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50. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Oktober 1967 i.S. Rothenberger gegen Gefa, Gesellschaft für Absatzfinanzierung m.b.H. | |
Regeste |
Bürgschaft. Internationales Privatrecht. | |
Sachverhalt | |
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Durch Vertrag vom 11. Juni 1959, der in Düsseldorf abgeschlossen wurde, übernahm Rothenberger die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Forderungen, die der Gefa gegenüber der von ihm beherrschten Firma WAMEX "aus der Gewährung von Krediten in irgendwelcher Form oder Art, aus laufender Rechnung, aus Wechsel- oder sonstigen Geschäften jetzt oder künftig zustehen mögen". Für die Verpflichtungen Rothenbergers aus dieser Bürgschaft wurde Wuppertal als Erfüllungsort bezeichnet und das dort geltende Recht als massgebend erklärt.
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Auf Grund ihrer Bürgschaftsverpflichtung vom 5./9. Juni 1959 musste die WAMEX für Verluste im Betrage von DM 11 686.52 einstehen, welche die Gefa aus Darlehen an Käufer von Waschmaschinen erlitten hatte. Die WAMEX kamjedoch im Mai 1963 in Konkurs.
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B.- Die Gefa belangte Rothenberger gestützt auf seine Bürgschaftsverpflichtung vom 11. Juni 1959 auf Bezahlung des oben genannten Betrages nebst 8% Zins seit 10. August 1964.
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Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage mit der Begründung, seine Bürgschaftsverpflichtung sei ungültig, weil die Formvorschriften des massgebenden schweizerischen Rechts (Art. 493 OR) nicht eingehalten worden seien; eventuell sei einer nach deutschem Recht gültigen Bürgschaft der Schutz in der Schweiz wegen Unvereinbarkeit mit der schweizerischen öffentlichen Ordnung zu verweigern.
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D.- Gegen das Urteil des Obergerichts vom 10. März 1967 hat der Beklagte die Berufung erklärt, mit der er am Antrag auf Abweisung der Klage festhält.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Schuldrechtliche Verträge - also auch die Bürgschaft - unterstehen nach dem Grundsatz der Parteiautonomie in erster Linie dem Recht, dem die Parteien ihre Rechtsbeziehungen unterstellt haben. Von dieser Befugnis haben die Parteien Gebrauch gemacht, indem sie im Bürgschaftsvertrag vom 11. Juni 1959 das in Wuppertal geltende Recht, d.h. also das deutsche Recht, als massgebend bezeichnet haben. Die Gültigkeit dieser Rechtswahl, die sich nach schweizerischem Recht bestimmt, steht ausser Zweifel, da die Bürgschaft für Verpflichtungen einer deutschen Firma (der WAMEX GmbH) gegenüber einer andern deutschen Firma (der Gefa) geleistet wurde und darum die Möglichkeit ausscheidet, dass die Rechtswahl nur erfolgte, um die Formvorschriften des schweizerischen Bürgschaftsrechtes zu umgehen.
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Dass eine nach deutschem Recht gültige Bürgschaft vorliegt und die Voraussetzungen für die Belangung des Bürgen nach diesem Recht erfüllt sind, bestreitet der Beklagte nicht. Diese Frage wäre übrigens, weil vom deutschen Recht beherrscht, der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen.
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Nach schweizerischem Recht zu beurteilen und daher der Berufung zugänglich ist dagegen der vom Beklagten erhobene Einwand, die Durchsetzung der nach deutschem Recht der Klägerin zustehenden Bürgschaftsansprüche sei mit der schweizerischen öffentlichen Ordnung unvereinbar, weil die vom schweizerischen Recht für den Bürgschaftsvertrag zwingend vorgeschriebenen Formerfordernisse (öffentliche Beurkundung. ![]() | 12 |
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a) Die Vorschriften von Art. 493 OR, dass der Bürgschaftsvertrag der öffentlichen Beurkundung bedürfe und den Höchstbetrag der Haftung angeben müsse, sind zwingender Natur. Das bedeutet jedoch nicht ohne weiteres, dass sie auch den um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellten Vorschriften zuzurechnen sind. Auch zwingende Bestimmungen bilden nur dann Bestandteil der öffentlichen Ordnung, wenn das ausländische Recht, das im Inland angewendet werden soll, mit der hier geltenden Rechtsordnung unvereinbar ist. Das trifft nur zu, wenn mit der Berücksichtigung des ausländischen Rechts grundlegende Vorschriften der schweizerischen Rechtsordnung missachtet werden, wenn dadurch das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise verletzt wird und wenn das schweizerische Rechtsdenken zwingend den Vorrang gegenüber dem anwendbaren ausländischen Recht erheischt (BGE 84 I 121 f. und dort aufgeführte Rechtsprechung und Literatur).
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Diese Voraussetzungen für das Eingreifen des Vorbehalts der öffentlichen Ordnung sind vorwiegend bei Entscheiden über die Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile in der Schweiz entwickelt worden. Sie gelten aber im wesentlichen auch bei der direkten Gesetzesanwendung durch den schweizerischen Richter.
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b) Der Zweck der Formvorschriften des Art. 493 OR besteht darin, dem Bürgen die Tragweite seiner Verpflichtung vor Augen zu führen und ihn von übereilten Bürgschaftsversprechen abzuhalten. Damit soll neben ihm auch seine Familie davor geschützt werden, in Not zu geraten. Im Hinblick auf diese sozialpolitische Zwecksetzung wurde früher vereinzelt die Auffassung vertreten, die Formvorschriften des Art. 493 OR hätten ganz allgemein als um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt zu gelten (HOMBERGER, Die obligatorischen Verträge im internationalen Privatrecht ..., S. 58, Fussnote l; BGE 64 II 350 Erw. 1 i.f.). Die herrschende Meinung ging jedoch (entgegen BGE 84 I 124) nicht so weit. Sie nahm an, der Vorbehaltscharakter der schweizerischen Formvorschriften gelte gegenüber dem ausländischen Recht unterstehenden Bürgschaftsverträgen nur für Bürgen, die zur Zeit der Eingehung der Bürgschaft ihren Wohnsitz in der Schweiz hatten, während im übrigen nach der Regel "locus regit actum" das Recht des ausländischen Errichtungsortes massgebend bleibe (OSER/SCHÖNENBERGER, Vorbem. zu Art. 492 - 512 OR, N. 33; BECK, ZbJV 71 S. 516; derselbe, Das neue Bürgschaftsrecht, Einleitung N. 54). Seither hat sich jedoch die Auffassung Bahn gebrochen, auch bei Wohnsitz des Bürgen in der Schweiz sei eine auf die öffentliche Ordnung gestützte Einschränkung der Regel "locus regit actum" abzulehnen, da sie die Vorbehaltsklausel ![]() | 17 |
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Das Fehlen der öffentlichen Beurkundung steht somit der Durchsetzung des streitigen Bürgschaftsanspruchs in der Schweiz nicht im Wege.
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a) Schon Art. 493 des OR von 1911 verlangte die Angabe eines bestimmten Betrages der Haftung des Bürgen. Diese ![]() | 21 |
In der Folge erhöhte das Bundesgericht die Anforderungen hinsichtlich der Angabe des Höchstbetrages. Diese musste aus der Bürgschaftsurkunde selbst hervorgehen, sei es durch ausdrückliche Bezifferung des Gesamtbetrages oder mindestens durch ziffernmässige Angabe der ihm zugrunde liegenden Elemente, so dass er aus diesen durch einfache rechnerische Operation und ohne Zuhilfenahme sonstigen Wissens festgestellt werden konnte; der Angabe des Betrages im Bürgschein selbst wurde die Verweisung auf die vom Hauptschuldner ausgestellte Schuldanerkennung gleichgestellt, falls Bürgschaftserklärung und Schuldanerkennung in der gleichen Urkunde vereinigt waren (BGE 64 II 353). In einem weiteren Entscheid (BGE 65 II 35) wurde jedoch auch eine Verweisung auf eine vom Bürgschein getrennte Schuldurkunde beim Vorliegen besonderer Umstände als zulässig erklärt.
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Die heute geltende strenge Regelung, wonach der Höchstbetrag der Bürgenhaftung in der Bürgschaftsurkunde selbst genau beziffert sein muss, wurde erst durch die Revision von 1941 eingeführt.
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b) Angesichts dieser in schrittweiser Entwicklung vorgenommenen Verschärfung der Anforderungen an die Form der Bürgschaftserklärung lässt sich nicht sagen, die heutige gesetzliche Regelung sei derart tief im schweizerischen Rechtsbewusstsein verwurzelt, dass die Durchsetzung einer auf ausländischem, in dieser Hinsicht weniger strengen Recht beruhenden ![]() | 24 |
Kommt somit nichts darauf an, wo der Bürge zur Zeit der Eingehung seiner Verpflichtung Wohnsitz hatte, so erübrigt sich eine Abklärung der von der Vorinstanz offen gelassenen Behauptung des Beklagten, er habe zur Zeit der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung in Zürich gewohnt.
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c) Ein Vorbehalt ist immerhin am Platze: Ein Eingreifen der Vorbehaltsklausel liesse sich in Erwägung ziehen für den Fall, dass das massgebende ausländische Recht die Gültigkeit einer Bürgschaft auch bejahen sollte, wenn jeder Anhaltspunkt fehlt, der es dem Bürgen ermöglichen würde, sich über die finanzielle Tragweite seiner Verpflichtungen einigermassen Rechenschaft zu geben. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da die Voraussetzungen hiefür im vorliegenden Falle nicht erfüllt sind. Nach den tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz war der Beklagte am Gesellschaftskapital der WAMEX GmbH von DM 21'000.-- mit DM 196'000.-- beteiligt. Als Beherrscher und Geschäftsführer der GmbH konnte er sich jederzeit über deren Verpflichtungen gegenüber der Klägerin genau Rechenschaft geben. Er wusste infolgedessen auch, in welchem Umfang er auf Grund seiner Bürgschaftsverpflichtung gegebenenfalls einzustehen hätte. Ob seine Verpflichtungen wuchsen oder sich verminderten, hing zudem von ihm ab; denn die Darlehensanträge waren von der GmbH, also von ihm selber, nicht von ![]() | 26 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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