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40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. September 1968 i.S. Frieda Bär-Zurbrügg gegen Samuel Santmann | |
Regeste |
Erbteilung. Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes. |
2. Selbstbetrieb liegt vor, |
- wenn der Übernehmer das Gewerbe persönlich leitet und sich darin in wesentlichem Umfange persönlich betätigt (Erw. 3 b); |
- wenn eine anspruchsberechtigte Frau mit ihrer Familie, in erster Linie mit dem dazu geeigneten Ehemann, das Gut bewirtschaftenwill; dabei wird normalerweise den männlichen Familienangehörigen neben der schweren Arbeit die leitende Rolle zukommen (Erw. 3 c Abs. 1). |
- An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Falle, wo die 71-jährige Bewerberin sich nicht auf die Mitarbeit ihres 78-jährigen Ehemannes berufen könnte, sondern die Bewirtschaftung des Gutes ihrer Tochter und deren Ehemann überlassen müsste (Erw. 3 c Abs. 2). |
3. Würdigung der persönlichen Verhältnisse (Art. 621 Abs. 1 ZGB) mehrerer zum Selbstbetrieb gewillter und geeigneter Erben (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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A.- Der am 23. Oktober 1964 gestorbene Albert Zurbrügg hinterliess u.a. das landwirtschaftliche Heimwesen "Kleinweid" in der Gemeinde Wädenswil von rund 11,7 ha sowie das dazugehörige tote und lebende Inventar. Eine Schwester des Erblassers, Frau Frieda Bär-Zurbrügg, leitete am 14. Mai 1965 gegen 11 Miterben eine Teilungsklage ein. Nach Abschluss eines Teilvergleiches blieb nur noch die Zuweisung des Heimwesens "Kleinweid" mit dem toten und lebenden Inventar streitig. Darum bewarben sich Frieda Bär-Zurbrügg und Samuel Santmann, ein Neffe des Erblassers (sowie zwei Brüder des Erblassers, die jedoch im Laufe des Rechtsstreites als Mitbewerber ausschieden).
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Frieda Bär-Zubrügg, geb. 1897, ist mit Heinrich Bär, geb. 1890, verheiratet. Die Eheleute lebten während der ganzen Dauer der Ehe auf dem bäuerlichen Heimwesen im "Moos", Samstagern, das dem Ehemann gehörte. Sie haben drei Kinder. Der Sohn Heinrich ist Krankenpfleger. Der Sohn Hans, der stets zu Hause war, übernahm am 1. März 1965 das elterliche Heimwesen auf dem "Moos", da Vater Bär gesundheitlich geschwächt war. Die Tochter Frieda ist seit Juli 1965 mit Hans Rhyner, ebenfalls Landwirt, verheiratet und arbeitet mit ihm zusammen auf dem Heimwesen seiner Eltern in "Aesch", Schönenberg.
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Samuel Santmann, geb. 1929, half bis zu seinem 18. Altersjahr auf dem elterlichen Heimwesen "Rechberg" in Schönenberg mit. Dieses Gewerbe ging nach dem Tode des Vaters auf den Sohn Robert über. Samuel absolvierte in den Jahren 1947 bis 1950 eine Schreinerlehre und war in der Folge in erster Linie in diesem Berufe tätig. Nebenbei arbeitete er gelegentlich in der Landwirtschaft. Er bestand die bäuerliche Berufsprüfung, erwarb den Ausweis als Obstverwerter und besuchte einen Spezialkurs für Baumpflege. Im Jahre 1961 verheiratete er sich mit einer Bauerntochter. Das Ehepaar hat drei Kinder im Alter von zwei, fünf und sechs Jahren. Seit Mai 1961 arbeitet Santmann als Schreiner im Bethanienheim in Zürich.
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B.- Das Bezirksgericht Horgen wies mit Entscheid vom 18. Januar 1967 das Heimwesen "Kleinweid" der Klägerin Frieda Bär-Zurbrügg zu. Es anerkannte, dass sowohl die Klägerin als auch der Beklagte zur Übernahme eines landwirtschaftlichen ![]() | 5 |
C.- Mit Entscheid vom 29. Februar 1968 hiess das Obergericht des Kantons Zürich die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichts Horgen gut und sprach ihm das Heimwesen "Kleinweid" zu. Es hielt dafür, gemäss der herrschenden Lehre, wovon die erste Instanz zu Unrecht abgehe, liege "Selbstbetrieb" nicht vor, wenn der Bewerber das Heimwesen übernehmen möchte, um es einem seiner Kinder zur selbständigen Bewirtschaftung zu übergeben. Denn wenn ein Kind das Heimwesen auf eigene Rechnung bewirtschafte und die Leitung des Betriebes innehabe, befänden sich die Eltern, mögen sie noch so fleissig mitarbeiten, bloss in der Stellung eines Knechtes oder einer Magd. Dem Beweisverfahren lasse sich mit Bestimmtheit entnehmen, dass die Eheleute Rhyner-Bär die "Kleinweid" selbständig bewirtschaften würden. Da ihnen jedoch die Erbeneigenschaft abgehe, könnten sie nicht dem Mitbewerber Santmann gegenübergestellt werden. Die Klägerin erfülle daher das Erfordernis der Selbstbewirtschaftung nicht, weshalb sie als Anwärterin ausscheide. Der Beklagte dagegen sei geeignet und auch willens, das Heimwesen zum Selbstbetrieb zu übernehmen.
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D.- Die Klägerin erhebt Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Zürcher Obergerichts vom 29. Februar 1968 sei aufzuheben und das Heimwesen "Kleinweid" sei ihr zuzuteilen. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz ![]() | 7 |
E.- Der Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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b) In BGE 69 II 387 und 393 äusserte sich das Bundesgericht zum Begriff des Selbstbetriebs im Sinne von Art. 621 Abs. 2 ZGB. Es hielt dabei fest, Selbstbetrieb liege nicht nur vor, wenn der Übernehmer des Gewerbes die meisten dazu gehörenden Arbeiten eigenhändig ausführe. Vielmehr sei dem Begriff genügt, wenn der Ansprecher persönlich die Leitung habe. Anders wäre es, wenn er das Gut übernehmen wollte, nur um es zu verpachten, und allenfalls auch noch, wenn er es zwar auf eigene Rechnung, aber ohne wesentliche eigene Betätigung ![]() | 10 |
Diese Auffassung des Bundesgerichts ist auf einhellige Kritik in der Literatur gestossen (LIVER, Die Änderungen im bäuerlichen Erbrecht des ZGB durch das Bundesgesetz über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen, Festgabe für Tuor: "Zum schweizerischen Erbrecht", S. 49 ff.; TUOR/PICENONI, Kommentar, N. 8 zu Art. 621 ZGB; STEIGER, Zur Frage des Anwendungsbereichs und der Geltungskraft des bäuerlichen Erbrechts sowie der allgemeinen Voraussetzungen der Integralzuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes, Diss. Bern 1966, S. 145 ff.). LIVER (a.a.O. S. 52) rügt, dass das Bundesgericht in den beiden angeführten Urteilen den Begriff des Selbstbetriebs allzuweit ausgedehnt habe, was zu ungerechten Entscheidungen führen könne. STEIGER (a.a.O. S. 146) schlägt daher vor, Selbstbetrieb nur dann anzunehmen, wenn der Bewerber das Heimwesen hauptberuflich führt oder leitet, sofern es bei einer bestimmten Grösse des Betriebs sinnvoll ist, von Leitung oder Oberleitung zu sprechen. Es wird in der Praxis jedoch nicht immer leicht sein, eine haupt- und eine nebenberufliche Tätigkeit voneinander abzugrenzen. Auch bedeutet der Vorschlag STEIGERS eine Einengung des Begriffs "Selbstbetrieb", die sich nicht ohne weiteres rechtfertigen lässt. Diese Schwierigkeiten können vermieden werden, wenn zur Selbstbewirtschaftung neben der persönlichen Leitung des Betriebs auch eine wesentliche eigene Betätigung des Übernehmers im Gewerbe vorausgesetzt wird. Das Bundesgericht hat diese Lösung bereits in BGE 69 II 393 angetönt, was in der Literatur jedoch zu wenig beachtet worden ist. Die bisherige Praxis muss daher dahin verdeutlicht werden, dass Selbstbetrieb im Sinne von Art. 621 Abs. 2 ZGB dann vorliegt, wenn der Übernehmer das Gewerbe persönlich leitet und sich darin in wesentlichem Umfange persönlich betätigt.
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c) In der Berufungsschrift wird nun geltend gemacht, die in der bundesgerichtlichen Praxis erwähnten Merkmale des Selbstbetriebs seien in erster Linie auf männliche Bewerber um ein bäuerliches Heimwesen anwendbar. Einer weiblichen Anwärterin könnten sie nicht gerecht werden. Im bäuerlichen Familienbetrieb herrsche Arbeitsteilung. Die Bäuerin besorge den Haushalt, erziehe die Kinder, pflege die Kleintiere, unterstütze den Mann bei leichtern Feldarbeiten und stehe ihm im übrigen mit Rat und Tat zur Seite. Das ist an sich richtig und wird vom Gesetz auch anerkannt, freilich ausdrücklich nur für den Fall, dass Töchter das Gut zum Selbstbetrieb übernehmen wollen und nicht sie, sondern ihre Ehemänner zum Betrieb geeignet erscheinen (Art. 621 Abs. 3 ZGB). Dieser Grundsatz hat jedoch allgemeine Geltung zu beanspruchen. Es darf als anerkannt gelten, dass namentlich auch dann Selbstbetrieb anzunehmen ist, wenn eine anspruchsberechtigte Frau mit ihrer Familie, in erster Linie mit dem dazu geeigneten Ehemann, das Gut bewirtschaften will (ESCHER, Kommentar, N. 7 und TUOR/PICENONI, Kommentar, N. 8 zu Art. 621 ZGB). Dabei wird normalerweise den männlichen Familienangehörigen, dem Ehemann und den Söhnen oder Schwiegersöhnen, neben der schweren Arbeit die leitende Rolle zukommen.
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Im vorliegenden Fall ist jedoch ein anderer Sachverhalt zu beurteilen. Die Eheleute Bär-Zurbrügg haben die Bewirtschaftung ihres Heimwesens "Moos" im Jahre 1965 altershalber aufgegeben und das Gut dem Sohne Hans abgetreten. Es mag dahingestellt bleiben, ob dies auch im Hinblick auf den im Jahre 1964 erfolgten Tod des Erblassers Albert Zurbrügg und den sich daraus ergebenden Zuweisungsanspruch erfolgt ist. Jedenfalls kann die heute 71-jährige Klägerin nun nicht ernstlich geltend machen, sie wolle die "Kleinweid" zum Selbstbetrieb mit ihrer Familie übernehmen. Nach der dargelegten natürlichen Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau müsste sie sich in erster Linie auf die in Aussicht stehende Mitarbeit ihres heute 78-jährigen Ehemannes berufen können. Davon ist begreiflicherweise ![]() | 14 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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