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29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juni 1966 i.S. Eidgenössische Militärversicherung gegen "Zürich" Versicherungsgesellschaft AG. | |
Regeste |
Zivilrechtliche Haftung der Militärperson, die mit einem privaten Motorfahrzeug andere Militärpersonen körperlich schädigt. |
Zulässigkeit der Berufung. |
Art. 27, 29 MO; Art. 58, 65, 81 SVG; Art. 49 MVG; Art. 48, 50 OG. | |
Sachverhalt | |
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Fw. Grogg wurde am 12. Mai 1961 vom Divisionsgericht 4 der Nichtbefolgung von Dienstvorschriften, der fahrlässigen Körperverletzung und der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig erklärt und unter Ansetzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt.
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B.- Mit Klage vom 17. April 1964 belangte die Eidgen. Militärversicherung gestützt auf Art. 49 MVG die Versicherungsgesellschaft "Zürich", bei der Grogg ohne summenmässige Begrenzung für seine Halterhaftpflicht versichert ist, auf Ersatz der von ihr für die verunfallten Soldaten erbrachten Leistungen; ferner behielt sie sich die Geltendmachung des Ersatzanspruchs für weitere Leistungen vor, die sie im Zusammenhang mit dem Unfall allenfalls noch erbringen muss.
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Die Beklagte bestritt ihre Ersatzpflicht und beantragte, die Klage abzuweisen.
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C.- Der Appellationshof des Kantons Bern beschränkte gestützt auf Art. 190 ff. der bernischen ZPO das Verfahren auf die Frage der grundsätzlichen Haftung der Beklagten und wies am 17. Mai 1965 die Klage "im Sinne eines selbständigen und berufungsfähigen Vorentscheides" ab.
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Die Begründung dieses Entscheides stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtes, wonach ein Wehrmann zivilrechtlich für körperliche Schädigungen, die er in Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit andern Wehrmännern zufügt, grundsätzlich nicht persönlich haftbar ist, ausser bei vorsätzlicher oder besonders grobfahrlässiger Schadenszufügung (BGE 78 II 419 ff., BGE 79 II 147 ff.). Der grundsätzliche Haftungsausschluss gelte nach diesen unter der Herrschaft des MFG ergangenen Entscheiden auch bei Unfällen von Militärmotorfahrzeugen. Das Inkrafttreten des SVG habe keine Änderung der Rechtslage gebracht; denn Art. 81 SVG, wonach bei ![]() | 6 |
D.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie beantragt, die Beklagte dem Grundsatze nach zu verurteilen, ihr den Schaden aus dem Verkehrsunfall des Fw. Grogg vom 25. November 1960 zu ersetzen.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Der angefochtene Entscheid ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Klägerin nicht ein blosser Vorentscheid, sondern ein Endentscheid; denn er lautet auf Abweisung der Klage, schliesst das kantonale Verfahren endgültig ab und kann durch kein ordentliches kantonales Rechtsmittel mehr angefochten werden (Art. 48 Abs. 1 OG). Dass die Vorinstanz das Verfahren in Anwendung kantonalen Prozessrechts auf die Frage der grundsätzlichen Haftung beschränkt hat, macht, wenn dieses beschränkte Verfahren wie hier zur Abweisung der Klage geführt hat, den Entscheid nicht zu einem blossen Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne ![]() | 9 |
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Dieser Bestimmung lässt sich jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Streitfalles nichts entnehmen. Sie betrifft ausschliesslich das Verhältnis der Motorfahrzeughaftung des Bundes zur Militärversicherung. Die Botschaft des Bundesrates zum SVG bemerkte zu dem gleich wie Art. 81 des Gesetzes lautenden Art. 75 des Entwurfes:
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"Wird ein Versicherter der Militärversicherung durch ein privates Motorfahrzeug geschädigt, so hat er dem Halter gegenüber alle ![]() | 13 |
Diese Ausführungen zeigen, dass Art. 81 nur die Haftung des Bundes regeln will. Er besagt, dass der Bund dem Militärversicherten für den durch ein Militärfahrzeug verursachten Schaden nur nach den Bestimmungen über die Militärversicherung aufzukommen habe, ihm dagegen nicht überdies nach den Haftpflichtbestimmungen des SVG hafte, denen nach Art. 73 Abs. 1 SVG grundsätzlich auch die Motorfahrzeuge des Bundes unterstehen. Einen weitergehenden Sinn hat diese Bestimmung nicht (so auch BGE 78 II 428 in bezug auf Art. 57 MFG, der inhaltlich mit Art. 81 SVG im wesentlichen übereinstimmt). Insbesondere will sie nicht den Begriff des Militärfahrzeuges von demjenigen des Nichtmilitärfahrzeuges abgrenzen. Die Schlussfolgerungen, die der Appellationshof aus ihr in bezug auf die Frage der Haftungsbefreiung des Fw. Grogg glaubt ziehen zu können, entbehren daher der Grundlage.
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4. Art. 27/28 der Militärorganisation (MO) überbinden dem Bund die Haftung für Körper- und Sachschäden, von denen Zivilpersonen infolge militärischer Übungen betroffen werden. Art. 103 des Beschlusses der Bundesversammlung vom 30. März 1949 über die Verwaltung der schweizerischen Armee (AS 1949 II S. 1118) verdeutlicht diese Bestimmung dahin, dass die Haftung des Bundes die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen durch die Geschädigten gegen die am Unfall beteiligten Militärpersonen ausschliesse, wie dies die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 47 II 179) von jeher angenommen hatte. Über die Haftung zwischen Wehrmännern bestehen dagegen keine besonderen Vorschriften. Der Grundsatz, dass der Wehrmann auch einem andern Wehrmann für dienstlich zugefügte Schäden (unter Vorbehalt absichtlicher oder besonders grobfahrlässiger Schädigung) persönlich nicht hafte, wurde vom Bundesgericht in den von der Vorinstanz angerufenen Urteilen (BGE 78 II 419 ff. und BGE 79 II 147 ff.) in analoger Anwendung der Vorschriften über ![]() | 15 |
Diese Überlegung erweist sich auch bei erneuter Prüfung als stichhaltig. Der gesetzlich verankerte Ausschluss der persönlichen Haftung gegenüber der Zivilperson hat seinen Grund darin, dass der Soldat in Erfüllung der auf Art. 18 BV beruhenden allgemeinen Wehrpflicht Dienst leisten muss. Bei seinen dienstlichen Verrichtungen handelt er nicht aus freiem Willensentschluss, sondern er untersteht kraft der militärischen Gehorsamspflicht dem Zwange des Dienstbefehls. Dadurch kann er in Situationen kommen, die von seinen gewohnten Lebensverhältnissen weit abliegen und denen er sich nicht als gewachsen erweist. Dazu kommt, dass die militärische Ausbildung auf das Ziel der Kriegstüchtigkeit ausgerichtet ist und darum nach Förderung von Forschheit und Draufgängertum streben muss. Der Soldat wird so dazu erzogen, bei der Ausführung der ihm befohlenen dienstlichen Verrichtungen erhöhte Risiken in Kauf zu nehmen. Das kann ihn zu einer Handlungsweise veranlassen, die zur körperlichen Schädigung Dritter führt und ihm unter zivilen Verhältnissen als eine die Schadenersatzpflicht begründende Fahrlässigkeit angerechnet werden müsste. Von solchen Handlungen eines Wehrmannes können aber nicht nur Zivilpersonen betroffen werden, sondern es sind ihnen auch, ja sogar in noch weit höherem Masse, seine Dienstkameraden ausgesetzt. Es ist daher, wie in BGE 78 II 425 mit Recht hervorgehoben wurde, keine überzeugende Erklärung dafür ersichtlich, weshalb die persönliche Haftung nicht auch im Verhältnis zwischen Wehrmännern grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte. An dieser Rechtsprechung ist deshalb trotz der im Schrifttum lautgewordenen Kritik (OFTINGER, op.cit. II/2 S. 877) festzuhalten.
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b) Hat der Bund auf Grund von Art. 27 f. MO für die Schädigung von Zivilpersonen Ersatz zu leisten, so steht ihm nach Art. 29 MO der Rückgriff auf den Schädiger zu, wenn diesen ein Verschulden trifft. Ebenso räumt Art. 49 des MVG der Militärversicherung für ihre Leistungen das Rückgriffsrecht auf den Dritten ein, der mit bezug auf die Gesundheitsschädigung oder den Tod des Versicherten schadenersatzpflichtig ![]() | 17 |
In folgerichtiger Weiterentwicklung der durch die mehrfach erwähnten Entscheide begründeten Rechtsprechung ist somit festzuhalten, dass ein Wehrmann für körperliche Schädigungen, die er Zivilpersonen oder Dienstkameraden in Ausübung dienstlicher Verrichtungen nicht absichtlich oder durch besonders schwerwiegendes grobfahrlässiges Verhalten zufügt, weder dem Geschädigten persönlich haftbar ist noch vom Bund oder der Eidgen. Militärversicherung auf dem Rückgriffswege verantwortlich gemacht werden kann.
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Der hier in Frage stehende Unfall wurde indessen nicht durch ein militärisches, sondern durch ein privates Motorfahrzeug verursacht. Unter den Begriff des Militärfahrzeuges fallen gemäss Art. 128 Ziff. 4-6 des BRB über die Verwaltung der schweizerischen Armee vom 22. August 1949 (AS 1949 II S. 1167) private Fahrzeuge nur, wenn sie von der Militärverwaltung gemietet oder unter Beobachtung der dafür aufgestellten besonderen Vorschriften militärisch requiriert worden sind. Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt.
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Zudem handelte es sich nicht um eine befohlene Fahrt, sondern Fw. Grogg verwendete sein privates Fahrzeug unerlaubterweise. Zwar unternahm er die Fahrt nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht zu rein privaten Zwecken, wie es z.B. zugetroffen hätte, wenn er den Wagen benützt hätte, um in den Urlaub zu fahren. Er verwendete ![]() | 21 |
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Ein solcher Haftungsausschluss liesse sich allenfalls noch in Erwägung ziehen, wenn ein Unfall auf die mit militärischen Übungen verbundene besondere Gefährlichkeit zurückzuführen ist. Das trifft hier jedoch nicht zu. Der Unfall ereignete sich, weil Fw. Grogg die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges nicht der beschränkten Sichtweite anpasste, die er beim Fahren mit abgeblendeten Lichtern hatte. Es handelte sich also um eine Verwirklichung der dem Motorfahrzeug als solchem innewohnenden Betriebsgefahr, bei der die dienstliche Verwendung keine Rolle spielte.
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Die Benutzung des privaten Motorfahrzeuges kann auch nicht etwa damit gerechtfertigt werden, dass Fw. Grogg sich in einer an Notstand grenzenden Lage befunden habe. Die Vorinstanz meint zwar, sein Vorgehen sei objektiv gerechtfertigt gewesen, weil er das Distanzproblem nur so habe ![]() | 24 |
7. Von der Auffassung, dass die persönliche Haftung des Halters bei dienstlicher Verwendung eines privaten Motorfahrzeugs bestehen bleibt, gehen übrigens auch die Vorschriften des bereits erwähnten BRB über die Verwaltung der schweizerischen Armee aus. Diese erklären in Art. 159 die Verwendung privater Motorfahrzeuge als bewilligungspflichtig und lassen sie nur auf beschränkte Zeit und beim Vorliegen genau umschriebener Voraussetzungen zu. Art. 160 Abs. 1 sodann bestimmt, dass solche Fahrzeuge vom Halter oder dessen Beauftragten geführt werden und mit kantonalen Kontrolschildern sowie mit eigener Haftpflichtversicherung verkehren. Da die Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers von der persönlichen Haftung des Halters abhängt, wird das Bestehen einer solchen durch diese Regelung notwendigerweise vorausgesetzt. Sie beruht offensichtlich auf dem in Erw. 6 als entscheidend befundenen Kriterium, dass die dienstliche Verwendung von Privatfahrzeugen völlig freiwillig erfolgt. Das Verwaltungsreglement für die schweizerische Armee (VR 1958) bestimmt denn auch in Ziff. 440 ausdrücklich, die Indienstnahme solcher privater Motorfahrzeuge sei freiwillig und dürfe nicht befohlen werden; ferner seien dem Halter vorgängig die Bedingungen gemäss Ziff. 442 VR (die mit Art. 160 BRB übereinstimmt) bekannt zu geben. Der Halter kann sich also nicht im Zweifel darüber befinden, dass seine Kausalhaftung, der er nach dem SVG untersteht, auch bei der dienstlichen ![]() | 25 |
Bleibt nach diesen Bestimmungen die persönliche Haftpflicht des Halters sogar bei bewilligter dienstlicher Verwendung des privaten Fahrzeugs bestehen, so gilt dies selbstverständlich erst recht bei nichtbewilligter Benützung desselben. Denn es ist nicht denkbar, dass der Wehrmann, der sein privates Fahrzeug eigenmächtig und in bewusster Übertretung dienstlicher Vorschriften benützt, besser gestellt sein sollte, als wenn er die nach Art. 159 BRB erforderliche Bewilligung eingeholt hätte.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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