BGE 95 II 255 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
33. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Mai 1969 i.S. Deutsche Bundesbahn gegen Furer. | |
Regeste |
Eisenbahnhaftpflicht. |
2. Dem Richter ist nicht gestattet, den rechtzeitig eingeklagten Anspruch auf Entschädigung für künftige Erwerbseinbusse (Art. 3 EHG) wegen der Schwierigkeiten der Abschätzung dieses Schadens zur Zeit abzuweisen und den Kläger auf eine neue Klage zu verweisen, sondern er hat den Anspruch festzusetzen, allenfalls unter Vorbehalt der Abänderung des Urteils nach Art. 10 EHG (Erw. 6). |
3. Bei der Abschätzung der künftigen Erwerbseinbusse eines verunfallten Kindes darf nicht kurzerhand auf die medizinisch-theoretische Wertung des Invaliditätsgrades abgestellt werden. Vielmehr sind alle Umstände (insbesondere auch die beruflichen Aussichten des Kindes) zu berücksichtigen (Erw. 7). |
4. Die Frist von zwei Jahren seit der Eröffnung des Urteils, die Art. 14 Abs. 1 Satz 2 EHG für Begehren auf Abänderung des Urteils im Sinne von Art. 10 EHG festsetzt, ist entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht eine Verjährungsfrist, sondern wie die Fristen von Art. 36 Abs. 3 ElG und Art. 46 Abs. 2 OR eine Verwirkungsfrist (Erw. 9, 10). |
Verfahren. Bundesrechtlicher Anspruch auf materielle Prüfung prozessual ordnungsgemäss aufgestellter Rechtsbehauptungen (Erw. 8). | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Bei der Station Wilchingen-Hallau der Deutschen Bundesbahn, die auf dem Gebiet des Kantons Schaffhausen liegt, kreuzt die Strasse Wilchingen-Hallau auf einem mit Schranken gesicherten Niveauübergang die zwei Geleise der Eisenbahn. Am 12. Oktober 1964 wurden dort gegen 17 Uhr bei geschlossenen Schranken Güterwagen verschoben. Die Geschwister Silvia und Andreas Furer, geb. 6. Januar 1960 bezw. 27. September 1961, deren Eltern ungefähr 30 m vom Bahnübergang entfernt wohnten, krochen unter der Abschrankung durch, um die Geleise zu überqueren. Das Mädchen kam knapp vor einer heranrollenden Wagengruppe durch. Der Knabe wurde dagegen von einem Güterwagen erfasst und so schwer verletzt, dass ihm der rechte Vorderarm unterhalb des Ellenbogens abgenommen werden musste.
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B.- Am 28. Oktober 1965 belangte der Verunfallte die Deutsche Bundesbahn beim Kantonsgericht Schaffhausen auf Schadenersatz und Genugtuung. Im Laufe des Verfahrens bezifferte er seine Forderung auf insgesamt Fr. 215 570.55 (Arzt- und Spitalkosten Fr. 1140.55, Prothesenkosten Fr. 41 890.--, Nachteile der teilweisen Arbeitsunfähigkeit Fr. 162 540.--, Genugtuung Fr. 10 000.--). Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.
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Mit Urteil vom 23. Mai 1967 verpflichtete das Kantonsgericht die Beklagte, dem Kläger Fr. 199 774.55 nebst 5% Zins seit 12. Oktober 1964 zu zahlen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Fr. 1140.55 Arzt- und Spitalkosten, Fr. 41 890.-- Prothesenkosten und Fr. 156 744.-- Entschädigung für die Nachteile der teilweisen Arbeitsunfähigkeit. Die zuletzt genannte Summe ist der nach STAUFER/SCHAETZLE, Barwerttafeln, 2. Aufl., Tafel 3 im Zeitpunkt des Unfalls bestehende Barwert einer vom vollendeten 20. Altersjahr des Klägers an laufenden Rente von jährlich Fr. 12 600.--, die das Kantonsgericht dem Kläger auf Grund der Annahme zubilligte, er sei zu 70% invalid und hätte ohne diese Invalidität vom erwähnten Alter an jährlich Fr. 18 000.-- verdient. Die Genugtuungsforderung des Klägers wurde abgewiesen.
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C.- Die Beklagte appellierte gegen dieses Urteil an das Obergericht des Kantons Schaffhausen. Sie beantragte dem Sinne nach, die Klage sei abzuweisen; eventuell sei für die Nachteile der teilweisen Arbeitsunfähigkeit nicht eine Kapitalentschädigung, sondern eine Rente zu sprechen, deren erste Rate frühestens beim Eintritt des Klägers ins Erwerbsleben fällig werde. In ihrem Vortrag vor Obergericht bestritt sie ihre Haftung wie vor Kantonsgericht mit der Begründung, der Unfall sei durch das Verschulden Dritter, nämlich durch mangelhafte Beaufsichtigung des Klägers durch seine Eltern (namentlich durch seine Mutter) verursacht worden. Für den Fall der grundsätzlichen Gutheissung der Klage machte sie geltend, die Prothesenkosten seien nicht zu kapitalisieren, sondern von Fall zu Fall zu zahlen, und die Frage der Entschädigung für Erwerbsausfall müsse heute offen bleiben; erst bei Eintritt des Klägers ins Erwerbsleben sei zu untersuchen, wieweit das Fehlen des rechten Vorderarmes einer vollen Erwerbstätigkeit des Klägers hinderlich sei.
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Das Obergericht erkannte am 14. Juni 1968:
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"1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger für Arzt- und Spitalkosten mit Fr. 1'140.55 nebst Zins zu 5 % seit 12. Oktober 1964 zu entschädigen.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger sämtliche Kosten zu ersetzen, die ihm entstanden sind und noch entstehen werden im Zusammenhang mit Anschaffung, Anpassung und Reparatur der erforderlichen und fachärztlich verordneten Armprothesen.
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3. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger von dessen 20. Altersjahr an bis zum vollendeten 65. Altersjahr eine Entschädigungsrente von Fr. 12'600.-- pro Jahr in monatlich vorauszahlbaren Raten auszurichten.
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Diese Rente wird zugesprochen unter der Einräumung eines Rektifikationsvorbehaltes im Sinne von Art. 10 EHG für den Fall, dass die heutige Schätzung des Verdienstausfalles sich in der Folge, spätestens beim Eintritt des Klägers ins Erwerbsleben, als unrichtig erweisen sollte."
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D.- Gegen das Urteil des Obergerichts hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie verlangt der Sache nach in erster Linie die Abweisung der Klage und stellt für den Fall, dass ihre Haftung grundsätzlich bejaht werden sollte, den Antrag, es sei festzustellen, dass die künftige Erwerbseinbusse nicht dem medizinischen Invaliditätsgrad von 70% entspreche; "Ziff. 3 des Dispositivs des angefochtenen Urteils sei daher aufzuheben, soweit darin die Beklagte zur Zahlung einer jetzt schon bezifferten Jahresrente verurteilt wird".
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Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht hebt Dispositiv Ziff. 3 des angefochtenen Urteils auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Im übrigen weist es die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Nach Rechtsprechung und Lehre schliessen ein Selbst- oder ein Drittverschulden die Haftung der Bahnunternehmung nur dann aus, wenn sie so schwer sind und das Unfallgeschehen so intensiv beeinflusst haben, dass daneben die Betriebsgefahr der Bahn als adäquate Ursache des Unfalls nicht mehr in Betracht kommt (BGE 72 II 203/04, BGE 81 II 163 mit weitern Hinweisen, BGE 87 II 308, BGE 93 II 130). Bei Kinderunfällen besteht Einigkeit darüber, dass nicht jede Verletzung der durch Art. 333 Abs. 1 ZGB dem Familienhaupt auferlegten Pflicht zur Beaufsichtigung unmündiger Hausgenossen ein die Haftpflicht der Bahnunternehmung ausschliessendes Drittverschulden bedeutet (BGE 72 II 204, BGE 81 II 163). Kinder dürfen in ihrer Bewegungsfreiheit nicht allzusehr gehemmt werden. Von einem gewissen Alter an besteht eine Pflicht zu ihrer ständigen Überwachung nicht mehr. Das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung richtet sich ausserdem nach den örtlichen, sozialen und persönlichen Verhältnissen (vgl. hiezu OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, 2. A., II/1 S. 268 ff.).
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b) Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen, die das Obergericht durch Verweisung auf das erstinstanzliche Urteil getroffen hat und die gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich sind, kann, wie das Obergericht zutreffend ausführt, nicht angenommen werden, den Eltern des Klägers falle eine so schwere Verletzung ihrer Aufsichtspflicht zur Last und diese Pflichtverletzung habe das Unfallgeschehen so stark beeinflusst, dass die Betriebsgefahr der Bahn daneben nicht mehr als adäquate Ursache des Unfalls gelten könnte. Es steht fest, dass die Mutter des Klägers diesen, wenn er allein war, jeweils in ihrer unmittelbaren Nähe behielt. Er durfte jedoch mit seinem 43/4 jährigen Schwesterchen Silvia, das den Kindergarten besuchte, ausserhalb des Hauses spielen. Am Nachmittag des Unfalltags befand er sich zunächst bei der Mutter in der Küche. Nach 16 Uhr holte diese mit dem Kläger das Mädchen Silvia im Kindergarten ab. Hierauf erlaubte sie den beiden Kindern, zum Mädchen Ruth Fricker zu gehen. Sie selbst begab sich in den Garten. Es ist nun durchaus nichts Aussergewöhnliches, wenn sich Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind, aber den Kindergarten besuchen, ohne besondere Aufsicht ausserhalb des elterlichen Hauses aufhalten, sei es, dass sie den Weg zum Kindergarten und zurück allein zurücklegen, sei es, dass sie mit andern Kindern spielen oder für die Mutter in der Nähe kleine Besorgungen machen. Namentlich in ländlichen Verhältnissen und in einfachen Arbeiterfamilien, wo die Mutter den Haushalt und die Kinder besorgen und daneben gegebenenfalls noch Heimarbeit übernehmen muss, wie es für die Mutter des Klägers zutraf, ist das nicht zu beanstanden, sofern die Kinder vor den Gefahren des Verkehrs gewarnt und ihrem Verständnis entsprechend über das richtige Verhalten auf der Strasse belehrt worden sind, und sofern keine Anhaltspunkte für eine ausgesprochene Unfolgsamkeit oder Unvorsichtigkeit vorliegen. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es auch nicht als besonders tadelnswert, wenn solchen Kindern jüngere Geschwister, die allein das Haus nicht verlassen dürfen, zu kleinern Gängen oder zum Spielen ausserhalb des Hauses anvertraut werden.
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Frau Furer hat ihre Kinder nach den vom Obergericht übernommenen Feststellungen des Kantonsgerichts über die Gefahren des Verkehrs belehrt, wenn sie auf die Strasse gingen. Sie hat ihnen freilich nicht ausdrücklich verboten, die Bahngeleise bei geschlossenen Schranken zu überschreiten. Mit dieser Gefahr hätte sie indessen nur dann ernstlich rechnen müssen, wenn das Mädchen Silvia dazu Anlass gegeben hätte oder wenn z.B. das Bahnpersonal den Eltern entsprechende Beobachtungen mitgeteilt hätte, was nicht geschehen ist. Die Schranken reichten in geschlossenem Zustand bis etwa 25 cm an den Boden heran, und es war nicht zu erwarten, dass ein an den Eisenbahnverkehr gewöhntes Kind - die Familie Fuhrer wohnte nur ca. 30 m vom Niveauübergang entfernt - darunter durchkriechen werde. Auf der Südseite des Bahnübergangs befindet sich freilich eine fest angebrachte Röhrenkonstruktion, die das östliche Ende des Bahnsteigs gegen die Strasse abschliesst. Dort konnte ein Kind leichter durchschlüpfen, weil die untere waagrechte Röhre 55 cm über dem Boden verläuft. Es konnte jedoch nicht abgeklärt werden, auf welchem Wege die beiden Kinder auf die Geleise gelangt waren. Die Beklagte rechnete wohl ebensowenig wie die Eltern des Klägers damit, dass der seitliche Abschluss für kleine Kinder eine Gefahr bedeute. Wären die beiden Geschwister dort durchgeschlüpft, so könnte ihr - ähnlich wie den Schweiz. Bundesbahnen im Falle 81 II 163 E. 2 - der Vorwurf nicht erspart werden, sie habe den Unfall mitverschuldet, indem sie diesen gefährlichen Zustand duldete. Sie hat diese Gefahr übrigens erkannt; denn wenige Tage nach dem Unfall wurde beim erwähnten Abschluss ein engmaschiges Drahtnetz angebracht.
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Liegt ein Verschulden der Eltern des Klägers, das den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Betriebsgefahr der Bahn und dem Unfall zu unterbrechen vermöchte, nicht vor, so haftet die Beklagte dem Kläger für den aus dem Unfall entstandenen Schaden, und zwar hat sie diesen Schaden voll zu ersetzen. Eine allfällige Pflichtverletzung der Eltern könnte nur als Mitursache des Unfalls gewürdigt werden, und ein bloss mitursächliches Drittverschulden ist nicht bloss ungeeignet, die Bahn von ihrer Haftung zu befreien, sondern bildet auch keinen Grund für eine Ermässigung ihrer Ersatzpflicht (BGE 81 II 165; OFTINGER a.a.O. I S. 249 Ziff. 7).
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Die Bestimmung des Obergerichtsurteils über die Prothesenkosten (Disp. 2) entspricht der Auffassung, welche die Beklagte vor Obergericht für den Fall der Bejahung ihrer Haftpflicht vertreten hat. Der Kläger ficht diese Bestimmung nicht an, obwohl sie ihm den Ersatz der fraglichen Kosten entgegen Art. 9 EHG weder in Form einer Kapitalsumme (vgl. hiezu BGE 89 II 23 /24) noch in Form einer jährlichen Rente noch in Form einer Verbindung von Kapital und Rente zuspricht.
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Streitig ist vor Bundesgericht hinsichtlich der Festsetzung des Schadenersatzes nur noch, in welchem Umfang und in welcher Weise der Kläger für Nachteile teilweiser Arbeitsunfähigkeit zu entschädigen sei (Disp. 3 des Obergerichtsurteils).
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Diese Auffassung ist schon deshalb abzulehnen, weil die Schadenersatzklagen aus EHG gemäss Art. 14 Abs. 1 dieses Gesetzes innert zwei Jahren vom Tage des Unfalls an verjähren. Wenn somit die Forderung des Klägers auf Entschädigung für die Nachteile teilweiser Arbeitsunfähigkeit zur Zeit abgewiesen würde, könnte er sie allenfalls später wegen der inzwischen eingetretenen Verjährung nicht mehr einklagen (vgl. BGE 84 II 207 ff.). Es ginge nicht an, den Kläger, der rechtzeitig geklagt hat, auf Art. 14 Abs. 2 EHG zu verweisen, wonach die Verjährung nach den Bestimmungen des OR unterbrochen werden kann. Wie aus dem im Bundesrecht verankerten Anspruch auf Rechtsschutz sowie aus allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechts folgt (BGE 86 II 45 b), ist es dem Richter nicht gestattet, die Abwicklung des Prozesses und die Beurteilung zu verzögern oder die Klage zur Zeit abzuweisen und den Kläger zu veranlassen, sie später nochmals anzubringen. Der Schaden muss vielmehr selbst dann, wenn sein Umfang von künftigen Ereignissen abhängt und daher noch nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann, mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen (Art. 42 Abs. 2 OR) abgeschätzt werden (BGE 86 II 45 b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 77 II 299). Können die Folgen einer Körperverletzung im Zeitpunkte der Urteilsfällung nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, so darf der Richter gemäss Art. 10 EHG (oder gegebenenfalls Art. 46 Abs. 2 OR, Art. 36 Abs. 3 ElG) ausnahmsweise (vgl. Art. 10 EHG und OFTINGER, a.a.O. I S. 197) eine Abänderung des Urteils vorbehalten. Er darf jedoch die Klage auch in einem solchen Falle nicht einfach zur Zeit abweisen, sondern hat über den gestellten Anspruch zu befinden und ihn unter dem Vorbehalt der Abänderung festzusetzen (was STARK in ZSR 1967 II 81Fussnote 180 freilich für gewisse Fälle als unpraktisch bezeichnet, ohne jedoch die rechtliche Begründung des Entscheides BGE 86 II 45 zu widerlegen, während GILLIARD in ZSR 1967 II 238ff., ohne diesen Entscheid zu besprechen, eine Revision des Art. 46 Abs. 2 OR vorschlägt). Der vor Erlass von Art. 46 Abs. 2 des geltenden OR ergangene, von OFTINGER (a.a.O. I S 200) gebilligte Entscheid BGE 24 II 430 (nicht 230) Erw. 4, der dem Gericht erlaubte, zunächst nur den liquiden Teil des eingeklagten Gesamtschadens zu beurteilen und dem Kläger für den noch illiquiden Teil eine spätere Klage vorzubehalten, ist in dieser Beziehung durch BGE 86 II 44 ff. (besonders S. 48) überholt. Soweit die Beklagte verlangt, Art und Höhe der Entschädigung für Erwerbsausfall seien heute noch nicht festzusetzen, ist die Berufung also unbegründet.
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Der vom Kantonsgericht beigezogene Sachverständige, Prof. Dr. M. R. Francillon, Leiter der Orthopädischen Klinik Balgrist in Zürich, nahm in seinem Gutachten vom 8. März 1965 an, mit Rücksicht auf die vielen Möglichkeiten, die dem Kläger als einem geistig gesunden, gut entwickelten und aufgeweckten Knaben trotz seiner Invalidität noch offen stehen, sei es angebracht, bei der Abschätzung der Erwerbseinbusse ohne Berücksichtigung des Berufs auf die sog. medizinisch-theoretischen Wertungen abzustellen, die eine Invalidität von etwa 70% ergäben; die Berufsfrage möge bei einem Kinde dann berücksichtigt werden, wenn es sich z.B. um einen Sohn handle, der den väterlichen Betrieb hätte übernehmen sollen und hiezu wegen der Amputation nicht mehr imstande sei; ein solcher Fall liege nicht vor.
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Diese Auffassung leuchtet nicht ein. Der Sachverständige erklärt selbst, es sei etwas ganz anderes, ob z.B. ein Dachdecker oder ein Bankprokurist eine Verletzung erleide, wie sie dem Kläger widerfuhr. Ausserdem habe ein Kind unter der Voraussetzung der frühzeitigen Versorgung mit einer geeigneten Prothese eine viel grössere Fähigkeit zur Umstellung als der Erwachsene. Diesen Ausführungen hätte es entsprochen, wenn der Sachverständige bei der Abschätzung der künftigen Erwerbseinbusse des Klägers nicht kurzerhand auf die medizinischtheoretischen Wertungen abgestellt, sondern geprüft hätte, welche Berufsarten für den Kläger angesichts seiner körperlichen und geistigen Verfassung am ehesten in Frage kommen und wie sich seine Verstümmelung bei diesen Berufen voraussichtlich auswirken wird.
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Abgesehen davon, dass sich die Schlussfolgerung des Sachverständigen mit seinen eigenen Ausführungen nicht wohl verträgt, ist die Auffassung, bei der Abschätzung der künftigen Erwerbseinbusse des Klägers sei einfach auf die medizinischtheoretische Wertung seiner Invalidität abzustellen, aus rechtlichen Gründen abzulehnen.
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a) Nach Art. 3 EHG gibt eine Körperverletzung dem Geschädigten Anspruch auf Ersatz der Kosten und auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit. Überdies kann der Richter bei einer Verstümmelung oder Entstellung, durch welche das Fortkommen des Verletzten erschwert wird, auch dafür eine Entschädigung zusprechen. In Lehre und Rechtsprechung ist man sich darüber einig, dass Körperverletzungen an sich keinen Schaden im Sinne des Gesetzes darstellen. Ersatz ist vielmehr für die wirtschaftlichen Nachteile zu leisten, welche die Verletzung für den Verletzten mit sich bringt (BGE 91 II 426).
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b) Wenn ein Kind eine Körperverletzung erleidet, die einen bleibenden körperlichen Nachteil zur Folge hat, so ist seine dereinstige Erwerbseinbusse sehr schwierig abzuschätzen. Das soll indessen nicht daran hindern, diese Schätzung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände vorzunehmen. Dabei darf sich die noch verbleibende Ungewissheit nicht zu Ungunsten des Klägers auswirken. Sie muss vielmehr vom Beklagten, der für das schädigende Ereignis einzustehen hat, in Kauf genommen werden (BGE 81 II 518).
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c) Das Ausmass der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit darf jedoch nicht ohne weiteres dem Grad der sog. medizinischtheoretischen Invalidität, der in den "Gliedertaxen" zum Ausdruck kommt, gleichgesetzt werden (BGE 72 II 206, BGE 77 II 298/99), zumal nicht bei einem Kinde. Kinder sind, wie auch der Sachverständige hervorgehoben hat, viel anpassungsfähiger als Erwachsene. Je jünger ein Kind ist, wenn es eine Verstümmelung erleidet, um so leichter wird es sich den Gegebenheiten anpassen und versuchen, die Beeinträchtigung so gut als möglich zu überwinden. Das gilt namentlich für Kinder, die noch die ganze Schul- und Lehrzeit vor sich haben, wie es für den Kläger zutrifft. Die Ausbildung kann entsprechend dem körperlichen Mangel geleitet und der Beruf so gewählt werden, dass der Mangel die Erwerbsfähigkeit möglichst wenig beeinträchtigt (BGE 71 II 206/07, BGE 70 II 140/41). Sehr förderlich sind dabei die Massnahmen beruflicher Art (Berufsberatung, berufliche Ausbildung usw.) sowie die medizinischen Massnahmen, auf welche die Invaliden nach Art. 8 ff. des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 Anspruch haben.
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Aus diesen Gründen sah sich das Bundesgericht wiederholt veranlasst, kantonale Entscheidungen abzuändern, weil sie die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit zu hoch eingeschätzt hatten. In BGE 72 II 198ff. wurde z.B. nur eine Verminderung von 25% angenommen, obwohl der damalige Kläger, ein Knabe, dem der rechte Fuss hatte abgenommen werden müssen, nach medizinisch-theoretischer Wertung zu 60% invalid war und die Vorinstanz eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit von 40% angenommen hatte. In BGE 77 II 296ff. wurde die Entschädigung für Körperschaden eines erwachsenen Klägers um rund Fr. 9500.-- herabgesetzt mit der Begründung, die medizinisch-theoretische Invalidität habe praktisch nur eine geringe Erwerbseinbusse zur Folge. In BGE 70 II 140/41 wurde bemerkt, ein dreijähriges Mädchen werde sich "dans une large mesure" an die Unfallfolgen gewöhnen, was neben andern Gründen zu einer Abänderung des kantonalen Urteils zugunsten des Beklagten führte.
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8. Das Obergericht kam auf Grund ähnlicher Erwägungen zum Schluss, der Entscheid des Kantonsgerichts, das mit dem Sachverständigen eine Erwerbseinbusse von 70% annahm, führe "mit allergrösster Wahrscheinlichkeit zu einer - u.U. massiven - Bereicherung des Klägers". Es fand jedoch mehrheitlich, diesen Bedenken könne aus prozessualen Gründen nicht unmittelbar - bei der Festsetzung der Entschädigung - Rechnung getragen werden, weil die Beklagte es unterlassen habe, "einen Eventualantrag im Quantitativ" zu stellen und gegen das Gutachten Francillon Einwendungen zu erheben. Daher stehe einzig der Ausweg offen, vom Amtes wegen einen Abänderungsvorbehalt zugunsten beider Parteien im Sinne von Art. 10 EHG ins Urteil aufzunehmen...
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(Ausführungen darüber, dass die Anträge, welche die Beklagte im kantonalen Verfahren stellte, den Antrag auf Herabsetzung der Entschädigung für die Nachteile teilweiser Erwerbsunfähigkeit in sich schlossen und dass die Beklagte im kantonalen Verfahren darlegte, weshalb die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit in Fällen wie dem vorliegenden nicht einfach der medizinisch-theoretischen Invalidität gleichgesetzt werden dürfe).
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Hat die Beklagte mit ihren kantonalen Rechtsbegehren wenigstens implicite auch die Herabsetzung der Erwerbsausfallentschädigung verlangt und Ausführungen gemacht, die zur Begründung dieses Begehrens dienen können, so war die Vorinstanz, nachdem sie die Haftung der Beklagten grundsätzlich bejaht hatte, von Bundesrechts wegen verpflichtet, den erstinstanzlichen Entscheid über die Höhe der Erwerbsausfallentschädigung zu überprüfen. Der kantonale Richter verletzt nämlich Bundesrecht, wenn er sich in einem Prozess über Ansprüche aus dem Bundeszivilrecht mit prozessual ordnungsgemäss aufgestellten Rechtsbehauptungen der Parteien nicht materiell auseinandersetzt (vgl. KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweiz. Recht, S. 60, sowie GULDENER und VOYAME, ZSR 1961 II S. 23 ff., 70).
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Art. 14 EHG lautet:
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"Die durch dieses Gesetz begründeten Schadenersatzklagen verjähren in zwei Jahren, welche von dem Tage des Unfalles an gerechnet werden. Dieselbe Verjährungsfrist gilt für die aus Art. 10 sich ergebenden Begehren auf Erhöhung oder Herabsetzung der Schadenersatzsumme; sie läuft vom Tage der Eröffnung des Urteils an.
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Für den Stillstand, die Hinderung und die Unterbrechung der Verjährung gelten die Bestimmungen des Obligationenrechtes."
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Diese Bestimmung bezeichnet die Frist für Abänderungsbegehren im Sinne von Art. 10 EHG in der Tat als Verjährungsfrist. Sie deckt sich in dieser Hinsicht mit Art. 13 des nicht mehr geltenden Bundesgesetzes betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb vom 25. Brachmonat 1881 (FHG), der offenbar als Vorbild diente. Die genannte Bezeichnung ist jedoch für die rechtliche Würdigung der in Frage stehenden Frist nicht entscheidend; denn die schweizerischen Gesetze verwenden den Ausdruck Verjährung nicht immer im gleichen Sinne, sondern sprechen oft von Verjährung, wo es sich der Sache nach eindeutig um Verwirkung handelt (vgl. BGE 65 II 102ff. und BGE 76 II 241f. lit. c, wonach das z.B. für Art. 127 und 137/38 ZGB und für den Randtitel zu Art. 251 OR zutrifft; vgl. auch BGE 86 I 64 /65). Daher ist jeweils unter Berücksichtigung des ganzen Inhalts der betreffenden Bestimmung und des Zusammenhangs, in dem sie steht, sowie ihres Zwecks zu prüfen, ob man es mit einer Verjährungs- oder mit einer Verwirkungsfrist zu tun habe.
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Der erste Satz von Art. 14 Abs. 1 EHG betrifft die durch dieses Gesetz begründeten "Schadenersatzklagen". Damit sind offensichtlich die Schadenersatzansprüche im Sinne von Art. 1 ff. EHG gemeint. Indem Art. 14 EHG in Abs. 1 Satz 1 vorsieht, dass die Schadenersatzansprüche aus EHG in zwei Jahren vom Tage des Unfalls an verjähren, und in Abs. 2 für den Stillstand, die Hinderung und die Unterbrechung der Verjährung auf die Bestimmungen des OR verweist, ordnet er unzweifelhaft an, dass die genannten Ansprüche der Verjährung im eigentlichen Sinne dieses Wortes unterliegen.
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Die aus Art. 10 EHG sich ergebenden Begehren auf Erhöhung oder Herabsetzung der Schadenersatzsumme, von denen der zweite Satz von Art. 14 Abs. 1 EHG handelt, haben, wie aus Art. 10 EHG hervorgeht, eine Abänderung des Urteils zum Gegenstand. Eine solche kann nur der Richter vornehmen. Die Erhöhungs- oder Herabsetzungsbegehren sind daher beim Gericht anzubringen. Aufeinem andern Weg kann der Anspruch auf Erhöhung oder Herabsetzung der Entschädigung nicht durchgesetzt werden. Bei diesem Anspruch handelt es sich selbst dann, wenn er auf eine Erhöhung der Entschädigung gerichtet ist, im Unterschied zu den in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 behandelten Schadenersatzansprüchen nicht um eine Forderung, sondern der Anspruch geht auf eine richterliche Anordnung, die eine zusätzliche Forderung erst entstehen oder eine unter dem Vorbehalt der Abänderung festgesetzte Forderung teilweise wegfallen lässt. Eine solche Anordnung des Richters kann, wie aus Art. 10 EHG zu schliessen ist, nur einmal verlangt werden. Das folgt schon daraus, dass ein Abänderungsvorbehalt nur ausnahmsweise ins Urteil aufgenommen werden soll und dass Art. 10 Abs. 1 EHG von der Abänderung des Urteils in der Einzahl spricht ("die Abänderung des Urteils vorbehalten", "réserver une revision ultérieure du jugement", "riservare nella sentenza un aumento dell'indennità"). Das Gesetz ist unverkennbar bestrebt, die für beide Parteien nachteilige Ungewissheit über die Schadenersatzfolgen des Unfalles nicht zu lange dauern zu lassen (vgl. BGE 84 II 210 mit Hinweisen). Die Entstehungsgeschichte von Art. 14 EHG (Art. 11 des bundesrätlichen Entwurfs vom 1. März 1901, BBl 1901 I 690ff.) bestätigt das. Der von Müri in der nationalrätlichen Kommission gestellte und von Zürcher im Rate selbst wiederaufgenommene Antrag, die Bestimmung über die Verjährung der Abänderungsbegehren zu streichen, wurde nämlich von der Kommissionsmehrheit und vom Rate abgelehnt, weil im Interesse der Rechtssicherheit und mit Rücksicht auf die ökonomischen Folgen für beide Teile nach zwei Jahren am Urteil nicht mehr gerüttelt werden dürfe (vgl. die Wiedergabe des Standpunktes der Kommissionsmehrheit im Votum von Müri, Sten.Bull. 1902 S. 433, sowie die gegen den Antrag Müri/Zürcher gerichteten Voten von Bühlmann und Müller, a.a.O. S. 434). Im Ständerat führte der Berichterstatter Richard zur Begründung der Bestimmung über die Verjährung der Abänderungsbegehren u.a. aus, man dürfe die Tür zu einer Abänderung des frühern Urteils nicht während unbestimmter Zeit offen lassen; es liege im öffentlichen Interesse, dass die Prozesse ohne zu starke Verzögerung endgültig abgeschlossen werden und dass "les responsabilités ne demeurent pas indéfiniment suspendues sur la tête des intéressés" (Sten. Bull. 1904 S. 98). Das zeigt, dass dem Gesetzgeber trotz der Verwendung des Ausdrucks "Verjährung" im Grunde genommen eine Klagebefristung vorschwebte.
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Schon aus diesen Gründen ist anzunehmen, dass Art. 14 Abs. 1 EHG für die Abänderungsbegehren im Sinne von Art. 10 EHG nicht eine Verjährung im Sinne des OR vorsieht, die wiederholt unterbrochen werden könnte, sondern dass das Gesetz für solche Begehren in Wirklichkeit eine Verwirkungsfrist aufstellt, was bedeutet, dass das Recht, eine Abänderung des Urteils zu verlangen, endgültig erlischt, wenn es nicht innert der festgesetzten Frist durch Einreichung einer Klage ausgeübt wird, und dass das einmal ausgeübte Klagerecht nicht später, nach Ablauf der gesetzlichen Frist, noch ein zweites Mal ausgeübt werden kann. Das Gesetz erlaubt dem Richter nicht, im Entscheid über ein Abänderungsbegehren wiederum die Abänderung vorzubehalten.
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lo.-Bei der Auslegung von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 EHG sind im übrigen auch die sonstigen Bestimmungen des Bundesrechts über die Fristen für Begehren auf Erhöhung oder Herabsetzung des Schadenersatzes heranzuziehen. Das EHG ist zwar ein selbständiges Gesetz, das in seinem Anwendungsbereich den andern Sondergesetzen über die Haftpflicht und dem OR grundsätzlich vorgeht. Das gilt wenigstens insoweit, als es eine bestimmte Frage klar regelt (vgl. BGE 84 II 210). Wo es dagegen eine von vornherein nur einer Deutung fähige Regelung vermissen lässt, wie es nach dem Gesagten mit Bezug auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 zutrifft, ist es angezeigt, bei der Auslegung die entsprechenden Vorschriften anderer Gesetze sowie die Rechtsprechung und Lehre dazu mitzuberücksichtigen, um sachlich nicht gerechtfertigte Widerspüche mit der Regelung der gleichen Frage in andern Gesetzen tunlichst zu vermeiden.
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a) Art. 13 FHG bestimmte, die in Art. 12 für die Schadenersatzansprüche aus FHG festgesetzte "Verjährungsfrist" von einem Jahr finde "auch auf die in Art. 8 vorgesehenen Fälle für Rektifizierung der Urteilssprüche Anwendung". In BGE 19 S. 422/23 Erw. 4, wo darüber zu entscheiden war, ob die Frist des Art. 12 FHG nach den Bestimmungen des OR über die Verjährung unterbrochen werden könne, führte das Bundesgericht aus: "Auch wenn die Frist des Art. 13 cit. nur durch Klageerhebung unterbrochen werden kann, so beweist dies doch nichts für die Unterbrechung der in Art. 12 normierten Verjährung. Denn in den Fällen des Art. 13 handelt es sich eben speziell um Rektifikation eines Urteils, welche nur durch den Richter geschehen kann, nicht um die Geltendmachung der ursprünglichen Schadenersatzforderung". Unter Hinweis auf dieses Urteil, das den Unterschied zwischen den Fristen der Art. 12 und 13 FHG deutlich hervorhebt, vertrat V. E. SCHERER (Die Haftpflicht des Unternehmers, 2. A. 1908, S. 201) die Auffassung, die Frist des Art. 13 FHG sei eine Ausschlussfrist, auf welche die Vorschriften des OR über die Verjährung nicht anwendbar seien. In BGE 32 II 627 Erw. 3, wo diese Frage nicht zu entscheiden war, erklärte das Bundesgericht unter Anführung von BGE 29 II 422 (richtig: 19 S. 422), es sei "zum mindesten sehr zweifelhaft", ob eine Verlängerung der Frist des Art. 13 durch Unterbrechung möglich sei, d.h. "ob man es mit einer Verjährungs- oder nicht vielmehr mit einer Verwirkungsfrist zu tun hat".
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b) Das ElG vom 24. Juni 1902 erlaubt dem Richter im ersten Satze von Art. 36 Abs. 3, im Urteil ausnahmsweise eine spätere Berichtigung vorzubehalten, und bestimmt im darauf folgenden Satze: "Ein bezügliches Begehren muss längstens innert Jahresfrist nach Ausfällung des Urteils gestellt werden". Damit wird klarerweise eine Verwirkungsfrist aufgestellt.
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c) Art. 46 Abs. 2 OR, wonach der Richter "bis auf zwei Jahre, vom Tage des Urteils an gerechnet, dessen Abänderung vorbehalten" kann, stellt für die Abänderungsbegehren ebenfalls eine Verwirkungsfrist auf, die nur durch Klage gewahrt werden kann (vgl. BGE 86 II 46 /47, BGE 55 II 322/23; vgl. ferner BECKER, 2. A., N. 7, und OSER/SCHÖNENBERGER N. 20 zu Art. 46 OR; H. KNECHT, Die Abänderungsklagen, Zürcher Diss. 1954, S. 83/84; v. BÜREN, Schweiz. OR, Allg. Teil, 1964, S. 274).
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Die in Erwägung 9 hievor begründete Auffassung, dass die Frist von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 EHG in Wirklichkeit eine Verwirkungsfrist ist, steht also mit der Regelung, die für die entsprechenden Fristen anderer Gesetze gilt (bzw. galt), im Einklang. Ein sachlicher Grund für eine verschiedene Behandlung dieser Fristen besteht nicht. Das Schrifttum bezeichnet denn auch die erwähnte Frist einhellig als Verwirkungsfrist (OFTINGER a.a.O. I S. 199 mit Fussnote 258, wo BGE 32 II 627 statt BGE 34 II 627 zitiert sein sollte; KNECHT a.a.O. S. 84; NABHOLZ, Verjährung und Verwirkung als Rechtsuntergangsgründe infolge Zeitablaufs, Zürcher Diss. 1958, S. 219; STARK, ZSR 1967 II 82).
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