklagte die Einholung eines AEG verlangen könne, neu zu überprüfen.
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Abs. 1 dieser Norm lässt den Beklagten als Vater des Kindes vermuten, wenn er dessen Mutter nachweisbar in der kritischen Zeit beigewohnt hat. Diese Vermutung fällt nach Abs. 2 weg, wenn gegenüber seiner Vaterschaft erhebliche Zweifelsgründe (namentlich Mehrverkehr der Kindsmutter in der kritischen Zeit) nachgewiesen werden. Alsdann ist die Klage abzuweisen, sofern die Klägerschaft nicht ihrerseits nachzuweisen vermag, dass das Kind nicht vom dritten Beischläfer stammt, oder (positiv) dass es vom Beklagten stammt.
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Statt Zweifelsgründe nach Art. 314 Abs. 2 ZGB geltend zu machen, und ebenso beim Scheitern einer dahingehenden Einrede, kann der Beklagte aber auch den Beweis führen, dass das Kind nicht von ihm stamme. Dies ist zwar im Gesetze nicht vorgesehen, weil beim Erlass des ZGB niemand damit rechnete, dass ein positiver oder negativer Abstammungsbeweis auch beim Fehlen typischer Rassenmerkmale oder ausgesprochener Anomalien erbracht werden könnte. Jedoch ergibt sich das Beweisthema des Vaterschaftsprozesses vorweg aus Art. 307 ZGB: Die Klägerschaft hat zu beweisen, dass der Beklagte der Vater des Kindes ist. Wegen der diesem Beweis anhaftenden Schwierigkeiten hat der Gesetzgeber die Rechtsvermutung des Art. 314 Abs. 1 aufgestellt (BGE 87 II 69 Erw. 1). Zu deren Widerlegung ist nun aber, ganz abgesehen von Tatsachen im Sinne des Abs. 2 dieser Bestimmung, auch der Nachweis geeignet, dass das Kind nicht vom Beklagten abstammen kann.
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Dieser negative Abstammungsbeweis ist Beweis des Gegenteils dessen, was nach Art. 314 Abs. 1 ZGB zu vermuten ist. Es handelt sich also um einen Hauptbeweis (vgl. KUMMER, N. 108 zu Art. 8 ZGB). Auf Führung eines solchen Beweises hat nach Art. 8 ZGB von Bundesrechts wegen jede Partei Anspruch, die mit der Beweisführung belastet ist und daher gegebenenfalls die Nachteile der Beweislosigkeit zu tragen hat. Und zwar kann sie die Abnahme der dazu tauglichen Beweismittel, also bei Abstammungsfragen die Durchführung der hiefür zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden verlangen, soweit diese beim heutigen Stande der Wissenschaft die streitige Abstammung mit genügender Sicherheit abzuklären vermögen. Nachdem bereits das Tragzeitgutachten als Beweismittel für den Ausschluss der Vaterschaft anerkannt worden war (BGE 51 II 112, BGE 53 II 14, BGE 58 II 193), wurde in BGE 61 II 72 ff. auch die Blutgruppenuntersuchung als wissenschaftlich gesichertes Beweismittel zum Ausschluss der Vaterschaft befunden und (dort S. 76) ausgeführt, jeder Vaterschaftsbeklagte, "der behauptet, die Blutgruppe des Kindes sei ihm weder von der Mutter noch von ihm vererbt", habe "von Bundesrechts wegen Anspruch auf Vornahme der bezüglichen Feststellungen". Jenes Urteil bedarf insofern der Klarstellung, als es sich nicht, wie dort ausgeführt wird, bloss um "erhebliche Zweifel" an der Vaterschaft des Beklagten handelt, sondern um den vollen Beweis, dass das Kind nicht von ihm stamme, also um den sicheren Ausschluss seiner Vaterschaft.
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Dass es zur Entkräftung der Vermutung des Art. 314 Abs. 1 ZGB nach Abs. 2 daselbst genügt, Zweifelsgründe (namentlich Mehrverkehr) nachzuweisen, erklärt sich aus dem Inhalt der Vermutungsbasis: Wenn die Vermutung, der Beklagte und kein anderer Mann sei der Vater des Kindes, schon an eine ihm nachgewiesene, in die kritische Zeit fallende Beiwohnung geknüpft wird, so lässt sich diese der Natur der Sache nach ausschliesslich für einen Mann geltende Vermutung nicht aufrecht erhalten, sobald ein zweiter Mann dieselbe Voraussetzung gleichfalls erfüllen würde. Ist aber Mehrverkehr nicht nachgewiesen, so lassen sich nicht etwa "erhebliche Zweifel" an der Vaterschaft des Beklagten auch auf Grund einer die Abstammung des Kindes betreffenden Untersuchung rechtfertigen, falls diese bloss ergibt, dass das Kind mit "beträchtlicher" oder "grosser", nicht aber an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vom Beklagten abstammt. Denn bei einem so unsicheren Ergebnis bleibt die Zeugung durch den Beklagten im Rahmen des praktisch Möglichen, und es muss daher in einem solchen Falle, sofern kein Mehrverkehr nachgewiesen ist, die Vermutung des Art. 314 Abs. 1 ZGB aufrecht bleiben (BGE 86 II 318 Erw. 3). Man hat es alsdann mit einer der zwar vom Regelfall abweichenden, aussergewöhnlichen Tragzeit- oder Blutgruppenkonstellationen zu tun, die jedoch noch durch die gesetzliche Vermutung gedeckt sind.
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Ist dagegen die Abstammung des Kindes vom Beklagten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch serologischen Befund ausgeschlossen, so ersetzt dieser Gegenbeweis nicht bloss die Einrede des Art. 314 Abs. 2 ZGB, welcher die Klägerschaft ihrerseits durch positiven Nachweis der Vaterschaft des Beklagten auf dem Weg eines AEG begegnen könnte. Dies ist gegenüber einem mit hinreichender Sicherheit erbrachten serologischen Ausschlussbeweis nicht zulässig. Denn der Blutgruppen-Beweis hat durchschlagende Beweiskraft, die sich auch gegenüber einem AEG durchzusetzen vermag. Deshalb lässt sich ein positiver AEG-befund, wie es schon etwa geschehen ist, durch gegenteiligen Blutgruppenbefund widerlegen, während ein rechtsgenüglicher serologischer Ausschlussbefund einem die Vaterschaft bejahenden AEG-befund standzuhalten vermöchte (vgl. BGE 88 II 398 /99 und BGE 90 II 273 /74; ferner G. BEITZKE, Rechtsfragen der Vaterschaftsbegutachtung, in "Vaterschaftsgutachten..." 1956, S. 20). Eine andere, hier nicht zu prüfende Frage ist es, ob man einem auf praktische Unmöglichkeit der Vaterschaft des betreffenden Mannes lautenden Tragzeitgutachten einen positiven AEG-befund entgegenhalten könnte (vgl. BEITZKE, a.a.O. S. 15).
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Von den Fällen widersprechender Ergebnisse der Blutgruppenuntersuchung einerseits und des AEG anderseits abgesehen (wie sie sich bei fachkundiger Untersuchung und Begutachtung selten ereignen dürften) kommt dem AEG nach dem heutigen Stande der Wissenschaft der Rang eines vollwertigen Beweismittels zur Abklärung von Abstammungsfragen zu. Es ist geeignet, in Einzelfällen "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit", also mit einem rechtsgenüglichen Grade der Sicherheit, den negativen Beweis der Nichtabstammung oder auch den positiven Beweis der Abstammung des Kindes vom betreffenden Manne zu erbringen. Aus diesem Grunde wird insbesondere der Klägerschaft zugestanden, den Beweis der Abstammung des Kindes vom Beklagten auf dem Wege des AEG zu führen, wenn sie eine Beiwohnung nicht gemäss Art. 314 Abs. 1 ZGB nachzuweisen vermochte, oder wenn die aus einer solchen Beiwohnung sich ergebende Rechtsvermutung durch Nachweis von Mehrverkehr nach Abs. 2 daselbst entkräftet wurde; ebenso gegenüber einer allenfalls an sich hinreichend begründeten Einrede des unzüchtigen Lebenswandels nach Art. 315 ZGB (BGE 90 II 272 mit Hinweisen). 6. - Im vorliegenden Falle besteht indessen die Vermutung aus Art. 314 Abs. 1 ZGB zugunsten der Klägerschaft, und nach dem Scheitern der Einreden aus Abs. 2 daselbst wie auch aus Art. 315 ZGB will der Beklagte seinerseits einen negativen Abstammungsbeweis führen, wozu nach erfolglos gebliebenem Blutgruppen- und Tragzeitbefund eben nur noch das AEG als taugliches Beweismittel übrig bleibt. Der Beklagte hat den dahingehenden Beweisantrag nach vorinstanzlicher Feststellung in prozessual gültiger Weise gestellt, und in materiell-rechtlicher Hinsicht besteht - anders als bei der Anfechtung der Ehelichkeit, wobei auf die Ehre einer unbescholtenen Ehefrau Rücksicht zu nehmen ist (BGE 71 II 60, BGE 79 II 25, BGE 82 II 504, BGE 87 II 15) - im Vaterschaftsprozesse keine Veranlassung, die Einholung eines vom Beklagten beantragten Abstammungsbefundes (also vorweg eines serologischen Befundes und ebenso eines AEG) um der Schonung der Kindsmutter willen nur dann anzuordnen, wenn Anhaltspunkte für Mehrverkehr nachgewiesen sind. Vielmehr kann es sich im Vaterschaftsprozesse nur fragen, ob sich speziell für den AEG-beweis um seiner Besonderheiten willen die Aufstellung einer solchen Voraussetzung rechtfertige, wie es die Vorinstanz annimmt.
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Trotz den im AEG liegenden Beweismöglickeiten hat die schweizerische Rechtsprechung bisher in der Tat gezögert, dem Beklagten dieses Mittel zur Erbringung eines negativen Abstammungsbeweises auch dann zuzugestehen, wenn er keine Anzeichen für Mehrverkehr der Kindsmutter nachzuweisen vermag. Dieses Bedenken gründet sich namentlich auf die Überlegung, dass der Beklagte den dahingehenden Beweisantrag leichthin stellen könnte, um den Prozess in die Länge zu ziehen (da sich die betreffenden Untersuchungen in der Regel erst dann vornehmen lassen, wenn das Kind mindestens drei Jahre alt ist). Das bildet jedoch keinen durchschlagenden Grund zur Einschränkung des dem Beklagten zustehenden Beweisrechtes.
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a) Einmal steht die wissenschaftliche Tauglichkeit der AEG-Methode heute fest, obwohl sich der Sicherheitsgrad des Ergebnisses nicht genau mathematisch fixieren und das subjektive Moment bei der Gesamtbewertung der zahlreichen Merkmale nicht ganz ausschalten lässt. Das subjektive Moment liegt (wie HARRASSER, Das anthropologisch-erbbiologische Vaterschaftsgutachten, 1957, S. 37 bemerkt) "nicht etwa in einer unbegrenzten Ermessensfreiheit des Gutachters, sondern ebenso wie bei jeder Sachverständigentätigkeit, die sich nicht auf routinemässig technische Arbeiten mit einer Anwendung weniger zwingender Regeln beschränken kann, im Spielraum der Kenntnisse, der Erfahrungen, der Sorgfalt und des Verantwortungsbewusstseins der Sachverständigen...". Die Anerkennung dieses Beweismittels hat sich denn auch in der deutschen Rechtsprechung durchgesetzt (vgl. die Entscheidungen des deutschen Bundesgerichtshofes vom 16. Juni 1953, Neue Juristische Wochenschrift 1954 I S. 83/84, und vom 13. November 1963, Entscheidungen des BGH in Zivilsachen 40 S. 375 ff. Erw. b; aus der neueren Literatur: HARRASSER, Der gegenwärtige Stand des erbbiologischen Vaterschaftsgutachtens, NJW 1962 I S. 659 ff.; BAITSCH, Mathematischstatistische Verfahren im anthropologisch-erbbiologischen Gutachten, in "Die medizinische Vaterschaftsbegutachtung mit biostatischem Beweis", herausgegeben von K. Hummel, 1961, S. 53 ff.; HUMMEL, Zum Problem des positiven Vaterschaftsbeweises, NJW 1964 II S. 2191 ff.; P. GOEPFERT, Das anthropologisch-erbbiologische Gutachten im Vaterschaftsprozess, Basler Juristische Mitteilungen 1965 S. 1 ff., TEPLITZKY, Das Vaterschaftsgutachten in der neueren Rechtsprechung, NJW 1965 I S. 334 ff.). Eine Diskriminierung des AEG in dem Sinne, dass es nicht für sich allein, sondern nur als Bestandteil eines sog. Additionsbeweises zu berücksichtigen wäre, ist nicht gerechtfertigt. Sache des Experten und des Richters ist es, Fehlentscheidungen zu vermeiden, die sich etwa als Folge einer zu allgemeinen Formulierung des Untersuchungsergebnisses ergeben könnten (vgl. HUMMEL, a.a.O. S. 2192 linke Spalte, und O. FRANZ, Über die forensische Anwendbarkeit von Vaterschaftsalgorithmen, 1960, S. 33, wonach der Experte darauf bedacht sein soll, "nie dem Richter durch Abgabe von Wahrscheinlichkeitsgutachten ohne diesbezüglichen Kommentar... das Gefühl unberechtigter Sicherheit zu verschaffen").
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b) Bei dieser Sachlage darf die Einholung eines AEG insbesondere nicht an die Voraussetzung geknüpft werden, dass gewisse wenn auch schwache Indizien für Mehrverkehr der Kindsmutter nachgewiesen seien. Vielmehr ist der Ansicht beizutreten, wonach "weder der Umstand, dass die beweisfällige Partei einen konkreten Mehrverkehrszeugen nicht namentlich benennen oder in sonstiger Weise ausfindig machen kann, noch das Fehlen anderer Anhaltspunkte für Mehrverkehr" dem Antrag auf Einholung eines AEG entgegensteht (TEPLITZKY a.a.O. III, 2, b mit Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12. Februar 1964, NJW 1964 I S. 1179/80; ebenso für das schweizerische Recht: SCYBOZ, Jurisprudence actuelle du Tribunal fédéral en matière de preuves scientifiques de la paternité, Journal des Tribunaux 1962 I 201-202; GOEPFERT, a.a.O. S. 8). Gegenstand des negativen AEG ist ja nicht der Mehrverkehr der Kindsmutter, sondern die Unmöglichkeit der Abstammung des Kindes vom Beklagten, wie bereits dargelegt (Erw. 5; im gleichen Sinne HIENDL, Das Blutgruppen- und erbbiologische Gutachten im Alimentenprozess des unehelichen Kindes, NJW 1963 II 1662/63 Ziff. 2). Seinem Wesen nach beruht das AEG ebenso wie die Blutgruppenuntersuchung und das Tragzeitgutachten auf biologischen Gesetzen und Gegebenheiten, die zur Geltung zu kommen verdienen, ohne dass irgendwelche auf Mehrverkehr hindeutende Vorkommnisse aus dem Leben der Kindsmutter bekannt zu sein brauchen.
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c) In der deutschen Rechtsprechung wurde dem Antrag auf Anordnung eines AEG (oder einer andern die Abstammung des Kindes betreffenden Untersuchung) gelegentlich entgegengehalten, es handle sich um einen nach prozessrechtlichen Grundsätzen unzulässigen "Ausforschungsbeweis", wenn sich dieser Beweisantrag auf eine "aus der Luft gegriffene, jeder tatsächlichen Grundlage entbehrende Prozessbehauptung" stützt (vgl. das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 3. April 1952, Entscheidungen des BGH 5 S. 306/7; BAUMBACH/LAUTERBACH, Komm., 26. Auflage, Bem. 2 zu § 282 und Bem. 2 zu § 373 DZPO). In neuerer Zeit wird aber der Eigenart des in Frage stehenden Beweisthemas in zunehmendem Masse Rechnung getragen, und es setzt sich in Abstammungsfragen eine abweichende Betrachtungsweise durch (vgl. ROSENBERG, Lehrbuch des deutschen ZPR, 8. A. 1960, Bem. I 3 d zu § 115 "Die Beweisaufnahme", S. 562; BAUMBACH/LAUTERBACH, a.a.O. und Bem. 2 zu § 640 der deutschen ZPO, Unterrubrik "622 I"; SAUTER, Die Pflicht zur Duldung von Körperuntersuchungen nach § 372a ZPO, im Archiv für die civilistische Praxis Bd. 161/1962, S. 215 ff., bes. 222/23; ferner ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 13. November 1963, Entscheidungen des BGH in Zivilsachen 40 S. 367 ff., wo das AEG zum Beweis dafür angerufen war, dass der als Vater in Anspruch genommene Mann in der kritischen Zeit nicht mit der Kindsmutter verkehrt habe). Jedenfalls für das schweizerische Recht lässt sich der Anrufung des AEG-beweises so wenig wie dem Antrag auf Ei nholung eines Blutgruppen- oder eines Tragzeitgutachtens entgegenhalten, es handle sich dabei um einen ohne tatbeständliche Grundlage versuchten Ausforschungsbeweis. Dieser nicht klar umschriebene und auch im Ausland umstrittene Begriff (vgl. DUNZ, Der unzulässige Ausforschungsbeweis, NJW 9/1956 I S. 769 ff.; BÜTTNER, Vaterschaftsprozess und Ausforschungsbeweis, Zeitschrift für Zivilprozess Bd. 67/1954 S. 73 ff.) hat keine selbständige Bedeutung; er wird aus dem Grundsatz abgeleitet, dass die unter Beweis gestellten Parteivorbringen genügend substanziert sein, d.h. bestimmte tatbeständliche Angaben enthalten müssen, und anderseits aus der Regel, wonach die Abnahme von Beweisen auch gestützt auf eine Vorauswürdigung, sog. antizipierte Beweiswürdigung, abgelehnt werden darf. Aus diesen Gesichtspunkten lässt sich aber gegen das in Frage stehende wissenschaftliche Beweismittel nichts einwenden. Wie bereits dargetan, dienen die zur Abklärung von Abstammungsfragen geeigneten wissenschaftlichen Methoden nicht als Beweismittel für Tatsachen und Vorkommnisse im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB, die der Beklagte in bestimmter Weise vorzubringen hätte, sondern sie betreffen unmittelbar die Frage der Abstammung oder Nichtabstammung des Kindes, worüber eben erst die Untersuchung Klarheit schaffen soll. Als Grundlage für diese Beweisführung genügt daher die Behauptung, das Kind stamme vom betreffenden Manne ab, oder es könne nicht von ihm abstammen. Einer weitern Substanzierung bedarf es nicht, da es nur gerade um die streitige Abstammungsfrage geht. Das AEG ist somit auf Grund eines solchen Vorbringens anzuordnen, was der durch BGE 61 II 76 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung betreffend den Blutgruppenbeweis entspricht. Schon BGE 87 II 288 nimmt denn auch gegen den Einwand, es handle sich um ein unzulässiges Ausforschungsmittel, Stellung.
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d) Wenn, wie im vorliegenden Falle, das Ergebnis des AEG gänzlich ungewiss ist, kommt nicht in Frage, den vom Beklagten angetretenen Beweis durch antizipierte Beweiswürdigung als aussichtslos zu erklären. Anders könnte es sich allenfalls beim Vorliegen übereinstimmender auffälliger Merkmale des Kindes und des Beklagten verhalten. Selbst in einem solchen Falle dürfte sich übrigens gewöhnlich die Befragung eines erbbiologischen Experten empfehlen, sofern nicht auszuschliessen ist, dass das Kind von einem Rassen- oder Familiengenossen des Beklagten stammt (vgl. HARRASSER, AE-Vaterschaftsgutachten S. 41 ff.).
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Der in Frage stehende Beweisantrag ist ferner nicht rechtsmissbräuchlich. Der Umstand, dass der Beklagte keine Indizien für Mehrverkehr der Kindsmutter nachzuweisen vermag, schliesst nach dem Gesagten den negativen Abstammungsbeweis nicht aus. Von Rechtsmissbrauch könnte nur gesprochen werden, wenn ein Mehrverkehr geradezu ausgeschlossen wäre oder dem Beklagten nicht verborgen geblieben sein könnte (vgl. GOEPFERT, a.a.O. S. 9). So verhält es sich hier indessen nicht. Die Kindsmutter lebte nicht so zurückgezogen, dass ein Mehrverkehr mit Sicherheit ausgeschlossen wäre, und sie lebte auch nicht unter ständiger Obhut des Beklagten, so dass diesem ein Mehrverkehr hätte bekannt werden müssen.
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e) Da der im Dezember 1961 geborene Kläger im vierten Lebensjahre steht, wird die Durchführung des AEG-beweises keine erhebliche Verzögerung des Endurteils mit sich bringen. Die an sich freilich unerwünschte und in manchen Fällen für die Klägerschaft nachteilige Verlängerung der Prozessdauer wäre übrigens kein zureichender Grund zur Verweigerung eines dem Beklagten von Bundesrechts wegen zustehenden Beweismittels (BGE 90 II 223 /24). Die Begrenzung der Ansprüche auf Sicherstellung des Unterhaltes während des Prozesses (Art. 321 ZGB) muss einstweilen hingenommen werden; gegen die Zulassung des AEG-beweises lässt sich daraus nichts herleiten. Zum Postulat einer Revision des Art. 321 ZGB ist hier nicht Stellung zu nehmen (vgl. dazu ABRAVANEL, La preuve anthropologique dans la recherche de la paternité, Hommage du Journal des Tribunaux à la Société suisse des juristes 1958, p. 97).
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Endlich dürfen die beträchtlichen Kosten der Begutachtung den Entscheid über die Zulassung eines Beweismittels nicht beeinflussen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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