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38. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juli 1967 i.S. Widmer gegen Rymann AG. | |
Regeste |
Art. 1 Abs. 1 UWG. |
Gemeinfreiheit des Erzeugnisses als grundsätzlicher Beendigungsgrund des Nachahmungsverbots (Erw. 5). |
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG. |
Beschränkung dieser Vorschrift auf den Ausstattungsschutz eines Erzeugnisses. (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Die Rymann AG. stellte in den Jahren 1957 bis 1962 für Widmer etwas über siebzig solcher Kuttelreinigungsmaschinen her und lieferte sie ihm. Im Laufe dieser Jahre wurde auch die Ausstattung dieser Maschine umgestaltet. Der Bottich wurde durch einen Deckel, eine seitliche Türe und einen Ablaufstutzen ergänzt; ausserdem wurde der niedrige Fuss durch einen mit Rippen versehenen Ständer ersetzt.
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In den Jahren 1961/62 stellte die Rymann AG. für Widmer den Prototyp einer Darmreinigungsmaschine her, der jedoch nicht voll befriedigte.
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Die Parteien brachen im Oktober 1962 ihre geschäftlichen Beziehungen ab, nachdem die Rymann AG. eine Erhöhung ihres Werklohnes für die Kuttelreinigungsmaschine verlangt hatte. Ab November 1962 belieferte sie A. Maichle in St. Gallen mit Kuttelreinigungsmaschinen.
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Eine von der Rymann AG. auf den 31. Oktober 1961 erstellte Abrechnung schloss mit einem Saldo von Fr. 14'607.15 zu ihren Gunsten. Sie übertrug diesen Saldo auf ihren Rechnungsauszug vom 18. Juni 1963, der die fällige Schuld des Beklagten auf Fr. 9'216.30 bezifferte.
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B.- Die Rymann AG. klagte am 30. Januar 1964 beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen Widmer auf Zahlung von Fr. 9'216.30 zuzüglich 5% Zins seit 12. September 1963 und Fr. 12.30 Zahlungsbefehlskosten.
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Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und stellte dem von ihm grundsätzlich anerkannten Teilbetrag von Fr.
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Das Handelsgericht des Kantons Zürich hiess am 12. Dezember 1966 die Hauptklage im Betrage von Fr. 8'463.75 nebst 5% Zins seit 12. September 1963 und Betreibungskosten von Fr. 12.30 gut und wies die Widerklage ab.
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Das Handelsgericht stellt fest, der Beklagte habe den Beweis für seine Behauptung, die Klägerin habe sich verpflichtet, für Dritte keine Kuttelreinigungsmaschinen herzustellen und ihm ein ausschliessliches Bezugsrecht einzuräumen, nicht erbracht. Dagegen sei anzunehmen, dass zwischen den Parteien eine stillschweigende Abmachung des Inhalts bestanden habe, dass dem Beklagten solange ein ausschliessliches Bezugsrecht zustehe, als er von der Klägerin regelmässig Maschinen kaufe. Daraus könne aber nicht ohne weiteres geschlossen werden, es sei der Klägerin auch nach Abbruch der Geschäftsbeziehungen verwehrt gewesen, die Maschine an Dritte zu verkaufen.
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Unbegründet ist nach Auffassung der Vorinstanz der Vorwurf des Beklagten, die Klägerin verletze durch den Verkauf der Kuttelreinigungsmaschine an Dritte eine Treuepflicht und verstosse gegen Treu und Glauben im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UWG, indem sie Kenntnisse, die sie auf Grund des Vertragsverhältnisses mit dem Beklagten erworben habe, für ihre eigenen Zwecke verwende.
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Die Vorinstanz stellt mit Bezug auf die Treuepflicht fest, die Kuttelreinigungsmaschine beruhe auf dem Prinzip der Schleuderwirkung, welches die Klägerin bei der Herstellung von Zentrifugen seit jeher angewendet habe. Die dem Beklagten zuzuschreibende Verbesserung habe darin bestanden, dass der Spalt zwischen Bottichwand und Laufplatte vom Rand weg gegen das Innere des Behälters verlegt wurde, was die Schädigung des Reinigungsgutes durch Klemmen verhinderte. Diese Konstruktionsidee habe von der Klägerin auf Grund der vertraglichen Treuepflicht auf jeden Fall während der Dauer der Geschäftsbeziehungen nicht ausgewertet werden dürfen. In der Folge sei jedoch die Klägerin wie jedermann befugt gewesen, die weder patent- noch modellrechtlich geschützte Maschine nachzuahmen und auf den Markt zu bringen.
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C.- Der Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er ficht das vorinstanzliche Urteil in dem Umfang, als es die Hauptklage gutheisst, nicht an, lässt das mit der Widerklage gestellte Unterlassungsbegehren fallen und beantragt, die Klägerin zur Zahlung von Fr. 55'000.-- als Schadenersatz zu verpflichten, abzüglich die von der Vorinstanz im Betrage von Fr. 8'463.75 nebst Zins geschützte Klageforderung.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Entscheidend ist, dass die Parteien für den vom Beklagten in Betracht gezogenen Fall nichts vorgesehen haben. Es ist nicht Sache des Richters, den Vertrag durch ein zufälliges ![]() | 17 |
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Indem die Klägerin nach Abbruch der Geschäftsbeziehungen ähnliche Maschinen wie der Beklagte herstellte und verkaufte, machte sie sich Gedankengut des Beklagten und damit eine Erfindung desselben zunutze.
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Ob die Erfindung des patentrechtlichen Schutzes fähig war, ist nicht entscheidend. Massgebend ist bloss, dass sie nicht geschützt war. Durch den jahrelangen Verkauf der Maschinen in der Schweiz wurde die Erfindung gemeinfrei und durfte daher von jedermann nachgeahmt werden. Demnach hätte sich auch Maichle - ein ehemaliger Kunde und späterer Konkurrent des Beklagten - dem die Klägerin die neuen Maschinen zur Hauptsache verkauft, an irgend einen Hersteller wenden und von diesem die gleichen Maschinen beziehen dürfen.
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Die Frage des Schadenersatzes stellt sich daher nur unter dem Gesichtspunkt einer vertraglichen Pflicht.
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4. Wie das angefochtene Urteil mit Recht hervorhebt, haben sich die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht in Werkverträgen über einzelne oder mehrere Maschinen erschöpft. Die sich über mehrere Jahre (1957-1962) erstreckenden Geschäftsbeziehungen der Parteien, ihre enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Herstellung und Verbesserung der Maschine hatten die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses und damit eine entsprechende Treuepflicht zur Folge. Diese bestand vor allem darin, dass während der Dauer der Geschäftsbeziehungen dem Beklagten ein ausschliessliches Bezugsrecht ![]() | 22 |
Es fragt sich anderseits, ob die Klägerin auch nach Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit dem Beklagten an eine solche Treuepflicht gebunden war.
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Die Vorinstanz stellt in Übereinstimmung mit den Parteien fest, dass die Parteien im Oktober 1962 ihre Geschäftsbeziehungen deshalb abgebrochen haben, weil die Klägerin für die Herstellung der Maschine einen höhern Preis gefordert hatte. Der Beklagte behauptet nicht, die Vorinstanz habe zu diesem Punkt Beweisanträge zurückgewiesen und damit Art. 8 ZGB verletzt. Seine Aktenwidrigkeitsrüge bezieht sich auf Behauptungen im Prozess, womit er das Verhalten der Klägerin beanstandet, und nicht auf Beweisurkunden, die von der Vorinstanz nicht berücksichtigt worden seien.
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Die Parteien waren demnach ab Oktober 1962 in der Gestaltung ihrer Geschäftsbeziehungen grundsätzlich frei.
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Das Bundesgericht liess sich im zitierten Entscheid insbesondere von der Überlegung leiten, dass der Besteller die dem Unternehmer bekannte Absicht hatte, die Erfindung geheim zu halten und später ohne patentrechtlichen Schutz wirtschaftlich auszuwerten. Das Geheimnis sei nicht schon durch die ![]() | 27 |
Diesem Entscheid ist zunächst zu entnehmen, dass beim Werkvertrag unter Umständen der Unternehmer nach Treu und Glauben verpflichtet ist, ein ihm geoffenbartes Fabrikationsgeheimnis weder Dritten gegenüber zu enthüllen noch für sich selber zum Nachteil des Bestellers auszuwerten. Daraus folgt also eine Pflicht des Unternehmers, ein ihm anvertrautes Fabrikationsgeheimnis zu bewahren. Diese Pflicht zur Geheimhaltung ergibt sich ihrerseits aus der werkvertraglichen Treuepflicht.
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Der zitierte Entscheid besagt auch, dass die Pflicht zur Geheimhaltung des Fabrikationsgeheimnisses des Bestellers nach Beendigung des Werkvertrages weiter besteht. Damit wird der Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die vertraglich begründete Schweigepflicht auch nach Aufhebung des Vertragsverhältnisses andauert. Die Pflicht zur Geheimhaltung wäre sonst sinnlos, da sich der Vertragspartner ihrer durch Kündigung des Vertrages entschlagen könnte. Das gilt auch mit Bezug auf die dem Unternehmer nach Treu und Glauben obliegende Pflicht, die geheim gebliebene Konstruktionsidee des Bestellers nicht zum eigenen Vorteil auszunutzen.
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Die Geheimhaltungspflicht besteht nach dem in Frage stehenden Entscheid nach Beendigung des Vertragsverhältnisses solange, als die Konstruktionsidee nicht verbreitet und den Konkurrenten zugänglich gemacht worden ist. Der Entscheid legt besonderes Gewicht auf den Willen des Bestellers zur Geheimhaltung des Geheimnisses sowie auf den Umstand, dass das Geheimnis gegenüber möglichen Konkurrenten trotz der Vorführung des Prototyps bei Strassenfachmännern gewahrt blieb. Der Unternehmer habe dadurch gegen Treu und Glauben verstossen, dass er Gedankengut des Bestellers verwendet und damit diesen in der Auswertung der Erfindung überflügelt habe. Der Entscheid wirft in einem unveröffentlichten Teil auch die Frage auf, ob der Unternehmer berechtigt sei, das allgemein ![]() | 30 |
Dass die Pflicht zur Geheimhaltung eines Geheimnisses mit der Preisgabe desselben gegenstandslos wird, versteht sich von selber. Die vertragliche Pflicht, die Erfindungsidee als persönliches Gut des Bestellers geheimzuhalten, besteht nicht mehr, wenn die Idee gemeinfrei geworden ist. Sie kann daher von jedermann nachgeahmt werden und gehört sowohl dem Besteller als auch dem Unternehmer. Eine Treuepflicht des Unternehmers ist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nur dann anzunehmen, wenn der Besteller hiefür ein rechtliches Interesse nachzuweisen imstande ist. Das ist dann der Fall, wenn der Unternehmer die noch dem Besteller gehörende Idee zu eigenem Nutzen verwendet. Fehlt es aber an einer solchen Voraussetzung, so ist fraglich, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt der Besteller seinem früheren Vertragspartner ein Verhalten untersagen lassen kann, das er von jedermann dulden muss. Sicherlich hat er ein Interesse daran, von seinem frühern Konstrukteur nicht konkurrenziert zu werden. Dieses Interesse ist aber, weil tatsächlicher Art, unbeachtlich.
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Die auf dem Grundsatz von Treu und Glauben aufgebaute Treuepflicht des Unternehmers führt zu einer weitherzigen Fassung der gesetzlichen Pflichten des Unternehmers. Sie rechtfertigt sich einerseits zur Hauptsache aus der Pflicht, eine dem Besteller gehörende Konstruktionsidee nicht auszunutzen und anderseits, wenn die Idee gemeinsames Gut geworden ist, aus den fortgesetzten Rechtsbeziehungen der Parteien, die durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gekennzeichnet sind, bei der die beiden Partner die Anstrengungen zur Verbesserung des Erzeugnisses vereinen. Wenn aber keines dieser beiden Momente bestehen bleibt, die Idee gemeinfrei geworden ist und die Zusammenarbeit aufgehört hat, ist der Treuepflicht der Boden entzogen. Sie zu bejahen, hiesse ihren Inhalt entsprechend den Umständen, die zum Vertragsbruch geführt haben, abstufen. Sie wäre beispielsweise in einem Fall zu verneinen, da der Besteller einen jahrelang von ihm vollbeschäftigten bescheidenen Handwerker im Stiche lässt, die Fabrikation einer besser eingerichteten Firma überträgt und damit seinen frühern Vertragspartner ![]() | 32 |
Die Rechtsprechung hat sich Zurückhaltung aufzuerlegen, wenn es eine Partei unterlassen hat, die vom Gesetz vorgesehenen Schutzvorkehren in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte hätte die Konkurrenz der Klägerin entweder durch Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes oder bei einer schutzfähigen Erfindung durch Einreichung eines Patentgesuches vermeiden können. Wenn der Beklagte unterliess, die ihm zur Verfügung stehenden Schutzmassnahmen zu treffen, oder darauf verzichtete, weil er ein Patentgesuch als wenig aussichtsreich erachtete, so steht es ihm schlecht an, ein Recht gegen die Klägerin anzurufen und auf dem Wege der Vertragsauslegung Befugnisse zu beanspruchen, von denen nicht feststeht, dass die Parteien bei Vertragsabschluss daran gedacht haben.
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Der Beklagte beruft sich schliesslich auf BGE 90 II 51. Diesem umstrittenen Entscheid liegt ein ganz anderer als der hier zu beurteilende Sachverhalt zugrunde. Dort hatte die Beklagte das Vertrauen einer Firma missbraucht, indem sie die im Hinblick auf einen Kauf bestellten Stoffmuster nachahmte.
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Der Beklagte kann sich, wie dargetan, nicht auf eine vertragliche Pflicht der Klägerin berufen, die es ihr verbietet, die streitige Maschine nach Beendigung des Vertragsverhältnisses herzustellen.
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Nach der angerufenen Bestimmung verstösst gegen Treu und Glauben und begeht somit unlautern Wettbewerb, wer Massnahmen trifft, die bestimmt oder geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines andern herbeizuführen. Diese Vorschrift bezieht sich nach der Rechtsprechung nur auf die Ausstattung einer Ware, also auf die äussere Form, die Aufmachung, wie Farbe und dergleichen, ![]() | 37 |
Das Handelsgericht ist der Auffassung, es bestehe eine Verwechslungsgefahr, weil die von der Klägerin vertriebene Maschine von der aus Metzgern und nicht aus Technikern bestehenden Kundschaft als verbessertes Modell 1962 des Beklagten betrachtet werden könne. Entscheidend ist aber nach verbindlicher Feststellung des Handelsgerichts die Tatsache, dass die von der Klägerin gewählte Ausgestaltung der Maschine technisch bedingt war. Der Beklagte hat zu diesem Problem, obwohl in der Referentenaudienz im Sinne von § 94 zürch. ZPO daraufaufmerksam gemacht, nicht Stellung genommen, sondern sich mit dem Hinweis auf die Verwechslungsgefahr und auf angebliche Machenschaften der Klägerin begnügt. Er hat in keiner Weise darzulegen versucht, inwiefern die Maschine der Klägerin eine freie, nicht technisch bedingte Nachahmung darstellt. Ebensowenig behauptet er, die Klägerin hätte eine Maschine herstellen können, die sich von der seinen genügend unterschieden hätte. Da der Beklagte den Beweis dafür, dass die ![]() | 38 |
Der Beklagte wendet schliesslich ein, den von der Vorinstanz angeführten Entscheiden lägen Wettbewerbsverhältnisse zwischen Konkurrenten ohne vertragliche Bindung zugrunde, während im vorliegenden Fall die Klägerin durch ein "nach Treu und Glauben gebundenes Vertragsverhältnis" die Erfindungsidee des Beklagten wahrgenommen und ausgenutzt habe. Damit verkennt der Beklagte, dass er sich wieder auf den Boden der vertraglichen Haftung stellt, die aus den angeführten Gründen zu verneinen ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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