![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
53. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Oktober 1965 i.S. Massoni gegen Meier. | |
Regeste |
Wechselrecht |
2. Verjährung der Wechselforderung: Art. 1070 OR bestimmt nur die für die Wechselforderung geltenden Unterbrechungsgründe. Unter welchen Voraussetzungen und wann die durch Rechtshandlungen des Gläubigers unterbrochene Verjährung wieder zu laufen beginnt, geht aus der allgemeinen Verjährungsbestimmung von Art. 138 OR hervor, deren Absätze 1-3 in Ergänzung zu Art. 1070 OR anzuwenden sind (Erw. 2-9). | |
Sachverhalt | |
1 | |
Da weder Giusti noch Meier zahlten, liess Massoni diesem am 27. Februar 1960 durch das Betreibungsamt Zürich 9 einen auf Fr. 20'925.-- nebst Zins, Protest- und Betreibungskosten lautenden Zahlungsbefehl zustellen. Meier erhob Rechtsvorschlag. Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich wies das Rechtsöffnungsbegehren des Massoni am 31. März 1960 ab.
| 2 |
Am 8. März 1963 stellte Massoni gegen Meier beim Betreibungsamt Zürich 9 für Fr. 21'057.80 nebst Zins ein neues Betreibungsbegehren, doch konnte der am 9. März 1963 ausgestellte Zahlungsbefehl nicht zugestellt werden, weil Meier nunmehr im Betreibungskreis Zürich 10 wohnte. Am 21. März 1963 wiederholte Massoni das Betreibungsbegehren beim Betreibungsamt Zürich 10. Am 22. März 1963 erhielt Meier den Zahlungsbefehl. Er erhob Rechtsvorschlag.
| 3 |
B.- Massoni klagte im Juni 1963 gegen Meier auf Zahlung von Lit. 3'011,200 nebst Zins, Protest- und Betreibungskosten. Das Bezirksgericht Zürich und das Obergericht des Kantons Zürich, dieses mit Urteil vom 9. März 1965, wiesen die Klage ab.
| 4 |
Das Obergericht wandte gemäss Art. 1090 Abs. 2 OR schweizerisches Recht an und kam in Gutheissung der Verjährungseinrede des Beklagten zum Schluss, die Forderung sei drei Jahre, nachdem das erste Betreibungsbegehren gestellt wurde, ![]() | 5 |
C.- Der Kläger hat die Berufung erklärt. Er beantragt, die Klage gutzuheissen, eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
| 6 |
Der Beklagte verlangt, die Berufung abzuweisen.
| 7 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
8 | |
Die Wirkungen, welche die Erklärung des Wechselbürgen hat, bestimmen sich gemäss Art. 4 Abs. 2 des erwähnten Abkommens und Art. 1090 Abs. 2 OR nach dem Rechte des Landes, in dessen Gebiete die Erklärung unterschrieben wurde, im vorliegenden Falle also nach schweizerischem Recht.
| 9 |
Es ist fraglich, ob diese Regelung in allen Teilen auch für die Verjährung der Forderung gilt. Das Abkommen über Bestimmungen auf dem Gebiete des internationalen Wechselprivatrechts macht zwar hierauf bezüglich keine Ausnahme, aber in Art. 17 Abs. 1 der Anlage II zu dem am gleichen Tage abgeschlossenen Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz wird bestimmt, es bleibe der Gesetzgebung jedes der vertragschliessenden Teile überlassen, die Gründe für die Unterbrechung und die Hemmung der Verjährung der von seinen Gerichten zu beurteilenden wechselmässigen Ansprüche zu bestimmen (BS 11 863). Die Schweiz hat von der Möglichkeit, das Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz nur unter Vorbehalt dieser Bestimmung zu genehmigen, Gebrauch gemacht (Bundesbeschluss vom 8. Juli 1932, BS 11 928). Die Gründe für die Unterbrechung der Verjährungsfrist nannte sie in Art. 1070 OR. Eine besondere Norm über den zwischenstaatlichen Geltungsbereich ![]() | 10 |
Es erübrigt sich, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, denn im vorliegenden Falle müsste - welches auch die Lösung wäre - durchwegs schweizerisches Recht angewendet werden, sei es auf Grund obiger Überlegungen, sei es gemäss Art. 1090 Abs. 2 OR.
| 11 |
12 | |
Art. 1070 erklärt, die Verjährung werde durch Anhebung der Klage, durch Einreichung eines Betreibungsbegehrens, durch Streitverkündung oder durch Eingabe im Konkurs unterbrochen. Diese Vorschrift trat an die Stelle des etwas anders gefassten, aber inhaltlich ungefähr gleichen Art. 806 aoR, in dem im übrigen dem Sinne nach auch der heutige Art. 1071 Abs. 1 enthalten war.
| 13 |
Die Fassung des Art. 806 aoR und der verschiedenen Entwürfe verraten deutlich, dass ihnen Art. 80 der Allgemeinen deutschen Wechselordnung von 1848 (WO) Vorbild war, wie denn überhaupt das Wechselrecht des alten Obligationenrechts sich eng an diese Ordnung anlehnte (Botschaft des Bundesrates vom 27. November 1879, BBl 1880 I 225, 226).
| 14 |
3. Nach Art. 80 WO wurde ursprünglich die Verjährung nur durch Behändigung der Klage oder durch Streitverkündigung unterbrochen. Die Einführungsgesetze zur Konkursordnung und zur Zivilprozessordnung änderten diese Bestimmung ab, indem sie weitere Handlungen, besonders die Anmeldung im Konkurs, zu Unterbrechungsgründen erhoben. Von wann an die unterbrochene Verjährung wieder laufe, wurde in der Wechselordnung nicht gesagt; man hielt die hiefür geltenden allgemeinen Grundsätze für massgebend (THÖL, Handelsrecht Bd. 2, Leipzig 1873 S. 789 f.; BERNSTEIN, Allgem. deutsche und allgem. österreichische Wechselordnung, Breslau 1898 S. 296 ![]() | 15 |
Es ist zu vermuten, dass Art. 806 aoR gleich wie sein Vorbild nur bestimmen wollte, durch welche Rechtshandlungen (und mit Wirkung gegen welchen Verpflichteten) der Wechselgläubiger die Verjährung unterbrechen könne, dass er dagegen offen liess, unter welchen Voraussetzungen und wann die durch Anhebung der Betreibung, Eingabe im Konkurs, Klage oder Streitverkündung unterbrochene Verjährung wieder zu laufen beginne. Diese Frage bedurfte für das Wechselrecht keiner besonderen Ordnung, weil sie in Art. 157 aoR allgemeingültig beantwortet war.
| 16 |
17 | |
Noch der nach den Beschlüssen einer Kommission vom Jahre 1876 bearbeitete Entwurf bestimmte in Art. 197 gleich wie die frühern Entwürfe, die Unterbrechung der Verjährung durch Anhebung einer Klage dauere bis zum Abschluss des Rechtsstreites, die Unterbrechung durch ein Betreibungsbegehren bis zur letzten vergeblichen Vollstreckungshandlung und die Unterbrechung durch Konkurseingabe bis zur Rehabilitation oder bis zum Tode des Schuldners. Dabei war klar, dass Art. 197 des Entwurfes auch für Wechselverpflichtungen gelten sollte. Es bestand kein Anlass, Klage, Betreibungsbegehren und Konkurseingabe im Wechselrecht nicht ebenfalls die Wirkung einer bis zum Abschluss des Verfahrens andauernden Unterbrechung der Verjährung beizumessen. Der dem Art. 806 aoR entsprechende Art. 857 des Entwurfes hatte nur den Zweck, den in Art. 195 neben der Klage usw. miterwähnten Unterbrechungsgrund ![]() | 18 |
Erst in der das ganze Kapitel der Verjährung neu gestaltenden Vorlage vom 24. Januar 1881 wurde vorgeschlagen, im Verlaufe des Rechtsstreites mit jeder gerichtlichen Handlung der Parteien und mit jeder Verfügung oder Entscheidung des Richters und im Falle der Schuldbetreibung am Tage nach der Zustellung des Betreibungsaktes eine neue Verjährungsfrist beginnen zu lassen (Art. 163 Abs. 1 und 3). Bei der Unterbrechung durch Konkurseingabe jedoch hielt das Justiz- und Polizeidepartement daran fest, dass die neue Verjährungsfrist erst mit der Aufhebung des Konkurses, der Rehabilitation oder dem Tode des Schuldners laufe (Art. 163 Abs. 2). Der Ständerat pflichtete am 17. Februar 1881 dieser Ordnung bei, wobei er immerhin forderte, dass mit dem Zeitpunkt, in welchem die im Konkurs eingegebene Forderung nach dem Konkursrecht wieder geltend gemacht werden könne, auch die neue Verjährungsfrist beginne (Art. 162).
| 19 |
In der endgültigen Fassung von Art. 157 aoR wurde dann noch verdeutlicht, im Falle der Unterbrechung durch Schuldbetreibung fange mit jedem Betreibungsakt eine neue Verjährungsfrist an. In den Entwürfen zu Art. 806 aoR anderseits wurde nie etwas darüber gesagt, wann die unterbrochene Verjährung wieder beginne. Man ging offensichtlich davon aus, für das Wechselrecht seien die allgemeinen Bestimmungen massgebend. Als man dann den Grundsatz, dass während des Rechtsstreites, der Betreibung und des Konkurses keine neue Verjährungsfrist laufe, nur noch für den Konkursfall aufrecht hielt und im übrigen zum System der Unterbrechung durch gerichtliche Handlung der Parteien, durch Verfügungen und Entscheidungen des Richters und durch Betreibungsakte überging, unterliess man, in Art. 806 aoR ausdrücklich zu sagen, diese Unterbrechungsgründe gälten auch für Wechselforderungen. Es fehlt aber jeder Anhaltspunkt dafür, die gesetzgebenden Behörden wären der Meinung gewesen, die durch Klage, Streitverkündung oder Betreibung unterbrochene Verjährungsfrist bei Wechselforderungen werde nicht erneut unterbrochen durch jede gerichtliche Handlung der Parteien, durch Verfügung und Entscheidungen des Richters, beziehungsweise durch jeden Betreibungsakt.
| 20 |
![]() | 21 |
22 | |
23 | |
7. Auch Art. 1071 Abs. 2 OR steht der Anwendung des ![]() | 24 |
25 | |
Seit dem Inkrafttreten des Art. 1070 OR hat die Lehre zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen, besonders auch nicht Guhl in seinem Obligationenrecht, auf den sich die Vorinstanz beruft (GUHL, 5. Aufl. S. 751).
| 26 |
27 | |
![]() | 28 |
Im französischen Recht ist die wechselrechtliche Verjährung in Art. 179 Ccom geregelt. Aus welchen Gründen sie unterbrochen werden könne, sagt diese Bestimmung nicht. Es besteht in der Lehre und Rechtsprechung sozusagen einhellig die Auffassung, die Unterbrechungsgründe des gemeinen Zivilrechts, also der Art. 2244 und 2248 Cciv, seien anwendbar. Im übrigen ergibt sich aus Art. 179 Abs. 4 Ccom, dass die durch Klage unterbrochene Verjährung erst vom letzten Tag der gerichtlichen Verfolgung an wieder läuft. Unterbrechungsgründe sind unter anderem auch der Zahlungsbefehl und die Pfändung. Diese unterbricht die Verjährung bis zum Zeitpunkt, in dem das Pfändungsverfahren beendet ist. (Siehe LESCOT/ROBLOT, Les effets de commerce 2 S. 190 f. Nr. 722-725).
| 29 |
Auch das italienische Wechselgesetz von 1933 befasst sich in seinen Bestimmungen über die Verjährung (Art. 94 und 95) nicht mit den Unterbrechungsgründen. Sie sind in den Art. 2943 und 2944 des Codice civile allgemeingültig geregelt. Nach der Unterbrechung durch Klage beginnt die neue Verjährung erst mit der Rechtskraft des Urteils zu laufen (Art. 2945 Abs. 2 Cciv).
| 30 |
Verglichen mit den Rechten der Nachbarstaaten, nimmt also Art. 1070 OR eine Sonderstellung ein, die noch ausgeprägter wäre, wenn man Art. 138 OR auf die Verjährung wechselmässiger Ansprüche nicht anwenden würde. Das ist ein Grund mehr, die vorinstanzliche Auslegung abzulehnen. Es kann nicht gesagt werden, sie entspreche bewährter Lehre und Überlieferung.
| 31 |
lo. - Der Beklagte hat sich für den Aussteller des Wechsels verbürgt. Gemäss Art. 1022 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1098 Abs. 3 OR haftet er daher wie der Aussteller. Dieser haftet seinerseits in gleicher Weise wie der Annehmer eines gezogenen Wechsels (Art. 1099 Abs. 1). Der wechselmässige Anspruch gegen den Beklagten untersteht daher der dreijährigen Verjährungsfrist des Art. 1069 Abs. 1 (vgl.BGE 38 II 70f.).
| 32 |
![]() | 33 |
Die dreijährige Verjährungsfrist begann demnach mit dem Rechtsöffnungsentscheid vom 31. März 1960 neu zu laufen. Sie wurde durch den Zahlungsbefehl vom 21. März 1963, der am folgenden Tage dem Beklagten zugestellt wurde, unterbrochen. Die Forderung des Klägers ist deshalb nicht verjährt.
| 34 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 35 |
36 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |