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26. Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Juli 1965 i.S. B. gegen Regierungsrat des Kantons Nidwalden | |
Regeste |
Bevormundung wegen Freiheitsstrafe. Art. 371 ZGB. Veröffentlichung dieser Massnahme. Art. 375 ZGB. Gegenstand der Berufung an das Bundesgericht. Art. 44 lit. c OG. |
- jedenfalls nicht, wenn nicht in persönlicher wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Aufgaben eines Vormundes völlig ausser Betracht fallen. (Erw. 1-3). |
2. Die Veröffentlichung der Bevormundung nach Art. 375 ZGB unterliegt nicht der Berufung an das Bundesgericht. Art. 44 lit. c OG. (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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C.- Über diese Massnahmen beschwerte sich B. beim Regierungsrat des Kantons Nidwalden. Er machte geltend, die in Art. 371 ZGB vorgesehene Entmündigung eines zu Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber Verurteilten habe ihren Grund in der Notwendigkeit, die Interessen des Inhaftierten zu wahren. Bei Freiheitsstrafe von gewisser Dauer sei diese Schutzbedürftigkeit zu vermuten; es müsse aber zulässig sein, ihr Fehlen darzutun. B. vermöge nun die Vermutung seiner Unfähigkeit, während der Haft seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen, zu widerlegen. Die finanzielle Lage der von ihm geleiteten Gesellschaft sei einwandfrei, wie sich aus den der Vormundschaftsbehörde vorgelegten Revisionsberichten und Jahresrechnungen ergebe. Der Prokurist F. sei in den Betrieb eingearbeitet; daneben seien auch die Ehefrau und die Töchter B's in der Bank tätig. Er selber könne sich übrigens im Rahmen der vom Anstaltsreglement gewährten Freiheiten auch um die Führung der Bank kümmern. Auch in persönlicher Hinsicht bedürfe er nicht der Hilfe eines Vormundes. Er habe sich selber wieder zurecht gefunden. Unter den gegebenen Umständen wäre die Entmündigung zweckwidrig; sie würde seine Geschäftsunternehmung beeeinträchtigen, insbesondere wegen des dem Vormund erlaubten Einblickes in die Bankgeheimnisse. Auf alle Fälle sei von der Veröffentlichung der Vormundschaft abzusehen. Eine Verschiebung der Veröffentlichung, wie sie Art. 375 Abs. 2 ZGB zulasse, müsse auch bei Entmündigung wegen Strafhaft zulässig sein.
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D.- Mit Entscheid vom 14. September 1964 hat der Regierungsrat des Kantons Nidwalden sowohl die Entmündigung wie auch die Anordnung ihrer Veröffentlichung bestätigt. Er lässt nicht gelten, dass die Vormundschaft nach Art. 371 ZGB im vorliegenden Falle sinn- und zweckwidrig sei. Dies könnte etwa zutreffen, wenn nichts zu verwalten wäre, aber nicht beim Inhaber eines Bankinstitutes. Während des Strafvollzuges solle der Inhaftierte nicht handlungsfähig sein, und sein Geschäft müsse vor Schaden bewahrt werden. - "Angesichts der Schwere der Straffälle B's, die in der Öffentlichkeit allgemein ![]() | 4 |
E.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende von B. eingelegte Berufung an das Bundesgericht. Er beantragt, es sei von seiner Entmündigung abzusehen, eventuell die Veröffentlichung zu verschieben, subeventuell sei die Sache zur Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die kantonale Instanz zurückzuweisen.
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F.- Der Regierungsrat hat keine Gegenbemerkungen (Art. 56 OG) eingereicht.
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G.- In der bundesgerichtlichen Verhandlung vom 28. Januar 1965 wurde die Beurteilung der Sache mit Rücksicht auf die als bevorstehend betrachtete bedingte Entlassung des Berufungsklägers aus der Strafanstalt aufgeschoben. Das erste Haftentlassungsgesuch hatte jedoch keinen Erfolg, weshalb eine neue Verhandlung angesetzt wurde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Indessen verlangt Art. 371 ZGB (im Unterschied zu den Artikeln 369 und 370) nicht den Nachweis eines Schutzbedürfnisses des Inhaftierten oder anderer Personen, sondern sieht ![]() | 10 |
3. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung kann es sich nur fragen, ob die Entmündigung auch bei einer effektiven Strafdauer von mindestens einem Jahr ausnahmsweise, unter besonderen des Nachweises bedürfenden Umständen, unterbleiben dürfe und solle: dann nämlich, wenn diese Massnahme weder dem Inhaftierten Schutz und Fürsorge bieten kann noch der Sicherheit anderer Personen dient, sondern statt irgendwelchen Nutzens bloss beträchtliche Nachteile mit sich bringt. Die ältere Lehre (angeführt bei EGGER, Kommentar, 2. A., N. 8 zu Art. 371 ZGB) hielt sich an den Wortlaut des Gesetzes. EGGER selber änderte seine Ansicht und legt (a.a.O. N. 8-10) dar, dass der eigentliche Grund der Entmündigung nach Art. 371 ZGB in der Notwendigkeit liege, die Interessen des Sträflings zu wahren. Für das Vorliegen dieser Notwendigkeit bestehe trotz dem vorbehaltlosen Gesetzestext keine unwiderlegliche Fiktion, sondern nur eine widerlegliche Vermutung; der Gegenbeweis - dass keine vermögensrechtlichen Interessen zu wahren seien oder der Inhaftierte sie selber zu wahren vermöge - werde sich allerdings in der Regel nicht erbringen lassen. Die gleiche Ansicht vertritt mit eingehender Begründung K. SPECKER (a.a.O.), ebenso G. SPITZER, Zur Anwendung von Art. 371 ZGB, SJZ 1946 S. 7 ff. Auch CL. MAGET (Le choix de la mesure tutélaire adéquate dans les cas des articles 369 à 372 CC, thèse Fribourg 1956, p. 166 et sv.) schliesst sich dieser Kritik an, hält aber dafür, es bedürfe einer Gesetzesänderung, um dem Entmündigungsgrund der Strafhaft den ![]() | 11 |
Dem zuletzt erwähnten Autor ist darin beizustimmen, dass ein Vormund dem Strafgefangenen in manchen Fällen eine Hilfe und Fürsorge zu gewähren vermag, welche die anstaltsinterne Fürsorge in nützlicher Weise ergänzt und dem Schützling denn auch willkommen ist. Dass dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall aus besondern Gründen gänzlich entfalle, ist nicht dargetan. Dem vornehmlich um die Zukunft seines Bankunternehmens besorgten Berufungskläger mag die Einsicht fehlen, dass er der persönlichen Betreuung bedarf, um zu gegebener Zeit, wenn er die Anstalt verlässt, charakterlich den Anforderungen des Lebens gewachsen zu sein. Da das Gegenteil nicht nachgewiesen ist, muss aber die der Vormundschaft über Strafgefangene zukommende Bedeutung als Massnahme der persönlichen Fürsorge auch im vorliegenden Falle anerkannt werden. In bezug auf die Vermögensinteressen des Berufungsklägers ist freilich die Befürchtung nicht von vornherein von der Hand zu weisen, eine Vormundschaft könnte sich wegen der besondern Art des von ihm betriebenen Gewerbes und der bei dessen Ausübung zu beachtenden Verschwiegenheit (sog. Bankgeheimnis; Art. 47 Abs. 1 lit. b BankG) ungünstig auswirken. Allein, da er selbst in der Strafhaft ![]() | 12 |
Hat man es somit nicht mit einem Falle zu tun, in dem die einem Vormund obliegenden Aufgaben - persönliche Betreuung des Haftgefangenen und Wahrung von Vermögensinteressen desselben - unter den gegebenen Umständen offensichtlich völlig ausser Betracht fallen, so kann offen bleiben, ob in einem solchen ausserordentlichen Falle von einer Entmündigung nach Art. 371 ZGB abzusehen wäre. Diese Gesetzesnorm schon dann nicht anzuwenden, wenn sich gewisse damit für den Strafgefangenen möglicherweise verbundene Nachteile nicht vermeiden lassen, müsste als bedenklich erscheinen. Für die rechtsanwendenden Behörden ist Zurückhaltung um so mehr am Platze, als bei der Bundesversammlung ein Postulat auf Revision des Vormundschaftsrechtes hängig ist (vgl. E. SCHAFFER, Revision des Vormundschaftsrechtes? in der Monatsschrift für bernisches Verwaltungsrecht 1964 S. 71 ff.). Nichts Abweichendes ergibt sich aus BGE 84 II 677, einer die Anwendung von Art. 432 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 433 ZGB betreffenden Entscheidung.
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4. Für den Fall, dass es bei der vom Regierungsrate bestätigten Entmündigung zu bleiben hat, beantragt der Berufungskläger die Verschiebung ihrer Publikation. Er beruft sich hiebei auf den nach seiner Ansicht bei der Entmündigung wegen Strafhaft analog anwendbaren zweiten Absatz von Art. 375 ZGB. Die in dieser Vorschrift geregelte Veröffentlichung ![]() ![]() | 14 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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