BGE 95 II 1 | |||
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1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Februar 1969 i.S. Erben des Emil Güdel gegen Schweizerische Stiftung für das Pferd und Konsorten. | |
Regeste |
Eigenhändiges Testament, Ort der Errichtung (Art. 505 Abs. 1 ZGB). |
Auch wenn es mehrere gleich benannte Ortschaften gibt, genügt die Angabe des Ortsnamens jedenfalls dann, wenn der wahre Ort feststeht oder sich mit Sicherheit ermitteln lässt. Es braucht kein engerer geographischer Raum oder administrativer Bezirk als die Territorialgemeinde irgendwelcher Art und Benennung angegeben zu werden (Orts-, Einwohner-, Munizipalgemeinde, politische Gemeinde usw.). Genügt unter Umständen sogar eine weiter gefasste Angabe (Landesgegend, Reisestrecke und dergleichen)? Frage offen gelassen. (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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A.- Der im Jahre 1883 geborene Emil Güdel ist am 21. Dezember 1965 in seinem Wohnhaus in Halden bei Neukirch an der Thur, Bezirk Bischofszell, gestorben. Er hat ein vom 28. Juli 1965 datiertes eigenhändiges Testament hinterlassen, wonach die gesetzlichen Erben - Verwandte des grosselterlichen Stammes - von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden und das ganze Vermögen zu gleichen Teilen elf Institutionen, den Beklagten, zugewendet wird. Die am Fusse des Testaments vor der Unterschrift stehende Datierung lautet: "Halden, 28. Juli 1965."
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B.- Ursprünglich elf gesetzliche Erben fochten das Testament wegen Formmangels und Verfügungsunfähigkeit des Erblassers an.
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C.- Sowohl das Bezirksgericht Bischofszell wie auch das Obergericht des Kantons Thurgau wiesen die Klage ab.
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D.- Gegen das obergerichtliche Urteil haben zehn Kläger Berufung an das Bundesgericht eingelegt. Sie wiederholen die Anträge auf Ungültigerklärung des Testaments und Teilung der Erbschaft.
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E.- Die Beklagten beantragen Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Nach Art. 505 Abs. 1 ZGB ist die eigenhändige letztwillige Verfügung vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Ort, Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben, sowie mit seiner Unterschrift zu versehen. Werden diese Formvorschriften verletzt, so muss die Verfügung nach Art. 520 Abs. 1 ZGB auf Klage für ungültig erklärt werden.
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Dieser Vorschrift genügt in formeller Beziehung die Angabe des Ortes, wie sie üblicherweise bei Datierungen in Verbindung mit der Zeitangabe geschieht. "Ort" in diesem Sinne ist gleichbedeutend mit "Ortschaft", und diesem Begriff entspricht die vorliegende Angabe "Halden" durchaus. Denn es ist unbestritten und steht, wie das Obergericht ausführt, angesichts der Lebensumstände des Erblassers ausser Zweifel, dass er das Testament vom 28. Juli 1965 an dem erwähnten Wohnort errichtet hat, einer Ortsgemeinde mit eigener Post und Primarschule.
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Nach der Rechtsprechung muss die Orts- ebenso wie die Zeitangabe wahr sein. Zur äussern Form muss also die inhaltliche Richtigkeit treten; jedenfalls ist eine bewusst unrichtige Angabe zu verpönen. Der Wortlaut des Gesetzes legt es denn auch nahe, die Datierung des Testaments mit Einschluss der Ortsangabe nicht bloss als leere Form zu betrachten, sondern eine wahre Bescheinigung von Ort und Zeit der Errichtung in der Testamentsurkunde zu verlangen (vgl.BGE 50 II 6; W. BURCKHARDT, Über die Form des eigenhändigen Testamentes, ZbJV 72 S. 381 ff.: Besprechung des Buches von F. VON HIPPEL, Formalismus und Rechtsdogmatik, der sich auf S. 41 ff. zum Erfordernis der Angabe von Zeit und Ort ausspricht). Diese Richtigkeit ist aber zu vermuten; die Testamentsurkunde braucht darüber nichts auszusagen. Im Zweifelsfalle können äussere Tatsachen als Indizien für und gegen die Richtigkeit ins Feld geführt und vom Richter gewürdigt werden (vgl.BGE 75 II 345zum Nachweis der Unrichtigkeit der Zeitangabe; TUOR, 2. A., N 21 a). Beim vorliegenden Testament ist, wie bemerkt, ein solcher Zweifel nicht am Platze und denn auch von den Klägern selbst nicht geäussert worden.
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2. Die Kläger halten indessen dafür, die Ortsangabe des Testaments entbehre der erforderlichen Genauigkeit. Sie lasse nämlich den von der Rechtsprechung (BGE 64 II 410) verlangten Hinweis auf die politische Gemeinde, zu welcher der Errichtungsort gehört, vermissen, und diese Gemeinde sei auch aus dem übrigen Testamentsinhalt nicht zu ersehen. Der Errichtungsort Halden gehöre zur politischen Gemeinde (Munizipalgemeinde) Neukirch. Diesem Einwand begegnet das Obergericht mit der Feststellung, Halden bilde als Ortsgemeinde auch schon selber eine politische Gemeinde. Es habe daher keines weitern Hinweises bedurft.
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Der von den Klägern eingenommene Standpunkt ist aus verschiedenen Gründen abzulehnen:
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a) InBGE 64 II 410wurde offen gelassen, "welches die am weitesten gefasste Ortsbezeichnung ist, die ... noch genügt, ob z.B. die Angabe einer Landesgegend oder einer Reisestrecke hinreichend wäre". Als "engsten geographischen Raum" aber, welchen "das Gesetz unter dem Begriff des Ortes höchstens verstanden haben will", habe man die politische Gemeinde zu betrachten. Das will nun keineswegs heissen, die den Errichtungsort bildende oder umschliessende politische Gemeinde müsse im Testamente genannt sein oder sich mindestens daraus ergeben. Vielmehr besagt jene Urteilsstelle nur, die Angabe der politischen Gemeinde bezeichne den Ort der Errichtung auf alle Fälle hinreichend genau; es brauche nicht die engere Örtlichkeit (Weiler, Quartier, Strasse) angegeben zu sein (vgl. die zutreffende Deutung des Urteils durch IMOBERSTEG, Das Datum im eigenhändigen Testament, Diss. Bern 1956 S. 89). Im Falle des Präjudizes war das Testament im Dorfe Zollikon errichtet worden, wo die Erblasserin einige Stunden verweilte; sie datierte das Testament aber mit "Zollikerberg, den ..." entsprechend ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort. Die unrichtige Quartierangabe konnte unter solchen Umständen als unschädlich betrachtet werden, weil sich der Zollikerberg ebenso wie das Dorf Zollikon im Gebiete der politischen Gemeinde Zollikon befindet. Um so mehr erweist sich die vorliegende, völlig zutreffende Ortsangabe als einwandfrei, zumal da die geographische Lage des hier in Frage stehenden Ortes "Halden" und damit auch die den Errichtungsort bildende politische Gemeinde feststeht, gleichgültig ob dies nun "Halden" selbst (wie das Obergericht annimmt) oder die diesen Ort umschliessende Munizipalgemeinde Neukirch ist (wie die Kläger annehmen).
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b) Welche dieser beiden Auffassungen zutreffe, ist somit nicht entscheidend. Das Bundesgericht könnte übrigens als Berufungsinstanz die auf kantonalem Recht beruhende Betrachtungsweise des Obergerichts in diesem Punkte nicht überprüfen (Art. 43 OG). Immerhin sei bemerkt, dass sie sich gewiss auf § 45 der Thurgauer Kantonsverfassung stützen lässt, wonach die Ortsgemeinden im allgemeinen die Grundlage für die Gebietseinteilung bilden. Damit stimmt § 1 Abs. 2 des thurgauischen Gesetzes über die Organisation der Gemeinden und das Bürgerrecht vom 4. April 1946 überein. Nach § 6 dieses Gesetzes ist die Ortsgemeinde Trägerin des Bürgerrechts und Verwalterin örtlicher Aufgaben, soweit diese nicht der Munizipalgemeinde zugeschieden sind. GIACOMETTI (Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone S. 83) bezeichnet sie als Abart der politischen Gemeinde. Ob man bei der Eigenart des thurgauischen Gemeindewesens (vgl. BÖCKLI, Thurgauische und eidgenössische Verfassungskunde S. 43 ff.; BÜRGI, Organisation und Finanzhaushalt einer dezentralisierten Gemeinde, ZBl 1941 S. 145 ff.) von einer politischen Gemeinde schlechthin sprechen kann, läuft wohl eher auf eine terminologische Frage hinaus.
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Wie dem aber auch sein mag, entspricht eine wahre Angabe des Errichtungsortes im eigenhändigen Testamente dem Art. 505 ZGB auf alle Fälle dann, wenn die Lage dieses Ortes von vornherein feststeht oder sich auf irgendeine Weise mit Sicherheit ermitteln lässt. Eine strengere Auffassung wird vom Gesetz nicht gefordert und würde auch den modernen Strömungen widersprechen, wie sie in der Literatur zum Ausdruck gelangen. Eine formalistische Anwendung des Art. 505 Abs. 1 ZGB wird in diesem Punkte mit Recht bekämpft unter Hinweis auf die in gleicher Richtung gehende Entwicklung in unsern Nachbarländern (vgl. ESCHER 3.A. N 19 ff. und TUOR 2.A. N 17 und 19 ff. zu Art. 505 ZGB; COTTIER, Le testament olographe en droit suisse, Diss. Lausanne 1960 S. 69 ff. und 153). Es ist daher nicht von der milden Auslegung abzugehen, wie sieBGE 64 II 410der Formvorschrift des Art. 505 ZGB zuteil werden lässt. Wenn hiebei von der politischen Gemeinde als dem engsten geographischen Raum gesprochen wird, der in der Angabe des Errichtungsortes "höchstens" ausgedrückt werden müsse, so ist dies übrigens nicht in einem streng verfassungsrechtlichen Sinne zu verstehen. Gemeint ist eine Territorialgemeinde irgendwelcher Art und Benennung; diesem Begriff entspricht die thurgauische Ortsgemeinde ebensogut wie die mehrere Ortsgemeinden umfassende Munizipalgemeinde.
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Ob auch eine weiter gefasste Ortsangabe (Landesgegend, Reisestrecke), namentlich etwa bei einer Testamentserrichtung unter besondern Umständen, ebenfalls noch genügen könnte, mag weiterhin offen bleiben.
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c) Gänzlich unbegründet ist ferner die Bemängelung der Ortsangabe "Halden" wegen einer angeblich bestehenden Verwechslungsgefahr: Halden bei Neukirch werde nämlich bisweilen mit Halden bei Bischofszell verwechselt, wie denn das Obergericht in Übereinstimmung mit einem Schreiben des Notariats Neukirch den Wohnort des Erblassers, wo er starb, als "Halden bei Bischofszell" bezeichne. Allein abgesehen davon, dass über die Lage des Testamentserrichtungsortes Halden keine Zweifel obwalten, handelt es sich um zwei Bezeichnungen des gleichen Ortes. Es gibt im Bezirk Bischofszell nur eine Ortschaft Halden, eben die hier in Frage stehende. Die gebräuchliche Benennung "Halden bei Bischofszell" (statt "... bei Neukirch an der Thur") erklärt sich daraus, dass diese Ortschaft ungefähr in der Mitte zwischen Neukirch und Bischofszell liegt, mit diesem Orte unmittelbar durch eine Fahrstrasse verbunden ist und von dort aus postalisch bedient wird (vgl. die Landeskarte 1: 25'000 Bischofszell Blatt 1074 in Verbindung mit dem Schweizerischen Ortschaftenverzeichnis 1960 III des eidg. statistischen Amtes und dem Schweizerischen Ortslexikon von A. Jacot, 19. Auflage 1957).
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d) Endlich ist dem Obergericht darin beizustimmen, dass der Erblasser keine Veranlassung hatte, die Ortsangabe "Halden" mit Rücksicht auf andere, ausserhalb des Bezirks Bischofszell liegende, gleich benannte Örtlichkeiten durch einen Zusatz näher zu umschreiben. Einmal handelte es sich eben um seinen Wohnort - ob er dort auch den zivilrechtlichen Wohnsitz hatte und polizeilich gemeldet war, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle -, und sodann sind die andern thurgauischen "Halden" nach Feststellung des Obergerichts blosse Gehöfte oder Teile von Ortsgemeinden (was sich auch aus den soeben am Ende von lit. c angeführten Auskunftsmitteln ergibt). Übrigens steht dahin, ob dem Erblasser die Existenz des einen oder andern dieser Orte bekannt war.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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