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22. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Mai 1969 i.S. Gerberei Kappeler AG. gegen Stutz. | |
Regeste |
Wertpapierrecht. |
Ist er eine Anweisung? Offen gelassen. |
Voraussetzungen, unter denen der Anweisungsempfänger ein Rückgriffsrecht auf den Anweisenden hat (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Eschmann hatte im Jahre 1964 der Gerberei Kappeler AG für eine persönliche Schuld von Fr. 13 000.-- zahlungshalber drei "WIR"-Buchungsaufträge (BA) (sog. "WIR"-Checks) über Fr. 2000.--, Fr. 6000.-- und Fr. 5000.-- übergeben, die er von Stutz erhalten hatte. Diese lauteten auf die Firma Leder Asper als Ausstellerin und waren von Stutz unterzeichnet; sie waren undatiert und bezeichneten auch den Empfänger nicht. Sie sind bis auf den heutigen Tag Blankette geblieben.
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Die "WIR" Wirtschaftsring-Genossenschaft, an die sich die Gerberei Kappeler AG wandte, verweigerte am 5. Juni 1967 die Einlösung der drei "WIR"-Checks mit der Begründung, die Firma Leder Asper, bzw. Jean Stutz sei nicht mehr "WIR"-Mitglied und besitze kein "WIR"-Kontoguthaben.
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Über Eschmann wurde am 16. Juni 1967 der Konkurs eröffnet.
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B.- Am 14. November/6. Dezember 1967 klagte die Gerberei Kappeler AG gegen Stutz auf Bezahlung von Fr. 13 000.-- nebst 5% Zins seit 1. September 1963. Sie machte geltend, der sog. "WIR"-Check sei, auch wenn er blanko ausgestellt werde, ein Wertpapier, weshalb der Beklagte als Aussteller wertpapiermässig hafte und von ihr in Anspruch genommen werden könne, wenn die "WIR"-Verrechnungszentrale die Einlösung verweigere, wie das hier der Fall gewesen sei.
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Der Beklagte bestritt seine Zahlungspflicht mit der Begründung, der "WIR"-Check sei kein Wertpapier, sondern eine blosse Anweisung im Sinne der Art. 466 ff. OR. Eine solche gebe für sich allein dem Anweisungsempfänger kein Rückgriffsrecht auf den Anweisenden, wenn der Angewiesene die Leistung verweigere.
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C.- Das Bezirksgericht Meilen schützte mit Urteil vom ![]() | 7 |
D.- Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, wies die Klage am 19. November 1968 ab. Es liess offen, ob der "WIR"-Buchungsauftrag ein Wertpapier sei; denn selbst wenn dies der Fall wäre, könnte der Empfänger den Aussteller nur auf die Leistung von "Verrechnungsfranken" belangen, nicht aber auf die Bezahlung von Währungsfranken, auf welche die Klage laute.
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E.- Gegen das Urteil des Obergerichts hat die Klägerin Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage vollumfänglich gutzuheissen.
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Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Angesichts des grossen Umfangs, den der "WIR"-Verrechnungsverkehr erlangt hat, und da aus zahlreichen Inseraten in der Tagespresse ersichtlich ist, dass mit sog. "WIR"-Checks in beträchtlichem Ausmass Handel betrieben wird, ist es jedoch geboten, die Frage des Wertpapiercharakters des "WIR"-Buchungsauftrages zu entscheiden.
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3. Die "WIR" Wirtschaftsring-Genossenschaft wurde 1934 durch Kreise des Gewerbes und des Detailhandels als ![]() | 14 |
Die Tätigkeit der "WIR" Wirtschaftsring-Genossenschaft bei diesem Verrechnungsverkehr beschränkt sich darauf, dass sie die Konten der Teilnehmer führt und die ihr beantragten Umbuchungen vornimmt. Sie wird weder Gläubigerin noch Schuldnerin der auf den Teilnehmerkonten verbuchten Guthaben. Sie ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Echtheit der ![]() | 15 |
Für ihre Buchungsaufträge verwenden die Teilnehmer am Verrechnungsverkehr in der Regel ein vorgedrucktes dreiteiliges Formular, das aus einem Abschnitt für den Aussteller, einem solchen für den Buchungsauftrag und einem dritten für den Empfänger besteht. Diese Formulare werden den Teilnehmern von der Genossenschaft in Form von Heften zur Verfügung gestellt, bei denen der Abschnitt für den Buchungsauftrag und derjenige für den Empfänger abgetrennt werden können, während der Abschnitt für den Aussteller, ähnlich wie bei Checkheften, als Talon im Heft zurückbleibt.
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Das Formular trägt folgenden Text:
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"WIR" Wirtschaftsring-Genossenschaft, Basel.
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Buchungsauftrag (BA) Bon de virement (BA)
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Nur zur Verrechnung in Zahlen - Chiffres
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Fr. ..................
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in Worten - en toutes lettres
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Fr. ....................................................
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Buchen Sie gegen diesen BA aus meinem (unserem) Guthaben Versez sur mon (notre) avoir en échange du présent BA
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an - à ..................................................
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Nur gültig mit Name des Empfängers
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Konto - Compte
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Nicht übertragbar! Unterschrift - Signature
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Datum - Date ......................
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* * *
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Mit dem vom Schuldner ordnungsgemäss ausgefüllten Buchungsauftrag kann der Gläubiger bei der Buchungsstelle die Umbuchung vornehmen lassen.
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Das von der Genossenschaft dem Teilnehmer zur Verfügung gestellte Formular sieht zwar ähnlich aus wie ein Post- oder Bankcheck und kommt in seinen praktischen Auswirkungen im Verkehr unter den Kontoinhabern dem Verrechnungscheck im Sinne von Art. 1125 OR nahe. Er wird denn auch häufig als "WIR"-Check bezeichnet. Er ist jedoch kein Check im Sinne des Gesetzes, weil er im Text der Urkunde nicht als "Check" bezeichnet wird, wie Art. 1100 Ziff. 1 und Art. 1101 Abs. 1 OR dies als Gültigkeitserfordernis vorschreiben (LAUTNER, S. 134, OTT, S. 146).
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Selbst wenn er diese Bezeichnung enthielte, könnte er übrigens gleichwohl nicht als Check betrachtet werden, weil ihm ein weiteres für einen solchen begriffswesentliches Merkmal fehlt, nämlich "die unbedingte Anweisung, eine bestimmte Geldsumme zu bezahlen" (Art. 1100 Chiff. 2 OR). Der Buchungsauftrag enthält nur die an die Buchungsstelle gerichtete Aufforderung, eine Buchung vorzunehmen.
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Der mit dem Formular erteilte Buchungsauftrag ist aber überhaupt kein Wertpapier, weil der durch ihn verliehene Anspruch auf Vornahme einer Buchung nicht derart mit der Urkunde verknüpft ist, dass er ohne diese nicht geltend gemacht werden kann, was nach Art. 965 OR das Begriffsmerkmal des Wertpapiers ist. Das Formular enthält weder einen Vermerk, dass es für die Erteilung von Buchungsaufträgen verwendet werden müsse, noch ergibt sich dies dem Sinne nach aus seinem Text, wie LAUTNER (S. 178 f.) behauptet. Auch den Statuten und den Kontobedingungen lässt sich keine solche Vorschrift entnehmen.
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Da die Verwendung des Formulars nirgends vorgeschrieben wird, besteht sogar die theoretische Möglichkeit, einen Buchungsauftrag mündlich zu erteilen, indem zwei Kontoinhaber zusammen bei der Verrechnungsstelle vorsprechen, um eine Umbuchung zu beantragen (OTT, S. 146). Nach den Darlegungen von LAUTNER (S. 166) soll sich zwar die Verrechnungsstelle in konstanter Praxis weigern, bloss mündlich erteilte Buchungsaufträge entgegenzunehmen. Aber selbst eine solche ununterbrochene Übung dürfte (entgegen der Ansicht von Lautner) nicht zur Ergänzung der unklaren Kontobedingungen herangezogen werden. Vor allem vermöchte sie nichts daran zu ändern, dass eine solche Einschränkung dem Text des Buchungsauftrags-Formulars nicht entnommen werden kann.
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Ob der Buchungsauftrag eine Anweisung sei (so OTT, S. 146; GAUTSCHI, Art. 466 OR N. 6 b), oder ob ihm doch auf jeden Fall eine solche zugrunde liege (LAUTNER, S. 137 ff.), ist fraglich. Nach Art. 466 OR wird durch die Anweisung "der Angewiesene ermächtigt, Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen auf Rechnung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger zu leisten, und dieser, die Leistung in eigenem Namen von jenem zu erheben". Beim "WIR"-Buchungsauftrag wird jedoch die angeblich angewiesene Verrechnungszentrale nicht zu einer derartigen Leistung ermächtigt, sondern nur aufgefordert, eine Buchung vorzunehmen. Die Frage kann jedoch offen bleiben. Selbst wenn sich der Buchungsauftrag als Anweisung auffassen liesse, müsste nämlich die Klage gleichwohl abgewiesen werden. Denn die Anweisung verschafft an sich dem Anweisungsempfänger kein Rückgriffsrecht gegenüber dem Anweisenden, ![]() | 40 |
Ein Rückgriffsrecht auf den Anweisenden hat der Anweisungsempfänger nur, wenn jener durch ein besonderes Garantieversprechen die Haftung dafür übernommen hat, dass der Angewiesene die Leistung an den Anweisungsempfänger erbringe (OTT, S. 147 Ziff. III a). Ein solches Garantieversprechen kommt aber im "WIR"-Buchungsauftrag in keiner Weise zum Ausdruck. Für die Annahme von LAUTNER (S. 175 f.), es sei im Buchungsauftrag mit Rücksicht auf sein Wesen als Zahlungsinstrument immer enthalten, fehlt jeder Anhaltspunkt. Zudem könnte sich im vorliegenden Fall die Klägerin auf ein solches Garantieversprechen des Beklagten als Aussteller des Buchungsauftrags wiederum nur berufen, wenn der erste Anweisungsempfänger, Eschmann, ihr die Rechte daraus abgetreten hätte (OTT, a.a.O.), was hier nicht zutrifft.
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