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62. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Oktober 1965 i.S. Thorwart gegen X. | |
Regeste |
Auftrag zu treuhänderischer Vermögensverwaltung; Rückerstattungsanspruch des Auftraggebers; Verjährung. |
2. Unterauftrag (Art. 399 OR) oder unmittelbarer Auftrag? (Erw. 3). |
3. Übergang des Eigentums auf den Treuhändler. Fehlen eines Rechtsgrundes? (Erw. 4). |
4. Für den Rückerstattungsanspruch des Auftraggebers oder Hinterlegers (Art. 400 Abs. 1, 475 Abs. 1 OR) beginnt die Verjährung (Art. 127 OR) nicht schon mit der Übergabe der Vermögenswerte an den Beauftragten bezw. Aufbewahrer, sondern grundsätzlich erst mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses infolge gegenseitiger Übereinkunft, Ablaufs der vereinbarten Dauer, Widerrufs oder Kündigung (Änderung der Rechtsprechung). Das gilt auch, wenn die Vermögenswerte veruntreut worden oder abhanden gekommen sind. Voraussetzungen der Verjährung im Falle, dass der Beklagte behauptet, die anvertrauten Vermögenswerte seien vor mehr als zehn Jahren zurückgegeben worden, und im Falle, dass eine Rückgabe festgestelltermassen nicht erfolgt ist. (Erw. 5). |
5. Gegenstand und Umfang des Rückerstattungsanspruches (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Ende Januar 1937 übergab Frau Schneidt als Bevollmächtigte des in Süddeutschland wohnenden Thorwart der Witwe X bei einer Zusammenkunft in Zürich Fr. 57'364.42 in Geld, damit sie diesen Betrag, den Thorwart vor dem Zugriff der nationalsozialistischen deutschen Behörden sichern wollte, auf ihren eigenen Namen bei der Schweiz. Kreditanstalt hinterlege und für Thorwart verwalte. Frau X, die damals mit dem Engländer Fortlage in Südfrankreich gelebt haben will, behauptet, Thorwart habe ursprünglich gewünscht, dass sein Geld auf den Namen Fortlages angelegt werde; als sie und Fortlage Ende Januar 1937 Frau Schneidt getroffen hätten, habe Fortlage dann aber zu bedenken gegeben, es wäre zweckmässiger, sie, die Schweizerbürgerin X, als formelle Depothalterin zu bezeichnen; sie habe sich damit einverstanden erklärt, und Thorwart habe in der Folge "diese Unterbeauftragung genehmigt".
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Frau X zahlte am 29. Januar 1937 Fr. 4'364.42 auf ein für sie neu errichtetes Depot-Konto bei der Schweiz. Kreditanstalt in Zürich ein und erwarb Wertpapiere im Nennwert von Fr. 53'000.--, die sie am 30. Januar 1937 der gleichen Bank zur Aufbewahrung übergab (Depot Nr. 57'795). Die Empfangsbescheinigung für den einbezahlten Betrag und die Depotscheine für die Wertpapiere übermittelte sie Thorwart. Am 27. März 1937 errichtete sie ein Testament des Inhalts, dass sie ihr "gesamtes Depot bei der Schweiz. Kreditanstalt Zürich" Frau Schneidt vermache.
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Frau X gibt zu, das ihr anvertraute Vermögen unberechtigterweise verbraucht zu haben. Die ersten Bezüge will sie auf Veranlassung Fortlages gemacht haben, der das zum Leben nötige Geld nicht mehr von England nach Frankreich habe überweisen lassen können. Fortlage starb 1943. Im Oktober 1946 siedelte Frau X nach Zürich über.
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Nachdem Thorwart durch den Bericht einer Auskunftei vom 27. Februar 1960 erfahren hatte, dass Frau X in Zürich wohne, suchte er sie am 30. Mai 1961 daselbst auf und verlangte die Rückgabe des anvertrauten Vermögens. Sie antwortete ihm, das Depot bei der Schweiz. Kreditanstalt bestehe nicht mehr. Thorwart soll ihr darauf mit Strafanzeige gedroht haben. Im Laufe der Unterredung zahlte ihm Frau X Fr. 100.--. Schon in Briefen an sie vom 13. Juni, 8. Juli und 22. Juli 1961 nahmen er und seine Ehefrau den Standpunkt ein, sie habe damals monatliche Abzahlungen von mindestens Fr. 100.-- versprochen. Frau X liess das am 3. August 1961 durch ihren Anwalt bestreiten.
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Im Frühjahr 1963 starb Thorwart. Er wurde allein von seiner Ehefrau beerbt.
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In Übereinstimmung mit dem Bezirksgericht hat das Obergericht des Kantons Zürich die Klage am 29. Januar 1965 wegen Verjährung abgewiesen.
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C.- Die Klägerin hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie beantragt, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 57'364.42 nebst 5% Zins seit 30. Mai 1961 zu zahlen; eventuell sei die Sache zur Ergänzung der Akten und zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Vertragsparteien können eine Vereinbarung, wonach sie ihre Beziehungen einem bestimmten Recht unterstellen (sog. Verweisungsvertrag), auch noch im Prozess schliessen, spätestens vor dem kantonalen Sachrichter (BGE 91 II 46 mit Hinweisen, 248 ff.). Entgegen der Auffassung des Obergerichtes genügt aber dafür nicht, dass sie sich im Prozess auf das gleiche Recht berufen. Vielmehr setzt die Rechtswahl wie jeder andere Vertragsschluss voraus, dass beide Parteien das Bewusstsein und den Willen haben, sich durch ihre Äusserungen zu binden, oder dass doch jede Partei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben annehmen darf, die andere habe ihre Äusserungen mit diesem Bewusstsein und diesem Willen getan. In diesem Sinne bedarf es einer bewussten Rechtswahl (BGE 91 II 46 mit Hinweisen).
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Die Klägerin hat sich in den kantonalen Rechtsschriften nicht darüber geäussert, welches Recht den Vertrag zwischen ihrem verstorbenen Ehemann und der Beklagten beherrsche, auf den sie ihre Forderung in erster Linie stützt. In der Berufungsbegründung vor Obergericht führte sie dann aber aus, dem Schlusse des Bezirksgerichtes, wonach schweizerisches ![]() | 14 |
Schweizerisches Recht wäre übrigens auch anzuwenden, wenn sich die Parteien nicht dahin geeinigt hätten. Die Beklagte soll von Thorwart den Auftrag angenommen haben, ihm gehörendes Geld auf ihren Namen bei einer schweizerischen Bank anzulegen, um es vor dem Zugriff der nationalsozialistischen deutschen Behörden zu sichern. Nach dem Zweck des Rechtsgeschäftes war die Schweiz Erfüllungsort. Auftragsverhältnisse hangen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes am engsten mit dem Orte zusammen, wo der Beauftragte seine wesentlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat (BGE 77 II 93). Auf den Wohnsitz des Beauftragten wurde in andern Fällen in Übereinstimmung mit dem Kommentar SCHÖNENBERGER/-JÄGGI (Allg. Einleitung N. 291) nur deshalb abgestellt, weil er mit dem Erfüllungsort übereinstimmte (BGE 67 II 181, BGE 87 II 273 f.). Der Anwendung des schweizerischen Rechtes steht daher nicht im Wege, dass die Beklagte zur Zeit der Annahme des Auftrages nicht in der Schweiz Wohnsitz hatte.
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Sollte die Forderung der Klägerin darauf zu stützen sein, dass die Beklagte eine Veruntreuung und damit eine unerlaubte Handlung beging, so wäre schweizerisches Recht anzuwenden, weil in der Schweiz jedenfalls der Erfolg eintrat, wenn hier nicht sogar der Ausführungsort lag (BGE 76 II 111, BGE 87 II 115; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O. N. 335).
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Das Obergericht lässt offen, ob das zutreffe. Es führt aus, die Beklagte wäre, wenn ihre Darstellung richtig sein sollte, Unterbeauftragte Fortlages gewesen und "hätte sich auch in diesem Falle gegenüber den Ansprüchen der Klägerin direkt zu verantworten (Art. 399 Abs. 3 OR)".
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Diese Norm sagt jedoch nicht, der Auftraggeber könne die ihm gegen den Beauftragten zustehenden Ansprüche unmittelbar gegen den Unterbeauftragten geltend machen. Art. 399 Abs. 3 OR spricht von den Ansprüchen, die dem Beauftragten gegen den Unterbeauftragten zustehen, und bestimmt, dass (auch) der Hauptauftraggeber sie gegen den Unterbeauftragten geltend machen könne. Der Hauptauftraggeber hat also gegen den Unterbeauftragten nicht mehr Rechte als der Beauftragte und Unterauftraggeber. Der Unterbeauftragte kann dem Hauptauftraggeber alle Einreden und Einwendungen entgegenhalten, die ihm gegen den Unterauftraggeber zustehen (OSER/-SCHÖNENBERGER, N. 11, BECKER, N. 7 zu Art. 399 OR). Das hätte im vorliegenden Falle allenfalls von Bedeutung sein können, wenn die Beklagte Unterbeauftragte Fortlages gewesen wäre. Sie will nämlich vom anvertrauten Vermögen einen Teil auf Veranlassung und im Interesse Fortlages verbraucht haben. Es liesse sich die Auffassung vertreten, der Klägerin ständen insoweit, als Fortlage die Beklagte zum Verbrauch des Gutes ermächtigte, keine Ansprüche aus Art. 399 Abs. 3 OR zu, weil Fortlage sie für das auf seine Weisung und in seinem Interesse verbrauchte Geld nicht haftbar machen konnte. Die Klägerin hätte insoweit gegen die Beklagte höchstens Ansprüche aus unerlaubter Handlung (Mittäterschaft oder Gehilfenschaft bei Veruntreuung) geltend machen können. Ferner würde sich fragen, welchen Einfluss der Tod Fortlages gemäss Art. 405 OR einerseits auf den Auftrag Thorwarts, anderseits auf den Unterauftrag Fortlages hatte.
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Es erübrigt sich indessen, alle diese Fragen näher zu prüfen; ![]() | 21 |
Die Beklagte hat denn auch im kantonalen Verfahren eingeräumt, der Auftrag Thorwarts an Fortlage ändere grundsätzlich an der sie als Unterbeauftragte treffenden Haftung nichts, sondern stelle nur ihr Verschulden in ein anderes Licht. Das bedeutet, die Beklagte bekenne sich - vorbehältlich der Einrede der Verjährung und der von ihr eventuell beantragten Ermässigung der Ersatzpflicht - als Schuldnerin der eingeklagten Forderung.
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Art. 18 OR verlangt die Beurteilung eines Vertrages nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragschliessenden. Wirklicher Wille war aber zugegebenermassen, die Beklagte solle nach aussen, also im Rechtssinne, Eigentümerin werden. Wer Eigentümer ist, beurteilt sich nach der gegen aussen geltenden Rechtslage, da das Eigentum ein absolutes, gegenüber iedermann geltendes Recht ist (BGE 73 I 276). Die Abrede, ![]() | 24 |
Der eingeklagte Anspruch verjährt nach Art. 127 OR mit dem Ablauf von zehn Jahren (BGE 81 II 365 f. Erw. 3).
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5. Das Obergericht, dem die Beklagte in diesem Punkt im wesentlichen beistimmt, ist der Meinung, für das Treuhandverhältnis gelte im allgemeinen Auftragsrecht; die treuhänderische Vermögensverwaltung stehe indes der Hinterlegung, insbesondere dem depositum irregulare gemäss Art. 481 OR, sehr nahe und lasse sich davon praktisch kaum unterscheiden; es dränge sich daher auf, die Frage der Verjährung der daraus fliessenden Ansprüche nach den für den Hinterlegungsvertrag geltenden Grundsätzen zu behandeln; gemäss Art. 130 Abs. 1 OR beginne die Verjährung mit der Fälligkeit der Forderung; da der Hinterleger die hinterlegten Werte jederzeit zurückverlangen "und damit die Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs herbeiführen" könne, beginne die Verjährung dieses Anspruchs schon im Zeitpunkte der Hinterlegung, so dass die zehnjährige Verjährungsfrist im vorliegenden Falle im Januar 1947 abgelaufen sei. Das Obergericht verweist hiezu auf BGE 78 II 257. Im Sinne einer Hilfsbegründung führt es aus, nach Auftragsrecht wäre anzunehmen, der Erstattungsanspruch sei mit jeder im Rahmen des Auftrags liegenden Handlung des Beauftragten neu entstanden; solche Handlungen seien die Konversionen und Neuanlagen, nicht dagegen der Rückzug von Vermögenswerten im eigenen Interesse; die letzte zulässige Verwaltungshandlung der Beklagten sei der Zukauf vom 27. Mai 1944 ![]() | 26 |
a) Dem Obergericht ist darin beizustimmen, dass der Erstattungsanspruch des Auftraggebers aus Art. 400 OR im Falle der treuhänderischen Vermögensverwaltung jenem des Hinterlegers aus Art. 475 OR gleicht.
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Wann für Ansprüche dieser Art die Verjährung beginnt, ist umstritten.
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v. TUHR/SIEGWART (§ 80 IV S. 660 f.) und GUHL (Das schweiz. OR, 1. Aufl. 1933 S. 142, 5. Aufl. 1956 S. 248) vertreten die Ansicht, dass Forderungen, die jederzeit geltend gemacht werden können, insbesondere die Rückforderung des Verleihers oder Hinterlegers nach Art. 310 bezw. 475 OR, sofort fällig sind und daher gemäss Art. 130 Abs. 1 OR mit ihrer Entstehung zu verjähren beginnen.
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Dieser Auffassung folgte das Bundesgericht in BGE 78 II 257 und BGE 90 II 432 /34, wo es sich um Ansprüche auf den Gegenwert hinterlegter, vom Aufbewahrer eingelöster Obligationen bezw. auf Herausgabe eines vom Generalbevollmächtigten des Klägers eingezogenen Geldbetrages handelte.
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BECKER gelangt praktisch zum gleichen Ergebnis wie v. TUHR und GUHL, indem er "unbefristete Ansprüche, die zur Fälligkeit keiner Kündigung bedürfen, sondern deren Fälligkeit einfach vom Willen des Gläubigers abhängt", den kündbaren Forderungen gleichstellt, für welche die Verjährung nach Art. 130 Abs. 2 OR mit dem Tage beginnt, auf den die Kündigung zulässig ist (2. Aufl. 1941, N. 1 zu Art. 130 OR).
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Von der Regel, dass der Rückgabeanspruch des Hinterlegers im Zeitpunkte der Hinterlegung zu verjähren beginnt, macht GUHL eine Ausnahme, indem er die Verjährung bei dem - nach seiner Auffassung regelmässig die sichere Aufbewahrung und Verwaltung der Einlage bezweckenden - Sparkassegeschäft erst beginnen lässt, wenn der Gläubiger die Rückzahlung fordert oder die Schuldnerin sie anbietet (4. Aufl. 1948 S. 229, 5. Aufl. S. 249).
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M. WIDMER (Die rechtliche Natur des Sparkassavertrages ..., Berner Diss. 1951, S. 55 ff.) verlegt den Beginn der Verjährung des vertraglichen Rückgabeanspruchs nicht bloss für das Sparkassegeschäft, sondern allgemein für den Hinterlegungsvertrag ![]() | 33 |
GAUTSCHI ist der Meinung, der Erstattungsanspruch des Auftraggebers aus Art. 400 OR verjähre nicht, solange der Beauftragte (z.B. der Vermögensverwalter) in richtiger Ausführung des Auftrags handle; die Verjährung beginne erst mit der Erhebung dieses Anspruchs; jede Ausführungshandlung unterbreche sie (Auftrag und Geschäftsführung in der Schweiz, 1953, S. 179; Kommentar, N. 20 b, 45 c und d zu Art. 400 OR).
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b) Beim Auftrag zur Verwaltung eines Vermögens und bei der Hinterlegung von Vermögenswerten zur Verwahrung hat der Beauftragte bezw. Verwahrer in erster Linie für die Erhaltung des Vermögens zu sorgen. Die Pflicht zur Rückerstattung entsteht hier erst bei Beendigung des Vertragsverhältnisses. Wenn das Gesetz vorsieht, der Auftraggeber oder Hinterleger könne die Rückerstattung jederzeit verlangen (Art. 400 Abs. 1, Art. 475 Abs. 1 OR), so bedeutet das in Wirklichkeit, dass er jederzeit die Möglichkeit hat, den Verwaltungsauftrag bezw. den Hinterlegungsvertrag aufzuheben (was nach Art. 404 OR für den Auftrag allgemein gilt) und damit den Rückerstattungsanspruch entstehen zu lassen. Solange der Vertrag dauert und der Beauftragte oder Verwahrer folglich die vertragliche Verwaltungs- bezw. Verwahrungspflicht auszuüben hat, besteht die Rückerstattungspflicht noch nicht, da die Erfüllung der erwähnten Pflichten und die Rückerstattung der Werte, die Gegenstand jener Pflichten sind, sich gegenseitig ausschliessen. Es verhält sich bei solchen Verträgen anders als z.B. beim Darlehen, wo die Rückerstattungspflicht des Borgers als dessen Hauptpflicht von Anfang an besteht (Art. 312 OR).
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Vor seiner Entstehung kann der Rückerstattungsanspruch des Auftraggebers oder Hinterlegers nicht zu verjähren beginnen. Die Verjährung dieses Anspruchs beginnt demnach erst mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses infolge gegenseitiger Übereinkunft, Ablaufs der vereinbarten Dauer, Widerrufs oder Kündigung, die ihn auslöst.
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Art. 130 Abs. 2 OR steht dieser Lösung nicht entgegen. Er gilt für Forderungen, die bereits bestehen und bei denen lediglich die Fälligkeit von einer einseitigen Erklärung des Gläubigers (Kündigung, avertissement, disdetta) abhängt, also namentlich für Darlehen ohne zum voraus bestimmten Rückzahlungstermin, ![]() | 37 |
Die Annahme, dass der Anspruch des Auftraggebers oder Hinterlegers auf Rückerstattung der dem andern Teil zur treuhänderischen Verwaltung oder Verwahrung übergebenen Vermögenswerte schon mit deren Übergabe entstehe und zu verjähren beginne, ist im übrigen auch wegen ihrer Folgen abzulehnen. Der Zweck des Geschäftes kann fordern, dass der Beauftragte oder Verwahrer die ihm obliegende Tätigkeit während sehr langer Zeit ausübt und dies tut, ohne dem Auftraggeber bezw. Hinterleger periodisch Rechenschaft abzulegen oder ihm sonst irgendwelche Mitteilungen zu machen, in denen eine Schuldanerkennung im Sinne von Art. 135 Ziff. 1 OR erblickt werden könnte. Solche Mitteilungen sind zudem bei nicht berufsmässiger Vermögensverwaltung und -verwahrung nicht üblich. Begänne die Verjährung dennoch schon mit der Übergabe der Vermögenswerte, so könnte der Beauftragte oder Verwahrer diese Werte in derartigen Fällen nach Ablauf von zehn Jahren seit der Übergabe in Missachtung der für eine längere Dauer übernommenen Vertragspflichten für sich behalten. Um das zu verhindern, müsste der Auftraggeber oder Hinterleger vor Ablauf dieser Frist eine zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Massnahme ergreifen, was er in solchen Fällen oft nicht tun kann, ohne den Zweck des Geschäftes und sich selbst zu gefährden. Die Annahme, dass die Verjährung des Rückerstattungsanspruchs mit der Übergabe der Vermögenswerte beginne, hätte also stossende Folgen.
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c) Der Umstand, dass der Beauftragte oder Verwahrer die ihm übergebenen Vermögenswerte veruntreut oder dass sie ihm abhanden kommen, bewirkt nicht ohne weiteres die Beendigung des Vertragsverhältnisses. Der Beauftragte oder Verwahrer kann es nur dadurch beenden, dass er gegenüber dem Auftraggeber bezw. Hinterleger ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten den Willen äussert, es aufzuheben. Auf diesen Willen lässt unter Umständen die Mitteilung schliessen, ![]() | 39 |
d) Zumal wenn der Vertragsabschluss weit zurückliegt und keine feste Vertragsdauer vereinbart wurde, kann es vorkommen, dass streitig und nicht mehr abklärbar ist, ob und wann das Vertragsverhältnis beendigt worden und ob im Anschluss daran die Rückerstattung erfolgt sei. Es ist hier namentlich an die Möglichkeit zu denken, dass der vom Auftraggeber oder Hinterleger (oder einem Erben) auf Rückerstattung belangte Beauftragte oder Verwahrer behauptet, er habe das ihm anvertraute Gut vor mehr als zehn Jahren zurückgegeben, könne das aber nach so langer Zeit nicht mehr beweisen, oder dass die Klage sich gegen einen Erben richtet, der erklärt, er wisse von der Sache nichts Bestimmtes und finde darüber im Nachlass des Beauftragten oder Verwahrers keine Belege, müsse aber nach den Umständen annehmen, sein Rechtsvorgänger habe ![]() | 40 |
Anders verhält es sich dagegen, wenn feststeht, dass die anvertrauten Vermögenswerte nicht zurückgegeben wurden. In einem solchen Falle kann der Beklagte mit der Einrede der Verjährung nur durchdringen, wenn er nachweist, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses und damit die Entstehung des Rückerstattungsanspruches mehr als zehn Jahre zurückliegen, und wenn keine Hemmungs- oder Unterbrechungsgründe (Art. 134/35 OR) eingetreten sind, die den Ablauf der dadurch in Gang gesetzten Verjährungsfrist verhindert hätten.
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Soweit der bisherigen Rechtsprechung eine andere Auffassung zugrunde liegt, ist daran nicht festzuhalten.
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e) Im vorliegenden Falle gibt die Beklagte zu, das anvertraute Gut nicht zurückgegeben zu haben (während die als Erbin des Beauftragten belangte Notarswitwe im Falle BGE 90 II 428 ff. die Rückgabe behauptet, aber nicht zu beweisen vermocht hatte). Dass das Vertragsverhältnis infolge Ablaufs einer ![]() | 43 |
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Vom Betrage von Fr. 57'364.42, den die Beklagte hienach so oder so zu erstatten hat, sind die Fr. 100.-- abzuziehen, die Thorwart am 30. Mai 1961 zurückerhielt. Die Beklagte schuldet somit noch Fr. 57'264.42.
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Dieser Betragist, wie verlangt, vom 30. Mai 1961 an zu verzinsen, da die Beklagte an diesem Tage zur Zahlung aufgefordert wurde.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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