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27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. November 1968 i.S. Gemeinde Eisten gegen Gillioz. | |
Regeste |
Der Abschluss eines Werkvertrages führt nicht zur (stillschweigenden) Haftungsbefreiung des Eigentümers gegenüber Hilfspersonen des Unternehmers (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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In der Nähe von Eie befand sich ein Mast, der abgefault, aber im Jahre 1954 in der Weise instandgestellt worden war, dass man einen etwa 1 m über den Boden hinaus ragenden nicht imprägnierten hölzernen Maststumpf als Sockel etwa 1,3 m tief eingegraben und den Mast mit Bolzen daran angeschraubt hatte. Sockel und Mast standen in aufgefülltem Boden unmittelbar bergseits einer der am betreffenden Talhang vorkommenden Trockenmauern (Mauern aus unbehauenen und ohne Mörtel verlegten Natursteinen), die bestimmt sind, die Ackererde zurückzuhalten. Die Mauer war zum Teil verfallen.
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Am 10. Dezember 1958 bestieg Hilfsmonteur Gillioz in Anwesenheit des Chefmonteurs Jacquier und eines weiteren Arbeiters, Donnet, die wie Gillioz im Dienste der Electricité SA standen, den erwähnten Leitungsmast, um die Stromleiter abzuschneiden. Da der Mast durch die Jahrzahl 1954 gekennzeichnet war, liess Jacquier ihn nicht entsprechend den Richtlinien der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt zur Verhütung von Unfällen bei Arbeiten auf hölzernen Freileitungsstangen auf Fäulnis hin untersuchen. Dagegen prüfte Gillioz die Standfestigkeit des Mastes, indem er, als er auf halber Höhe angekommen war, ihn durch Rütteln zum Schwingen brachte. Da er dabei nichts Besonderes feststellte, stieg er weiter und schnitt zwei Leiter ab, worauf der Mast samt dem Sockel talwärts umfiel. Gillioz wurde weggeschleudert und verletzt.
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Das Kantonsgericht sprach ihm am 17. Januar 1968 Fr. 6262.-- für Lohnausfall, Fr. 14'000.-- für bleibende teilweise Arbeitsunfähigkeit und Fr. 5000.-- als Genugtuung zu, alle drei Beträge nebst Zins.
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C.- Die Beklagte beantragt mit der Berufung, die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Diese Auffassung hilft der Beklagten jedoch schon deshalb nicht, weil die angebliche stillschweigende Abmachung nicht mit dem Kläger getroffen wurde. Dieser ist Dritter. Das Konsortium konnte die Beklagte der Schadenersatzpflicht gegenüber dem Kläger nicht entheben. Es bleibt ihr dagegen vorbehalten, auf das Konsortium zurückzugreifen, wenn es seine vertraglichen Verpflichtungen, namentlich das Versprechen, die schadhaften Stangen festzustellen und zu ersetzen, nicht fachgerecht erfüllt oder stillschweigend die Verantwortung für die Folgen von Werkmängeln übernommen haben sollte (Art. 58 Abs. 2 OR).
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Die Stange, auf welcher der Kläger verunfallte, fiel erst um, nachdem der Kläger im Rahmen der geplanten Umgestaltung und Instandstellung der Freileitung zwei Leiter abgeschnitten hatte. Dennoch kann nicht gesagt werden, der Unfall sei durch einen bestimmungswidrigen Gebrauch der Stange verursacht ![]() | 11 |
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes stellt Art. 58 OR an ein Werk, das noch nicht fertig ist oder das umgebaut oder instandgestellt wird, nicht notwendigerweise die gleichen Anforderungen wie an ein fertiges oder fertig repariertes Werk. Für Schäden, die wegen seiner Unfertigkeit entstehen, hat der Eigentümer nur dann nach Art. 58 OR einzustehen, wenn er erlaubte, dass der Geschädigte es ungeachtet der durch sie bedingten Gefahren wie ein fertiges Werk gebrauche (BGE 38 II 73Erw. 2,BGE 41 II 697Erw. 3, 705 Erw. 3,BGE 46 II 257Erw. 2,BGE 63 II 146Erw. 2). Grund und daher auch Voraussetzung dieser Einschränkung der Kausalhaftung ist, dass jedermann die Unfertigkeit mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit äusserlich erkennen kann und den sich aus ihr ergebenden besonderen ![]() | 13 |
Diese Voraussetzung wäre im vorliegenden Falle z.B. erfüllt gewesen, wenn das Erdreich um den Mast zur Feststellung des Zustandes oder zum Auswechseln der Stange schon weitgehend entfernt und damit deren Standfestigkeit entscheidend beeinträchtigt worden wäre. Das traf indessen nicht zu. Die Standhaftigkeit des Mastes hatte nicht durch Arbeiten, die dem Besteigen vorausgegangen wären, gelitten, sondern sie war nur deshalb zu gering, weil der im Jahre 1954 angebrachte Holzsockel zufolge Fäulnis oder auch abgesehen hievon hinter der teilweise verfallenen Trockenmauer nicht genügend Halt fand. Die Beklagte behauptet nicht einmal, dieser Mast sei durch die Gemeindeverwaltung oder durch das Konsortium Saaselectric vor dem Unfall als auswechslungsbedürftig bezeichnet worden. Selbst wenn man die an der Freileitung vorzunehmenden Umgestaltungs- und Instandstellungsarbeiten als Ganzes betrachtet, kann nicht gesagt werden, der Mast sei seiner ordentlichen Bestimmung, von Arbeitern bestiegen zu werden, durch einen begonnenen Reparaturzustand entzogen gewesen. Das Besteigen der Maste kam ja normalerweise gerade auch dann in Frage, wenn die Freileitung als Ganzes umgebaut oder instandgestellt werden sollte. Die nicht auswechslungsbedürftigen Stangen mussten zum Auswechseln der Drähte bestiegen werden, und auch die anderen waren hievon nicht ausgenommen, soweit sie zum Besteigen und zum Arbeiten an den Drähten und Isolatoren noch standfest genug waren. Welche Stangen bestiegen werden durften und welche nicht, war aber nicht ohne weiteres infolge des begonnenen Reparaturzustandes, in dem sich die Freileitung als Ganzes befand, erkennbar. Ob das Konsortium Saaselectric zweckmässigerweise zuerst die auswechslungsbedürftigen Maste hätte feststellen, kennzeichnen und ersetzen sollen, ehe es die Arbeiten an den Leitern begann, ist unerheblich. Massgebend ist, dass es das tatsächlich nicht tat, jedenfalls, wie die Beklagte zugibt, nicht am Unfallmast, und ![]() | 14 |
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Die Beklagte macht geltend, die Beschränkung der Unfallursache auf die in 1 m Tiefe vorhandene Fäulnis und den Bruch bedeute "eine willkürliche Beweiswürdigung und damit eine Rechtsverletzung". Sie schreibt den Sturz auch dem Umstande zu, dass der Mast hinter der verfallenen Trockenmauer nicht richtig eingegraben und verankert gewesen sei.
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Tatsächliche Feststellungen können mit der Berufung nicht wegen angeblich willkürlicher Beweiswürdigung angefochten werden. Nur wenn sie offensichtlich aufeinem Versehen beruhen oder in Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind, binden sie die Berufungsinstanz nicht (Art. 43 Abs. 3, Art. 55 Abs. 1 lit. c und d, Art. 63 Abs. 2 OG). Die Annahme, der Fuss des Sockels sei faul gewesen und 1 m unter der Erdoberfläche abgebrochen, beruht indessen nicht offensichtlich auf einem Versehen, und die Behauptung, der Mast habe ausserdem hinter der Trockenmauer zu wenig Halt gehabt, ist durch keine Aktenstelle so zwingend belegt, dass gesagt werden könnte, das Kantonsgericht habe offensichtlich versehentlich die behauptete Tatsache nicht als Mitursache des Sturzes betrachtet. Das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung sodann ist nicht eine bundesrechtliche Beweisvorschrift im Sinne der Art. 43 Abs. 3 und 63 Abs. 2 OG. Willkürliche Beweiswürdigung kann als Verletzung von Art. 4 BV nur mit der staatsrechtlichen Beschwerde gerügt werden.
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Die Behauptung der Beklagten ist übrigens rechtlich unerheblich. Ein ungenügend eingegrabener Freileitungsmast ist fehlerhaft angelegt. Die Beklagte haftet für die Folgen dieses angeblichen Fehlers in gleicher Weise aus Art. 58 OR wie für die Folgen der festgestellten Fäulnis, die das Werk zu einem mangelhaft unterhaltenen machte. Auch kann nicht gesagt werden, der Kläger habe den Unfall selbst verschuldet, weil er aus dem ![]() | 18 |
Bleibt es demnach dabei, dass der Kläger durch die vorgeschriebenen Kontrollmassnahmen die 1 m unter dem Boden eingetretene Fäulnis der Stange nicht hätte entdecken können. so trifft ihn kein für den Unfall kausales Verschulden, das gemäss Art. 44 Abs. 1 OR zur Herabsetzung oder Verneinung der Ersatzpflicht führen könnte. Auch den anderen beim Unfall anwesenden Arbeitern, welche die Kontrollmassnahmen unterliessen, besonders Chefmonteur Jacquier, kann ein solches Verschulden nicht vorgeworfen werden. Es würde übrigens die Beklagte ihrer Schadenersatzpflicht gegenüber dem Kläger weder ganz noch teilweise entbinden (BGE 60 II 224Erw. 2).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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