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30. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Oktober 1966 i.S. Jäger gegen Dufner & Co. | |
Regeste |
Begriff des Musters oder Modells, MMG Art. 2, 3 (Erw. 3, 4). |
Verhältnis des Modellschutzes zum Wettbewerbsrecht (Erw. 6). |
Unlauterer Wettbewerb durch Nachmachung einer Ausstattung? (Erw. 7, 8). | |
Sachverhalt | |
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Am 3. September 1959 hinterlegte die Firma Dufner & Co. beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum unter Nr. 95'330 das Modell einer von ihr entwickelten neuen Wäschetruhe. Diese unterscheidet sich von der oben beschriebenen dadurch, dass die senkrechten Kanten des Sackes dort, wo sie die Seitenstäbe des Gestelles kreuzen, eingebuchtet sind und dass unten die Abrundung der vorderen und hinteren Mantelfläche ![]() | 2 |
Gottlieb Jäger, der eine Fabrik zur Herstellung von Plastikartikeln betreibt, stellte zunächst ebenfalls Wäschetruhen nach amerikanischem Vorbild her. Nachdem die Firma Dufner & Co. zu der als Modell hinterlegten neuen Form übergegangen war, gab auch er dem Sack seines Möbels die gleiche Form. Legt man die zusammengeklappten Säcke der Parteien aufeinander, so sind kaum Abweichungen in der Form und im Mass festzustellen. Jäger verwendet zudem wie die Firma Dufner & Co. Plastikstoff mit aufgedruckten Blumen, zum Teil sogar mit den gleichen Chrysanthemen-Mustern.
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Die Firma Dufner & Co. erhob gegen Jäger Unterlassungsklage wegen Verletzung ihrer Modellrechte sowie wegen unlauteren Wettbewerbs.
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Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Gegenüber dem Vorwurf der Verletzung von Modellrechten der Klägerin erhob er die Einrede, das hinterlegte Modell sei nicht schutzfähig; die Form des klägerischen Wäschesackes dürfe daher von jedem andern Hersteller solcher Wäschetruhen ebenfalls verwendet werden. Aus dem gleichen Grunde liege auch kein unlauterer Wettbewerb vor.
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Das Handelsgericht des Kantons Aargau wies die Klage aus Modellrecht ab, schützte sie dagegen unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts.
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Das Bundesgericht weist auf Berufung des Beklagten hin die Klage im vollen Umfang ab, auf Grund der folgenden
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Erwägungen: | |
3. Die Klägerin beansprucht den Modellschutz nicht für die ganze hinterlegte Wäschetruhe. Sie behauptet auch nicht, sie sei Urheberin oder Rechtsnachfolgerin des Urhebers des auf dem Plastikstoff aufgedruckten Blumenmusters (Art. 12 Ziff. 2 MMG). Sie will nur die Form des Sackes geschützt wissen. Dass diese als Form von Wäschesäcken im Publikum oder in den beteiligten Verkehrskreisen schon vor der Hinterlegung vom 3. September 1959 bekannt gewesen sei, macht der Beklagte nicht geltend. Der Ungültigkeitsgrund von Art. 12 Ziff. 1 MMG kommt daher nicht in Frage. Dagegen sind die Parteien uneins, ob die Form des hinterlegten Sackes alle Merkmale ![]() | 8 |
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a) Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt und übrigens bei der Betrachtung der Wäschetruhen der Parteien und des amerikanischen Vorbildes einleuchtet, hängt die Einbuchtung dieser Kanten mit der Technik des Aufhängens des Sackes zusammen. Sie verhütet, dass sich dort, wo die Kanten die Seitenstäbe des Gestelles kreuzen, Falten bilden. Das Handelsgericht hat den Rechtsbegriff der Technik nicht verkannt. Falten ![]() | 11 |
Dass sie dem Sack zugleich einen gefälligen Umriss verschafft, ändert nichts. Eine Formgebung ist nur dann schutzfähig, wenn sie ausschliesslich um des Geschmackes willen erfolgt; denn Art. 3 MMG will verhüten, dass der Muster- und Modellschutz Dritte in der technisch nützlichen Ausgestaltung oder zweckmässigen Herstellung des Gegenstandes behindere.
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Unerheblich ist auch, ob das technische Problem anders gelöst werden könnte. Jedermann ist berechtigt, es auf gleiche Weise zu lösen wie die Mitbewerber. Niemand kann das verhindern, indem er die durch eine bestimmte technische Massnahme bedingte Form als Muster oder Modell hinterlegt. Daher kann dem Beklagten nicht vorgehalten werden, er hätte die Faltenbildung des Sackes z.B. durch eine Ausbuchtung der Stäbe des Gestelles verhüten können. Aus dem gleichen Grunde war er auch nicht verpflichtet, die Kanten des Sackes nach der Einbuchtung in einer geraden Linie abwärts weiterzuführen, statt durch eine anschliessende Ausbuchtung dem Sack auf halber Höhe die gleiche Breite zurückzugeben, die er oben hat. Durch die gerade Weiterführung der Kante würde der Rauminhalt des Sackes verkleinert, also der vom Gestell eingenommene Platz nicht voll ausgenützt.
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b) Dient die Einengung mit anschliessender Wiederausweitung des Sackes technischen Zwecken, so bleibt von der Linienführung der Kanten nichts übrig, was als schutzfähige Formgebung im Sinne des Art. 2 MMG angesprochen werden könnte. Man kann nicht einwenden, es sei das Verdienst der Klägerin, dass sie die Ein- und Ausweitung in einer harmonischen Linie ![]() | 14 |
Die Hinterlegung Nr. 95'330 ist daher ungültig. Das hat zur Folge, dass die Klägerin dem Beklagten die Herstellung und den Vertrieb seines Wäschesackes nicht gestützt auf die Vorschriften des MMG verbieten lassen kann.
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Diese Voraussetzung ist z.B. erfüllt, wenn sich der Nachahmer durch ein gegen Treu und Glauben verstossendes Vorgehen in den Besitz der Vorlagen setzt, die ihm die Nachahmung ermöglichen. Das traf in dem in BGE 90 II 51 ff. veröffentlichten Falle zu. Dem heutigen Beklagten werden dagegen solche ![]() | 17 |
Das kann nach der Rechtsprechung unter Umständen dann zutreffen, wenn die nachgemachte Form weder technisch noch ästhetisch bedingt, sondern eine blosse der Ausstattung des Gegenstandes dienende Zutat ist (BGE 57 II 461,BGE 69 II 298,BGE 79 II 320, BGE 87 II 58, BGE 88 IV 83). Die Ein- und Ausbuchtung der senkrechten Kanten des Sackes der Parteien dient indessen nicht der Ausstattung der Ware, sondern erfüllt einen technischen Zweck. Der Beklagte verstiess daher nicht gegen Treu und Glauben, indem er die nach Modellrecht nicht geschützte Form nachmachte.
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Ob die Käufer wussten, dass eine Zeitlang nur die Klägerin Wäschesäcke dieser Form herstellte, ist unerheblich, und es kommt auch nicht darauf an, ob sie nach dem Erscheinen des Erzeugnisses des Beklagten immer noch der Meinung waren, die Klägerin sei einzige Lieferantin. Die Auffassung des kaufenden Publikums über die Herkunft einer Ware gibt dem Hersteller kein ausschliessliches Recht auf ihre technisch bedingte Form (BGE 79 II 323lit. b).
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Es ist auch unerheblich, ob der Mitbewerber das technische Problem anders lösen könnte als der erste Erzeuger. Was hierüber zur Frage des Modellschutzes ausgeführt wurde, gilt auch unter dem Gesichtspunkt des UWG. Treu und Glauben verpflichten niemanden, eine gemeinfreie technische Lösung durch eine andere zu ersetzen, nur damit die Ware eine andere Form bekomme als die des ersten Herstellers. Der Beklagte handelte daher nicht unlauter, indem er die Faltenbildung auf gleiche Weise vermied wie die Klägerin, statt z.B. durch eine Ausbuchtung der Seitenstäbe des Gestelles oder durch eine gerade Weiterführung der eingebuchteten Sackkanten.
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7. a) Wenn die umstrittene Ein- und Ausbuchtung des Wäschesackes nicht technisch bedingt wäre, sondern die Natur einer blossen Ausstattung hätte, müsste bedacht werden, dass nicht jede Nachmachung einer solchen unlauter ist. Die der blossen Ausstattung dienenden Formen dürfen nur dann nicht nachgemacht oder nachgeahmt werden, wenn dadurch beim Käufer die Meinung aufkommen könnte, die Ware stamme aus dem Betrieb des andern Bewerbers oder sei von besserer Qualität als sie ist. Das setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ![]() | 21 |
b) Das Handelsgericht bejaht die Kennzeichnungskraft des Wäschesackes der Klägerin und damit die Unerlaubtheit der Nachmachung, weil dieser Sack kein wahllos gekaufter Massenartikel sei, sondern von der Hausfrau beim Kauf kritisch geprüft werde, und weil er im gesamten betrachtet eine gewisse Eigenart aufweise, die sich einpräge und nicht nur vom Fachmann, sondern auch von der Hausfrau in Erinnerung behalten werde.
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Das Handelsgericht meint also, die Kennzeichnungskraft bestehe schon dann, wenn die Abnehmer einer Ware deren Form ![]() | 23 |
Im vorliegenden Falle ist nicht festgestellt, dass im Zeitpunkt, als der Beklagte den nachgemachten Sack auf den Markt brachte, die letzten Abnehmer die Klägerin als einzige Herstellerin von Wäschesäcken mit ein- und ausgebuchteten Seitenkanten der streitigen Form betrachteten. Die Klägerin hat das nicht behauptet. Von selber versteht es sich aber nicht, zumal die Klägerin nicht geltend gemacht hat, sie habe in der Reklame darauf hingewiesen, dass nur sie allein Säcke dieser Form herstelle. Es ist auch unwahrscheinlich, dass Hausfrauen beim Einkauf dieses Artikels von verhältnismässig kurzer Lebensdauer und geringem Preis - die Klägerin verkauft ihn für Fr. 22.-, der Beklagte für Fr. 18.50 - überhaupt Wert auf seine Herkunft legen. Solche Gebrauchsgegenstände pflegt man in Warenhäusern, Papeterien oder andern Geschäften des Einzelhandels einzukaufen, ohne nach dem Hersteller zu fragen. Es hat denn auch kein einziger der Zeugen ausgesagt, die Hausfrauen hätten Wert darauf gelegt, den Namen des Herstellers zu erfahren, und sie hätten vor dem Erscheinen des Konkurrenzerzeugnisses gewusst, dass nur die Klägerin Säcke dieser Form erzeugte. Dass Einkäufer aus den Kreisen der Händler bei der Einvernahme als Zeugen die nachgemachte Form als solche der Klägerin bezeichneten, ändert nichts. Daraus geht nicht hervor, dass auch die Hausfrauen die Klägerin als ursprünglich einzige Herstellerin kannten. Im übrigen ist unwahrscheinlich, dass die kurze Zeit, während der das Erzeugnis der Klägerin allein auf dem Markte war - nach der Behauptung der Klägerin soll der Beklagte es schon drei Jahre nach dem ersten Erscheinen nachgemacht haben -, genügt hätte, um der nicht originellen Form der Ein- und Ausbuchtung des Wäschesackes Kennzeichnungskraft zugunsten der Klägerin zu verschaffen.
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