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34. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Juni 1969 i.S. von Puell gegen Wunderly. | |
Regeste |
Patentnichtigkeitsklage, Einrede des Rechtsmissbrauchs und des Vertrages. | |
Sachverhalt | |
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Von Puell beherrschte als Hauptaktionär die drei Unternehmen "Quarztechnik AG.", Losone, "Induba AG.", Würenlos und "Etablissement Indhag", Vaduz.
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Am 16. Oktober 1963 schloss von Puell mit dem Kaufmann Charles Wunderly eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit in den genannten Unternehmen. Gemäss Art. 3 Ziff. 1 dieses Vertrages hatte Wunderly für Fr. 200'000.-- neue Aktien der Quarztechnik AG. zu zeichnen, womit sich das Aktienkapital ![]() | 3 |
Bezüglich der durch Patente oder Patentanmeldungen geschützten Maschinen und Apparate von Puells, die in einer Vertragsbeilage aufgezählt wurden, bestimmte Art. 3 Ziff. 1 l'dass die Nutzungsrechte dem Etablissement Indhag zustünden; dieses sei befugt, sie gegen Bezahlung einer angemessenen Lizenzgebühr auf die Quarztechnik AG. und die Induba AG. zu übertragen. Das Eigentum an den Patenten und den Patentanmeldungen sollte jedoch bei von Puell bleiben.
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Die dem Vertrag beigeheftete Liste nennt unter dem Titel "Laufende, in Anmeldung, Vorbereitung und Arbeit befindliche Patentangelegenheiten auf den Namen von Puell" an erster Stelle eine "Abkantmaschine" und eine "Biegeeinrichtung für lange dünne Bleche". Dabei handelt es sich, wie nicht streitig ist, um die Erfindungen, für welche die beiden eingangs erwähnten Patente erteilt wurden.
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Die Parteien nahmen die Zusammenarbeit auf. Sie überwarfen sich jedoch schon im Sommer 1964. Von Puell schied aus dem Verwaltungsrat der Quarztechnik AG. und der Induba AG. aus. Wunderly übernahm zusammen mit einem gewissen Blatter die Anteile von Puells an den beiden Gesellschaften, bei denen Blatter Präsident, Wunderly Vizepräsident des Verwaltungsrates wurde.
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von Puell gründete die Loparz Holding in Vaduz und übertrug ihr die alleinigen Verwertungsrechte an den beiden oben genannten Patenten. Mit Schreiben vom 25. September 1964 entzog der Anwalt von Puells der Quarztechnik AG. mit sofortiger Wirkung die Herstellungs- und Vertriebsrechte für die ![]() | 7 |
Am 16. Dezember 1965 reichte von Puell bei der Bezirksanwaltschaft Meilen gegen Wunderly Strafklage wegen vorsätzlicher, widerrechtlicher Erfindungsbenutzung gemäss Art. 66 lit. a in Verbindung mit Art. 81 PatG ein. Wunderly machte in der gegen ihn erhobenen Strafuntersuchung geltend, die angeblich verletzten Patente seien nichtig. Daraufhin setzte ihm die Strafuntersuchungsbehörde gestützt auf Art. 86 Abs. 1 PatG Frist zur Anhebung der Nichtigkeitsklage an mit der Androhung, bei unbenütztem Ablauf der Frist würde im Strafuntersuchungsverfahren Verzicht auf die Patentnichtigkeitseinrede und damit die Rechtsbeständigkeit der beiden in Frage stehenden Patente angenommen.
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B.- Am 10. Juni 1966 reichte Wunderly beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen von Puell Klage ein mit dem Antrag, die beiden Patente Nr. 400'065 und 392'434 nichtig zu erklären.
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Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Er machte geltend, aus der Natur des zwischen den Parteien durch die Vereinbarung vom 16. Oktober 1963 begründeten Rechtsverhältnisses ergebe sich, dass der Kläger auf die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen die beiden Patente verzichtet habe; dieser stehe daher die exceptio pacti entgegen. Auf jeden Fall verstosse die Nichtigkeitsklage angesichts des Vertragsverhältnisses der Parteien gegen Treu und Glauben im Sinne von Art. 2 ZGB, was die Erhebung der exceptio doli rechtfertige. Die Klage sei daher ohne materielle Prüfung der Rechtsbeständigkeit der Patente abzuweisen. Eventuell müsste sie auch als materiell unbegründet abgewiesen werden.
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C.- Das Handelsgericht Zürich verwarf den Einwand des Beklagten, die Nichtigkeitsklage verstosse gegen eine vertragliche Vereinbarung, die Patente nicht anzugreifen, sowie gegen Treu und Glauben, und es erklärte nach materieller Prüfung die beiden Patente mit Urteil vom 2. September 1968 nichtig.
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D.- Der Beklagte hat gegen das Urteil des Handelsgerichts die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Nichtigkeitsklage.
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Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Gleich verhält es sich, wenn durch den Lizenzvertrag zwischen den Parteien eine gesellschaftliche oder gesellschaftsähnliche Bindung geschaffen und damit ein besonderes Treueverhältnis begründet wurde (BGE 61 II 140,BGE 75 II 167).
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Eine solche Treuepflicht ist sodann auch anzunehmen, wenn sich die Parteien zwecks gemeinsamer Auswertung von Patenten zu einer Gesellschaft oder gesellschaftsähnlichen Partnerschaft zusammengeschlossen haben.
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Schliesslich ist auch dem Verkäufer eines Patentes der nachherige Angriff auf dessen Gültigkeit nach Treu und Glauben verwehrt, da er mit dem Verkauf den Bestand des Patentes stillschweigend anerkannt hat.
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In allen diesen Fällen decken sich die Einrede des Rechtsmissbrauches und des Vertrages inhaltlich im wesentlichen.
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3. Die Vorinstanz ist der Auffassung, selbst wenn zwischen den Parteien durch den Vertrag vom 16. Oktober 1963 ein Partnerschaftsverhältnis begründet worden sei, das auch die streitigen Patente erfasst habe, sei dem Beklagten die Erhebung der Einreden des Vertrages und des Rechtsmissbrauchs verwehrt, ![]() | 20 |
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Art. 66 PatG gibt dem Patentinhaber das Recht, einen Patentverletzer sowohl zivil- wie strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Wählt er den Weg der Zivilklage, so kann er der vom Verletzer erhobenen Einrede oder Widerklage der Patentnichtigkeit seinerseits mit der Einrede des Vertrages oder des Rechtsmissbrauchs begegnen, sofern die oben umschriebenen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Diese Befugnis steht ihm auch zu, wenn der Patentverletzer der Klage des Patentinhabers mit einer selbständig erhobenen Patentnichtigkeitsklage zuvorkommt.
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Erhebt der Patentinhaber Strafklage und bestreitet der Verletzer das Vergehen mit der Begründung, es fehle an einem gültigen Patent, so muss der Patentinhaber die Einreden des Vertrages und des Rechtsmissbrauches ebenfalls erheben dürfen. Denn seine Rechtsstellung kann nicht davon abhangen, ob die Frage der Gültigkeit des Patentes im Zivil- oder im Strafverfahren aufgerollt wird. Die gegenteilige Lösung hätte zur Folge, dass der Patentinhaber, der die genannten Einreden zu erheben gedenkt, auf das zivilrechtliche Vorgehen beschränkt wäre. Das Recht, Strafklage zu erheben, könnte er praktisch nicht mehr ausüben, es sei denn, er nehme die Gefahr in Kauf, die ihm nach dem Zivilrecht zu Gebote stehenden Rechtsbehelfe teilweise zu verlieren. Dass der Gesetzgeber eine solche Beeinträchtigung des Patentinhabers in seinen Rechten beabsichtigt habe, lässt sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen.
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In der gleichen Lage befindet sich der Patentinhaber, wenn der Verletzer die Patentnichtigkeitsklage erhebt, weil die Strafuntersuchungsbehörde ihm dazu Frist angesetzt hat mit der Androhung, dass sonst angenommen würde, er anerkenne die Rechtsbeständigkeit des verletzten Patentes.
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Diese in Art. 86 Abs. 1 PatG getroffene Ordnung beruht auf der Überlegung, dass die Strafbehörden, insbesondere die Untersuchungsbehörden und die erstinstanzlichen Strafgerichte, nicht immer über die erforderlichen technischen und patentrechtlichen Kenntnisse verfügen. Es wurde ihnen daher im Gesetz gestattet, sich von der Behandlung speziell patentrechtlicher ![]() | 24 |
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Es kann jedoch nichts darauf ankommen, ob im Zeitpunkt der zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien noch Bindungen bestehen, abgesehen von solchen, welche die Einrede des Rechtsmissbrauches oder des Vertrages zu begründen vermögen. Solche weitere Bindungen werden in der Regel fehlen. Entscheidend für die Zulässigkeit der genannten Einreden ist, ob zwischen den Parteien ein Treueverhältnis, eine gesellschaftsähnliche Partnerschaft bestand und ob die gestützt darauf erlangten Kenntnisse oder die engen Beziehungen zwischen den Parteien die Erhebung einer Patentnichtigkeitsklage auch nach Auflösung der Partnerschaft als Verstoss gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Gleich verhält es sich, wenn die vertragliche Bindung einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht auf die Patentnichtigkeitsklage enthält. Trifft dies zu, so ist anzunehmen, dass die Verpflichtung, die gemeinsam genützten Patente nicht anzugreifen, auch nach der Auflösung der Partnerschaft weiterbestehe.
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5. Das Handelsgericht begründet die Nichtzulassung der vom Beklagten erhobenen Einreden weiter damit, eine gestützt ![]() | 27 |
Nach BLUM/PEDRAZZINI (PatG Bd. III, Art. 86 Anm. 2 S. 709) hat auch der Strafrichter zu beachten, dass unter Umständen die Nichtigkeitsklage, etwa aus vertraglichen Gründen, nicht erhoben werden könne. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden, wenn sie dahin zu verstehen sein sollte, dass der Strafrichter durch den vertraglichen Ausschluss der Nichtigkeitseinrede gebunden und der Angeschuldigte zu bestrafen sei, selbst wenn keine Erfindung vorliegen sollte. Die Tatsache, dass der Angeschuldigte sich seinerzeit verpflichtete, das Patent nicht anzugreifen, genügt für die Strafbarkeit seines Tuns nicht. Die Nichtangriffsverpflichtung ist rein zivilrechtlicher Art und kann auch nur zivilrechtliche Folgen erzeugen, nämlich die Abweisung der Patentnichtigkeitsklage ohne materielle Prüfung der Gültigkeit des Patentes. Dagegen kann sie nicht ohne weiteres zur Bestrafung wegen Patentverletzung führen, wenn der Verpflichtete die Verpflichtung nicht einhält.
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Da der Strafrichter auch bei Abweisung der Nichtigkeitsklage durch den Zivilrichter gestützt auf die Einrede des Rechtsmissbrauchs oder des Vertrages die Gültigkeit des Patents zu prüfen hat, entfällt auch das weitere Argument der Vorinstanz, die auf Fristansetzung durch die Strafuntersuchungsbehörde erhobene Nichtigkeitsklage diene Verteidigungszwecken und müsse daher ohne Rücksicht auf die erwähnten Einreden zugelassen werden.
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6. Im weiteren fragt sich, ob die vom Beklagten erhobene Einrede des Rechtsmissbrauchs bezw. des Vertrages sachlich begründet sei. Mit dieser Frage hat sich das Handelsgericht infolge seiner irrtümlichen Auffassung, die genannten Einreden seien überhaupt nicht zulässig, nicht befasst. Das Bundesgericht ist beim gegebenen Stand der Akten nicht in der Lage, sie heute schon zu beurteilen. Die Sache ist daher an die ![]() | 31 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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