BGE 94 II 145 | |||
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26. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Februar 1968 i.S. Schoch gegen Stiftung Schüler Ferienversorgung Herzogenbuchsee. | |
Regeste |
Grunddienstbarkeit (Fahrwegrecht); Vereinigung des berechtigten Grundstücks mit einem andern. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Die Stiftung Schüler-Ferienversorgung Herzogenbuchsee (Stiftung) besitzt in Grindelwald das nördlich durch den Terrassenweg begrenzte, nach Süden abfallende Grundstück Nr. 3091. Östlich davon befand sich früher das ebenfalls am Terrassenweg liegende, nur halb so weit wie Nr. 3091 nach Süden reichende Grundstück Nr. 2952, weiter östlich das in seinem nördlichen Teil an Nr. 2952 und den Terrassenweg grenzende, in seinem südlichen Teil die Ostgrenze von Nr. 3091 berührende, Schoch gehörende Grundstück Nr. 3094 mit einem Ferienhaus. Den südlichen Teil des Grundstücks Nr. 3091 überquert ein westlich dieses Grundstücks vom Terrassenweg abzweigender, bis zur Grenze zwischen diesem Grundstück und der Parzelle Schoch führender Fahrweg. Schoch benützte diesen Weg als Zufahrt zu seinem Ferienhaus, was die Stiftung lange Zeit duldete. Er glaubte, er sei zu dieser Wegbenützung berechtigt. Er hatte nämlich zu seinem Grundstück Nr. 3094 hinzu den (unter Nr. 2952 verbliebenen) östlichen Teil des Grundstücks Nr. 2952 erworben, zu dessen Gunsten ein Fahrwegrecht zulasten von Nr. 3091 eingetragen war. Nach dem Errichtungsakt vom Jahre 1921 bezog sich dieses Recht jedoch auf einen andern Weg, der zwischen dem bestehenden Weg und dem Terrassenweg hätte verlaufen sollen, aber nie erstellt wurde.
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B.- Am 16. August 1960 ersuchte Schoch das Grundbuchamt Interlaken, seine Grundstücke Nr. 3094 und 2952 "unter Ausdehnung der Dienstbarkeiten" zu vereinigen und dem neuen Grundstück die Nummer 2952 zu geben. Das Amt entsprach diesem Gesuch, ohne die Stiftung zu begrüssen, da Schoch erklärt hatte, durch die Vereinigung entstehe für die Dienstbarkeitsbelasteten keine Mehrbelastung.
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Ebenfalls am 16. August 1960 verkaufte Schoch den nördlichen Teil des vergrösserten Grundstücks Nr. 2952 an Chavannes. Das zugunsten von Nr. 2952 und zulasten von Nr. 3091 eingetragene Wegrecht wurde mit Bezug auf die an Chavannes verkaufte Parzelle als sie nicht betreffend gelöscht. Am 11. Februar 1961 verkaufte Schoch die südliche Hälfte des ihm verbliebenen Landes an Losinger, der das Wegrecht über Nr. 3091 für sein Grundstück nicht beanspruchte. Schoch behielt nach diesen Verkäufen als Grundstück Nr. 2952 eine Parzelle von 1992 m2 mit seinem Ferienhaus.
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C.- Am 3. September 1966 reichte die Stiftung gegen Schoch Klage ein mit den Begehren, es sei festzustellen, dass zugunsten des Grundstücks Nr. 2952 und zulasten des Grundstücks Nr. 3091 kein Fahrwegrecht bestehe; die bezüglichen Grundbucheinträge seien zu löschen; dem Beklagten sei zu untersagen, über das Grundstück Nr. 3091 zu fahren. Sie machte geltend, der Beklagte habe am 16. August 1960 u.a. das ganze Grundstück Nr. 2952 im vor der Vereinigung mit Nr. 3094 gegebenen Umfange, zu dessen Gunsten das Wegrecht bestand, unter Löschung des Wegrechts an Chavannes verkauft; das Wegrecht sei bloss noch zugunsten eines Teils des früheren Grundstückes Nr. 3094 (neue Parzelle Nr. 2952) eingetragen, zu dessen Gunsten es nie bestanden habe.
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Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er anerkannte, dass zugunsten seiner Parzelle Nr. 3094 nie ein Fahrwegrecht zulasten von Nr. 3091 bestanden habe, behauptete aber, er habe einen Teil des früheren Grundstückes Nr. 2952 behalten und dürfe das mit diesem Grundstück verbundene Wegrecht nach wie vor in bisheriger Weise ausüben; die Vereinigung der früheren Parzellen Nr. 2952 und 3094 habe nicht zu einer Mehrbelastung der Klägerin geführt.
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Das Beweisverfahren ergab, dass der Beklagte vom Grundstück Nr. 2952, wie es vor dem 16. August 1960 bestanden hatte, in dessen südlicher Randzone noch eine schmale dreieckige Fläche von höchstens 18 m2 besitzt, die an einem bewaldeten Steilhang liegt.
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Der Appellationshof des Kantons Bern stellte in seinem Urteil vom 6. Juli 1967 fest, das zugunsten von Nr. 2952 und zulasten von Nr. 3091 eingetragene Fahrwegrecht dürfe nur insoweit ausgeübt werden, als es sich um den Zugang zur erwähnten dreieckigen Fläche von höchstens 18 m2 handle, ordnete die Eintragung dieser Beschränkung im Grundbuch an, verbot dem Beklagten, das Wegrecht zu einem andern als zum genannten Zweck auszuüben, und wies die weitergehenden Begehren der Klägerin ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Es ist sehr wohl denkbar, dass die Vereinigung eines dienstbarkeitsberechtigten Grundstücks mit einem anderen Grundstück nicht zu einer unzulässigen Mehrbelastung des Verpflichteten führt. So hätte es sich wohl verhalten, wenn das streitige Wegrecht zugunsten des Grundstücks Nr. 3094 begründet worden wäre und nun auch für den damit zusammengelegten Teil des Grundstücks Nr. 2952 beansprucht würde.
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Das Fahrwegrecht wurde jedoch zugunsten des früheren Grundstücks Nr. 2952 begründet und war für dessen Bedürfnisse bestimmt. Die Ausdehnung dieses Rechts auf den im Besitz des Beklagten gebliebenen Teil des frühern Grundstücks Nr. 3094 führt unbestreitbar zu einer erheblichen Mehrbelastung der Klägerin, und zwar gilt das auch dann, wenn man den Umfang des Grundstücks Nr. 2952 zur Zeit der Einräumung des Wegrechts und die im Falle einer Überbauung dieses Grundstücks durch einen Ortseinwohner zu erwartende Beanspruchung des Weges in Betracht zieht. Der Fahrweg, auf den die Parteien das streitige Wegrecht heute beziehen, führt nämlich überhaupt nicht zum frühern Grundstück Nr. 2952, sondern erreicht nach den Plänen ziemlich weit (ca. 25 m) unterhalb der Südgrenze dieses Grundstücks das frühere Grundstück Nr. 3094. Von dort führte und führt kein Fahrweg zum frühern Grundstück Nr.2952 Der Dienstbarkeitsvertrag von 1921 sah zugunsten von Nr. 2952 das Recht zur Benützung eines in jener Gegend verlaufenden Fusswegs vor, der später einging. Auch im Falle einer Überbauung des früheren Grundstücks Nr. 2952 war daher nicht mit einer erheblichen Benützung des bestehenden Fahrwegs über Nr. 3091 zu rechnen. (Dagegen wäre der im Vertrag von 1921 erwähnte, zwischen dem bestehenden Fahrweg und dem Terrassenweg anzulegende neue Weg, dessen Benützung das streitige Fahrwegrecht dem Eigentümer von Nr. 2952 eigentlich erlauben sollte, möglicherweise recht intensiv benützt worden, doch wurde dieser neue Weg eben nicht gebaut und hat der Beklagte das Fahrwegrecht von Anfang an nicht dafür, sondern für den bestehenden Weg beansprucht.) Für den im Besitz des Beklagten gebliebenen Teil des früheren Grundstücks Nr. 3094 bedeutet der bestehende Fahrweg über Nr. 3091 demgegenüber die einzige befahrbare Verbindung mit dem öffentlichen Wegnetz. Obwohl auf dem genannten Teil des frühern Grundstücks Nr. 3094 nur ein nicht ganzjährig benütztes (aber immerhin nicht bloss vom Beklagten, sondern zeitweise auch von Gästen oder Mietern bewohntes) Ferienhaus steht, führt die Ausübung des streitigen Fahrwegrechts für Fahrten zu diesem Grundstücksteil und von ihm hinweg also unzweifelhaft zu einer weit stärkeren Belastung des Grundstücks der Klägerin (Nr. 3091), als sie bei Beanspruchung des Fahrwegs für die Bedürfnisse des frühern Grundstücks Nr. 2952 sogar im Falle der Überbauung dieses Grundstücks durch einen ständig dort wohnenden Eigentümer zu erwarten war. Schon aus diesem Grunde darf die zugunsten des frühern Grundstücks Nr. 2952 begründete Wegberechtigung nicht auf die Ferienhausparzelle des Beklagten ausgedehnt werden.
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7. Der aus Art. 739 ZGB folgende Grundsatz, dass eine unerhebliche Mehrbelastung infolge veränderter Bedürfnisse des berechtigten Grundstücks zu dulden ist, gilt im übrigen nur unter der Voraussetzung, dass die Ausübung der Dienstbarkeit zur Befriedigung der veränderten Bedürfnisse im Rahmen des Zwecks bleibt, für den die Dienstbarkeit errichtet wurde. Die Ausübung zu einem andern, vom ursprünglichen unabhängigen Zweck bedeutet eine Überschreitung des Dienstbarkeitsrechts, die der Belastete nicht zu dulden hat, auch wenn daraus keine Mehrbelastung entsteht (LIVER, N. 2-4 zu Art. 739; vgl. BGE 92 II 94 Erw. 4 mit Hinweisen).
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Das streitige Wegrecht wurde offensichtlich nur zu dem Zwecke begründet, um dem frühern Grundstück Nr. 2952 eine die direkte Zufahrt vom Terrassenweg aus ergänzende Zufahrt zu verschaffen. Die Ausdehnung der Berechtigung auf das damit vereinigte frühere Grundstück Nr. 3094 liefe auf eine Änderung des ursprünglichen Zwecks der Dienstbarkeit hinaus. Auch deshalb darf sich die Klägerin dieser Ausdehnung widersetzen.
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Die Vorinstanz hat darum mit Recht die Ausübung des zugunsten des heutigen Grundstücks Nr. 2952 eingetragenen Wegrechts auf den Verkehr zu dem im Besitz des Beklagten gebliebenen Rest des frühern Grundstücks Nr. 2952 beschränkt und dem Beklagten verboten, es zu andern Zwecken auszuüben. Obwohl als berechtigtes Grundstück nur ein Grundstück als Ganzes in Frage kommt, kann die Ausübung einer Dienstbarkeit auf die Befriedigung der Bedürfnisse eines Teils des berechtigten Grundstücks beschränkt werden (LIVER, N. 30 in Verbindung mit N. 24 zu Art. 730 ZBG).
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An diesem Ergebnis ändert nichts, dass der Beklagte heute von dem ursprünglich etwa 1500 m2 und später noch 495 m2 messenden frühern Grundstück Nr. 2952 nur noch etwa 18 m2 besitzt und dass die Wegberechtigung nicht auf den an Chavannes verkauften Teil dieses Grundstücks übertragen wurde, so dass die Belastung des Grundstücks Nr. 3091 durch die Benützung des streitigen Wegs als Zufahrt zum Gebiet der frühern Parzelle Nr. 2952 abgenommen hat (soweit sie überhaupt je aktuell war). Eine Abnahme der mit der Ausübung der Dienstbarkeit zum ursprünglichen Zweck verbundenen Belastung ist kein Grund dafür, die Ausübung zu einem andern, durch den Inhalt der Dienstbarkeit nicht gedeckten Zwecke zu gestatten.
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Inwiefern der angefochtene Entscheid die Vorschrift des Art. 743 ZGB über die Teilung des berechtigten Grundstücks verletzen könnte, ist nicht zu sehen. Wenn der Erwerber des vom Beklagten im Jahre 1960 verkauften Teils der damaligen Parzelle Nr. 2952 auf die zu deren Gunsten eingetragene, ihm praktisch nichts nützende Wegberechtigung für seinen Teil verzichtete, so war das seine Sache. Der Beklagte kann daraus nichts zu seinem Vorteil ableiten.
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