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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: | |||
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15. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Mai 1969 i.S. Schärer gegen Burren und Burren gegen Flückiger. | |
Regeste |
I. Berufung Schärer. |
2. Haftung aus unerlaubter Handlung, Art. 41 OR. Widerrechtlichkeit (Erw. 2). |
3. Haftung des Geschäftsherrn, Art. 55 OR. |
Verschulden der Hilfsperson ist nicht erforderlich (Erw. 3). |
Haftung des Geschäftsherrn wegen ungenügender Instruktion der Hilfsperson (Erw. 4). |
4. Adäquanz des Kausalzusammenhangs (Erw. 5). |
5. Wegbedingung der Haftung, Art. 100 OR? (Erw. 6). |
II. Berufung Burren. |
1. Haftung des Auftraggebers, Art. 402 Abs. 2 OR; stillschweigende Erweiterung des Auftrags? (Erw. 1). |
2. Geschäftsführung ohne Auftrag, Art. 422 Abs. 1 OR. |
Handeln im Interesse des Geschäftsherrn? (Erw. 2). |
3. Haftung aus unerlaubter Handlung, Art. 41 OR. Fehlen der Widerrechtlichkeit (Erw. 3). |
4. Haftung des Geschäftsherrn, Art. 55 OR. |
Vorliegen einer dienstlichen Verrichtung? (Erw. 4 a). |
Widerrechtlichkeit des Verhaltens der Hilfsperson? (Erw. 4 b, c). Adäquanz des Kausalzusammenhangs (Erw. 4 d). |
Genügende Instruktion der Hilfsperson? (Erw. 4 e). | |
Sachverhalt | |
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Am Hause Vetters arbeitete unter anderem Fritz Flückiger, der in Huttwil eine Bauschreinerei betreibt. Er beauftragte Otto Burren, der als Kundenmüller und Handelsmann tätig ist und daneben mit einem Lastwagen gewerbsmässige Transporte ausführt, am Vormittag des 2. April 1964 Abschlusswände, Türen, Wandschränke und dgl. zum Hause Vetters zu führen. Flückiger schickte auf die Fahrt zwei seiner Arbeiter mit, den Schreiner Fritz Pauli und den Handlanger Ernst Flückiger, und wies sie an, das transportierte Material am Bestimmungsort abzuladen und in das Haus zu tragen, wo es angeschlagen werden sollte.
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Beim Hause Vetters blieb Pauli auf Ersuchen Burrens auf ![]() | 3 |
Fritz und Hansjörg Fiechter, die bis im Januar 1964 am Hause Vetters Maurerarbeiten ausführten, hatten den Windfang gegen die Kellertreppe hin durch zwei Pfosten und eine Längslatte gesichert. Gipsermeister Michelotti hatte später diese Abschrankung zwecks Ausführung von Gipserarbeiten entfernt, will sie aber wieder angebracht haben. Nachher musste sie auch vom Bodenleger zum Anbringen des Unterlagsbodens weggenommen werden. Am 2. April 1964 fehlte sie, ohne dass feststände, an welchem Tage und durch wen sie entfernt und nicht wieder angebracht worden war.
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B.- Burren klagte beim Appellationshof des Kantons Bern gegen Vetter, Fritz und Hansjörg Fiechter, Fritz Flückiger und Fritz Schärer mit den Begehren, die Beklagten seien zu verurteilen, ihm solidarisch als Schadenersatz und Genugtuung Fr. 200'000.-- nebst Zins zu zahlen und die Kosten der Zahlungsbefehle zu ersetzen.
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Der Appellationshof beschränkte das Verfahren auf die grundsätzliche Frage der Haftung der Beklagten.
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Er wies am 18. Dezember 1968 die Klage gegen Vetter, Fritz und Hansjörg Fiechter und Fritz Flückiger ab, stellte dagegen fest, dass Fritz Schärer für den dem Kläger durch den Unfall vom 2. April 1964 verursachten Schaden grundsätzlich hafte.
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C.- Schärer und der Kläger fechten dieses Urteil mit der Berufung an.
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Schärer beantragt, die Klage ihm gegenüber abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Berufung Schärers abzuweisen und festzustellen, dass auch Fritz Flückiger ihm für den Schaden grundsätzlich hafte.
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Fritz Flückiger beantragt, die Berufung des Klägers abzuweisen.
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I.1.- Das Urteil gegen Schärer ist ein selbständiger Vorentscheid. Wenn der Berufungsantrag des Beklagten begründet wäre, hätte das Bundesgericht die Klage gegen Schärer abzuweisen, also den Endentscheid zu fällen. Dadurch würde ein bedeutender Aufwand für das Beweisverfahren über die Schadenersatzansprüche des Klägers erspart. Es rechtfertigt sich daher, gemäss Art. 50 OG auf die Berufung einzutreten.
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Der Beklagte wendet in erster Linie ein, es stehe nicht fest, dass René Schärer den erwähnten Zustand geschaffen oder nicht beseitigt habe, denn es habe sich nicht feststellen lassen, wann und durch wen die Abschrankung weggenommen worden sei; es sei möglich, dass irgend ein Bauarbeiter sie erst ein oder zwei Tage vor dem Unfall entfernte; die Auffassung des Appellationshofes, dies sei unwahrscheinlich und nicht bewiesen, widerspreche der vorinstanzlichen Feststellung, wonach sich nicht beweisen lasse, wann die Abschrankung entfernt wurde. Zudem verletze sie die Beweisregel des Art. 8 ZGB, denn nicht der Beklagte, sondern der Kläger habe die Voraussetzungen der unerlaubten Handlung nachzuweisen.
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Nach Art. 8 ZGB muss, wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Diese Bestimmung verpflichtete den Kläger nicht, darzutun, wie lange vor dem Unfalle die Abschrankung beseitigt worden war und wer sie beseitigt hatte. Es genügte der Nachweis, dass die Abschrankung im Zeitpunkt des Unfalles fehlte und dass René Schärer als Bauleiter und Hilfsperson des Beklagten gegen diesen rechtswidrigen Zustand nicht eingeschritten war. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes setzt die Kausalhaftung des Geschäftsherrn aus Art. 55 OR nicht voraus, dass den Angestellten oder Arbeiter ein Verschulden treffe. Es genügt, dass der Untergebene durch sein Verhalten, sei es ein Tun, sei es eine Unterlassung, den Schaden verursachte oder mitverursachte (BGE 56 II 287, 289,BGE 57 II 38, 45, BGE 88 II 135, BGE 90 II 90). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle dargetan. Es steht fest, dass die Abschrankung vor dem Unfalltage entfernt worden war, und es ist unbestritten, dass René Schärer nichts vorkehrte, um sie wieder anbringen zu lassen. Ob er seine Untätigkeit verschuldet habe, könnte nur eine Rolle spielen, wenn der Kläger für den Sturz mitverantwortlich sein sollte, denn diesfalls würde die Billigkeit verlangen, dass auch das Verhalten des angestellten Bauleiters (und des Beklagten als Geschäftsherrn) unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens gewürdigt werde; denn die Umstände nach Art. 44 Abs. 1 OR haben mehr Gewicht, wenn den Untergebenen des Belangten (oder den Belangten selber) keinerlei Verschulden trifft (BGE 41 II 500, BGE 88 II 135). Über die ![]() | 14 |
Übrigens führt der Appellationshof aus, es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Abschrankung z.B. erst am Tage vor dem Unfall entfernt worden wäre, da regelmässig zwischen der Ausführung der von verschiedenen Handwerkern vorgenommenen Arbeiten zeitliche Zwischenräume von einigen Tagen zu liegen pflegten; René Schärer sei nach seinen Aussagen wöchentlich mehrmals auf dem Bauplatz gewesen und hätte daher bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Fehlen der Abschrankung feststellen müssen. Darin liegt die tatsächliche Feststellung, dass die Abschrankung jedenfalls so viele Tage vor dem 2. April 1964 entfernt wurde, dass der wöchentlich mehrmals auf dem Platz erscheinende Bauleiter ihr Fehlen hätte feststellen können. Diese Feststellung widerspricht dem vorausgehenden Satze der vorinstanzlichen Erwägungen nicht, wonach sich nicht habe ermitteln lassen, "wer wann die ursprünglich vorhandene Abschrankung entfernt" habe. Da sie weder offensichtlich auf einem Versehen beruht noch in Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen ist, bindet sie das Bundesgericht (Art. 63 Abs. 2 OG).
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Der Beklagte wendet ein, Instruktion und Überwachung des sorgfältig ausgewählten Bauleiters seien überflüssig gewesen, da René Schärer mindestens über die Kenntnisse seines Vaters verfügt und seine Arbeit stets zuverlässig besorgt habe, ja, wie angenommen werden dürfe, über seine Pflichten sogar besser und zuverlässiger orientiert gewesen sei als sein Vater, da er kurze Zeit vorher im Technikum über die einschlägigen Vorschriften und deren praktische Anwendung unterrichtet worden sei. Für einen diplomierten Hochbautechniker stelle die Bauleitung in einem einfachen Einfamilienhaus nicht die geringsten Probleme; namentlich sei das Anbringen vorgeschriebener ![]() | 16 |
Damit geht der Beklagte von einem nicht erwiesenen Sachverhalt aus. Der Appellationshof stellt nicht fest, René Schärer sei kurze Zeit vor dem Unfall im Technikum über die einschlägigen Vorschriften und deren praktische Anwendung unterrichtet worden. Er führt auch nicht aus, René Schärer habe mindestens über die Kenntnisse seines Vaters verfügt, ja es dürfe angenommen werden, er sei über seine Pflichten sogar besser und zuverlässiger unterrichtet gewesen als der Beklagte. Aus den Tatsachen allein, dass René Schärer, geb. 1933, eine Lehre als Bauzeichner bestanden, dann während vier Jahren das Abendtechnikum in Bern besucht hatte und schliesslich - nach den Angaben des Beklagten im Dezember 1963 - als Hochbautechniker diplomiert worden war, folgt die behauptete Unterrichtung seitens der Lehrer nicht. Indem der Appellationshof dem Beklagten vorwirft, er sei, nach seinen Aussagen zu schliessen, über die Pflichten eines Bauleiters in bezug auf das Anbringen von Sicherheitsmassnahmen "selber nicht genügend im Bilde" gewesen, geht er davon aus, die bezüglichen Kenntnisse des Sohnes hätten mindestens die gleichen Lücken aufgewiesen; der Beklagte hätte sie durch Instruktionen ausfüllen sollen, sei aber dazu mangels genügender eigener Kenntnisse nicht fähig gewesen. Diese Auffassung der Vorinstanz betrifft tatsächliche Verhältnisse und bindet daher das Bundesgericht. Sie beruht nicht offensichtlich auf Versehen, was der Beklagte denn auch nicht behauptet. Der Beklagte, geb. 1904, gibt sich wie sein Sohn als Architekt aus, weshalb nicht auf der Hand liegt, dass seine Kenntnisse im umstrittenen Punkte geringer waren als jene des Sohnes.
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Geht man davon aus, dass die Kenntnisse des René Schärer über die Pflichten eines Bauleiters zur Erstellung und Wiederanbringung von Abschrankungen ebenso lückenhaft waren wie jene des Beklagten, so verletzt die Auffassung der Vorinstanz, der Beklagte habe nicht alle nach den Umständen gebotene ![]() | 18 |
Dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre, ist nicht dargetan.
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Das Betreten des Hauses durch den Kläger lag nicht dermassen ausserhalb des gewöhnlichen Laufes der Dinge, dass im Fehlen der Abschrankung keine adäquate Ursache des Schadens zu sehen wäre. Die Behauptung des Beklagten, der Zutritt zum Bau sei für Unbefugte ausdrücklich verboten worden, findet im angefochtenen Urteil keine Stütze. Das Urteil sagt nur: "Zwar war Unbefugten der Zutritt zum noch nicht fertigen Bau verboten." Das heisst nicht notwendigerweise, der Beklagte, der Bauleiter oder irgendwer habe ein Verbot bekanntgegeben. Der Beklagte schweigt sich denn auch, wie schon im kantonalen Verfahren, darüber aus, wann, wie und durch wen den Unbefugten der Zutritt verboten worden wäre. Der erwähnte Satz scheint eher eine rechtliche Schlussfolgerung der Vorinstanz aus dem Umstande, dass der Bau nicht fertig war, zu sein. Sei dem wie ihm wolle, gehörte jedenfalls der Kläger nicht zu den Unbefugten. Er half Pauli und Ernst Flückiger in deren Einverständnis den Auftrag erfüllen, den ihnen Fritz Flückiger erteilt hatte, nämlich das anzuschlagende Schreinermaterial in das Haus zu tragen. Diese Hilfe durfte er Pauli und Ernst Flückiger leisten, und um sie leisten zu können, durfte er das ![]() | 20 |
Ebenso wenig kann davon die Rede sein, dass der Sturz durch aussergewöhnlich unvorsichtiges Verhalten des Klägers dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entrückt worden wäre und die Adäquanz des Kausalzusammenhanges aus diesem Grunde fehlen würde. Es kommt häufig vor, dass Arbeiter, die einen Schrank in ein Haus tragen, einige Schritte rückwärts gehen müssen, um ihren Versuch zu erneuern. Dass sie dabei, durch die Last behindert, den Gefahren ihrer Umgebung nicht die höchste Aufmerksamkeit schenken, ist ebenfalls nichts Ungewöhnliches, selbst dann nicht, wenn sie vorher, wie im vorliegenden Falle der Kläger, die Gefahren beim wiederholten Betreten des Ortes sahen oder sehen konnten. Abschrankungen in unfertigen Bauten sind gerade deshalb vorgeschrieben, weil es immer wieder vorkommt, dass die Aufmerksamkeit unter dem Einfluss der Arbeit nachlässt und sehr oft nicht ausreicht, um den Arbeitenden vor einem Sturz zu bewahren.
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Wann, wie und durch wen den Unbefugten das Betreten des Hauses Vetter verboten worden sei, hat der Beklagte im kantonalen ![]() | 22 |
Die Berufung des Beklagten Schärer ist in allen Punkten unbegründet und daher abzuweisen.
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II.1.- Die Auffassung des Klägers, Fritz Flückiger hafte ihm als Auftraggeber aus Art. 402 Abs. 2 OR, wurde vom Appellationshof mit der Begründung verworfen, der Auftrag Flückigers habe sich auf den Transport mit dem Lastwagen beschränkt; das Hineintragen der Gegenstände in das Haus sei von diesem Auftrag nicht mehr erfasst.
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Damit stellt der Appellationshof verbindlich fest, dass Fritz Flückiger mit dem Kläger nicht verabredet hat, dieser solle den beiden Arbeitern Flückigers die Gegenstände in das Haus tragen helfen. Der Kläger gibt denn auch das Fehlen einer solchen Abrede zu, indem er lediglich geltend macht, Fritz Flückiger habe in Kauf nehmen müssen, dass der willige Kläger beim Hineintragen behilflich sei und die beiden Arbeiter ihn gewähren liessen. Damit will er offenbar sagen, die Ausdehnung des Auftrages über den verabredeten Inhalt hinaus sei stillschweigend zustande gekommen.
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Diese Auffassung hält nicht stand. Da Fritz Flückiger mit dem Kläger nur den Transport auf dem Lastwagen vereinbart und zum Hineintragen der Gegenstände den Schreiner Pauli und den Handlanger Ernst Flückiger abbefohlen hatte, musste er nicht annehmen, der Kläger erachte sich als beauftragt, beim Hineintragen mitzuhelfen. Die beiden Arbeiter genügten, um die Gegenstände hineinzutragen. Wenn nicht vor jedem Gang einer von ihnen den Lastwagen besteigen wollte, konnten sie alle Gegenstände zuerst abladen und sie nachher hineintragen, oder sie konnten den Kläger bitten, sie ihnen vom Lastwagen herunterzureichen. Der Kläger versucht das mit der Behauptung ![]() | 26 |
Dass die Mitwirkung des Klägers wegen schmutzigen Umgeländes notwendig gewesen sei, ist nicht festgestellt. Wie der Appellationshof verbindlich ausführt, regnete es auch nicht und drohte es nicht zu regnen. Die Hilfe des Klägers war somit nicht dringlich. Es lagen auch sonst keine Umstände vor, aus denen der Kläger hätte schliessen dürfen, die Lage sei anders, als Fritz Flückiger sich vorgestellt hatte, und sie erfordere das ![]() | 27 |
Der Beklagte hatte den Kläger nicht beauftragt, die Gegenstände in das Haus zu tragen. Er war daher nicht verpflichtet, zum Schutze des Klägers im Hause irgendwelche Massnahmen zu treffen. Indem er solche unterliess, handelte er gegenüber dem Kläger nicht rechtswidrig. Dass das Anbringen der Abschrankung zum Schutze irgendwelcher im Hause verkehrenden Personen dem Beklagten obgelegen habe, weil er im Hause Schreinerarbeiten ausführte, wird mit Recht nicht geltend gemacht. Der gefährliche Zustand wurde nicht durch die Schreinerarbeiten geschaffen, sondern durch den unfertigen Zustand, in dem sich das Haus nach der Erstellung der Kellertreppe und des Windfanges durch die Maurer befand.
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Ob der Beklagte als Dienstherr der beiden Arbeiter Pauli und Ernst Flückiger die ihm durch Art. 339 OR auferlegten Pflichten verletzt habe, ist unerheblich. Pauli und Ernst Flückiger sind nicht verletzt worden, und aus ihrem Dienstverhältnis zum Beklagten vermag der Kläger nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Dieses Dienstverhältnis macht die Untätigkeit des Beklagten gegenüber dem Kläger nicht widerrechtlich.
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Übrigens wäre der Auffassung der Vorinstanz beizupflichten, wonach der Beklagte beim Abladen der Gegenstände und deren Hineintragen in das Haus nicht persönlich zugegen zu sein brauchte, da Pauli gelernter Schreiner ist und schon manchen Möbeltransport ausgeführt hatte. Pauli konnte ebensogut wie der Beklagte beurteilen, ob und inwiefern das Hineintragen der Gegenstände gefährlich sei und allenfalls Schutzmassnahmen voraussetze. Die Auffassung des Klägers, der Beklagte hätte persönlich in den Neubau vorausgehen sollen, um die Lage abzuklären, ist lebensfremd, zumal keine Anhaltspunkte namhaft gemacht werden, aus denen der Beklagte hätte schliessen müssen, dass der Generalunternehmer Fritz Schärer und sein Bauleiter ihre Pflicht nicht getan hatten.
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a) Die Mitwirkung des Klägers beim Hineintragen des Wandschrankes ist eine Mitursache des eingetretenen Körperschadens. Indem Pauli und Ernst Flückiger diese Mitwirkung duldeten und damit ihrerseits eine Ursache des Schadens setzten, handelten sie im Sinne des Art. 55 OR in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen. Dass sie von der Weisung ihres Dienstherrn abwichen, wonach sie selber die Gegenstände hätten in das Haus tragen sollen, ändert nichts. Es ist gerade das Ziel des Art. 55 OR, den Geschäftsherrn für das unrichtige Vorgehen seiner Hilfspersonen bei der Erfüllung ihrer dienstlichen Verrichtungen haften zu lassen (OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Auflage, II/1 S. 146).
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b) Die Vorinstanz und der Beklagte verneinen die Anwendbarkeit des Art. 55 OR mit der Begründung, Pauli und Ernst Flückiger hätten sich nicht widerrechtlich verhalten, indem sie duldeten, dass der Kläger beim Abladen und Hineintragen der Gegenstände das Kommando übernahm und Pauli auf den Lastwagen wies.
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Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass die Widerrechtlichkeit durch das Ergebnis begründet wurde, zu dem die Mitwirkung des Klägers führte, nämlich durch die gegen den Willen des Klägers herbeigeführte Körperverletzung. Die körperliche Unversehrtheit ist ein durch geschriebene und ungeschriebene Gebote und Verbote der Rechtsordnung geschütztes Rechtsgut. Wer sie durch Widerhandlung gegen solche Gebote oder Verbote verletzt, handelt widerrechtlich (BGE 82 II 28 und dort erwähnte Entscheide; ferner BGE 88 II 280 f. Erw. 4 a, BGE 90 II 279 Erw. 4). Vorbehalten bleiben die Fälle, in denen der Eingriff in das verletzte Gut durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. An solche denkt denn auch Oftinger, indem er an der vom Beklagten angerufenen Stelle z.B. die Notwehr und den Notstand erwähnt (OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Auflage, II/1 S. 149). Solche Gründe hatten Pauli und Ernst Flückiger nicht, als sie duldeten, dass der Kläger den Wandschrank hineintragen half. Dass ![]() | 33 |
c) Möglicherweise will die Vorinstanz durch die Verneinung der Widerrechtlichkeit lediglich sagen, Pauli und Ernst Flückiger hätten nicht pflichtwidrig gehandelt, indem sie die Mitwirkung des Klägers duldeten.
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Auch unter diesem Gesichtspunkt lässt sich aber die Haftung des Beklagten nach Art. 55 OR nicht verneinen. Wie schon ausgeführt wurde, setzt diese Bestimmung nicht voraus, dass den Angestellten oder Arbeiter, der in Ausübung seiner dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen einen Schaden verursacht, ein Verschulden treffe. Blosse Verursachung genügt. Daher sind die Ausführungen des Klägers, wonach zum mindesten Pauli schuldhaft gehandelt habe, gegenstandslos.
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d) Der Beklagte als Geschäftsherr haftet nur, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen der von seinen Arbeitern hingenommenen Mitwirkung des Klägers beim Hineintragen des Schrankes und dem eingetretenen Unfall rechtserheblich, d.h. adäquat ist.
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Auch diese Voraussetzung ist indessen erfüllt. Es lag nicht ausserhalb des gewöhnlichen Laufes der Dinge, dass die Mitwirkung des Klägers beim Hineintragen des nicht sehr handlichen und rund 40 kg schweren Schrankes angesichts des gebotenen Rückwärtsgehens des Klägers und des Fehlens einer Abschrankung zwischen dem Windfang und der Kellertreppe zu einem Sturz über die Treppe hinunter und zu der eingetretenen Schädelverletzung führte. Dass der Kläger vorher beim Hineintragen anderer Gegenstände das Fehlen der Abschrankung wahrnahm oder hätte wahrnehmen können, macht den Kausalzusammenhang nicht inadäquat, sondern kann nur allenfalls im Sinne des Art. 44 OR Grund zur Herabsetzung der Ersatzpflicht sein. Auch die Verantwortung des Beklagten Schärer für das Fehlen der Abschrankung macht den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Arbeiter Pauli und Flückiger und dem Unfall nicht rechtlich unerheblich. Dieser Umstand kann die Ersatzpflicht des Beklagten Fritz Flückiger nur allenfalls gemäss Art. 43 OR mässigen.
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e) Zur Frage, ob der Beklagte alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet habe, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, hat die Vorinstanz nicht Stellung genommen, ![]() | 38 |
f) Der Beklagte Fritz Flückiger bestreitet die Haftung auch mit dem Einwand, der Kläger habe den Unfall ausschliesslich selber verschuldet. Er beruft sich also auf Art. 44 OR. Der Appellationshof hat indessen noch nicht entschieden, ob Umstände im Sinne dieser Bestimmung vorliegen. Dem Beklagten Schärer, dessen grundsätzliche Haftung er bejahte, hat er die Geltendmachung von Herabsetzungsgründen gemäss Art. 44 OR ausdrücklich vorbehalten. Der gleiche Vorbehalt hat für den Beklagten Fritz Flückiger zu gelten. Das Bundesgericht hat nicht schon heute zu entscheiden, ob und in welchem Grade sich Art. 44 OR zugunsten des Beklagten auswirke.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die Berufung des Fritz Schärer wird abgewiesen, und das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern, II. Zivilkammer, vom 18. Dezember 1968 wird diesem Beklagten gegenüber bestätigt.
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