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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Juni 1966 i.S. Frey gegen Haas. | |
Regeste |
Art. 736 ZGB: Löschung einer (altrechtlichen) Grunddienstbarkeit wegen Dahinfallens des Zweckes ihrer seinerzeitigen Begründung. | |
Sachverhalt | |
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Bd I/324 zur Liegenschaft Nr. 25 (Lily Frey): "Im obern Teil hat Karl Meyer zum Ochsen hart an der Grenze gegen den Rosenhügel, und an der Teufenbergstrasse einen Felsenkeller mit unbedingtem Recht zur Aufbewahrung des Lagerbiers."
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Gemäss Art. 205 des appenzell-ausserrhodischen EG/ZGB kommt diesen Eintragungen bis zur Einführung des Grundbuches die beschränkte Grundbuchwirkung nach Art. 48 SchlT/ZGB zu.
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Über Zeitpunkt, Form und Bedingungen der Begründung des Nutzungsrechts ist nichts festgestellt.
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Als im "Ochsen" die Bierbrauerei eingestellt wurde, blieb der Keller während Jahrzehnten unbenutzt. Der offene Zugang wurde erst auf Beanstandungen der Vorsteherin des benachbarten Kinderheimes "Rosenhügel" der Stadt Zürich mit einem Bretterverschlag verschlossen und dieser im Jahre 1960 durch eine Eisentüre ersetzt. In der Folge begannen die Wirtsleute zum "Ochsen", im Keller Mineralwasser, Apfelsaft, Flaschenbier und Benzin in Fässern zu lagern.
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B.- Am 30. Januar 1964 reichte die Eigentümerin des belasteten Grundstücks Nr. 25a, Frl. Frey, beim Bezirksgericht Hinterland gegen die Eigentümerin der Liegenschaft zum "Ochsen", Frau Haas, Klage ein mit dem Begehren, die Dienstbarkeit auf Benützung des Felsenkellers sei aufzuheben und im Grundbuch zu löschen. Sie machte im wesentlichen geltend, dem jeweiligen Eigentümer der Ochsenliegenschaften habe das dingliche Recht zugestanden, im Keller Lagerbier aus der im "Ochsen" betriebenen Brauerei aufzubewahren. Da die Brauerei im Jahre 1897 aufgegeben worden sei, habe die Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren, sodass die Belastete gemäss Art. 736 Abs. 1 ZGB die Löschung verlangen könne.
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Die Beklagte bestritt nicht, dass die Bierbrauerei seit Jahrzehnten eingestellt worden sei, behauptete jedoch unter Hinweis auf den Wortlaut der Einträge im Servitutenprotokoll, es handle sich um ein Bauwerk, an dem ihr ein dingliches Baurecht im Sinne von Art. 779 ZGB zustehe, so dass eine entschädigungslose Enteignung ohnehin nicht in Frage komme. Selbst wenn man aber ein blosses dingliches Nutzungsrecht annehmen sollte, wären die Voraussetzungen für eine Löschung ![]() | 8 |
C.- Im Verlaufe des Prozesses trat anstelle der verstorbenen Beklagten deren Sohn Leonhard Haas als Rechtsnachfolger in den Prozess ein.
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D.- Das Bezirksgericht Hinterland schützte die Klage und ordnete die Löschung der Dienstbarkeit an.
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In teilweiser Gutheissung der Appellation des Beklagten hat das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh., II. Abteilung, mit Urteil vom 26. Oktober 1965 die Löschung der Dienstbarkeit nur gegen eine Entschädigung von Fr. 4800.-- gestattet. Die Erwägungen des Obergerichts gehen zusammengefasst dahin:
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Obwohl die Dienstbarkeit vor Inkrafttreten des ZGB begründet worden sei, müsse nach Art. 17 Abs. 2 SchlT/ZGB ihr Inhalt nach den Grundsätzen des neuen Rechts (Art. 738 ZGB) ermittelt werden, also in erster Linie nach dem Eintrag; nur soweit dieser undeutlich oder unvollständig sei, kämen die dem früheren Recht unterstehenden Belege über den Erwerbsgrund in Betracht (BGE 88 II 271). Das frühere kantonale Recht gebe nun aber über die Frage, ob seinerzeit ein Baurecht oder ein blosses dingliches Nutzungsrecht begründet worden sei, keine Auskunft. Diese Frage könne indessen überhaupt offen gelassen werden, da sie nicht prozessentscheidend sei; denn Art. 736 Abs. 1 ZGB über die Ablösung von Dienstbarkeiten gelte auch für Baurechte. Man könne nun nicht sagen, der Beklagte habe gar kein Interesse mehr an der Dienstbarkeit. Im Laufe der Zeit seien anstelle von Jungbier andere Getränke wie Flaschenbier, Mineralwasser und Apfelsaft im Felsenkeller eingelagert worden. Das bedeute eine durch die modernen Konsumgewohnheiten bedingte Änderung der Nutzungsbedürfnisse des herrschenden Grundstücks, die sich noch im Rahmen des Dienstbarkeitsinhaltes halte, während dies für die Lagerung etwa von Wein, Obst und Brennstoffen nicht zutreffe. Freilich sei das Interesse des Beklagten an der ![]() | 12 |
E.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Klägerin mit dem Antrag auf gänzliche Gutheissung der Klage, also entschädigungslose Löschung der Dienstbarkeit.
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F.- Der Beklagte beantragt, auf die Berufung sei mangels Streitwertes nicht einzutreten, eventuell sie sei abzuweisen. und verlangt mit Anschlussberufung gänzliche Abweisung der Klage.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach Art. 738 Abs. 2 ZGB kann sich "im Rahmen des Eintrags" eine Präzisierung des Inhalts einer Dienstbarkeit aus dem Erwerbsgrund, dem Errichtungsvertrag, ergeben. Ein schriftlicher Erwerbstitel liegt hier nicht vor. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, nach welchen Grundsätzen ein solcher, unter dem alten Recht errichteter Titel ausgelegt werden müsste und ob daraus allenfalls abgeleitet werden dürfte, das Benützungsrecht erstrecke sich über den Wortlaut des Eintrags im Servitutenprotokoll hinaus auch auf das Lagern anderer Waren als Jungbier zur Nachgärung.
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Das ist an sich richtig, nur wird dabei übersehen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine gesteigerte Ausübung im Rahmen des bisherigen Zweckes handelt, sondern um die Inanspruchnahme des Dienstbarkeitsrechtes für einen neuen Zweck. Nun braucht aber der Eigentümer des belasteten Grundstücks die Ausübung der Dienstbarkeit zu einem andern Zweck als dem, für den sie begründet worden war, nicht zuzulassen (LIVER, N. 27 zu Art. 737 ZGB;BGE 64 II 414Erw. 2;BGE 70 II 46f.; BGE 87 II 85 ff.; nicht veröffentl. Urteile des Bundesgerichts vom 13. November 1958 i.S. Gross c. Rindlisbacher; vom 18. Mai 1961 i.S. SBB c. Zürrer). Diese Beschränkung hinsichtlich des Zweckes gilt auch unter dem Gesichtspunkt der Aufhebung einer Dienstbarkeit nach Art. 736 Abs. 1 ZGB. Ein anderes Interesse des Dienstbarkeitsberechtigten als das des Begründungszweckes der Dienstbarkeit schützt ihn nicht vor der Aufhebung (vgl. LIVER, N. 58 - 63 zu Art. 736 ZGB).
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An dieser Betrachtungsweise vermag der Umstand nichts zu ändern, dass der Beklagte bzw. sein Rechtsvorgänger seit etwa 1960 begonnen hat, den während Jahrzehnten nicht verwendeten Keller zur Lagerung von Flaschenbier, Mineralwasser ![]() | 23 |
Daraus folgt, dass der Beklagte für den Verlust der Möglichkeit, im Felsenkeller andere Waren aufzubewahren, keinen Anspruch auf eine Entschädigung im Sinne von Art. 736 Abs. 2 ZGB hat.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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