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36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. November 1966 i.S. Emil Baumann AG gegen Cranag AG | |
Regeste |
Haftung für Hilfspersonen (Art. 101 OR). Mass der Haftung (Art. 99 Abs. 2 und 3, Art. 43 und 44 OR). |
2. Umstände, die für die Bemessung des Schadenersatzes von Bedeutung sind. Ermässigung wegen nur leichten Verschuldens? Massstab für die Beurteilung des Verschuldens der Hilfsperson. Berücksichtigung des Mitverschuldens einer Hilfsperson des Geschädigten und der Tatsache, dass das Geschäft dem Ersatzpflichtigen nur einen geringen Vorteil bot. | |
Sachverhalt | |
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Die Cranag AG stellte den Kran auf eigene Kosten instand, übernahm die damit verbundenen Frachtkosten, zahlte eine Rechnung der Firma Stiefel für die "Abgabe" eines Pneukrans zur Hebung des gestürzten Krans und vergütete der Baumann AG durch Verrechnung mit eigenem Guthaben den Betrag von Fr. 3700.--, den sie von der Schweiz. National-Versicherungsgesellschaft erhielt, bei der sie gegen Maschinenbruch versichert war. Den weitergehenden Schadenersatzbegehren der Baumann AG entsprach sie nicht.
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B.- Am 7. Juli 1964 belangte die Baumann AG die Cranag AG beim Handelsgerichte des Kantons Aargau auf Zahlung eines richterlich zu bestimmenden, Fr. 8000.-- übersteigenden Schadenersatzbetrages nebst 5% Zins seit 25. Mai 1962. Sie machte geltend, die Beklagte hafte ihr wegen Vertragsverletzung für den vollen Schaden; denn dieser sei auf das alleinige Verschulden des Monteurs Eugster zurückzuführen, für das die Beklagte nach Art. 101 OR einzustehen habe.
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Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, weil die ![]() | 5 |
Das Handelsgericht nahm an, die Beklagte habe durch Eugster, dem die Leitung der Demontage anvertraut worden sei, einen ihr erteilten Auftrag (Art. 394 OR) ausführen lassen, so dass sie gemäss Art. 101 OR für den Schaden hafte, den Eugster in Ausübung seiner Verrichtung der Klägerin verursacht habe. Eugster habe aus dem Auftrag sich ergebende Sorgfaltspflichten verletzt, indem er sich mit einer ungenügenden Sicherung der Kranbahn begnügte und in der Absicht, die Seiltrommel in Gang zu setzen, den Strom einschaltete, obwohl die Umschaltwalze noch auf "Fahren" eingestellt war. Diese Pflichtverletzungen seien für den Schaden kausal. Die Beklagte hafte daher grundsätzlich für den entstandenen Schaden. Dass sie die Haftung für den ganzen Schaden anerkannt habe, treffe nicht zu. Anderseits sei eine Beschränkung der Haftung auf den am Kran entstandenen Schaden nicht vereinbart worden. Dass Eugster nicht auf dem Anbringen der Federpuffer bestanden habe, bedeute angesichts seiner heiklen Stellung und der Tatsache, dass er als Monteur nicht die erforderliche Ausbildung besessen habe, um die drohenden Gefahren voll erkennen zu können, nur eine leichte Fahrlässigkeit. In der falschen Schaltung liege ein momentanes Versagen, das ebenfalls nicht allzu schwer wiege. Seinem Verschulden, das der Beklagten anzurechnen sei, stehe ein "Selbstverschulden" des Bauführers Waller gegenüber. Waller, der kraft seiner Ausbildung besser als Eugster in der Lage gewesen sei, die Gefahren zu erkennen und ihnen durch sachgemässe Weisungen zu begegnen, hätte für die Bereitstellung eines Schweissapparates zum Anbringen der Federpuffer sorgen, sich vermehrt um das Fortschreiten der Arbeit kümmern, die von seinen Leuten verlängerte Kranbahn kontrollieren und wegen der ungenügenden Schienenendsicherung einschreiten sollen. Für eine Begrenzung der Schadenersatzpflicht der Beklagten spreche auch das geringe Entgelt (Stundenlohn und Auslagen des Monteurs in Höhe von Fr. 200.-- bis 300.--), das sie für die Tätigkeit ![]() | 6 |
C.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von Fr. 13'000.-- nebst 5% Zins seit 25. Mai 1962 zu verpflichten, eventuell die Sache zur Ergänzung des Tatbestandes und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie anerkennt heute ein Mitverschulden ihres Bauführers von 1/4 und beziffert die Haftungsquote der Beklagten demgemäss auf 3/4.
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Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung. Sie hält daran fest, dass sie der Klägerin für die Folgen des Kranunfalls überhaupt nicht hafte, weil dieser auf ein grobes Selbstverschulden zurückzuführen sei, dem gegenüber das Verhalten Eugsters völlig in den Hintergrund trete.
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Das Bundesgericht bemisst die Ersatzpflicht der Beklagten auf 3/4 des der Klägerin entstandenen Gesamtschadens, stellt fest, dass auf den der Klägerin hienach zu ersetzenden Betrag die vorprozessualen Leistungen der Beklagten anzurechnen sind, und weist die Sache zur Ermittlung des Gesamtschadens und zu neuer Entscheidung an das Handelsgericht zurück.
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Aus den Erwägungen: | |
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Wie das Handelsgericht aus den Umständen und aus Zeugenaussagen geschlossen hat, war Gegenstand des Auftrages nicht bloss die Mithilfe beim Demontieren des Krans, sondern die Leitung dieser Arbeit. Zu den Pflichten eines hiezu beigezogenen Fachmannes gehört es, vor Beginn der Demontage zu prüfen, ob die dabei zu benützende Kranbahn mit den erforderlichen ![]() | 11 |
Von der Pflicht zum Ersatz des auf das fehlerhafte Verhalten Eugsters zurückzuführenden Schadens könnte sich die Beklagte nur durch den Nachweis befreien, dass ihr, wenn sie selber (durch ihre Organe) so gehandelt hätte wie Eugster, kein Verschulden vorgeworfen werden könnte (BGE 92 II 19 oben mit Hinweisen). Diesen Beweis hat sie nicht geleistet.
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Die Feststellung des Handelsgerichtes, dass die erwähnten Pflichtverletzungen den Sturz des Krans und damit den hieraus entstandenen Schaden verursachten, betrifft tatsächliche Verhältnisse. Die Beklagte behauptet mit Recht nicht, diese Feststellung sei unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen oder beruhe offensichtlich auf einem Versehen. Sie ist daher für das Bundesgericht verbindlich (Art. 63 Abs. 2 OG). Es steht auch ausser Zweifel, dass der festgestellte natürliche Kausalzusammenhang im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtes (BGE 89 II 250 und BGE 91 II 210 mit Hinweisen) adäquat ist.
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a) Die Klägerin, die in der Lage gewesen wäre, den Kran allein mit ihren eigenen Leuten zu demontieren, beauftragte die Beklagte, die auf Baumaschinen spezialisiert ist, mit der Leitung dieser - durch die örtlichen Verhältnisse erschwerten - Arbeit, weil sie die Gefahr eines Unfalles nach Möglichkeit ausschliessen wollte. Sie legte also offensichtlich grossen Wert auf eine in jeder Hinsicht sachgemässe Durchführung dieser Arbeit. Mit der Annahme ihres Auftrages verpflichtete sich die Beklagte folglich zur Anwendung aller von einem Kranfachmann zu erwartenden Sorgfalt. Diese Umstände sprechen dafür, die Beklagte für die Folgen des Versagens ihres Gehilfen voll haften zu lassen.
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b) Der Grad des Verschuldens, der nach Art. 43 OR bei der Bemessung des Schadenersatzes zu würdigen ist, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nur dann zu einer Ermässigung der Ersatzpflicht führen, wenn dem Schädiger bloss leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (BGE 91 II 297 lit. a mit Hinweisen).
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Wie beim Entscheid darüber, ob die Haftung aus Art. 101 OR mangels eines Verschuldens entfalle (vgl. Erw. 1 Abs. 3 hievor), ist das Verhalten der Hilfsperson auch bei Beurteilung der Frage, ob diese Haftung wegen nur leichter Fahrlässigkeit zu mildern ![]() | 19 |
So betrachtet, lässt sich das Verschulden Eugsters nicht als leicht bezeichnen. Für einen Kranfachmann war ohne weiteres erkennbar, dass der mit Draht befestigte Holzbalken keine genügende Schienenendsicherung darstellte, weil er bei einem Anprall des Kran weggeschoben werden konnte, und dass in diesem Fall ein Sturz des Krans drohte. Wenn Eugster, wie das Handelsgericht annimmt, als Monteur nicht die erforderliche Ausbildung besessen haben sollte, um diese Gefahr voll zu erkennen, so käme darauf nichts an, weil die Beklagte für die Sorgfalt eines gut ausgebildeten Kranfachmannes einzustehen hat. Im übrigen lag die erwähnte Gefahr so nahe, dass sie einem Monteur, der wie Eugster schon seit vielen Jahren mit Kranen zu tun hatte, nicht entgehen konnte. Eugster gab sich denn auch offenbar von der Gefahr Rechenschaft, da er zunächst verlangte, die Federpuffer seien anzubringen. Indem er auf dieser Massnahme nicht bestand, sondern die Demontage bei ungenügend gesicherter Kranbahn einleitete, handelte er sehr unvorsichtig. Daran ändert nichts, dass für die Demontage nur ein Tag zur Verfügung stand. Abgesehen davon, dass der erforderliche Schweissapparat zweifellos bald zur Stelle gewesen wäre, wenn Eugster die Anbringung der Federpuffer nachdrücklich verlangt hätte, musste einem verantwortungsbewussten Kranfachmann klar sein, dass Zeitnot den Verzicht auf eine notwendige Sicherheitsvorkehr nicht entschuldigen konnte. Ebensowenig vermochte die Rücksicht auf die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien einen solchen Verzicht zu rechtfertigen.
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An den Anforderungen gemessen, die an einen für eine schwierige Demontage beigezogenen Kranfachmann zu stellen sind, bedeutet auch das Nichtbeachten der falschen Stellung der Umschaltwalze nicht bloss eine leichte Fahrlässigkeit. Da die Kranbahn nicht genügend gesichert war, hatte Eugster um so mehr Grund, sich vor dem Einschalten des Stroms zu vergewissern, dass er damit nicht den Kran in Fahrt setzte.
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Der Grad des Verschuldens, das der Beklagten zuzurechnen ist, vermag somit eine Milderung ihrer Haftung nicht zu rechtfertigen.
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d) Zugunsten der Beklagten ist auch zu berücksichtigen, dass sie für die verantwortungsvolle Verrichtung, die ihr die Klägerin übertrug, nur ein sehr bescheidenes Entgelt zu fordern hatte. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Handelsgerichtes waren ihr nämlich nur der Stundenlohn und die Auslagen des von ihr abgeordneten Monteurs zu vergüten, was zusammen Fr. 200.-- bis Fr. 300.-- ausmachte. Selbst wenn der Stundenlohn, den sie der Klägerin in Rechnung stellen durfte, einen Zuschlag für allgemeine Geschäftsunkosten und Geschäftsgewinn enthalten haben sollte, was dahinsteht, brachte ihr das Geschäft nur einen geringen Vorteil, der dem von ihr eingegangenen Risiko nicht entsprach. Dieser Umstand rechtfertigt eine gewisse Ermässigung ihrer Ersatzpflicht. Die in Art. 99 Abs. 2 OR enthaltene Bestimmung, das Mass der Haftung werde insbesondere dann milder beurteilt, wenn das Geschäft für den Schuldner keinerlei Vorteile bezweckt, verbietet nicht, als Milderungsgrund gegebenenfalls auch den Umstand zu berücksichtigen, dass der Vorteil, den das Geschâft dem Schuldner bietet, verhältnismässig gering ist; denn Art. 99 Abs. 2 OR erwähnt den Fall, dass das Geschäft dem Schuldner überhaupt nichts einbringt, nur als Anwendungsfall der allgemeinen Regel, wonach sich das Mass der Haftung nach der Natur des Geschäftes richtet.
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e) Bei der Gesamtwürdigung der Umstände, die hienach für die Bemessung der Ersatzpflicht der Beklagten von Bedeutung sind, fällt vor allem ins Gewicht, dass die Beklagte als Spezialfirma ![]() | 25 |
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