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35. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Juni 1965 i.S. B. gegen B. | |
Regeste |
Vorkaufsrecht auf landwirtschaftliche Gewerbe. Art. 6, 12, 13-14 EGG. |
2. Voraussetzungen der Preisvergünstigung des Art. 12 EGG. Im Unterschied zu Art. 620 Abs. 1 ZGB in der Fassung gemäss Art. 94 LEG ist hiefür nicht erforderlich, dass das Gewerbe einer Bauernfamilie eine ausreichende wirtschaftliche Existenz biete. (Erw. 2 und 3). |
3. Die Preisvergünstigung des Art. 12 EGG braucht nicht binnen der zur Ausübung des Vorkaufsrechtes nach Art. 14 EGG bestehenden Frist ausdrücklich beansprucht zu werden. Gehört der sein Vorkaufsrecht Ausübende zu den gemäss Art. 12 EGG privilegierten Personen, so wird vermutet, er wolle das Privileg beanspruchen und auch die gegebenenfalls dafür geltenden Voraussetzungen (Selbstbewirtschaftung) erfüllen. (Erw. 4 und 5). | |
Sachverhalt | |
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"Wird ein landwirtschaftliches Gewerbe oder werden wesentliche Bestandteile davon verkauft, so steht u.a. den Nachkommen des Verkäufers ein Vorkaufsrecht im Sinne von Art. 6 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 zu. Wir setzen Ihnen hiermit eine Frist von dreissig Tagen vom Erhalt dieser Anzeige an gerechnet an, innert welcher Sie schriftlich zu erklären haben, ob Sie das Vorkaufsrecht ausüben wollen. Stillschweigen gilt als Verzicht."
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Dazu äusserte sich der Kläger in einem Briefe vom 6. Februar 1961 an das Grundbuchamt wie folgt:
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"Der Unterzeichnete beharrt auf die Ausübung des ihm zustehenden gesetzlichen Vorkaufsrechtes im Sinne von Art. 6 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951."
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Er erwirkte ferner beim Bezirksgericht Horgen eine Grundbuchsperre mit Ansetzung einer Klagefrist, die er mit der vorliegenden Klage einhielt.
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B.- Das Klagebegehren ging auf Feststellung, dass der Kläger bezüglich des von seinem Vater mit M. D. abgeschlossenen Kaufvertrages zur Ausübung des Vorkaufsrechtes berechtigt ![]() | 6 |
C.- Im Laufe des Rechtsstreites setzte das Landwirtschaftsamt des Kantons Zürich den Schätzungswert der Kaufliegenschaften nach Art. 12 Abs. 1 EGG und Art. 5 ff. LEG auf Fr. 32'000.-- fest. Das Bezirksgericht Horgen hiess mit Urteil vom 29. März 1963 das Feststellungsbegehren des Klägers gut und sprach ihm die Kaufliegenschaften zum Preise von Fr. 32'000.-- zu Eigentum zu.
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Das Obergericht des Kantons Zürich, an das der Beklagte die Angelegenheit weiterzog, bestätigte am 13. November 1964 im wesentlichen das erstinstanzliche Urteil. Es setzte den Übernahmepreis jedoch auf Fr. 35'000.-- fest, da der Kläger von dem dahingehenden ursprünglichen Klagebegehren aus prozessualen Gründen nicht nachträglich zu Ungunsten des Beklagten habe abgehen dürfen.
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D.- Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht erneuert der Beklagte den Antrag auf vollumfängliche Klageabweisung. Eventuell verlangt er die Rückweisung der Sache an das Obergericht zur Beweisergänzung und zu neuer Entscheidung.
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Der Antrag des Klägers geht auf Abweisung der Berufung und auf Bestätigung des obergerichtlichen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Art. 6 Abs. 1 EGG gewährt den Nachkommen des Verkäufers ein Vorkaufsrecht, wenn Gegenstand des Kaufes ein landwirtschaftliches Gewerbe oder wesentliche Teile davon bilden. Die vier vom Beklagten verkauften Grundstücke haben, wie festgestellt ist, landwirtschaftlichen Charakter. Sodann erfasst das EGG, wie mehrmals entschieden wurde, auch den ![]() | 11 |
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3. Der Beklagte vertritt den Standpunkt, das gewöhnliche Vorkaufsrecht (als Recht auf Erwerb zu den Bedingungen des Kaufvertrages) möge zwar auch beim Verkauf eines Kleinheimwesens bestehen; dagegen rechtfertige sich das Preisprivileg des Art. 12 EGG nur für den Erwerb eines wahrhaft "familienerhaltenden" Heimwesens, also eines solchen, das einer Bauernfamilie (Normalfamilie) eine ausreichende, nicht bloss "die ![]() | 13 |
4. Der Haupteinwand des Beklagten betrifft die Art der Ausübung des Vorkaufsrechtes. Er ist der Auffassung, der Berechtigte, der die Übernahme zum Schätzungswert beansprucht, müsse dies in der binnen gesetzlicher Frist abzugebenden Ausübungserklärung zum Ausdruck bringen. Er glaubt eine dahingehende Vorschrift dem Art. 12 Abs. 1 EGG entnehmen zu können, wonach die dort genannten Personen "das Vorkaufsrecht zum Schätzungswert ausüben können". Damit ist jedoch, wie sich schon aus der Stellung dieser Norm im System des Gesetzes ergibt, nur der Anspruch der genannten Personen auf einen besondern Übernahmepreis umschrieben, aber über die Art der Ausübung des Vorkaufsrechtes nichts ![]() | 14 |
Übrigens darf füglich eine gesetzliche Vermutung des Inhaltes anerkannt werden, eine Person mit Preisprivileg im Sinne von ![]() | 15 |
5. Zu Unrecht glaubt der Beklagte sich auf die Rechtsprechung berufen zu können, wonach auch beim bäuerlichen Vorkaufsrecht die Ausübungserklärung bestimmt und eindeutig, vorbehalt- und bedingungslos abzugeben ist (BGE 81 II 245 /46). Der Kläger hat seiner Erklärung keine Vorbehalte oder Bedingungen beigefügt. Er brachte unmissverständlich und in endgültiger Art zum Ausdruck, dass er sein Vorkaufsrecht ausübe, und brauchte nicht noch besonders zu sagen, "dass nun wirklich von dem Recht Gebrauch gemacht werde". Was aber die Frage des Erwerbspreises betrifft, so brauchten etwelche darüber bestehende Zweifel nach dem Gesagten nicht notwendig schon während der Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts behoben zu werden. Übrigens bringt es die in Art. 12 EGG getroffene Regelung mit sich, dass bei Beanspruchung des Preisprivileges der Betrag des Erwerbspreises keineswegs ohne weiteres feststeht. Einmal kann es zu einem Rechtsstreit über die Fähigkeit des Sohnes oder Enkels zur Selbstbewirtschaftung kommen. Sodann liegt eine massgebliche Schätzung im Sinne der Art. 5 ff. LEG in manchen Fällen nicht bereits vor. Ferner ist ein allenfalls unter dem Betrag der Grundpfandbelastungen liegender Schätzungswert auf jenen Betrag zu erhöhen (Art. 12 Abs. 2 EGG), und überdies kann eine Preiserhöhung nach richterlichem Ermessen mit Rücksicht auf finanzielle Leistungen anderer Verwandter des Verkäufers Platz greifen (Abs. 3 ![]() | 16 |
Nichts Gegenteiliges lässt sich aus den Begriffen des rechtsbegründenden "Gestaltungsrechtes" und der durch dessen Ausübung entstehenden Kaufobligation zwischen dem den Käufer verdrängenden Vorkaufsberechtigten und dem Verkäufer (vgl. JOST, N 6 zu Art. 14 EGG) ableiten. Der Inhalt dieser Obligation wird eben in weitem Masse durch gesetzliche Normen bestimmt, die an die Stelle privater Ordnung des Rechtsverhältnisses treten, wie denn das bäuerliche Vorkaufsrecht sich von den im ZGB und im OR vorgesehenen Vorkaufsrechten durch einzelne Besonderheiten und namentlich durch seine öffentlichrechtlichen Wesenszüge unterscheidet (vgl. FRANZ JENNY, SJZ 49/1953, S. 40).
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Vollends lässt sich der abweichende Standpunkt des Beklagten nicht mit dem Hinweis darauf rechtfertigen, dass der Verkäufer mitunter in die Lage kommt, vom Vorkaufsberechtigten Schadenersatz wegen Nichterfüllung der diesem aus der Kaufobligation erwachsenen Leistungen zu verlangen, und dass er dabei den massgebenden Übernahmepreis kennen sollte. In einem solchen (übrigens verhältnismässig seltenen) Falle (vgl. JOST, Handkommentar zum EGG, S. 87/88) ist dem Verkäufer unbenommen, falls sich die Ungewissheit nicht rasch beheben lässt, seiner Schadensberechnung den höheren der in Frage kommenden Leistungsbeträge zu Grunde zu legen.
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In der Literatur, die sich zum Teil eingehend mit der Art der Ausübung des Vorkaufsrechtes befasst, wird denn auch die vom Beklagten verfochtene Lösung nicht vertreten (vgl. CHATELAIN, Les droits de préemption du nouveau droit foncier rural, in: Notar und Recht, Bern 1953, 181 ff.; COMMENT, ZBJV 91 bis/1955, 427 ff. und ZBGR 39/1958, 1 ff., insbes. 19 ff.; GÖSCHKE, ZBJV 88/1952, 144 ff.; FRANZ JENNY, SJZ ![]() | 19 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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