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39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Juli 1968 i.S. Müller und Mitbeteiligte gegen Gurtner. | |
Regeste |
Gewinnanteilsrecht der Miterben (Art. 619 ZGB); Übergangsrecht. |
2. Entsprechende Anwendung von Art. 619 ZGB in der Fassung gemäss Art. 94 LEG auf den Fall, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten ein Grundstück unter dem Verkehrswert an einen mutmasslichen Erben veräusserte (Änderung der Rechtsprechung; Erw. 10). |
3. Ausschluss der Anwendung von Art. 619 ZGB durch letztwillige Verfügung? (Erw.11). |
4. Anmeldung des Gewinnanteilsrechts zur Vormerkung im Grundbuch (Art. 963 Abs. 2 ZGB, Art. 15 Abs. 3 GBV analog); Beginn der 15jährigen Frist im Sinne von Art. 619 ZGB in der Fassung gemäss Art. 94 LEG; Angabe des Anrechnungswerts. (Erw. 12). | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Witwe Meier, geb. 1882, war Eigentümerin dreier Grundstücke (Wohnhaus, landwirtschaftliche Gebäude, Hofraum, Garten und Wiesen) mit einer Bodenfläche von zusammen 11'320 m2 in Urdorf. In den Jahren 1953/56 verfügte sie letztwillig im Sinne einer Teilungsvorschrift, ihre Tochter Olga Gurtner-Meier solle ihr ganzes Heimwesen zum Betrage der darauf lastenden Schulden erhalten; falls dieser Übernahmewert nicht anerkannt werde, sei das Heimwesen der genannten Tochter zu dem vom kantonalen Landwirtschaftsamte festzusetzenden Ertragswerte zuzuweisen. Durch öffentlich beurkundeten Vertrag vom 28. Juli 1961 trat sie ihre Grundstücke "als Erbvorbezug aber ohne Anrechnung an den seinerzeitigen Erbteil der Erwerberin am Nachlass ihrer Mutter bezw. Eltern" an Olga Gurtner ab. Die Gegenleistung der Erwerberin bestand nach dem Vertrag darin, dass diese eine Grundpfandschuld von Fr. 19'000.-- übernahm, sich zur sofortigen Zahlung von je Fr. 2000.-- an zwei ihrer Schwestern verpflichtete, ihrer Mutter für deren Lebenszeit den Anspruch auf Wohnung, Unterhalt und Pflege einräumte und auf die ihr nach Art. 633 ZGB zustehenden Lohnansprüche verzichtete. Witwe Meier verzichtete gemäss Ziffer 4 der "Weitern Bestimmungen" des Abtretungsvertrags darauf, dass Frau Gurtner ein Gewinnanteilsrecht ![]() | 2 |
Am 16. März 1962 starb Witwe Meier. Sie hinterliess als gesetzliche Erben neun Kinder. Gemäss Steuerinventar belief sich der reine Nachlass auf Fr. 3531.10 (Sparguthaben).
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B.- Am 15. März 1963 leiteten die Geschwister von Frau Olga Gurtner mit Ausnahme eines Bruders, der seinen Anteil am mütterlichen Nachlass an Olga Gurtner abtrat, gegen diese beim Bezirksgericht Zürich Klage auf Erbteilung ein. Sie verlangten damit die Ungültigerklärung der letztwilligen Verfügungen von Witwe Meier und des Abtretungsvertrags vom 28. Juli 1961, die Feststellung, dass die an die Beklagte abgetretenen Liegenschaften zum Nachlass gehören, allenfalls die Herabsetzung der letztwilligen Verfügungen und der Abtretung auf das erlaubte Mass, sowie die Feststellung und Teilung des Nachlasses. Sie machten vor allem geltend, das der Beklagten abgetretene Land sei baureif und habe einen Verkehrswert von mindestens Fr. 300'000.-- bis 400'000.--; die Erblasserin habe sich bei der Abfassung der letztwilligen Verfügungen und des Abtretungsvertrags in einem wesentlichen Irrtum über den Wert ihrer Grundstücke befunden; eventuell sei in der Abtretung der Liegenschaften eine gemischte Schenkung zu erblicken; die letztwilligen Verfügungen seien durch diese Abtretung aufgehoben worden. Für den Fall, dass die Anordnungen der Erblasserin weder ungültig noch herabsetzbar sein sollten, verlangten die Kläger die Vormerkung des Anspruchs auf einen Anteil am Gewinn gemäss Art. 619 ZGB für die Dauer von 25, allenfalls 15 Jahren.
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Das Bezirksgericht stellte fest, der Nachlass bestehe aus den erwähnten Sparguthaben, ordnete deren Teilung und wies die Klage im übrigen ab. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 1. Dezember 1967 den Sachentscheid des Bezirksgerichts.
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Aus den Erwägungen: | |
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"Hat ein Erbe ein Grundstück unter dem Verkehrswert erhalten, so sind die Miterben berechtigt, beim Verkauf des Grundstückes oder eines Teiles desselben binnen der folgenden zehn Jahre einen verhältnismässigen Anteil am Gewinne zu beanspruchen, sofern dieser Anspruch bei der Teilung im Grundbuch vorgemerkt worden ist."
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Die Fassung gemäss Art. 94 LEG, die nach Art. 108 LEG galt, wenn zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes die Teilung noch nicht abgeschlossen war (vgl. BGE 83 II 112 Erw. 2), weicht von der ursprünglichen Fassung nur darin ab, dass sie eine Dauer des Anspruchs von fünfzehn statt von zehn Jahren vorsieht.
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Das am 1. Juli 1965 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 19. März 1965 über die Änderung der Vorschriften des ZGB und des OR betreffend das Baurecht und den Grundstückverkehr (AS 1965 S. 445 ff.) gab dem Art. 619 Abs. 1 AGB folgende neue Fassung:
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"Hat ein Erbe ein landwirtschaftliches Grundstück zugeteilt erhalten, für das nicht der Verkehrswert, sondern ein niedrigerer Übernahmepreis festgesetzt worden ist, so sind die Miterben berechtigt, bei der Veräusserung oder Enteignung des Grundstückes oder eines Teiles desselben binnen der folgenden fünfundzwanzig Jahre ihren Anteil am Gewinne zu beanspruchen."
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Art. 218 quinquies OR, der ebenfalls durch das Bundesgesetz vom 19. März 1965 geschaffen wurde, sieht vor:
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"Auf die Weiterveräusserung oder die Enteignung eines Grundstücks, das vom Erblasser zu Lebzeiten auf einen Erben übertragen worden ist, finden die Vorschriften des ZGB über den Anteil der Miterben am Gewinn entsprechende Anwendung."
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Der bundesrätliche Entwurf vom 9. April 1963 (BBl 1963 I 1008 ff.), in welchem die dem heutigen Art. 218 quinquies OR entsprechende Vorschrift als Art. 218 quater bezeichnet war, enthielt folgende Übergangsbestimmungen:
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"IV
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Der Anspruch auf Anteil am Gewinn richtet sich für vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erworbene Grundstücke nach den neuen Vorschriften, sofern er im Grundbuch vorgemerkt und die Frist des alten Rechts von fünfzehn Jahren (Art. 619, Abs. 1, ZGB) noch nicht abgelaufen ist."
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"VI
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.....
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Artikel 218 quater findet ebenfalls Anwendung auf Grundstücke, an denen der Nachkomme binnen fünfundzwanzig Jahren vor Inkrafttreten des Gesetzes Eigentum erworben hat."
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Im Nationalrat beantragten die Berichterstatter Raissig und Aebischer namens der Kommission die Streichung von Ziffer IV mit der Begründung, es wäre sehr erwünscht, wenn in Fällen, wo die 15jährige Frist des bisherigen Rechts noch nicht abgelaufen ist, das neue Recht mit der verlängerten Frist von 25 Jahren angewendet werden könnte; mit der Rückwirkung würden aber "fundamentale Grundsätze unserer Rechtsordnung verletzt"; "Gesetzesbestimmungen werden für die Zukunft gemacht, nicht rückwirkend"; vor allem sei es nicht möglich, nicht zwingende Bestimmungen wie diejenigen über das Gewinnanteilsrecht der Miterben, das vertraglich abgeändert werden könne, rückwirken zu lassen (Votum Raissig, Sten.Bull. 1964, NR, S. 379); die vorgeschlagene Bestimmung sei mit dem Schutz der wohlerworbenen Rechte, der sich aus ![]() | 21 |
Wo im Zivilrecht besondere Übergangsbestimmungen fehlen, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich die im Schlusstitel des ZGB aufgestellten Regeln über die Anwendung des bisherigen und des neuen Rechts massgebend (BGE 79 I 270 f., BGE 80 II 157, BGE 84 II 181 /82, BGE 90 II 139, BGE 92 I 238 Erw. 4). Die eidgenössischen Räte haben denn auch die im Entwurf vom 9. April 1963 enthaltenen Übergangsbestimmungen gerade deshalb gestrichen, weil sie sich mit den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts nicht in Widerspruch setzen wollten. Ihre Auffassung, dass die neuen Vorschriften über den Gewinnanteil der Miterben nach diesen Grundsätzen nicht anwendbar seien, wenn die Übertragung des Grundstücks an einen Erben vor dem Inkrafttreten jener neuen Vorschriften erfolgte, führte indes nicht zum Erlass einer Bestimmung, der dieser Sinn beigelegt werden könnte, sondern kam im Gesetz vom 19. März 1965, das wie schon festgestellt über die zeitliche Rechtsanwendung überhaupt nichts sagt, in keiner Weise zum Ausdruck. Sie ist daher nach ständiger Rechtsprechung für den Richter nicht verbindlich (vgl. namentlich ![]() | 22 |
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Nach altem wie nach neuem Recht ist Grundvoraussetzung für die Entstehung des Anspruchs der Miterben auf einen Gewinnanteil die Tatsache, dass ein Erbe ein Grundstück des Erblassers unter dem Verkehrswert erhalten hat. Nach altem Recht bedurfte dieser Anspruch zu seiner Entstehung ausserdem der Vormerkung im Grundbuch (Art. 619 Abs. 1 ZGB in der frühern Fassung; BGE 86 I 122). Das neue Recht lässt den Gewinnanspruch mit dem Erwerb des Grundstücks durch den Erben von Gesetzes wegen entstehen und macht die Vormerkung nur noch zur Bedingung dafür, dass der Dritte, der das Grundstück vom Erben erwirbt, solidarisch mit diesem für die Ausrichtung des Gewinnanteils haftet (Art. 619 Abs. 1 in der Fassung vom 19. März 1965, Art. 619 quinquies ZGB).
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Eine fällige Forderung auf einen bestimmten Geldbetrag steht den Miterben desjenigen, der ein Grundstück des Erblassers unter dem Verkehrswert erhielt, nach altem und nach neuem Recht nur unter der weitern Voraussetzung zu, dass der Übernehmer des Grundstücks dieses innert der im Gesetz vorgesehenen Frist mit Gewinn veräussert (welchem Falle das neue Recht den gewinnbringenden Abschluss von Rechtsgeschäften, mit denen der Übernehmer den Wert des Grundstücks ganz oder teilweise "umsetzt", sowie die zu einem Gewinn führende Enteignung gleichstellt; Art. 619 Abs. 2, neue Fassung). Der Anspruch auf einen Gewinnanteil besteht aber beim Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen, wie aus der alten und der neuen Fassung des Gesetzes klar hervorgeht, als bedingte Forderung schon vor der Veräusserung.
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Das frühere Recht wäre im übrigen nach Art. 1 SchlT selbst dann anwendbar, wenn zu entscheiden wäre, ob die Kläger infolge einer seit dem 1. Juli 1965 erfolgten Veräusserung der von der Beklagten vor diesem Zeitpunkt unter dem Verkehrswert erworbenen Grundstücke Anspruch auf Ausrichtung einer bestimmten Summe als Gewinnanteil haben. Bedingte Rechtsverhältnisse, die unter dem frühern Recht entstanden sind, unterstehen nämlich nach Lehre und Rechtsprechnung zu Art. 1 ff. Schlusstitel auch dann grundsätzlich in jeder Beziehung dem alten Recht, wenn die Bedingung unter der Herrschaft des neuen Rechts eintritt (MUTZNER N. 56 zu Art. 1 SchlT; BGE 40 II 100, BGE 41 II 551; vgl. auch BGE 40 II 527 Erw. 2).
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b) Die Art. 2 bis 4 SchlT sehen Ausnahmen von der Regel der Nichtrückwirkung vor. In Art. 5 ff. SchlT folgen Sonderbestimmungen für bestimmte Rechtsverhältnisse. Diese Sonderbestimmungen gehen in ihrem Anwendungsbereich den allgemeinen Bestimmungen von Art. 1 bis 4 vor, soweit sie nicht einfach bestätigen, was sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen ergibt (MUTZNER N. 15 der Vorbemerkungen zum Ersten Abschnitt des SchlT). Ist im vorliegenden Fall eine dieser Sonderbestimmungen anwendbar und verweist sie wie die Grundregel von Art. 1 auf das frühere Recht, so kann folglich offen bleiben, welche Lösung sich allenfalls aus Art. 2 bis 4 SchlT ergäbe. Art. 2 SchlT, der von der Rückwirkung der um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellten ![]() | 28 |
c) Die Vorschriften über den Anspruch der Miterben auf einen Anteil am Gewinn, den ein Erbe bei der Veräusserung eines ihm bei der Erbteilung unter dem Verkehrswert zugewiesenen Grundstücks des Erblassers erzielt, stehen im Dritten Teil des ZGB, der das Erbrecht behandelt und in die Abteilungen "Die Erben" und "Der Erbgang" zerfällt, und zwar in dem zur Zweiten Abteilung gehörenden Titel über die Teilung der Erbschaft. Sie gehören auch sachlich in diesen Zusammenhang.
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Nach Art. 15 Abs. 1 SchlT werden die erbrechtlichen Verhältnisse, wenn der Erblasser vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes gestorben ist, auch nach diesem Zeitpunkte durch das bisherige Recht bestimmt. Diese Vorschrift bezieht sich nach Art. 15 Abs. 2 SchlT "sowohl auf die Erben als auch auf den Erbgang". Der Ausdruck "erbrechtliche Verhältnisse" ist also weit auszulegen; er umfasst u.a. die Rechte und Pflichten der Erben (MUTZNER N. 5 zu Art. 15 SchlT). Hiezu gehört der Anspruch der Miterben am Gewinn aus der Veräusserung eines bei der Erbteilung unter dem Verkehrswert übernommenen Grundstücks. Dieser Anspruch wird also nach dem Wortlaut von Art. 15 SchlT, wenn der Erblasser vor dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften, d.h. vor dem 1. Juli 1965 gestorben ist, durch das bisherige Recht geregelt (in diesem Sinne H. P. BECK, Das gesetzliche Gewinnanteilsrecht der Miterben, Zürcher Diss. 1967, S. 145 f., sowie G. EGGEN, Grundstückverkehr und Baurecht in intertemporaler Sicht, ZBGR 1967 S. 198 Ziff. 2).
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d) Nach Art. 218 quinquies OR sind die Vorschriften des ZGB über den Anteil der Miterben am Gewinn auf die Weiterveräusserung oder Enteignung eines Grundstücks, das der Erblasser zu Lebzeiten auf einen Erben übertragen hat, entsprechend anwendbar. Bei der Veräusserung eines vom Erblasser zu Lebzeiten auf einen Erben übertragenen Grundstücks ![]() | 31 |
e) Beim Entscheid darüber, ob Bestand und Inhalt des Gewinnanteilsrechts nach altem oder nach neuem Recht zu beurteilen seien, gemäss dem Wortlaut von Art. 15 SchlT darauf abzustellen, welches Recht im Zeitpunkt des Todes des Erblassers galt, vermag indessen sachlich nicht zu befriedigen. Die Regel des Art. 15 SchlT ist auf die erbrechtlichen Verhältnisse zugeschnitten, die mit dem Tode des Erblassers entstehen. Das Gewinnanteilsrecht der Miterben gehört nicht zu diesen Verhältnissen. Es wird nicht durch den Tod des Erblassers, sondern dadurch ausgelöst, dass ein Erbe entweder bei der Erbteilung, also unter Umständen erst lange nach dem Tode des Erblassers, oder aber schon zu dessen Lebzeiten ein Grundstück unter dem Verkehrswert erhält. Es liegt daher nahe, die in Art. 15 SchlT ausgesprochene Regel für dieses besondere erbrechtliche Verhältnis im Einklang mit der Grundregel des Art. 1 SchlT (vgl. lit. a hievor) in dem Sinne abzuwandeln, dass für den Bestand und Inhalt des Gewinnanteilsrechts der Miterben in allen Fällen das Recht als massgebend erklärt wird, das im Zeitpunkte des Erwerbs des Grundstücks durch den Erben galt (in diesem Sinne P. GASSER, Le droit des cohéritiers à une part de gain, Diss. Lausanne 1967 S. 171 f.; ebenso ![]() | 32 |
Im vorliegenden Falle, wo die Erblasserin der Beklagten die streitigen Grundstücke am 28. Juli 1961 abtrat, führt dieser Grundsatz wie schon die rein wörtliche Auslegung des Art. 15 SchlT (lit. d hiervor) zum Schlusse, dass Bestand und Inhalt des von den Klägern beanspruchten Gewinnanteilsrechts nicht nach dem seit 1. Juli 1965 geltenden neuen Rechte, sondern nach dem frühern Rechte zu beurteilen sind.
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Das Bundesgericht bemerkte demgemäss in seinem Urteil vom 20. Juni 1929 i.S. Heer, wo die Ausgleichung einer durch Verkauf eines Landguts unter dem Ertragswert erfolgten Zuwendung an einen Sohn des Erblassers in Frage stand und die Miterben dieses Sohnes bei der Bemessung seiner Ausgleichungspflicht unter Berufung auf Art. 619 ZGB die Differenz zwischen dem Verkehrswert und dem Übernahmepreis berücksichtigt ![]() | 34 |
In Übereinstimmung mit der vom Bundesgericht im Falle Heer vertretenen Auffassung, die für die damals getroffene Entscheidung freilich (wie dargelegt) nicht ausschlaggebend war, nimmt die Lehre mehrheitlich an, Art. 619 ZGB alter Fassung gelte nur für den Fall der Zuweisung bei der Erbteilung, nicht auch für den Fall, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten einem Erben ein Grundstück unter dem Verkehrswert überliess (ESCHER, 3. Aufl., N. 3, und TUOR/PICENONI N. 4 zu Art. 619 ZGB; BOREL/NEUKOMM, Das bäuerliche Erbrecht, 4. Aufl., S. 127; BRUHIN, Der Kindskauf, Diss. Zürich 1965, S. 156 und 158; EGGEN, ZBGR 1965 S. 294 und 1967 S. 200). Diese Auffassung herrschte auch bei den mit der Ausarbeitung des Bundesgesetzes vom 19. März 1965 beschäftigten Behörden (vgl. neben den eben zit. Ausführungen von EGGEN auch BBl 1963 I 1001). Das Bundesgericht folgte ihr, ohne entscheidend darauf abzustellen, noch im bereits erwähnten Urteil vom 21. November 1967 i.S. Frei (in welchem Falle die Tochter, die das Heimwesen im Dezember 1952 von ihrem 1955 gestorbenen Vater erworben hatte, dieses ![]() | 35 |
Schon in BGE 54 II 95 /96 und 108 sowie im Urteil i.S. Heer war jedoch auf den Zusammenhang zwischen Art. 617 und 619 ZGB hingewiesen worden, und in BGE 75 I 189 und BGE 86 I 122 (je unten) stellte das Bundesgericht ausdrücklich fest, Art. 619 sei das Gegenstück zu Art. 617 (und 620 ff.) ZGB. Es war und ist denn auch offensichtlich der Zweck von Art. 619 ZGB, den Miterben desjenigen, der ein Grundstück des Erblassers zu dem nach Art. 617 (oder 620) ZGB massgebenden Ertragswert statt zum höhern Verkehrswert oder doch zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preise erhielt, zur Wahrung der Gleichberechtigung der Erben einen gewissen Ausgleich zu bieten, wenn der Übernehmer das Grundstück innert der vom Gesetz vorgesehenen Frist mit Gewinn verkauft (vgl. die beiden zuletzt angeführten Entscheide und Sten.Bull. 1906 S. 347, 490). Art. 617 Abs. 2 ZGB, der die Anrechnung landwirtschaftlicher Grundstücke zum Ertragswert vorsieht, gilt nun, obwohl er wie Art. 619 ZGB im Titel über die Teilung der Erbschaft steht und sich somit nach dem Zusammenhang nur auf die Übernahme von Grundstücken bei der Erbteilung bezieht, nach ständiger Rechtsprechung (BGE 54 II 95, 104, 108; BGE 84 II 344 f.) auch dann, wenn ein Erbe eine Liegenschaft des Erblassers zu dessen Lebzeiten unter dem Verkehrswert erhalten hat und zu prüfen ist, ob es sich dabei um ein entgeltliches oder um ein teilweise unentgeltliches Geschäft gehandelt habe. Art. 617 Abs. 2 ZGB wird m.a.W. in solchen Fällen, die er nach seinem Wortlaut und seiner Stellung im Gesetz nicht erfasst, entsprechend angewendet. Es ist daher nichts als folgerichtig, den mit Art. 617 Abs. 2 eng zusammenhängenden, ein notwendiges Korrektiv dazu bildenden Art. 619 ZGB in derartigen Fällen ebenfalls entsprechend anzuwenden, auch wenn der Erblasser eine ihm gehörende Liegenschaft vor dem 1. Juli 1965 auf einen Erben übertragen hat und Art. 218 quinquies OR folglich nicht anwendbar ist (in diesem Sinne GASSER a.a.O. S. 23 ff., der auf S. 25 zutreffend darauf aufmerksam macht, dass die Entscheide ![]() | 36 |
Die entsprechende Anwendung von Art. 619 ZGB alter Fassung drängt sich im vorliegenden Falle um so mehr auf, als bei der am 28. Juli 1961 erfolgten Grundstückübertragung der erbrechtliche Beweggrund der Vorausnahme der Erbfolge offenbar im Vordergrund stand.
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Beizufügen ist, dass der Gedanke einer entsprechenden Anwendung von Art. 619 ZGB auf den lebzeitigen Erwerb einer landwirtschaftlichen Liegenschaft zu einem Vorzugspreis vom Gesetzgeber in einem bestimmten Falle bereits in Art. 12 Abs.5 EGG verwirklicht wurde.
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Persönliche Rechte können nach Art. 959 Abs. 1 ZGB freilich nur dann im Grundbuch vorgemerkt werden, wenn das Gesetz ihre Vormerkung ausdrücklich vorsieht. Diese Bestimmung steht jedoch der Vormerkung des Gewinnanteilsrechts der Miterben im Falle, dass ein Erbe unter der Herrschaft von Art. 619 ZGB alter Fassung zu Lebzeiten des Erblassers von diesem ein Grundstück unter dem Verkehrswert erhalten hat, nicht entgegen. Zur entsprechenden Anwendung der eben genannten Bestimmung auf diesen Fall gehört auch die Zulassung der darin ausdrücklich vorgesehenen Vormerkung (vgl. MOSER a.a.O. S. 74 oben, und GASSER a.a.O. S. 26 Fussnote 16, der im übrigen auf S. 103 die Vormerkung des Gewinnanteilsrechts nach Art. 619 alter Fassung nicht unter Art. 959, sondern unter Art. 960 Ziff. 3 ZGB subsumiert).
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