![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
50. Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. November 1965 i.S. Fratelli Ambrosoli gegen Laubscher. | |
Regeste |
Kaufvertrag über ein Motorfahrzeug. |
Garantiezusage, Begriff (Erw. 2 a). |
Verhältnis der Garantiezusage zu den Gewährleistungsansprüchen. Anforderungen an den Ausschluss der letzteren (Erw. 2 b-d). |
Rechtslage beim Nebeneinanderbestehen von Gewährleistungs- und Garantieansprüchen (Erw. 2 e). |
Rechtslage bei Wegbedingung der Gewährleistung (Erw. 3). |
Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften über die Erfüllung auf den Nachbesserungsanspruch (Erw. 3 a). |
Nachfrist, Angemessenheit; Folgen zu kurz bemessener Nachfrist (Erw. 3 b). |
Verzug mit Teilleistung, Folgen (Erw. 3 c). |
Gattungs- oder Spezieskauf? (Erw. 4). |
Wandelung oder Minderung? (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Ziffer 3 der auf dem Vertragsformular wiedergegebenen "Allgemeinen Verkaufsbedingungen" lautete:
| 2 |
"Garantie. Die Verkäuferin leistet für neue Fahrzeuge volle Fabrikgarantie laut spezieller Garantiepolice; weitergehende Ansprüche sind ausgeschlossen ..."
| 3 |
Eine Garantiepolice wurde dem Kläger jedoch nicht ausgehändigt.
| 4 |
Der Wagen wurde am 9. April 1964 dem Kläger übergeben, der ihn jedoch schon am folgenden Tage zurückbrachte und verschiedene Mängel rügte, so namentlich, dass der Motor im Leerlauf nicht rund drehe und auch sonst ruckartig laufe. Da es der Beklagten nicht gelang, die Störungen zu beheben, brachte der Kläger den Wagen am 14. und 27. April 1964 neuerdings zurück. Am 29. April schrieb er der Beklagten, falls das Fahrzeug bis am Abend des gleichen Tages nicht einwandfrei fahrbereit sei, werde er es ihr zur Verfügung stellen. Die Beklagte antwortete, es wäre zweckmässig, wenn der Wagen etwas gefahren würde, bis der Fabrikinspektor aus Frankfurt nach Zürich komme, um ihn zu prüfen. Diese Prüfung fand am 11. Mai 1964 statt, führte ![]() | 5 |
B.- Mit Klage vom 29. Mai/3. November 1964 forderte der Kläger von der Beklagten die Bezahlung von Fr. 20 000.-- nebst Verzugszins seit 21. Mai 1964; in der Replik setzte er seine Forderung auf Fr. 19 700.-- nebst Zins herab.
| 6 |
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Sie machte geltend, durch Ziffer 3 des Kaufvertrags sei ihre Gewährleistungspflicht auf die Fabrikgarantie beschränkt und im übrigen ausgeschlossen worden. Aber auch ohne eine solche Aufhebung der Gewährpflicht stünde dem Kläger weder ein Wandelungsnoch ein Rücktrittsrecht zu, da der Mangel durch die Einsetzung der richtigen Nockenwelle behoben worden sei. - Im weiteren erhob die Beklagte Widerklage auf Feststellung, dass ihr der Kläger ab 1. Juli 1964 für die Unterbringung des Fahrzeugs bis zu dessen Abholung eine Entschädigung von Fr. 4.- pro Tag zu bezahlen habe.
| 7 |
C.- Das Bezirksgericht Zürich wies mit Urteil vom 9. März 1965 die Klage ab und schützte die Widerklage, jedoch unter Herabsetzung der geschuldeten Entschädigung auf Fr. 2.- pro Tag. Es nahm an, die Garantieklausel schliesse eine Wandelung des Kaufvertrages aus; dem Kläger stehe lediglich der Anspruch auf Nachbesserung (Reparatur oder Instandstellung) der Sache durch die Beklagte zu; diesen habe die Beklagte erfüllt.
| 8 |
D.- Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schützte mit Urteil vom 25. Mai 1965 die Klage und wies die Widerklage ab. Es kam zum Schlusse, nach der streitigen Garantieklausel ![]() | 9 |
E.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie beantragt, die Klage sei abzuweisen und die Widerklage in dem von der ersten Instanz geschützten Umfang gutzuheissen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung der Widerklage an die Vorinstanz zurückzuweisen.
| 10 |
Die Beklagte wirft der Vorinstanz Verletzung der Art. 197, 199, 205 und 206 OR vor; sie habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die Bestimmungen von Art. 197 OR über die Gewährleistung gemäss Art. 199 dispositiver Natur seien und dass im vorliegenden Falle die Gewährspflicht der Verkäuferin durch die vertragliche Garantieklausel ausgeschlossen worden sei. Die Annahme der Vorinstanz eines bloss vorläufigen Verzichts auf Wandelung verletze daher Bundesrecht. Weiter wendet sich die Beklagte gegen die Auffassung der Vorinstanz, der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, eine Nachfrist zur Behebung der Mängel anzusetzen; eine solche wäre nicht nutzlos gewesen, da die Beklagte ihre Pflicht zur Nachbesserung ausdrücklich anerkannt und erfüllt habe. Schliesslich macht die Beklagte geltend, Gegenstand des Vertrags sei eine vertretbare Sache, so dass der Kläger die Lieferung eines andern Fahrzeugs des gleichen Modells hätte fordern müssen; das habe die Vorinstanz zu Unrecht verneint.
| 11 |
Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
| 12 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
13 | |
14 | |
15 | |
Die gesetzliche Gewährleistungsordnung ist allerdings dispositiven Rechts. Sie kann (abgesehen vom Falle der Arglist des Verkäufers; Art. 199 OR) vertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Das muss aber als Ausnahme von der gesetzlichen Regelung im Vertrag klar zum Ausdruck kommen. Solche Vereinbarungen sind daher im Zweifel einschränkend auszulegen (BECKER, OR Art. 199 N. 1 i.f.). Das gilt in besonderem Masse, wenn die ganze oder teilweise Wegbedingung der Gewährspflicht im Zusammenhang mit einer Garantiezusage erfolgt, die nach dem oben Ausgeführten ihrer Natur nach eine Besserstellung des Käufers bedeutet.
| 16 |
b) Im vorliegenden Falle erweckt die Wendung, die Verkäuferin leiste "volle Fabrikgarantie", beim Durchschnittskäufer den Eindruck, nach allen Richtungen besonders gut gesichert zu sein. Die anschliessende Bemerkung, "weitergehende Ansprüche" seien ausgeschlossen, ist zu allgemein gehalten, als dass sie den Käufer auf den Gedanken bringen müsste, mit der Zustimmung zu der vom Verkäufer vorgeschlagenen Regelung begebe er sich seiner gesetzlichen Gewährleistungsansprüche, ![]() | 17 |
Die streitige Garantieklausel ist daher mangels der erforderlichen Klarheit nicht als Verzicht des Klägers auf die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche aufzufassen.
| 18 |
c) Die Garantieklausel verweist zwar auf eine "spezielle Garantiepolice". Selbst wenn man annehmen wollte, der Kläger wäre verpflichtet gewesen, sich nach dieser zu erkundigen und ihre Aushändigung zu verlangen, wäre das Ergebnis kein anderes. Gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz hat die Beklagte nicht behauptet, die spezielle Garantiepolice schliesse die Gewährleistungsansprüche, insbesondere die Wandelung, ausdrücklich aus. Auch die Prüfung dieser Police hätte somit dem Kläger keine Klarheit darüber verschafft, dass mit dem Ausschluss "weiterer Ansprüche" die Aufhebung der gesetzlichen Gewährspflicht gemeint sei. Übrigens ist es fraglich, ob dem Kläger eine solche Erkundigungspflicht obgelegen hätte. Denn in Anbetracht des Eindruckes, den die Wendung "volle Fabrikgarantie" beim Durchschnittskäufer erweckt, ist der harmlos erscheinende und zweideutige Ausschluss "weiterer Ansprüche" geradezu irreführend, wenn damit die Wegbedingung der gesetzlichen Gewährspflicht beabsichtigt war.
| 19 |
d) Bedeutet aber der Ausschluss weitergehender Ansprüche keinen Verzicht des Klägers auf die Gewährleistungsansprüche, insbesondere auf das Recht der Wandelung, so wurde die Beklagte nicht in bundesrechtswidriger Weise beschwert dadurch, ![]() | 20 |
e) Dass im übrigen die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Wandelungsanspruchs gegeben waren, steht ausser Zweifel. Der Käufer eines fabrikneuen Fahrzeugs darf erwarten, dass dieses störungsfrei funktioniert. Trifft dies nicht zu, so hat er zwar auf Grund der ihm aus der Garantieklausel erwachsenden Pflichten zunächst dem Verkäufer Gelegenheit zur Behebung der Störung zu geben. Der Verkäufer kann aber nach Treu und Glauben nicht verlangen, dass ihm dafür die ganze Dauer der Garantiefrist zur Verfügung stehe. Die Vereinbarung einer solchen bedeutet nur, dass der Verkäufer verpflichtet ist, innerhalb derselben auftretende Mängel zu verbessern. Gelingt es ihm nicht, eine Störung innert angemessener Frist nach ihrem Auftreten zu beseitigen, so kann der Käufer die Wandelung verlangen.
| 21 |
Im vorliegenden Fall hat der Kläger der Beklagten im Zeitraum von 5 Wochen mehrmals Gelegenheit zur Behebung der Störungen gegeben, ohne dass dieses Ziel erreicht worden wäre. Ein weiteres Zuwarten war ihm nach Treu und Glauben nicht zuzumuten.
| 22 |
Die Beklagte macht geltend, das Fahrzeug habe nicht einen Mangel, sondern einen Konstruktionsfehler aufgewiesen, der sofort behoben werden konnte, als er endlich entdeckt wurde. Dieser Einwand hilft ihr nicht. Entscheidend ist einzig, dass das Fahrzeug wegen einer von ihr bzw. vom Hersteller zu vertretenden Ursache zu dem vorausgesetzten Gebrauch untauglich war. Auch ein Konstruktionsfehler, der diese Folge hat, ist daher ein Mangel im Rechtssinne.
| 23 |
24 | |
b) Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat ![]() | 25 |
c) Die Nachbesserungspflicht macht nur einen Teil der Leistung ![]() | 26 |
27 | |
Aber selbst wenn weiterhin eine begrenzte Gattungsschuld vorgelegen hätte, wäre der Käufer nach Art. 206 Abs. 1 OR nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt gewesen, die Lieferung eines Ersatzwagens zu verlangen. Er verstiess daher entgegen der Meinung der Beklagten nicht gegen Treu und Glauben, wenn er kein solches Begehren stellte. Die Beklagte hätte ![]() | 28 |
29 | |
30 | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 31 |
32 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |